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Veröffentlicht am 27.02.2021

Im Rhythmus der Gezeiten

Die vier Gezeiten
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Adda Kießlings Familie gehört zur kleinen Nordseeinsel Juist wie die Gezeiten – bereits ihre Mutter Johanne ist auf der Insel aufgewachsen und das Familienhotel „De Tiden“ ist das größte und schönste der ...

Adda Kießlings Familie gehört zur kleinen Nordseeinsel Juist wie die Gezeiten – bereits ihre Mutter Johanne ist auf der Insel aufgewachsen und das Familienhotel „De Tiden“ ist das größte und schönste der Insel. Addas Mann Eduard soll nun das Bundesverdienstkreuz aufgrund seiner Bemühungen für den Schutz des Nationalparks Wattenmeer verliehen bekommen und das setzt den Patriarch mächtig unter Druck. Mitten in die Generalprobe dieses wichtigen Ereignisses platzt eine junge Frau, die Adda wie aus dem Gesicht geschnitten ist: Helen kommt aus Neuseeland und behauptet, mit den Kießlings verwandt zu sein. Als Beweis legt sie ein Foto vor, dass Adda zeigt und behauptet, dies wäre das einzige, was ihre Adoptiveltern von ihrer leiblichen Familie wüssten. Die Familie ist schockiert, weder Adda noch eine ihrer Töchter kann sich Helens Existenz erklären. Doch Adda möchte Helen helfen und beginnt mit ihr gemeinsam in der Vergangenheit zu forschen. Dass dabei längst vergessene Familiengeheimnisse ans Licht kommen, die alles bisher geglaubte verändern, kann Adda zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen.

Das Cover zu „Die vier Gezeiten“ finde ich wunderschön! In seiner scheinbaren Schlichtheit wirkt es aufgrund der Farben und des rätselhaften Motives der jungen Frau vollbekleidet im Wasser sofort rätselhaft und interessant - ein Buchcover, das direkt neugierig macht! Auch der Titel lädt zum Spekulieren ein, er verweist bereits auf Ebbe und Flut im Wattenmeer und führt den Leser somit direkt ins Setting ein. Warum von vier Gezeiten gesprochen wird erscheint zunächst mysteriös, klärt sich aber im Laufe des Romans auf stimmige Art und Weise auf.

Das Buch startet bereits rätselhaft mit einem Tagebucheintrag, der direkt auf das Motiv des Covers verweist und bereits Trauriges erahnen lässt. Anschließend macht die Handlung macht einen Sprung in die Gegenwart und wir lernen Protagonistin Adda und ihre Familie kennen. Aufgrund des erzählenden Schreibstils der Autorin können die Personen gut voneinander unterschieden werden, auch wenn der Großteil gleichzeitig eingeführt wird. Insgesamt ist das Buch sehr vielfältig geschrieben, sei es durch häufige Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Rückblenden und den Tagebucheinträgen. Nach dem originellen Eintrag zu Beginn des Buches war ich überrascht, diese Erzählform ca. zur Hälfte plötzlich wieder zu finden, wobei es sich dann aber nur noch um Erzählungen aus Wandas Vergangenheit handelt, welche teilweise lediglich aus trivialen Alltagsbeschreibungen einer Jugendlichen bestanden. Auch wechselt die Zeitform von Präteritum in Präsenz, wenn es um Addas Vergangenheit geht, was ich leider nicht richtig verstanden und eher als irritierend empfunden habe. Sowieso springt die Handlung ständig zwischen verschiedenen Zeiten und Personen hin und her, was vom Leser eine erhöhte Aufmerksamkeit fordert. Der häufige Wechsel macht es ihm teilweise schwer, das Geschehen einzuordnen und zu verstehen. Anstrengend waren die vielen Wiederholungen und Introspektionen der Figuren sowie viele Allgemeinplätze. Das hat dazu geführt, dass mir das Erzähltempo zu langsam wurde, sich das Buch an manchen Stellen gezogen hat und somit etwas langatmig wurde. Lediglich im letzten Viertel überschlagen sich die Ereignisse regelrecht und gefühlt werden alle Geheimnisse auf einmal aufgeklärt, was dann auf den wenigen Seiten wieder überfrachtet gewirkt hat. Eine ausgewogenere Verteilung der Geschehnisse wäre hier angenehmer gewesen.

Schön hingegen war der plattdeutsche Dialekt, der in manche Dialoge eingebunden wurde und sehr passend zum norddeutschen Flair passte. Sowieso haben mir das Lokalkolorit und die anschaulichen Beschreibungen der Insel Juist sowie der Wattenmeerregion wahnsinnig gut gefallen. Anne Prettin hat sowohl geschichtliche Informationen der Insel und des Naturparks geschickt eingebaut, als auch das nordische Flair rund um Land und Leute so gut eingefangen, dass der Leser regelrecht den Schlick zwischen den Füßen und den Wind im Haar spüren konnte. Insgesamt ist die Insel Juist ein tolles Setting und versetzt mich direkt in Urlaubsstimmung.

Inhaltlich war die Geschichte rund um die Frauen der Familie Kießling zunächst interessant und die vielen Familiengeheimnisse haben mich zum Rätseln eingeladen. Die Beziehungen der Personen zueinander sind verworren, egal ob in der Vergangenheit oder Gegenwart. Nach und nach kommen immer mehr dunkle Geheimnisse ans Licht, die häufig auch einfach hausgemacht sind und durch weniger Lügen und mehr Kommunikation vermeidbar gewesen wären. Menschlich ist vieles nicht nachvollziehbar. Schnell wird die Geschichte aufgrund der Vielzahl an Schicksalen überladen – schade, weniger Handlungsstränge wären hier angenehmer gewesen. Ich fühlte mich vor Familiengeheimnissen regelrecht überschüttet und fand es schade, dass Helen als Auslöser irgendwann fast in Vergessenheit geriet. Auch sind einige Entwicklungen etwas zu vorhersehbar und entsprechen sehr den gängigen Klischees. Es gibt viel Drama um die immer gleichen Themen, jede Generation wird mit derselben (unwahrscheinlichen) Situation konfrontiert. Gerade das Thema der ungewollten Schwangerschaft kommt mir sehr konstruiert vor. Insgesamt kommt es mir so vor, als ob das Buch einfach viel zu viel will: Familiengeheimnisse und tragische Figuren in jeder Generation, Lügen und Verheimlichungen, unglückliche Liebe und dann noch zahlreiche übergeordnete Themen wie Umweltschutz, Lokalpolitik, Judenverfolgung und Alltag zur NS-Zeit… das war mir alles etwas zu viel.

Auch konnten mich die Protagonisten des Buches nicht wirklich überzeugen. Ich konnte ihre Denk-und Handlungsweisen nicht nachvollziehen und wirklich sympathisch war mir auch niemand. Adda ist an sich der Ruhepol, der die Familie zusammenhalten möchte. Dabei bleibt sie aber sehr passiv was ihre persönlichen Wünsche angeht und handelt häufig sehr widersprüchlich. Sie teilt ihr Schicksal mit ihrer Mutter Johanne, die in ihren Rückerinnerungen eine nette junge Frau ist, aber unbegründet in ihrer weiteren Entwicklung zu einer harten, kalten, egoistischen Person wird. Vermutlich meint sie es nur gut, aber ihre Motive sind nicht nachvollziehbar. Ihrem Sohn und der Enkelin gegenüber ist sie sehr liebevoll, Adda behandelt sie streng und unnahbar. Das lässt die Figur für mich sehr unstimmig und wenig authentisch wirken. Auch die drei Töchter sind sehr klischeehaft gezeichnet und bleiben insgesamt sehr blass am Rande der Geschichte. Patriarch Eduard ist ebenfalls wie Familie Heinsen ein lebendes Klischee. Lediglich für die eher kurz erwähnten Nebenfiguren wie Okke, Onno und Helen konnte ich Sympathie entwickeln.

Insgesamt habe ich das Buch gerne gelesen und es trotz oben genannter Kritikpunkte als unterhaltsam empfunden. Allerdings gab es schon sehr viele Zufälle und widersprüchliche Charaktere, die es unglaubwürdig gemacht haben.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Story
Veröffentlicht am 23.02.2021

Montalbano dreht am Karussell

Das Karussell der Verwechslungen
1

Eigentlich möchte Commissario Salvo Montalbano nur das tun, womit er am liebsten seine Zeit verbringt: Die Sonne Italiens genießen, in seiner Lieblingstrattoria lecker speisen und Hafenspaziergänge unternehmen. ...

Eigentlich möchte Commissario Salvo Montalbano nur das tun, womit er am liebsten seine Zeit verbringt: Die Sonne Italiens genießen, in seiner Lieblingstrattoria lecker speisen und Hafenspaziergänge unternehmen. Doch leider geschehen in seinem Küstenort Vigàta ungereimte Dinge: Zwei junge Frauen werden überfallen, betäubt – und nach kurzer Zeit wieder frei gelassen. Die einzige Gemeinsamkeit ist, dass beide in einer Bank arbeiten. Zeitgleich verschwindet ein lokales Pärchen kurz nach der Rückkehr aus dem Urlaub, das Geschäft des Mannes geht in Flammen auf. Stehen die beiden Fälle in einem Zusammenhang oder soll eines über das andere hinwegtäuschen? Montalbano und sein Team müssen sich durch einen undurchsichtigen Dschungel an Täuschungen und Verwechslungen hindurchschlagen, bis sie endlich Klarheit erlangen.

Bereits das Cover zum Hörbuch ist absolut gelungen, es strahlt nur so vor Urlaubslaune und hat einen hohen Wiedererkennungswert. Die leeren Liegen an der Strandpromenade laden den Hörer regelreche ein, sich darauf zu setzen und das Hörbuch zu genießen! Das ist Italien-Flair pur! Gut finde ich auch, dass das Cover lediglich eine Stimmung vermittelt, aber noch nichts über den Fall oder gar das Krimigenre aussagt – so bliebt der Hörer neugierig und freut sich einfach über das Urlaubsgefühl. Des Weiteren liebe ich den kunstvollen Titel! „Das Karussell der Verwechslungen“ lässt auf einen undurchsichtigen Kriminalfall hoffen, in dem nichts so ist, wie es zunächst scheint und in dem der Hörer gemeinsam mit dem Commissario rätseln und ermitteln kann.

„Das Karussell der Verwechslungen“ ist bereits der 23. Band des italienischen Autors Andrea Camilleri aus seiner Reihe rund um Commissario Montalbano und sein Team. Leider ist Camilleri vor zwei Jahren von uns gegangen und hat vorher noch verfügt, dass dieses Werk erst nach seinem Tod veröffentlicht werden darf. Insofern habe ich das Buch auch mit einer gewissen Ehrfurcht gehört. Dass Camilleri ein Profi-Autor war merkt man deutlich an seinem strukturierten Plot und der ausgereiften Sprache, Ereignisse wie Details werden sehr anschaulich beschrieben, so dass beim Hören direkt Bilder vor meinen Augen entstehen. Insbesondere schafft es Andrea Camilleri durch seine anschaulichen Beschreibungen von Landschaft, Menschen und Kulinarik wie kein anderer, die Sehnsucht nach Italien zu wecken – ganz großes Kino!

Auch der Sprecher des Hörbuchs Bodo Wolf macht einen wirklich tollen Job! Er schafft es, mich komplett in die Geschichte hineinzuziehen! Seine Stimme hat eine angenehme Tonlage, die gut zur Geschichte passt, das Sprechtempo ist angenehm und die Betonungen an den richtigen Stellen. So schafft er es auch, an den richtigen Stellen Spannung aufkommen zu lassen und mich emotional mitzunehmen. Verschiedenen Charakteren haucht er passend Leben ein, lediglich Catarella habe ich als etwas nervtötend empfunden, was aber auch in der Figur an sich begründet liegt und somit auch wieder stimmig ist. Auf jeden Fall schafft es Bodo Wolf, ein italienisches Lebensgefühl zu vermitteln, was nur durch die schöne, passende Musik unterstrichen wird, die sowohl zu Anfang, als auch an wichtigen Stellen des Buches eingespielt wird. Insbesondere der Einstieg ins Hörbuch gelingt so mühelos und macht sofort Lust auf den Inhalt.

Montalbano hat in seinem letzten Fall mit allerlei Verwechslungen zu tun, die mal deutlicher, mal subtiler dargestellt werden. Bereits in den ersten Minuten dreht sich das „Karussell der Verwechslungen“ und zieht sich als Leitmotiv durch den kompletten Fall. Was gemächlich beginnt nimmt im weiteren Verlauf zunehmend an Tempo und Spannung zu, es geschehen zahlreichenverwirrende Ereignissen, bis am Ende der große Showdown kommt. Dieser war für mich an dieser Stelle zwar nicht mehr sonderlich überraschend, aber gut gelöst. Als Hörer wurde ich permanent dazu angeregt, gemeinsam mit Montalbano und seinem Team zu ermitteln, Spuren auszuwerten und über Motive und Verdächtige zu rätseln – es hat sich angefühlt, als wäre ich in Echtzeit live dabei! Außerdem musste ich mehr als einmal über Montalbanos Marotten und seinen Wortwitz schmunzeln.

Sowieso ist Commissario Montalbano einfach einzigartig! Er hat seine eigene, spezielle Art zu Ermitteln und Zeugen zu verhören. Seine Rückschlüsse lassen sich gut nachvollziehen und ich finde es toll, dass wir Hörer seine Gedankengänge nachvollziehen und somit mit ihm mit ermitteln können. Gut gefällt mir an seiner Befragungstaktik, dass er den Menschen prinzipiell wertschätzend begegnet und niemanden bloßstellt. Auch wird er als individueller, manchmal etwas brummeliger aber trotzdem liebenswerter Charakter dargestellt. Er lässt sich nichts vorschreiben und liebt es, wenn alles seinen routinierten Gang geht – ein sehr authentischer Sympathieträger.

Das einzige Manko am Hörbuch – welches im geschriebenen Buch so wohl nicht aufgetaucht wäre – war die Vielzahl an Namen. Die italienischen Namen der Personen klingen in meinen Ohren zwar alle schön und fremdländisch, aber so wurde es mir zusätzlich erschwert, sie auseinander zu halten. Ich hatte wirklich Schwierigkeiten, die vielen handelnden Personen und Zugehörigkeiten sortiert zu bekommen, was mich öfters aus dem Fluss gebracht hat, da ich am Grübeln war, um welche Person es sich nochmal gehandelt hat.

Zusammenfassend hat mir das Hörbuch zum " Karussell der Verwechslungen" ausnehmend gut gefallen, was auch ganz besonders an der Interpretation durch Bodo Wolf gelegen hat. Lediglich die Personen auseinanderzuhalten hat sich als schwierig erwiesen. Das Buch vermittelt das perfekte Italien-Flair, steigert langsam den Spannungsbogen, wirkt durchdacht und hat mich insgesamt ganz wunderbar unterhalten.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Sprecher
  • Spannung
  • Cover
Veröffentlicht am 10.02.2021

Kreativer Podcast-Thriller

Der Countdown-Killer - Nur du kannst ihn finden
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Elle Castillo ist Minnesotas beliebteste Podcasterin. Denn Elle hat sich dem „True Crime“-Genre verschrieben und rollt als private Ermittlerin scheinbar abgeschlossene Kriminalfälle wieder auf. Dabei geht ...

Elle Castillo ist Minnesotas beliebteste Podcasterin. Denn Elle hat sich dem „True Crime“-Genre verschrieben und rollt als private Ermittlerin scheinbar abgeschlossene Kriminalfälle wieder auf. Dabei geht es ihr nur um eines: Sie möchte Gerechtigkeit für die Opfer nie aufgeklärter Verbrechen. In der neuesten Staffel ihres Podcast widmet sie sich keinem geringeren als dem spektakulärsten Fall der Polizeigeschichte des Bundesstaates: Dem des sogenannten „Countdown-Killers“. Dieser tötete seine Opfer auf perfide, zahlenbasierte Art und Weise nach seinem ganz eigenen „Countdown“. Lange Zeit versetzte er Minnesota in Angst und Schrecken, dann konnte eines seiner Opfer fliehen und die Serie brach ab. Eine verbrannte Männerleiche wurde am Tatort gefunden und für die Öffentlichkeit war klar: Der Countdown-Killer ist tot. Doch Elle glaubt nicht daran und fängt an, die alten Spuren neu zu beleuchten. Da wird wieder eine junge Frau entführt, das Muster passt zum damaligen Vorgehen. Hat Elle den Mörder wieder aufgescheucht oder einen Trittbrettfahrer heraufbeschworen? Bevor sie diese Frage beantworten kann, wird der Fall persönlich…

Spannung pur! „Der Countdown-Killer“ ist ein absolut gelungener Thriller, der mich als Leser absolut fasziniert und gefesselt hat. Die Mischung aus verschiedenen Stilelementen fand ich wahnsinnig kreativ und hat mir großen Spaß gemacht, es wird zwischen Elles Podcast, unveröffentlichten Entwürfen und Interviews dazu, eigenen Gedankenmonologen und der eigentlich erzählten Handlung abgewechselt. Schade nur, dass nicht alle Folgen des Podcasts im Ganzen abgedruckt wurden, ich war dann doch etwas überrascht und enttäuscht, dass nach Folge 6 plötzlich Folge 11 kam und in letzterer nur kurz zusammengefasst wurde, was an Themen in den Zwischenfolgen behandelt wurden. Die Kapitel haben eine angenehme Länge und auch die Aufteilung in vier große Abschnitte war stimmig und passend.

Eine tolle Aktion fand ich auch den begleitenden Crime-Hörspiel-Podcast des Fischer-Verlags, der unkompliziert über den abgedruckten QR-Code aufgerufen werden kann. Eine super Idee, man konnte den Podcast im Buch quasi „live“ mithören, was das Gelesene noch eindrücklicher gemacht hat. Eine tolle Aktion!

Der Fall des Countdown-Killers wurde sehr spannend geschildert, Elles Nachforschungen und Erkenntnisse wurden authentisch und nachvollziehbar dargestellt und der Leser konnte gemeinsam mit ihr Rätseln und dem Killer auf die Spur kommen. Dabei gab es einige Überraschungen und unvorhergesehene Wendungen, die mir gut gefallen haben. Elle als Protagonistin war mir sehr sympathisch, ich habe ihre Einstellung und ihren Enthusiasmus sehr bewundert – auch bereits bevor ich ihre Hintergründe kannte. Je weiter die Geschichte voranschritt, umso mehr hat sie mich allerdings genervt: Ihre Handlungen waren teilweise impulsiv und egoistisch, sie hat wenig Rücksicht auf ihr liebevolles Umfeld genommen (Martín ist so ein toller Mann!) und sich immer und immer wieder im Kreis gedreht. Das ließ sie zuweilen labil und hysterisch wirken und sie hat des Öfteren die Grenzen ihrer Befugnis überschritten und somit gegen ihre eigenen Grundsätze verstoßen. Überrascht war ich, dass plötzlich mitten im Buch die Perspektive und Zeitebene gewechselt hat, was den Leser die Hintergründe des Täters hat verstehen lassen. Das hat mich kurz irritiert, war aber durchaus notwendig zum vollständigen Verständnis der Täterhandlungen. Dementsprechend habe ich die Auflösung des Falles als stimmig und absolut rund wahrgenommen. Auch das Cover – das ich zunächst einfach nur hübsch und ansprechend fand – macht nach der Lektüre absolut Sinn und ist somit sehr passend für das Buch.

Insgesamt hatte ich eine tolle, abwechslungsreiche Lesezeit mit diesem kreativen Podcast-Thriller und würde das Buch jedem empfehlen, der Spaß am Mix verschiedener Stilelemente hat und gerne gemeinsam mit einer authentischen und größtenteils sympathischen Protagonistin auf Verbrecherjagd gehen möchte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
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  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.02.2021

Commissario Grauner legt sich mit der Mafia an

Das dunkle Dorf
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Mitten in der Ski-Saison wird Commissario Grauner zu einem rätselhaften Mordfall gerufen: Ein im Grödnertal bekannter Dorfpolizist wird ermordet in einem Hotelzimmer aufgefunden. Während sein neapolitanischer ...

Mitten in der Ski-Saison wird Commissario Grauner zu einem rätselhaften Mordfall gerufen: Ein im Grödnertal bekannter Dorfpolizist wird ermordet in einem Hotelzimmer aufgefunden. Während sein neapolitanischer Kollege Saltapepe inkognito als Gast im Hotel eincheckt und sogar Skifahren lernen möchte, stolpert er regelrecht über seine Vergangenheit – besser gesagt über die Tochter seines Erzfeindes, einem Mafiaboss, den er vor einigen Jahren ins Gefängnis gebracht hat. Die Ermittler glauben nicht an einen Zufall, auch wenn die Anwesenheit der Mafia nicht ins beschauliche Südtirol passt. Doch bevor sich Grauner die Zusammenhänge erschließen nimmt der Fall eine neue Brisanz an, denn plötzlich sind Grauners Frau und seine Tochter verschwunden…

„Das dunkle Dorf“ vom Südtiroler Autor Lenz Koppelstätter ist der sechste Fall der Krimi-Reihe rund um Commissario Grauner. Auch ohne Kenntnis der Vorgängerbände werden die Zusammenhänge schnell verständlich, der Band lässt sich ohne Probleme auch als „Zwischeneinsteiger“ lesen. Ich hatte zu Beginn kurz Schwierigkeiten mit den vielen unbekannten Personen, da diese aber sehr individuell geschildert und Zusammenhänge erläutert werden hat sich das schnell gelegt. Irritierend fand ich lediglich, dass diese größtenteils nur mit Nachnamen beschrieben werden, was sie für mich unpersönlicher hat wirken lassen.

Das Cover gefällt mir sehr gut, es ist sehr atmosphärisch gestaltet und versetzt den Leser direkt in die richtige Stimmung für einen Südtirol-Krimi. Es zeigt zwar eine winterliche Idylle, durch die dunklen, eindrucksvollen Berge, die aufziehenden Wolken und vor allem die einsamen Fußspuren am unteren Ende wirkt es dennoch bedrohlich und macht neugierig, wer hier alleine in der verschneiten Landschaft unterwegs ist. Gut gefallen haben mir auch die geographischen Karten im Buch, auch wenn ich während des Lesens teilweise etwas enttäuscht war, dass diese leider nur wenig genutzt werden können, da einige erwähnte Orte nicht darauf abgebildet sind.

Zunächst habe ich den Schreibstil als etwas holprig empfunden und ich habe etwas gebraucht, bis ich Zugang zur Geschichte finden konnte. Die Perspektiven zwischen unterschiedlichen Personen wechseln häufig und es dauerte immer etwas, bis ich verstanden habe aus wessen Sicht und zu welcher Zeit gerade erzählt wurde. Das hat zunächst etwas Konzentration erfordert, als ich mich aber daran gewohnt hatte war das Buch flüssiger und stellenweise aufgrund von Situationskomik sehr humorvoll zu lesen. Gut gefallen hat mir auch, dass die Kapitel eine angenehme Länge haben.

Der Einstieg in das Buch hat mir unheimlich gut gefallen: Es startet recht allgemeingültig mit Bemerkungen über die Nachbar- und Gemeinschaft in einem kleinen Dorf mit all seinen Vor- und Nachteilen. Dann werden langsam verschiedene Handlungsstränge aufgebaut, die auf den ersten Blick kaum etwas miteinander gemein haben, so dass man als Leser zum miträtseln aufgefordert ist. Insgesamt ist der eigentliche Fall um den toten Dorfpolizisten aufgrund der vielen anderen Handlungsstränge leider etwas in den Hintergrund gerückt, so dass ich ihn zwischendurch fast vergessen hätte. Diese waren zwar interessant, entwickeln sich aber eher gemächlich – was gut zur Person Grauner und dem verschneiten Südtiroler Flair passt, ich mir aber trotzdem etwas mehr Spannung gewünscht hätte. Am Ende war es mir dann fast etwas zu viel an Ungeheuerlichkeiten und Verbrechen im kleinen beschaulichen Wolkenstein. Das Ende war zwar aufregender, aber ein großer Showdown blieb aus. Trotzdem haben sich alle Handlungsstränge logisch und sinnvoll verknüpft und auch die eine oder andere Überraschung war dabei. Richtig geärgert habe ich mich über den fiesen Cliffhanger im Epilog, da er die für mich eigentlich runde Geschichte etwas ruiniert hat. So scheint es als hätte noch schnell ein neuer Handlungsstrang eröffnet werden müssen, damit auch bloß jeder den Folgeband kauft. Schade, das hätte es nicht gebraucht.

Auch wenn es etwas länger gebraucht hat, bis mich „Das dunkle Dorf“ gepackt hat und ich mir mehr Spannung erhofft habe, hatte ich doch eine gute Lesezeit. Die südtiroler Ermittler sind allesamt Originale und mir trotz – oder wegen? – ihrer Eigenheiten ans Herz gewachsen. Auch die bildhaften Beschreibungen des Grödnertals haben mir wahnsinnig gut gefallen und richtig Lust auf einen Urlaub in den verschneiten Bergen gemacht.

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Veröffentlicht am 06.02.2021

Ganz okay, aber kein Hörgenuss

Der Mädchenwald
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Elissa ist ein cleveres, 13jähriges Mädchen, das für ihr Leben gerne Schach spielt. Und da sie das Spiel auch sehr gut beherrscht, darf sie auf einem großen Schachturnier gegen andere Kinder antreten. ...

Elissa ist ein cleveres, 13jähriges Mädchen, das für ihr Leben gerne Schach spielt. Und da sie das Spiel auch sehr gut beherrscht, darf sie auf einem großen Schachturnier gegen andere Kinder antreten. Das Turnier läuft gut für Elissa, doch als sie in der Mittagspause nach draußen geht geschieht das Unglück: Sie wird in einen Lieferwagen gezerrt, betäubt und entführt. Als Elissa erwacht befindet sie sich in einem schmutzigen, dunklen und kalten Kellerverlies. Ihr Entführer, den sie für sich den „Guhl“ nennt, zwingt sie zu absolutem Gehorsam. Ihr trister Alltag wird lediglich durch die Besuche von Elijah durchbrochen, doch dass mit diesem etwas nicht stimmt, bemerkt Elissa schnell. Elijah ist ein Einzelgänger, er lebt isoliert von der Außenwelt, möchte gerne ihr Freund sein, weigert sich aber ihr aus der ausweglosen Lage zu helfen. Er scheint sein eigenes Spiel zu spielen und nun entscheidet sich wer cleverer ist: Kann Elissa ihn dazu bewegen, ihr zur Flucht zu verhelfen oder erreicht Elijah seine eigenen Ziele?

Das Cover zu „Der Mädchenwald“ zeigt eine kleine, einsam gelegen Hütte inmitten eines Waldes mit hohen Bäumen im Nebel. Die einzigen Farbkomponenten sind die orangene Schrift und die in gleicher Farbe gehaltene Hütte – ein Cover, das düster und geheimnisvoll wirkt und somit perfekt zum Genre des Thrillers passt.

Kreativ fand ich an der Hörbuchversion, es als Hörspiel mit drei Sprechern zu gestalten. Die Idee passt sehr gut zu den drei Perspektiven, aus denen im Buch erzählt wird. Leider hat mir die Umsetzung allerdings nicht besonders gut gefallen. Elissas Stimme war an sich passend solange sie nur Elissa gesprochen hat, kamen aber andere Personen durch sie zu Wort hatte die Sprecherin Probleme. Insbesondere das Flüstern des Entführers habe ich kaum verstanden und trotz mehrmaligem Zurückspulen irgendwann frustriert weiterlaufen lassen. Im Myriets Stimme hat mir jegliches Gefühl gefehlt, sie war seltsam sachlich, selbst in emotionalsten Momenten, was ich nicht besonders passend fand. Ich hatte Schwierigkeiten, aufmerksam zu bleiben. Sobald sie männliche Stimmen, wie die eines anderen Polizisten, gesprochen hat, klang sie mir zu verstellt und nicht mehr glaubwürdig. Elijahs Stimme, Gerrit Schmidt-Foss, hingegen war passend und stimmig intoniert.

Die Handlung des Hörbuches war schockierend und verstörend, insbesondere der Anfang war hochspannend und hat mich sofort gefesselt. Ab dem Moment, in dem Elissa im Kellerverlies aufwacht, hat sich die Handlung allerdings wahnsinnig gezogen. Ich musste mich sehr konzentrieren, bei der Sache zu bleiben, so langweilig wurde es. Elijah fand ich sehr unsympathisch und einfach nur plump, sein ständiges hin- und her hat mich irgendwann nur noch genervt und auch das künstliche Hinauszögern, bis sein wahres Ich enthüllt wurde, war langatmig und unnötig. Myriet, die Ermittlerin im Fall, hatte nicht nur mit der Suche nach Elissa, sondern auch mit ihren persönlichen Problemen zu kämpfen. Ich habe nicht wirklich verstanden, was das zur Handlung beitragen sollte. Vielmehr erschien mir die Figur dadurch absolut unrealistisch – in ihrer gesundheitlichen wie psychischen Verfassung rund um die Uhr eine derartige Ermittlung zu leiten erscheint mir nicht möglich. Sie war deshalb für mich absolut unglaubwürdig. Elissa hingegen habe ich als tolles Mädchen wahrgenommen, wenn auch vielleicht etwas zu reif für ihr Alter.
Insgesamt konnte ich mit Handlung und Figuren nicht wirklich warm werden, viele Aktivitäten fand ich einfach nur verwirrend und auch etwas widersprüchlich. Einige Aspekte werden nicht aufgeklärt und der eigentliche Grund für die Entführungen, was eigentlich der Auslöser war und was dahintersteckt, wurde nie aufgeklärt. Das hat mich enttäuscht und unbefriedigt zurück gelassen. Gut gefallen hat mir nach der langwierigen Episode der Gefangenschaft, die folgenden Überraschungen, mit denen ich keineswegs gerechnet habe. Sowieso ist dem Autor mehrfach gut gelungen, mich in falschen Sicherheiten zu wiegen und auf falsche Fährten zu führen – das war sehr clever gemacht!

Insgesamt muss ich aber sagen, dass ich das Hörbuch okay, aber nicht begeisternd fand. Teilweise war das perverse Spiel mit den Kindern auch sehr (unnötig) brutal geschrieben und hat mich mit dem großen offenen Punkt des Warum? Zurückgelassen. Das hätte ich schon noch gerne aufgeklärt gehabt. „Der Mädchenwald“ als Hörbuch war leider nicht unbedingt mein Geschmack und ich war zugegebenermaßen froh, als ich es beendet hatte.

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