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Veröffentlicht am 12.02.2018

Für ein wirklich gelungenes Comeback reicht es leider nicht.

Kaiserschmarrndrama
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Ich habe mich lange auf die Fortsetzung der Eberhofer Reihe gefreut. So wie der letzte Fall zu Ende ging, stand offen, ob es weitere Folgen überhaupt geben wird.
Klappentext beschreibt die Ausgangssituation ...

Ich habe mich lange auf die Fortsetzung der Eberhofer Reihe gefreut. So wie der letzte Fall zu Ende ging, stand offen, ob es weitere Folgen überhaupt geben wird.
Klappentext beschreibt die Ausgangssituation recht treffend: „Im Wald von Niederkaltenkirchen wird eine nackte Tote gefunden. Sie war erst kurz zuvor beim Simmerl in den ersten Stock gezogen und hat unter dem Namen "Mona" Stripshows im Internet angeboten.
Der Eberhofer steht vor pikanten Ermittlungen, denn zum Kreis der Verdächtigen zählen ein paar ihrer Kunden, darunter der Leopold, der Simmerl und der Flötzinger. Harte Zeiten für den Franz, auch privat: Das Doppelhaus vom Leopold und der Susi wächst in dem Maße wie Franz' Unlust auf das traute Familienglück.
Dann: die zweite Tote im Wald. Das gleiche Beuteschema.
Ein Serienmörder in Niederkaltenkirchen?“
Schon der Anfang ging sehr gemütlich los. Franz‘ Schutzengel hatte gute Dienste geleistet. Der Rudi gesellt sich etwas später dazu, alles wie nie was gewesen. Bis die bekannten Figuren vorgestellt und die alten Verhältnisse nochmals erzählt wurden, hpts. für diejenigen, die die Serie nicht kennen, ist schon das erste Viertel vorbei. Für die Kenner der Serie ist so etwas eher langweilig.
Das eigentliche Geschehen fängt erst Wochen danach, als eine Frauenleiche im Wald gefunden wird, dort, wo Franz mit Ludwig seine Runden dreht. Die ersten Schritte werden gemacht, doch dann stockt der Fall bis auf weiteres.
Bis zur Mitte, und auch später, plätschert er vor sich her, die Ermittlungen laufen nur am Rande, denn der gute Franz hat wichtigere Dinge zu tun: Sein Saustall soll bleiben, wo er ist, da ist ein großes Drama darum; da soll die Badewanne fürs neue Bad ausgewählt werden; die neuen Möbeln müssen eingekauft werden, da wird es samt Oma &Co. zum Möbelhaus gefahren, usw. „Spannung hoch 23“.
Die versprochene „Brisanz“ hielt sich doch eher in Grenzen. Es ist, als ob man etwas anfängt und doch nicht den Mut hat, dies zu Ende zu führen.
In der zweiten Hälfte gibt es eine zweite Leiche, auch im Wald, wo Franz sonst seine Runden dreht, ähnlich zugerichtet wie die erste. Aber auch hier wird eher halbherzig ermittelt, denn das Familienleben und die Verwicklungen um das neue Haus, sowie Rudis Wiederkehr sind ja wichtiger, zumindest werden sie in den Vordergrund gerückt. Aus gutem Grund, wie man im Nachhinein versteht.
Es gibt paar Szenen, die auf die Situationskomik hinaus wollten, wie der Flug mit dem Hubschrauber. Leider konnten sie keine erwünschte Wirkung entfalten, höchstens Zucken mit den Schultern: So what?
Es ist ein nettes Wiedersehen mit den liebgewonnenen Figuren, alle haben ihren Auftritt, mehr aber war es auch nicht. Ein Krimi ist es wohl kaum, die Fälle sind nicht wirklich was. In früheren Folgen sah es damit deutlich anders aus. Es ist eher die nächste Folge einer Vorabendsendung im Stile GZSZ.
Selbst wenn man sagt, gut, Eberhofer liest/hört man nicht wegen harten Krimifällen an, selbst bei so einer Betrachtungsweise fehlten mir die anderen Dinge, die mich seinerzeit an die Reihe gebunden hatten. Mir fehlten die Auflacher, die ich in den früheren Folgen des Öfteren gehabt habe, auch beim zweiten und dritten Mal Hören. Der Humor von früher ist einfach nicht da. Paar klägliche Versuche höchstens. Dagegen gibt es paar Momente, die zum Auf-die-Tränendrüse-drücken angedacht waren, etwa beim Ludwig, dem alten Hund von Franz, oder ganz zum Schluss. Das alles bezieht sich aber wieder mal auf das Familiäre und man fühlt sich wieder wie in einer Familienserie gefangen: alte Muster, bekannte Figuren, die sich nur minimal weiterentwickeln, alles beim bewahrten Alten.
Es gibt da eine neue Figur, die wohl hpts. für Konflikte sorgen sollte, aber sie war eher zu blass und wenig überzeugend: Klischees, wohin das Augen reicht.

Fazit: Insgesamt fühlte ich mich da nicht abgeholt und wohl kaum wie in einem Krimi: zu 80% geht es um das Leben der Familie Eberhofer. Der Schwerpunkt dieser Folge liegt eindeutig auf dem Zwischenmenschlichen, wer wen mag und nicht mag und warum, das wird zwischen Franz und Rudi dann ausführlichst ausdiskutiert, was früher wohl kaum für möglich gehalten werden konnte, da Franz solche Themen eigentlich nicht mag. Seine A...lochseite hat er wohl größtenteils hinter sich gelassen. Spannung hält sich insg. sehr in Grenzen.
Für drei Sterne reicht es. Für mehr leider nicht.

Kaiserscharrndrama habe ich gehört. 7 Stunden und 50 Minuten, ungekürzte Ausgabe, gelesen von Christian Tramitz. Er hat wieder sehr gut gelesen, alle Stimmen hört man deutlich heraus. Auch Kinder klangen recht gut, aber irgendwie hatte ich auch hier den Eindruck, dass da die Luft eher raus ist. Diese frühere Begeisterung und Spaß beim Vorlesen waren nicht mehr wahrnehmbar.

Veröffentlicht am 31.01.2018

Ein gutes Buch für Einsteiger.

Der Zerfall der Demokratie
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Von dem Buch habe ich insg. einen guten Eindruck gewonnen. Als Einstieg in diese Problematik eignet sich dieses Werk sehr gut.
Das Buch ist nach dem klassischen amer. Prinzip „Situation – Komplikation ...

Von dem Buch habe ich insg. einen guten Eindruck gewonnen. Als Einstieg in diese Problematik eignet sich dieses Werk sehr gut.
Das Buch ist nach dem klassischen amer. Prinzip „Situation – Komplikation – Lösung“ aufgebaut worden und hat drei Teile je drei Kapitel, rund 255 Seiten insg., die aus einigen kürzeren Abschnitten bestehen. Vorwort von ca. 24 S. und Schlussbemerkung von ca. 15 S. runden die Ausführungen ab.
Mounk unterscheidet zw. der liberalen Demokratie, undemokratischem Liberalismus, illiberaler Demokratie und Diktatur. All diese Formen beschreibt er anschaulich im Kap. 1, Teil I. Im Kap. 3 spricht er von der „Entkonsolidierung der Demokratie“ und stellt anhand von einigen Graphiken und Statistiken fest, dass die Liebe zur Demokratie schwindet und andere, autoritäre Alternativen, insb. bei der jüngeren Bevölkerung, populärer werden. Er beschreibt die gefährlichen Folgen solcher Entwicklungen, schildert sie am Beispiel Polens und schließt Teil I mit: „Die Vorboten des Zerfalls der Demokratie standen deutlich vor aller Augen. Aber die meisten Politikwissenschaftler haben es vorgezogen, nicht hinzusehen. Das macht es umso wichtiger, dieselben Warnglocken jetzt, da sie auch in Ländern wie Deutschland und vereinigten Staaten ohrenbetäubend läuten, endlich ernst zu nehmen.“ S. 154.
Im Teil II (ca. 33 S.) nennt Mounk Gründe für die o.g. Entwicklungen wie die Identitätskrise, Ängste wirtschaftlicher Natur, die im Laufe der letzten Jahrzehnte immer akuter wurden, spricht von der Rolle der sozialen Medien, und erklärt, wie all dies zur Aushöhlung der liberalen Demokratie geführt hat.
Teil III widmet sich den Lösungen (ca. 90 S.): „Nationalismus zähmen, Wirtschaft sanieren, Glauben an Demokratie erneuern“, so die Vorschläge des Autors. Im Schlusswort ruft er zur Rettung der Demokratie auf, ja zum Kampf für eigene Überzeugungen.
Mounk sagt viele richtige Dinge, wie z.B. „Im Laufe der letzen Jahrzehnte in nordamerikanischen und westeuropäischen Ländern zu einem Zerfall der Demokratie. Unser politisches System verspricht die Volksherrschaft. Aber in der Praxis ignoriert es den Willen allzu häufig. Von den meisten Politikwissenschaftlern unbemerkt hat in vielen Ländern ein System des Rechts ohne Demokratie Einzug erhalten“. S. 292.

Mir war aber auch oft, dass er sich sehr zurückgehalten hat, z.B. als es um die Rolle der Eliten in den o.g. Entwicklungen ging und noch paar anderen Punkten, was das Ganze politisch korrekt und etwas oberflächlich erscheinen lässt. Zudem blieb er im Rahmen des gewohnten Narratives der Leitmedien, u.a. wenn es um die Beschreibung des Zustandes der Demokratie und die Ursachen ihres Zerfalls ging. Und als er den Blick auf andere Länder richtete: „böse Buben“ an der Macht, wohin das Auge reicht, und „bei den Guten“ liegt auch vieles im Argen, was zur von mir insgeheim erhofften erfrischenden Originalität und Tiefe der Ausführungen wohl kaum beigetragen hat.
So ist es eher ein Werk für Einsteiger geworden, die ihre ersten Schritte auf dem Gebiet so langsam aber sicher machen möchten.

Das Werk liest sich angenehm leicht. Der Stoff ist sehr zugänglich dargeboten worden, anhand von vielen Beispielen und Situationen, die Leser bestimmt schon kennen. Die Zusammenhänge sind klar, die Argumentation ist logisch und auch für Laien prima verständlich.

Das Buch ist schön gemacht: Festeinband in Dunkelblau, Umschlagblatt, einige Graphiken in schwarz/weiß, Quellennachweis zum Schluss auf rund 40 S.

Fazit: Ein gutes Buch für Einsteiger, die sich dem Thema „Zerfall der Demokratie“ nähern möchten. Alles ist gut und sehr zugänglich erklärt worden. Die vorgeschlagenen Lösungen sind kaum von der Hand zu weisen, stellen aber insg. keine neuen Erkenntnisse dar. Die großen Durchbrüche und bahnbrechende Enthüllungen sind nicht dabei.

Veröffentlicht am 29.01.2018

Konnte mich leider nicht überzeugen.

Tante Poldi und der schöne Antonio
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Lange auf Teil 3 gewartet und nicht gerade zufrieden zurückgeblieben. Von den ersten zwei Teilen war ich restlos begeistert, ich bin quasi Poldi & Co. Fan, aber Teil 3 konnte mich weder abholen noch überzeugen. ...

Lange auf Teil 3 gewartet und nicht gerade zufrieden zurückgeblieben. Von den ersten zwei Teilen war ich restlos begeistert, ich bin quasi Poldi & Co. Fan, aber Teil 3 konnte mich weder abholen noch überzeugen.

Die Handlung mäandert in der ersten Hälfte dahin, ist ab der zweiten Hälfte in weiten Strecken unglaubwürdig, fällt gar ins Groteske, völlig Übertriebene. Mir war, als ob der Autor dies mit voller Absicht so gestaltet hat, um die heutigen antizipierten Erwartungen zu verhöhnen: mehr Action, bombastische Ereignisse, die Situation spitzt sich zu, um dann die unglaubwürdige Auflösung zu präsentieren und schön weiter zu machen, als ob nie was passiert wäre. Dabei tauchte bei mir oft die Frage auf: Wer wird hier eigentlich veräppelt? Die Leser, die Branche, oder verar… sich der Autor gerade selbst, um halbwegs zu kaschieren, dass ihm nichts wirklich Gutes eingefallen war?

Marionettenhaft und leblos ist das Alles geblieben, obwohl vordergründig da schon schwere Geschütze aufgefahren wurden, die Eindruck schinden sollten.
Gut, das gibt immer wieder mal, meist sind in einer Reihe die zweiten Bände nicht so prickelnd, hier fand ich Teil 2 gar stärker als Teil 1, aber nun ereilt ein Tief auch Poldi im Teil 3. Ok, ist auch schon anderen Profi-Schreibern passiert.

Ansonsten demonstriert Mario Giordano wieder mal sein schriftstellerisches Können, ja seine Meisterschaft auf diesem Gebiet, sowie seine Kenntnisse der Geographie, Geschichte, Kultur, etc. Siziliens. Er nimmt seine Leser auf eine Reise durch entlegene Gebiete und größere Städte, denn die Ermittlungen führen Poldi und ihren Neffen kreuz und quer durchs Land. Diese Abwechslung tut gut: mal ist man in den Pampas, da spring ein Alter mit dem Gewehr einem entgegen, mal folgt man Poldi durch die engen Gassen der sizilianischen Städte.

Es gibt neue Figuren, sie sind auch diesmal skurril und alles andere als 08/15. Poldi kann auch mit der einen oder anderen Überraschung aufwarten: plötzlich verwandelt sie sich in eine Ninja, die sich mittels der Beherrschung einer Kampfkunst aus den Schwierigkeiten befreit, und noch was ganz anderes hat sie an den bisher wohl behüteten Geheimnissen aus ihrer Vergangenheit auf Lager, die sie im Laufe der Geschichte lüftet, wie auch ihre Perücke, die sie hin und wieder mal abnimmt.

Das Prinzip sex sells wurde schon ganz schön ausgereizt, weniger wäre doch vllt mehr gewesen. Jedenfalls, eine Abhandlung über Penisse und Poldis Verhältnis dazu musste da für mich nicht sein.
Insg. war es auch nicht mehr so locker und lustig. Auflachen war nicht drin. Höchstens Augenrollen angesichts der nächsten Unglaubwürdigkeit/Groteske, die in aller Selbstverständlichkeit wieder mal auftauchten und ein fester Bestandteil des Ganzen waren.
Ansonsten war es ein nettes, wenn auch kurzes Wiedersehen mit den bekannten Figuren aus den vorigen Folgen. Sie tauchen hier episodenhaft auf und blieben eher eine Staffage.

Christian Baumann hat ganz nett gelesen. Allerdings hat Poldi noch einen Stück an Reiz und Charme für mich verloren.
Ich vergebe diesmal drei gute Sterne, denn trotz oder gerade wegen der ganzen Bombasterei konnte mich Teil 3 weder überzeugen noch abholen.

Veröffentlicht am 28.01.2018

Lesenswerte Biographie einer starken, schönen, charmanten, klugen Frau.

Die amerikanische Prinzessin
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„Die amerikanische Prinzessin“ von Annejet van der Zijl habe ich sehr gern gelesen und kann diese Biographie gut weiterempfehlen.
Klappentext beschreibt den Inhalt sehr gut. Man lernt eine starke Frau ...

„Die amerikanische Prinzessin“ von Annejet van der Zijl habe ich sehr gern gelesen und kann diese Biographie gut weiterempfehlen.
Klappentext beschreibt den Inhalt sehr gut. Man lernt eine starke Frau kennen, die zwar aus einem reichen Clan in Jamestown, USA, kommt, sie wuchs jedoch in einer Familie auf, die in bescheideneren Verhältnissen lebte. Schon früh wurde Allene von einem Millionärssohn schwanger, ging mit ihm weg und heiratete ihn. Das Glück währte jedoch nicht lange, ihr Mann verfiel in Spielsucht und sie musste allein ihre Kinder großziehen.
Allene Tew heiratete noch vier Mal, darunter einen Adeligen in Schlesien vor dem 2.ten Weltkrieg. Sie hatte zwar Geld, aber privates Glück war bei ihr nicht von langer Dauer. Allenes Schicksal war schon voller tragischer und ergreifender Momente. Manchmal musste ich denken: wie viele Schicksalsschläge kann eine Frau noch ertragen? Dennoch meisterte sie all die Herausforderungen mit Bravour. Ihren Optimismus, den Glauben an das Bessere in den Menschen und im Leben hat sie nie verloren. Insb. zum Schluss gibt es Lebensweisheiten aus der Feder von Allene, da Zitate ihren Briefen aufgeführt wurden, was sie den Lesern noch näher bringt.
Diese Biographie liest sich sehr leicht, sehr angenehm, fast wie ein historischer Frauenroman. Annejet van der Zijl schildert bildhaft auch die Verhältnisse in der „besseren“ amerikanischen Gesellschaft, in der Allene verkehrte. Diese Scheinheiligkeit, Arroganz und Hinterhältigkeit der Reichen kommt am Beispiel der ersten Familie, in die Allene eingeheiratet hatte, insb. a.d. Schwiegermutter, gut zur Geltung. Auch im weiteren Verlauf stößt man hier und dort auf die Kritik am amerikanischen gesellschaftspolitischen System. Auch weitere historische Ereignisse, wie der 2.te Weltkrieg, Turbulenzen an der Börse, etc. kommen an Allene nicht unbemerkt vorbei und hinterlassen ihre Spuren.
Schön fand ich diese griffigen Fazits am Ende der Kapitel, die das vorher Gesagte oft auf den Punkt bringen. Die Analysen der gesellschaftlichen Verhältnisse haben mich köstlich amüsiert. Von der Journaille, so steht es auch im Text, hat Annejet van der Zijl keine besonders hohe Meinung und hält diesbezüglich und sonst auch keinen Blatt vor dem Mund.
Schön ist auch, dass es recht vielen Fotos im Buch gibt, die Allene in jüngeren und späteren Jahren zeigen, ihre Kinder, ihre Ehemänner, ihre Anwesen, die Kinder ihrer späteren Ehemänner, etc. Allene war so, dass sie junge Menschen gern um sich hatte und sich um sie kümmerte. Sie ließ oft ihre Beziehungen spielen und protegierte sie so gut es ging. Manche haben ihr Glück zu schätzen gewusst. So wurde die niederländische Monarchie gerettet, und Allene stand bei der Taufe der zukünftigen Königin Beatrix vor dem Taufbecken neben der Königin Wilhelmina.
Zu all dem war sie in jüngeren Jahren auch Kunstsammlerin und Wohltäterin, engagierte sich in entsprechenden Gesellschaften.
Die Einlagen mit dem letzten Zaren und insb. Rasputin hätten gern kürzer ausfallen dürfen. Auch sonst fehlten mir an mehreren Stellen die Quellen. Aus anderen Sachbüchern bin ich einwandfreien Umgang mit Quellen gewohnt und da soll sich bitte nichts daran ändern.
Das Buch ist schön gestaltet: Festeinband in kräftigem Violett, Umschlagblatt, eine geographische Karte gleich vorn, die Nordosten des Landes, insb. New York, Long Island, Jamestown abbildet.

Fazit: Eine lesenswerte Biographie, die schon fast wie eine Romanbiographie anmutet. Es ist aber eine Erzählung mit nur ganz wenigen kurzen Dialogen. Sachlich und nüchtern erzählt.
Es lohnt sich, Allene Tew kennenzulernen. Sie war eine in jeder Hinsicht bemerkenswerte Person: fein und charmant, bodenständig, klug und schlagfertig. Mir war, als ob sie ihr Leben lang versucht hatte, der Einsamkeit zu entfliehen, was ihr nicht so ganz gelang. Im hohen Alter war sie allein.
Vier gute Sterne und eine Leseempfehlung.


Veröffentlicht am 26.01.2018

Als erste Annäherung an das Thema kann es gute Dienste leisten.

Zerbrochene Länder
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Das Buch erzählt über die Krise in der arabischen Welt aus der Perspektive der „kleinen“ Leute, die von dort aus stammen: z.B. aus dem Irak, Syrien, Libyen, Ägypten, Kurdistan. Diese persönlichen Geschichten ...

Das Buch erzählt über die Krise in der arabischen Welt aus der Perspektive der „kleinen“ Leute, die von dort aus stammen: z.B. aus dem Irak, Syrien, Libyen, Ägypten, Kurdistan. Diese persönlichen Geschichten wurden abwechselnd, nach Themen und Zeiten geordnet, erzählt.
5 Teile hat das Buch:
Teil I: Die Ursprünge 1972-2003
Teil II: Der Irakkrieg: 2003-2011
Teil III: Der arabische Frühling 2011-2014
Teil IV: Der Aufstieg des IS 2014-2015
Teil V: Exodus 2015-2016.
Die Teile sind in 4-16 Kapitel aufgeteilt. Diese sind kurz, sachlich und griffig geschrieben, was dazu verleitet, stets ein nächstes Kapitel aufzuschlagen. Es gibt s/w Fotos von den erzählenden Personen, auch Bilder von den Straßen, zerstörten Gebäuden vor Ort, etc.
Diese Menschen im Nahen Osten, die man im Teil I kennenlernt, erzählen ihre Geschichten und somit die ihrer Familie und insg. ihrer Länder bis zum Ende weiter. Es war spannend zu lesen, was ihnen im Laufe der Zeit passierte, wie sie es empfunden haben, wie sich die polit. Lage änderte, welche Probleme kamen dazu, was die einfachen Leute über ihre Regierungen dachten, was sie dagegen taten, etc. Es gibt z.B. gleich im Kap. 1 die Geschichte von Laila Soueif. Sie, ihr Mann und später die Kinder waren aktive Regierungsgegner und demonstrierten oft auf den Straßen. Hier wurden einige Hintergrundinfos hinzugefügt, die z.B. erklären, wie es dazu kam, dass das Volk in Ägypten, wie auch die Soueifs, „Nassers autokratischen Regierungsstil verabscheuten“ und auch später gegen Mubarak protestierten, u.a. weil er gern und regelmäßig Geld von USA nahm, und sonst nicht so viel für besseres Leben im Land tat. Bei diesen Berichten las man hin und wieder, je nach Land und seinen Problemen, von anti-amerikanischer Einstellung der Menschen.
Auch weitere Personen, wie z.B. eine Frauenaktivistin aus Syrien, die zwar später, beim ausgebrochenen Krieg, in die USA auswandern konnte, ging aber wieder zurück nach Jordanien, um sich um die kranken Eltern zu kümmern, da ihre Familie dorthin geflohen war. Diese Frau, wie auch weitere junge Leute, „trifft“ man auch später. So entwickeln sich ihre dramatischen Lebensgeschichten vor Augen der Leser. Man kann sich in ihre Situationen hineinversetzen, die Ausweglosigkeit ist manchmal mit Händen zu greifen, ihre oft tragischen Schicksale quasi hautnah. Manche von den geschilderten Personen landeten am Ende in Deutschland, Österreich, manche blieben vor Ort, manche sind gar in benachbarten Ländern zum Tode verurteilt, etc. Auch die nationalen Konflikte, wie die in Kurdistan, oder auch im Irak insg., die Ansätze der Problemlösungen, wie sie manche Kenner vor Ort vorschlagen, findet man ebenso im Buch. Man sieht dabei v.a., wie komplex die Verhältnisse sind. Und eins ist klar: Einfache Lösungen kann es nicht geben, schon allein weil vieles nach dem Prinzip des Fluches der bösen Tat läuft: Eine böse Tat zieht unweigerlich die nächste nach sich, die noch brutaler ausfällt, etc. So entstand eine Abwärtsspirale, die heute kaum einer stoppen kann, und viele Landschaften liegen in Trümmern.
Manches in diesem Buch war mir auch eher negativ aufgefallen: Es gibt keine Quellen. Auch bei den Schilderungen der allg. Lage nicht. Z.B. wurde der Giftgasangriff mit Sarin in Ghouta, Syrien, von Leitmedien hüben wie drüben gern Assad in Rechnung gestellt. Die kritischen Quellen widersprechen diesen Ausführungen und begründen dies. Näheres dazu z.B. in „Die den Sturm ernten“ von Michael Lüders und „Illegale Kriege“ von Daniel Ganser. Zu den Prinzipien, wie die Leitmedien funktionieren: „Lügen die Medien?“ von Jens Wernicke.

Die persönlichen Schicksale erscheinen recht stichhaltig und glaubhaft. Sie stammen von den Begegnungen des Autors vor Ort und später aus den Meldungen der beschriebenen Personen aus jew. Ländern.

Insg. ließ sich die Anhänglichkeit an die Linie der Leitmedien recht deutlich wahrnehmen. Kein Wunder, denn der Autor wurde vom Chefredakteur des New York Times Magazine zu einer Reportage über die Krise im Nahen Osten beauftragt. Der wesentliche Teil dieses Buches war dort in 2016 erschienen.

Fazit: Ein Buch, das die Krise im Nahen Osten aus der Perspektive der „kleinen Leute“ schildert und noch paar erklärende Hintergrundinfos liefert. Als erste Annäherung an das Thema kann es gute Dienste leisten.