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Veröffentlicht am 07.09.2017

Ganz gut und recht aufschlussreich.

Aufklärung
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Klappentext: „Ohne die Aufklärung im 18. Jahrhundert sähe unsere Welt anders aus. In beeindruckender Fülle zeichnet Steffen Martus das Bild eines doppelgesichtigen Zeitalters: Es ersehnt den Frieden und ...

Klappentext: „Ohne die Aufklärung im 18. Jahrhundert sähe unsere Welt anders aus. In beeindruckender Fülle zeichnet Steffen Martus das Bild eines doppelgesichtigen Zeitalters: Es ersehnt den Frieden und führt mit patriotischer Zerstörungswut Krieg; es betreibt mit Hingabe wissenschaftliche Experimente und schwärmt zugleich für Okkultismus und Geisterseherei. Lessing, Herder oder Kant propagieren den selbstbestimmten Menschen, müssen aber feststellen, dass dieser sich vor allem von seinen Gefühlen leiten lässt. Ein einzigartiges Werk über die Epoche der Vernunft, die ebenso eine Epoche der Leidenschaft war.“
„Aufklärung“ von Steffen Martus ist ein gutes Werk, das die Leser über einige Aspekte des dt. 18. Jahrhunderts in Kenntnis setzt, insb. was Geschichte, Politik, Philosophie, Kirchliche und manche gesellschaftliche Angelegenheiten angeht. Dem Autor ist es gelungen, diese „Doppelgesichtigkeit“ der Aufklärung vor Augen der Leser zu führen.
Auf rund 876 Seiten reinen Textes, in vier Teilen geordnet:
Teil I 1680-1726: Die Anfänge der Aufklärung: „Im Fürstenstaat: die höfische Gesellschaft und ihre Projekte“, „In der Gelehrtenrepublik: die Universität als Staatsprogramm“, „Zwischen Stadt und Reich: Hamburger Patriotismus“.
Teil II 1721-1740: Aufklärung ohne Grenzen, darunter: „Die Natur der Aufklärung“, „Weibliche Aufklärung“, „Die radikale Aufklärung des Buchmarkts“, usw.
Teil III 1740-1763: Aufklärung im Widerstreit: „Politik für Newtonianer?“, „Jeder gegen Jeden“ , darin: „Thomasianer und Wolffianer“, „Scherzende und empfindsame Aufklärung“, „Strukturen der Empfindung“, darin „Demographie und Heiratsfurcht“, „Regieren mit Herz: Friedrich II. und Maria Theresia“, „Das ‚Spiel des Zufalls‘: der Siebenjährige Krieg“.
Teil IV 1763-1784: Das Ende eines „Zeitalters“?: „Zeitverwandte“, darin „Winckelmanns Griechen“, uvm, „Individualität der Aufklärung“, „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“
erzählt der preisgekrönte Professor aus Berlin seine Version der dt. Aufklärung. Dabei stützt er sich u.a. auf die Werke der bedeutenden Gelehrten dieser Zeit, sowie auf zeitgenössische Zeitungen. Er fängt mit Kant’schen „Entdeckung der Unmündigkeit“ in der Einleitung an und schließt auch mit Kant und seinen Problemen und Auseinandersetzungen mit Herder ab.
Besonders gut gelungen fand ich die Ausführungen über: die Buchmarktentwicklung und seine Monetarisierung, auch über die Ursachen der aufsteigenden Popularität der Schauerromane, über die Diskussion zu Urheberrechten, denn „Der Buchhandel der Aufklärung funktionierte im Prinzip ohne Urheberrecht. Der Autor verkaufte sein Werk einem Verleger, der es fortan als sein Eigentum betrachtete.“ S. 736; über die Entwicklung und Rolle der Städte wie Hamburg, Leipzig, Frankfurt im politischen und gesellschaftlichen Geschehen jener Tage. Auch die philosophischen Aspekte, z.B. Wolffianer vs. Newtonianer vs. Thomasianer, später Kant vs. Herder sind sehr gut ausgearbeitet und zugänglich präsentiert worden. Einige Politiker wie Friedrich I., Friedrich II. sind auch ausführlich beschrieben worden, ferner Maria Theresia im Vergleich zu Friedrich II.
Die Entwicklung der Bildung, der Medizin sowie Frauenaufklärung, nicht nur die med. Aspekte, sondern auch Frauen als begeisterte Leserinnen, sind ebenfalls recht griffig dargeboten worden.
Zum Schluss gibt es Ausführungen über die Erbauung von Sanssouci und die Rolle der Gärten: „Die Idee, den Garten als Ort politischer Einstimmung zu nutzen, knüpfte problemgeschichtlich an die Diskussion um die ‚Ästethik‘ an.“ S. 753. „Der Landschaftsgarten oder auch der ‚Englische Garten‘, wie er im 18. Jahrhundert in ganz Europa reüssierte, galt lange als Symbol sozialer oder politischer Liberalität.“ S. 757.
Einiges aus den Kapiteln „Die Individualität der Aufklärung“ und „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ fand ich recht aufschlussreich. Hier geht es anfangs wieder um Bücher, Leser und Autoren, weiter um Kriminalität, u.a. Kindesmorde, die damals nicht gerade selten vorkamen. Hier wurde u.a. der Fall von „Susanna Margaretha Brandt, das mutmaßliche Vorbild für das Gretchen aus Goethes Faust…“ S. 772, beschrieben. Oder auch der Fall mit dem Müller, der seinen Geschäften nicht nachgehen konnte, da das Wasser für königliche Karpfenteiche abgegraben wurde. Vor Gericht wurde der Müller schuldig gesprochen, da er seine Zahlungsunfähigkeit angeblich seiner Trägheit zu verdanken hatte. „Friedrich reagierte scheinbar im Namen des gesunden Menschenverstands, der bekanntlich nur selten wie der Justizapparat urteilt.“ S. 780. „… die regionale und lokal gewohnten Gesetze wurden gesammelt, kodifiziert und in die Hand des Staats gelegt, materiell aber wenig verändert. Daher wurden keine gleichen Rechte für gleiche Menschen formuliert, sondern weiterhin Gesetze, die je spezifisch für Elemente einer ständisch gegliederten Gesellschaft von Ungleichen, von Adligen, Bürgern und Bauern, Frauen und Männern, Mündigen und Unmündigen, galten.“ S. 781.
Am Ende geht es näher um Kant und seine Probleme u.a. wegen der Kritik der reinen Vernunft. „Während Kant zu Beginn seiner Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? mit Blick auf den Einzelnen den ‚Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit‘ gefordert hatte, rief er im weiteren Verlauf seiner Argumentation das Kollektiv auf die historische Bühne und sprach am Ende im Plural vom ‚Ausgang der Menschen aus ihrer selbst verschuldeten Unmündigkeit‘. … Nur wer die eigene Unmündigkeit und Unzulänglichkeit einsieht, die Abhängigkeit von unendlich vielen Freundlichkeiten, Zuwendungen und Hilfestellungen, vermag s ich auf eine produktive Art von seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit zu befreien…“ S. 881.
Martus schließt mit: „Die Aufklärung geht uns heute als zwiegesichtige Epoche an. Wir können von ihr lernen, wie tief und historische Umbrüche berühren….Uns überfordert die Aufgabe, große Ideen strikt zu realisieren… Das sanfte Licht der Aufklärung zeigt etwas anderes: wie man sich an unklare Verhältnisse und unruhige Zeiten gewöhnen kann.“ S. 887.
Anmerkungen auf 70 S., Literatur auf 50 S., Personenregister 10 S., Zeittafel 8 S. runden das Ganze ab.

Fazit: Es ist ein gutes Werk über die dt. Aufklärung 1680-1784 mit Schwerpunkten Geschichte, Politik und Philosophie, das mit kaum so einem hohen Unterhaltungsfaktor erzählt wurde, wie man es heute in einigen Sachbüchern sieht. Über manche bedeutende Person, ihr wirken und Denken, wurde seiten- oder auch kapitellang, wie z.B. über Winckelmann, oder auch Wieland, berichtet. Insg. ging es eher in die Breite, da ein umfangreiches Bild dieser Zeit angestrebt wurde, dennoch fehlen größtenteils solche Aspekte wie Malerei, Musik, Wirtschaft, einige gesellschaftliche Aspekte. Aber insg., wenn man ein Neuling auf dem Gebiet ist und sich für diese Epoche interessiert, wird man hier erstmal gut bedient.

Das Buch ist schön gestaltet: Festeinband in Hellbraun, Umschlagblatt, Lesebändchen in Dunkelrot. Es wiegt 1180gr, ist 5,5cm dick, aber da es gebunden ist, lässt es sich gut lesen.

Veröffentlicht am 01.09.2017

Tolles Kochbuch voller veganer Rezepte und umwerfender Food-Fotos!

Green Bonanza
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„Green Bonanza“ hat bei mir einen sehr guten Eindruck hinterlassen: Tolle, originelle, bodenständige und einfach nachzukochende Rezepte, großartige Bilder der Gerichte, die einen zum sofortigen Nachmachen ...

„Green Bonanza“ hat bei mir einen sehr guten Eindruck hinterlassen: Tolle, originelle, bodenständige und einfach nachzukochende Rezepte, großartige Bilder der Gerichte, die einen zum sofortigen Nachmachen einladen und vegetarisches/veganes Essen insg. ins rechte Licht rücken.
Mia Frogner schreibt auf S. 63: „Mit 19 wurde ich Vegetarierin, und auch wenn es mir leicht fiel, keinen Fleisch mehr zu essen, war ich ziemlich verwirrt, als es um neue Lebensmittel ging und darum, was ich essen sollte, um alle Nährstoffe, die ich brauchte, zu mir zu nehmen.“
So geht es vllt auch vielen anderen, die frisch auf vegetarische Ernährung umgestiegen sind, oder auch denjenigen, die dies, ggf. vorübergehend, ausprobieren möchten. Deshalb ist es hilfreich, dass es in diesem Buch eine kleine Warenkunde gibt, die erklärt, was z.B. Tahini oder Miso oder Soba-Nudeln, usw. sind. Diese werden später in den Rezepten verwendet.
Und als Erstes erklärt Mia, sie verwendet gern Bio-Produkte aus der Region, was man sicher auch schmecken kann.
Die Rezepte sind in 9 Teile geordnet:
Kartoffeln und Süsskartofeln (6 Rezepte), darunter z.B.: Kartoffelsalat mit grünem Spargel, Die Weltbesten Offenkartofeln;
Kohl, Blumenkohl und Rosenkohl (7), darunter z.B.: Blumenkohl-Wings, Gebratene Frühlingsrollen mit Kohlfüllung;
Linsen (6), darunter z.B.: Linseneintopf mit Kokosmilch, Ingwer und Koriander; Taco-Bällchen und Pfirsich-Salsa in Salatherzen;
Grünes (9), darunter z.B.: Pizza mit Spinat und Artischockenherzen, Falafeln mit gegrilltem Gemüse und Avocadososse;
Tomaten (5), darunter z.B.: Taco-Suppe mit allem, was lecker ist, Chili sin carne mit Quinoa und Grünkohl;
Tofu(7), darunter z.B.: Tofu-Tacos mit Mango Salsa, Marinierter und gegrillter Tofu;
Möhren und Rote Bete (5), darunter z.B.: Möhrenfalafeln mit Sesamsosse, Herbstsalat mit Wurzelgemüse und gebackenen Beten;
Auberginen, Zucchini& Kürbis (5), darunter z.B.: Gefüllte Aubergine mit Sesamsosse und Granatapfel, italienischer Eintopf mit Pasta und Zucchini;
Nüsse (7), darunter z.B.: Selbst gemacht Nussbutter, selbst gemachte Nussmilch, Drei verschiedene Nusssnacks, Buchweizenpfannkuchen mit Banane.
Bei jedem Teil wird zunächst etwas Grundsätzliches auf 1-2 Seiten zum Produkt erzählt und manche Vorurteile aus dem Weg geräumt, z.B. „Kartoffeln enthalten nicht mehr Kohlenhydrate als Nudeln oder Reis. Das ist ein Mythos.“ S. 19. Weiter erzählt Mia, in welchen Fällen die festkochenden Kartoffeln und in welchen die mehligen verwendet werden. Oder auch, dass man sie doch lieber nicht schälen sollte, usw.
Egal, welches Rezept man sich vornimmt, ist es immer von so einem tollen Bild des fertigen Gerichts begleitet, dass es unmöglich ist, dieses nicht auszuprobieren. Es gelingt prima und ist sehr lecker. Da mag manch Leser staunen, wie geschmacklich großartig vegetarische Küche sein kann.
Bei Falafeln aus Kichererbsen habe ich etwas gestaunt, dass Mia sie aus getrockneten Kichererbsen zubereitet, es ist etwas aufwendiger, als aus Kichererbsenmehl, aber gut, es gibt viele Rezepte von Falafeln. Die Avocadososse, die Mia dazu vorschlägt, ist sehr lecker.
Dass man die Falafeln auch aus Möhren zubereiten kann, war mir neu. Das zeigt u.a., dass man in diesem Buch auch dann neue Rezepte, neue Impulse, neue Denk- und Kochanstöße findet, selbst wenn man vegetarisches Kochen seit Jahren praktiziert.
Auf den letzten Seiten gibt es noch paar Tipps zur Resteverwertung, z.B., wie man Gemüsebrühe kocht oder die Reste im Ofen backt.
Zugegeben, manche Rezepte erscheinen mir energie-intensiv, da sie im Ofen zubereitet werden. Aber man kann nicht alles kochen oder braten, das wäre langweilig und ggf. zu fettig.
Rezeptregister und Zutatenregister runden es ab.

Fazit: Ein sehr schönes Buch voller leckerer veganer Rezepte. Wer auf Fleisch/Meeresgetier nicht verzichten möchte, kann dies schlicht dazu auf den Teller legen. Aber all das, was aus Gemüse hier empfohlen wurde, ist es wert, es nachzukochen und unbedingt auszuprobieren.



Veröffentlicht am 30.08.2017

Ein tolles, unterhaltsames und spannendes Werk!

Das Universum in deiner Hand
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„Das Universum in deiner Hand. Die unglaubliche Reise durch die Weiten von Raum und Zeit und zu den Dingen dahinter“ von Christophe Galfard habe ich sehr gern gelesen und empfehle es auch weiter, insb. ...

„Das Universum in deiner Hand. Die unglaubliche Reise durch die Weiten von Raum und Zeit und zu den Dingen dahinter“ von Christophe Galfard habe ich sehr gern gelesen und empfehle es auch weiter, insb. für Schüler und interessierte Erwachsene.

Zum Autor: „Dr. Christophe Galfard, geb. 19976, ist ein französischer Astrophysiker. Als Doktorand von Stephen Hawking hat er das sogenannte Informationsparadoxon schwarzer Löcher erforscht und gemeinsam mit ihm ein Jugendbuch verfasst. Das Universum in deiner Hand wurde von dem Magazin LiRE 2015 als bestes Wissenschaftsbuch des Jahres ausgezeichnet.“

Auf rund 385 Seiten, in 7 Teile aufgeteilt, samt 24 Seiten Epilog, der das Ganze griffig zusammenfasst und einen positiven Ausblick bietet, plus ein kurzes Vorwort, erzählt der Autor auf eine sehr schöne, bildhafte, einladende und schon fast poetische Weise, was man heute zu den Schlüsselthemen über das Weltall, das Universum, unser Planetensystem, Raum und Zeit/ Einsteinsche Gleichung, die Quantenwelt, die Dunkle Materie, Dunkle Energie, Schwarze Löcher, Urknalltheorie, mögliche Existenz anderer Universen, die Zukunft unseres Universums uvm. wissen sollte.
Diese ungewöhnliche Art des Erzählens verleiht dem Werk einen besonderen Reiz. Manchmal kommt es einem vor, dass man sich als einer der Hauptfiguren mitten in einer Sci-Fi-Erzählung befindet, mit dem Unterschied, dass nichts erfunden wurde und der Stoff den neusten Erkenntnissen der Wissenschaft entspricht. Viele Zusammenhänge, die woanders klobig und schwierig erscheinen, sind hier sehr transparent und einfach erklärt. Die möglichen Zukunftsszenarien wie Big Freeze und Big Crunch sind auch sehr gut und verständlich dargelegt worden.
Man ist immer mitten im Geschehen. Man reist z.B. zur Sonne und schaut sich dort um. Das, was man dort wahrnimmt: die Beschaffenheit der Oberfläche, die dort herrschenden Temperaturen, was man von dort aus ggf. sieht, etc., alles wird klar vor Augen geführt und sehr zugänglich erklärt, z.B. welche Auswirkungen die Sonne auf die Erde hat, sowie auf das gesamte Sonnensystem, was wäre, wenn die Sonne explodierte, usw. Es gibt noch mehr von solchen Reisen zu ganz anderen und sehr spannenden Destinationen, sei es zu entfernten Planeten, den Schwarzen Löchern oder auch anderen Galaxien.
Kurze Kapitel vermitteln den Stoff so leicht, dass man sie schnell durchschmökert und noch ein Kapitel oder zwei, oder auch drei weiterlesen möchte. Man merkt kaum, wie die Seiten fliegen, denn es sind spannende Dinge, die wie im Film vorm geistigen Auge ablaufen.
Im Vorwort hat der Autor zwei Dinge versprochen: Dass niemand überfordert sein wird und dass es im Buch nur eine einzige Formel vorkommt. Das hat er problemlos gehalten. Von Überforderung kann keine Rede sein, vielmehr ist es Lesevergnügen, und die versprochene Formel kennt jedes Kind.
Das Buch ist sehr schön gestaltet. Festeinband trägt das Bild eines klaren Sternenhimmels und stimmt mit dem Cover überein. Die Buchstaben des Titels schimmern silbern. Lesebändchen in Tiefblau ist auch da und rundet den sehr guten Eindruck ab.

Fazit: Ein sehr schönes, informatives und unterhaltsames Buch, das in keiner Schülerbibliothek und privater Sammlung, insb. wenn Kinder dabei sind, fehlen darf. Insb. für Schüler, die sich für diese Themen bisher noch nicht so recht begeistern konnten, ist dieses Buch wärmstens zu empfehlen. Aber auch für Erwachsene, die sich auf eine nette und ungezwungene Art über den Stand der Dinge informieren möchten, ist „Das Universum in deiner Hand“ von Christophe Galfard eine sehr gute Wahl.
Es ist schon wahre Kunst und wohl geübtes Können, so wie der Autor den wissenschaftlichen Stoff präsentiert hat. 5 wohl verdiente Sterne und eine klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 29.08.2017

Ein netter, farbenfroher Spaziergang durch die 8 Märkte Europas.

It's Market Day
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Das Buch hat bei mir einen guten Eindruck hinterlassen. Ich ordne es in die Schublade Geschenkartikel ein, denn es ist schön anzuschauen. Bunte Bilder der Märkte und Personen, die Fabio Haebel dort trifft, ...

Das Buch hat bei mir einen guten Eindruck hinterlassen. Ich ordne es in die Schublade Geschenkartikel ein, denn es ist schön anzuschauen. Bunte Bilder der Märkte und Personen, die Fabio Haebel dort trifft, der eine oder andere Tipp zum Umgang mit bestimmten Lebensmitteln, z.B. Austern, Jakobsmuschelfleisch, paar nette Rezepte runden das Ganze ab.
Inhaltsverzeichnis am Anfang des Buches ist kreativ gestaltet. Auf der Europakarte sind die Märkte mit kleinen Zeichnungen, die sie charakterisieren, aufgesetzt. Auf der rechten Seite gibt es Markthallte Neun, Berlin ab Seite 64, Naschmarkt, Wien ab Seite 118, Mercato di Ortiga, Syrakus ab Seite 172, Torve-Hallerne, Kopenhagen ab Seite 38, hinzukommen die Tipps „Geht immer“, Legende, das Team ab Seite 232, Rezeptübersicht ab Seite 234. Links findet man Briston Market, London ab Seite 146, Ten Kate Markt, Amsterdam, ab Seite 90, Marché D’Aligre, Paris, ab Seite 10, Mercado de la Paz in Madrid ab Seite 202 und Tipps „love it“ und „Fun fact“. Zu jedem Markt gibt es zunächst „7 Dinge, die man über den Markt, der gerade besucht wird, z. B. Marché D’Aligre, wissen will.“ Da steht so etwas wie Marktzeiten, Adresse, wie viel Stände sind da, Webseite, Speisetipp, Noch nie gegessen, Getränketipp und wo grob auf der Karte von Paris der Markt ist, hier z.B. ein Stück südlicher von Pére-Lachaise Friedhof. Dann wird die Person kurz mit Foto vorgestellt, mit der Fabio durch den Markt geht, anschließend folgen die Eindrücke, die die beiden auf ihrer Tour gesammelt haben. Hier gibt es Milchschwein, da die Austern. Ganz nett, locker, griffig geschrieben von Ulf Pape, wie man es der Teamvorstellung hinten entnimmt. Diese ist auch nett gemacht: Auf dem Gruppenfoto sind die Namen und Rolle samt Pfeilen aufgezeichnet.
Als erstes fielen mir die tollen Bilder auf. Timon Koch hat tolle Arbeit geliefert. Henning Pommé, visuelle Gestaltung, hat bestimmt auch einiges dazu beigetragen. Diese Bilder, die wecken nicht nur Neugier und den Wunsch, all die Märkte selbst abzulaufen und dort diese Vielfalt mit eigenen Augen zu bestaunen und mit eigener Begleitung das Ganze zu erleben, diese Bilder machen auch ganz einfache Dinge, wie Picknick, s. 26-27, mit dem schönen Baguette, einigen Käsesorten, Erd-, Him- und Brombeeren, einem Glas Rotwein so unwiderstehlich, dass man am liebsten gleich nach Frankreich fahren und so ein Picknick dort abhalten würde. Eine „Einkaufsliste für ein gutes Picknick für 2“ ist übrigens auch dabei.
Insgesamt gibt es 73 Rezepte im Buch, auf die Märkte verteilt, mit und ohne Fleisch, von einfach bis aufwendig. Ein Verzeichnis hinten hilft gut weiter. Im Paris-Segment gibt es 7 Rezepte wie Crepes Old Fashioned, Kürbistarte, Rotweinpasta; in Kopenhagen sind es ebenfalls 7 mit Kanelbullar, Scallop Cevice, Hot Duck, etc., in Berlin sind 10 Rezepte aufgeführt, darunter Currywurst, Königsberger Klopse, Linsensuppe, usw. Kürbisgnocci aus Syrakus fand ich spannend, wobei auch recht energie-intensiv. Es gibt auch Rezepte, die zwar nicht typisch deutsch oder dänisch usw. sind, dafür aber typisch für diesen Markt, z.B. Báhn Bao Buns in Berlin. Oder in Wien bekommt man Rezepte der israelischen Küche, u.a. weil es dort diesen populären Stand gibt. Aber auch Zwetschgendatschi oder Aprikosensenf-Rezept erhält man vom Wiener Markt.
Insgesamt ist es ein netter, unterhaltsamer Spaziergang durch die acht Märkte Europas, bei denen man neue Leute „trifft“, etwas Neues erfährt und einiges an interessanten Rezepten noch dazu kriegt.
Das Buch finde ich insg. schwer in Ordnung. Es ist übrigens auch nicht gerade leicht: 1235gr.
Das Buch ist auch schön gestaltet: Fester Einband, hochwertiges, recht dickes Papier, Lesebändchen in Tiefblau, passend zur Grundfarbe des Einbandes.
Als Geschenk für Freunde und Familie sehr gut geeignet.

Veröffentlicht am 28.08.2017

Kann man vergessen.

Der letzte Zar
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Ich bin mit großer Vorfreude an dieses Werk rangegangen, da ich die Sachbücher aus dem Hause C. H. Beck sehr schätze. Sie haben mir oft viel Lesevergnügen bereitet und eine Menge Spannendes und Wissenswertes ...

Ich bin mit großer Vorfreude an dieses Werk rangegangen, da ich die Sachbücher aus dem Hause C. H. Beck sehr schätze. Sie haben mir oft viel Lesevergnügen bereitet und eine Menge Spannendes und Wissenswertes berichtet. Über jede Neuerscheinung freue ich mich sehr.
Dieses Buch erwies sich leider als die erste Ausnahme. Auch weil es deutlich hinter meinen Erwartungen geblieben ist, was Qualität solcher Werke anbelangt. Spätestens ab der Hälfte beschlich mich die im Klappentext versprochene Beklemmung, aber aus einem ganz anderen Grunde: Dieser nachlässige Umgang mit Daten, Fakten und Quellen, peinliche Sachfehler, die geringschätzige, von oben herab Attitüde gegenüber den beiden letzten russischen Herrschern, ihrem Hof und anderen Akteuren der rus. Geschichte insg., sowie der deutlich durchschimmernde Zynismus mit dem Hang zum Pietätlosen zum Schluss hinterließen bei mir, milde gesagt, keinen positiven Eindruck.
Gleich am Anfang ließ mich folgende Darstellung stutzen: „Nikolaj II. erklomm nun den Thron einer Dynastie, die im Zeitraum ihrer Herrschaft seit 1613 dem Russischen Reich die unterschiedlichsten Zaren beschert hatte: den westlich orientierten Reformer Peter I., die aufgeklärte, mit Voltaire korrespondierende Monarchin Katharina II., dann Alexander I., der Bezwinger Napoleons, der durch die Heilige Allianz die europäische Politik mitbestimmte. Schließlich folgten der Erzreaktionär Nikolaj I., sowie einige kurzlebige Übergangsherrscher, darunter Peter II., und Paul I., die von großfürstlichen Rivalen entmachtet bzw. ermordet wurden.“ S. 19. Der letzte Satz stimmt nicht. Peter II. und Paul I. folgten keineswegs. Sie waren Vorfahren vom Nikolaus I., der in den Jahren von 1825-1855 regierte. Das steht klar in jedem Werk zum Thema mit einer Zeittafel, bzw. Stammbaumdiagramm der Romanows, die in diesem Buch übrigens komplett fehlen. Hier dachte ich noch, gut, es ist vllt unglücklich formuliert, aber was dann für peinliche Sachfehler kamen, da mochte ich meinen Augen nicht glauben. S. 114: „Diese Post zirkulierte zwischen den Kinderzimmern im Erdgeschoss und dem Wohnraum der Mutter im ersten Stock des Schlosses in Zarskoje Selo. So schreibt die Älteste, die sechzehnjährige Tatjana, im Januar 1909… Die zwei Jahre jüngere Olga beschwerte sich ebenfalls über die Abwesenheit der Mutter…“ Zwei Fehler hier: Die älteste Tochter, das erste Kind von Alix und Nikolaus II., war Olga. Sie wurde 1895 geboren. In 1897 kam Tatjana. (Quellen hier: E. Almendingen „Die Romanows“, C. Erickson „Alexandra Romanowa“, uvm.) Somit kann Tatjana keine 16 Jahre im Januar 1909 gewesen sein und die Älteste schon gar nicht. Der Witz ist: Paar Seiten später wird Olga als die älteste Tochter bezeichnet, s. S. 132, Mitte.
Wohlwollend dachte ich noch: Gut, der Autor hat’s mit dem Familiären nicht so, was aber schon recht peinlich ist, da leicht nachzuprüfen, was die Pflicht und Professionalität hätten eigentlich mit sich bringen sollen. Aber weitere Ausrutscher wie bloße Unterstellungen, da die Quellen fehlen, Ungenauigkeiten und dergleichen ließen mein Lesevergnügen in Keller sinken.
Was zu Rasputin und Anna Wyrubowa, der Zofe und Vertrauten der Zarin, gesagt wurde, ähnelt stark einer bösen Posse. Ganz grob kommt es hin, aber der Teufel steckt im Detail. Natürlich durfte hier bei der Charakterisierung Rasputins sein auch woanders viel zitiertes Auftreten im Restaurant „Jar“ im Jahr 1915 nicht fehlen. Englischer Historiker Douglas Smith aber in seiner wohl recherchierten Rasputin Biographie „Und die Erde wird zittern“ (2017) schreibt, dass die „Jar“-Geschichte schlicht erfunden und ein Teil der Verleumdungskampagne war, die Rasputin, sowie Zarenhof insg., in diesen Jahren plagte. Dalos übernahm das äußerst Negative zu Rasputin aus anderen, weniger gut recherchierten Quellen.
Auf S. 117 wurden die Tagebucheinträge von Nikolaus II. erwähnt, der über die Treffen mit Rasputin berichten. Die Quellenangaben fehlen wieder mal.
Negative Darstellungen der Russen insg. musste der Autor unbedingt noch reinbringen. Als Quelle soll hier ein namenloser Informant des franz. Diplomaten dienen, s. S. 161, was auch herzlich wenig zu der Glaubwürdigkeit solcher Ausführungen beiträgt. Die Frage ist: Was möchte der werte Autor mit solchen Darstellungen erreichen? Wenn er seine Russophobie zur Schau stellen wollte, so ist es ihm zweifelsohne gelungen.
Hinten im Buch gibt es Literatur, bestehend aus gerade mal 20 Titeln. In respektablen Werken erstrecken sich Literaturhinweise über dutzende von Seiten. Hier nicht.
Das gleiche gilt für Bildnachweise: kryptische Angaben, die gar nicht weiterhelfen können, wenn man wissen will, wo, in welchen Jahr die Fotos aufgenommen wurden, in welchen hist. Quellen sind die Originale zu finden, etc. Da steht einfach: Sämtliche Abbildungen: so und so Images, Berlin.
Dass so ein Umgang mit Quellen überhaupt als annehmbar erachtet wurde, erzählt Bände über seine Professionalität und untergräbt die Reste seiner Glaubwürdigkeit.
Ja, es gibt paar gelungene Erläuterungen zu den Hintergründen der europäischen Politik der damaligen Zeit, z.B. das Verhältnis zw. Wilhelm II. und Nikolaus II. und wie es zur Beteiligung Russlands im Krieg von 1914 kam, oder auch zur Rolle von Queen Victoria. Dabei sieht man, dass Politik eher die starke Seite des Autors ist. Der Rest lässt zu wünschen übrig.
Die Struktur hat bei mir auch keine Jubelrufe hervorbringen können. Erst habe ich angenommen, es wäre Nikolaus‘ Biographie, aber nein. Es ist eine Ansammlung von Aufsätzen von etwa 20 Seiten zu den in den Überschriften genannten Themen wie „Krieg mit Japan“, „Allein mit der Revolution“, „Der Zar in der Julikrise“ usw., in zehn Kapitel geordnet. Klar schildert das Ganze den Untergang der Romanows, wie der Untertitel verspricht, aber die Art und Weise stürzte mich in tiefe Verzweiflung.
Zum Schluss wurde der Ton herablassender und insg. einfach grässlich und pietätslos, s. z.B. S. 200.
Fazit: Dieses Pamphlet hat die Welt nicht gebraucht. Allein die von oben herab Attitüde gegenüber den historischen Persönlichkeiten, ob es um Nikolaus, Alix, Rasputin oder anderen geht, wie auch zum erzählten Stoff insg., hat mein Lesevergnügen gleich Null gesetzt. Hinzu kommen die peinlichen Sachfehler, zu lässiger Umgang mit Quellen, wie auch Zitate und Übersetzungen des nicht nachvollziehbaren Ursprungs, sowie die anti-russische Grundstimmung insg. Zwei Sterne mit viel Wohlwollen erscheinen mir hier realistisch.
Das Coverbild ist auch irreführend. Man könnte meinen, dies wäre die ganze Familie des letzten Zaren. Alexej fehlt. Der Thronfolger, der noch lange vor seiner Geburt das Verhalten des Zarenehepaares stark beeinflusst hat.