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Veröffentlicht am 06.11.2018

Eine sehr gut gelungene, sehr lesenswerte Biographie von Queen Victoria.

Queen Victoria
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Diese Biographie von Queen Victoria aus der Feder von Karina Urbach habe ich sehr gern gelesen und finde sie sehr gut gelungen. Eine reife Leistung! In vielerlei Hinsicht.
Griffig, auf das Wesentliche ...

Diese Biographie von Queen Victoria aus der Feder von Karina Urbach habe ich sehr gern gelesen und finde sie sehr gut gelungen. Eine reife Leistung! In vielerlei Hinsicht.
Griffig, auf das Wesentliche fokussierend, in einem angenehmen, überaus zugänglichen Schreibstil verfasst, war mir diese Biographie ein Lesegenuss. Ich habe sie extra langsam gelesen, damit das Vergnügen nicht zu schnell vorbeigeht.
Die Analysen, die Vergleiche sowohl mit der Vergangenheit, z.B. mit Victorias Vorfahren, als auch mit ihren Zeitgenossen, verleihen diesem Werk Tiefe und sorgen für hohe Qualität insg. Auch die Brücken zu der heutigen Zeit wurden öfter mal geschlagen. Das fundierte Wissen um die englische Monarchie wurde den Lesern hier unterhaltsam und einprägsam vermittelt.
Schon allein wie die Schwerpunkte gesetzt wurden spricht für Expertise der Autorin und gibt dem Leser tiefe Einblicke in Victorias Leben und das ihrer wichtigsten Wegbegleiter.
Es liest sich sehr modern, auch weil man die Parallelen zu Heute zieht, wenn es z.B. um PR Arbeit, die Art, wie sich die Royals dem gemeinen Volk präsentieren, geht. Die Wurzeln liegen bei Victoria und Albert.
Die Objektivität, die hier bei der Beschreibung der Ereignisse an den Tag gelegt wurde, was man z.B. bei der Begründung der nicht wenigen Kriege, die in der Zeit geführt wurden, sieht, ist ein weiterer Plus dieser Biographie. Was Victoria damals als gut und billig, moralisch gerechtfertigt usw. begriff, bewertet man heute u.U. anders.
Die Ansichten anderer Historiker wurden oft angeführt, was sich auch bereichernd auf das Gesamtergebnis auswirkt und für Objektivität sorgt.
Das letzte Kapitel zieht Fazit. Natürlich kommt hier, und auch an früheren Stellen, die Heiratspolitik Victorias zur Sprache. Die Stammbäume vorn und am Ende des Buches helfen, da einen guten Überblick zu bekommen. Fünf ihrer neun Kinder haben für zahlreichen Nachwuchs gesorgt, die auch in die europäischen Königshäuser eingeheiratet wurden. Dass die Hämophilie, die Bluterkrankheit, dabei großzügig verteilt wurde, blieb nicht aus und zog nach sich folgeschwere Konsequenzen, wie man es bei Alexei, dem Sohn von Nikolaus II. von Russland und seiner Frau Alexandra sah, die Enkelin von Victoria war. Klar liest man hier auch, dass es Georg V. war, der dem Nikolaus II. wie sein Zwillingsbruder ähnelte, da die Mütter Schwestern waren (dänische Prinzessinnen Alexandra und Dagmar, genannt Minnie), der die Auslieferung der Zarenfamilie nach England nach Oktoberrevolution 1917 in Russland verzögerte, bis diese Option nicht mehr zur Debatte stand und die gesamte Zarenfamilie ein grausames Ende fand.
Zum Schluss unterstreicht die Autorin die Bedeutung starker Frauen, die die entscheidende Rolle im Fortbestehen der Royal Family gespielt haben und dies immer noch tun.

Fazit: Eine sehr gut gelungene, sehr lesenswerte Biographie von Queen Victoria, die den Lesern tiefe Einblicke nicht nur in ihr Leben gewährt, sondern gute Basis zum Verstehen des heutigen Geschehens liefert. Eine Reife Leistung. Gern vergebe ich fünf Sterne und empfehle sie auch wärmstens weiter.

Bei dieser Ausgabe aus dem Jahr 2018 handelt es sich um die erweiterte und aktualisierte Fassung der zuerst im 2011 erschienenen Biographie von Queen Victoria.

Das Buch ist hochwertig gestaltet: Festeinband in Bordeauxrot, Lesebändchen in Schwarz, Umschlagblatt aus festem glattem Papier. 27 s/w Abbildungen, 2 Stammbäume. Schön als Geschenk.

Veröffentlicht am 06.11.2018

Es weihnachtet sehr.

Weihnachtsgans und Krippenmord
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Diesen gemütlichen Kurzkrimi aus Bayern habe ich zufällig entdeckt und kann den gut weiterempfehlen.
Klappentext beschreibt diese Folge ganz gut: „Glühwein, Plätzchen und ein Mord: Es weihnachtet sehr ...

Diesen gemütlichen Kurzkrimi aus Bayern habe ich zufällig entdeckt und kann den gut weiterempfehlen.
Klappentext beschreibt diese Folge ganz gut: „Glühwein, Plätzchen und ein Mord: Es weihnachtet sehr in Krindelsdorf. Ein knackig-kurzer Krimi für mordsbesinnliches Lesevergnügen zwischen Weihnachtsmarkt und Adventskaffee.
Der Lehrer Anton Bierbichler taucht nicht zur Probe des Krippenspiels der Krindelsdorfer Grundschule auf. Man findet ihn an eine Futterkrippe gefesselt - erfroren. Und das kurz vor dem Fest der Liebe! Wo Hirschberg doch schon froh ist, wenn sich Totschlag in der eigenen Verwandtschaft vermeiden lässt. Und während der Schnee leise rieselt, fragt sich der Hauptkommissar: Was ist das Motiv für diesen eiskalten Mord?
Spannend, bayrisch, festlich: Ein weihnachtlicher Fall für Hauptkommissar Hirschberg.“
Der Fall ist sehr atmosphärisch geworben. Die Landschaft ist voll Schnee. Man ist dabei, sich mit Glühwein und Weihnachtsgebäck gegen die Kälte zu wehren und die vorweihnachtliche Stimmung aufkommen zu lassen.
Die Figuren sind sympathisch. Hirschberg und seine Frau erwarten ein Kind und freuen sich auf das neue Zuhause im Krindelsdorf. Die Tante Isobel, die mit dem englischen Akzent wiedergegeben wird, ist schon ein Früchtchen. Das Rezept ihres Lieblingsdrinks mit viel Whiskey hört man am Ende.
Die Handlung ist zwar kurz, aber nicht vorausschaubar. Gern folgt man den Ermittlungen bis zum Schluss. Da wird alles geklärt und das Ganze schön mit Glühwein &Co. begossen.
Ich kannte bisher diese Reihe nicht. Kann mir aber gut vorstellen, die Folgen, die davor waren und die noch nachkommen auch zu hören.

Der Sprecher Sebastian Walch hat wunderbar gelesen. Eine angenehme, wohlerzogene Stimme, die er aktiv hier einsetzt. Gern höre ich weitere Bücher mit seiner Beteiligung.

2 Stunden 53 Minuten der ungekürzten Ausgabe waren schnell vorbei. Alles hat gepasst. Form und Inhalte passen perfekt zusammen.

Fazit: Ein schöner, vorweihnachtlicher Kurzkrimi aus Bayern. Gern vergebe ich 5 Sterne und eine Hörempfehlung.

Veröffentlicht am 04.11.2018

Leicht und locker, unterhaltsam und für jeden verständlich.

Schlaf wirkt Wunder
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Das Buch ließ sich sehr angenehm lesen. Das Versprechen des Untertitels „Alles über das wichtigste Drittel unseres Lebens“ wurde prima eingelöst. Auch das „3-Wochen-Programm für den gesunden Schlaf“ kann ...

Das Buch ließ sich sehr angenehm lesen. Das Versprechen des Untertitels „Alles über das wichtigste Drittel unseres Lebens“ wurde prima eingelöst. Auch das „3-Wochen-Programm für den gesunden Schlaf“ kann sich sehen lassen.
Rund 300 Seiten, plus Vor- und Nachwort, sind in sechs Teile geordnet. Diese sind in kleinere Kapitel, manchmal von nur paar Seiten, heruntergebrochen worden, sodass man das Buch ganz gut unterwegs, in Wartezimmern usw. häppchenweise lesen kann. Man kann es auch locker in einem Rutsch durchlesen, denn da ist alles ganz easy, der Text ist mit lustigen Zeichnungen, paar Graphiken, etc. zur Verdeutlichung angereichert.
Teil I beschäftigt sich mit dem Schlaf als die beste Medizin und erklärt u.a., wie viel und wann man schlafen sollte.
Teil II erzählt von den Hormonen und anderen Stoffen, die den Schlaf beeinflussen. Hier wurden auch die Schlafzyklen beschrieben und erklärt, welche Rolle sie spielen. Auch über die Lerchen und Eulen, mit einem kurzen Test, um herauszufinden, zu welcher Kategorie man gehört, samt paar Tipps, sowie über den „Schlaf der Geschlechter“, Winterschlaf und Frühjahrsmüdigkeit uvm. findet man hier einige nützliche Infos.
Über den Mittagsschlaf und seine positiven Wirkungen liest man im Teil III, auch über „Schlafkiller neue Medien: wie uns Smartphones, Tablets & Co. um den Schlaf bringen“. Hier fand ich interessant, dass es im Wesentlichen um das blaue Licht geht, das diese Gerätschaften ausstrahlen, was dem Gehirn den Tag vorgaukelt. Man liest hier auch über Jetlag, das Vor- und Zurückstellen der Uhr uvm.
Teil IV beschäftigt sich mit den „Mythen und Volksweisheiten zum Schlaf“ und entlarvt so manches als haltlos. Hier gibt es auch Ratschläge zur richtigen Abendroutine, zum richtigen Tagesablauf, der den guten Schlaf in der Nacht vorbereitet, zur Nachtgestaltung insg. Man erfährt hier über die richtige Kleidung, die optimale Temperatur, Schlafposition, allein oder zu zweit schlafen, Familienbett, Haustiere im Bett usw.
Teil V beschreibt u.a. Einschlaf- und Durchschlafstörungen. Ein Test hilft den Lesern, seine eigenen Probleme in dem Bereich besser einzuschätzen. Auch über das Schnarchen, davon gibt es gutartige und krankhafte Arten, über unruhige Beine, Albträume, Schlafwandeln, Nachtschreck, Narkolepsie erfährt man hier das Wesentliche.
Teil VI stellt das 3 Wochen Programm vor. Das Schlaftagebuch zur Analyse des Schlafverhaltens soll man von der angegebenen Internetadresse herunterladen. Die Anweisungen samt wieso, weshalb usw., denn man soll damit zum eigenen Schlafexperten werden, sind im Buch recht ausführlich beschrieben.
Wenn das nicht weiterhilft, dann gibt es Schlaftherapiegruppen und stationäre Angebote, über die man hier auch paar Sätze verloren hat. Ein extra Kapitel über Schlafmittel, das erklärt, wie die Schlafmittel wirken und einige davon, wie Antihistaminika, Melatonin samt ihren Risiken und angestrebtem Nutzen nennt, findet man hier ebenfalls. Ein kurzes Nachwort mit der Einladung, sich an den Autor und sein Klinikum zu wenden, wenn man Fragen usw. hat, runden das Ganze ab.
Was aus den Ausführungen deutlich wird: Es gibt keine allgemeingültigen Regeln. Schlaf ist sehr individuell. Jeder soll für sich herausfinden, wie er zu einem guten, erholsamen Schlaf kommt und was er dazu braucht. Auch wenn man getrennte Schlafzimmer hat oder es sich wünscht, ist es längst nicht das Ende der Beziehung. Auch was die Schlafmittel angeht, ist Vorsicht angesagt. Besser ist es erst zu prüfen, ob man das Problem nicht ohne in den Griff bekommt, z.B. durch die regelmäßige Bewegung an der frischen Luft, durch die optimale Gestaltung des Schlafraums, der Kleidung, der Auswahl der Getränke etc.
Das Cover passt sehr gut zum Inhalt. Die hellen Pünktchen sind haptisch hervorgehoben. Der Titel und andere Aufschriften sind dagegen glatt. Die Schrift ist nicht besonders groß, man kann sie aber sehr gut lesen. Paar Tabellen, lustige Zeichnungen lockern den Text auf. Hinten gibt es Farbfoto des Autors und paar Infos zu seiner Person:
„Dr. phil. Dipl.-Psych. Hans-Günter Weeß ist Psychotherapeut und Somnologe. Er leitet die Schlafmedizinische Abteilung des Pfalzklinikums Klingenmünster und lehrt an der Universität Koblenz-Landau. Seit 2008 ist er Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin...“

Fazit: Ein Buch, das die wichtigsten Dinge zum Thema Schlaf leicht und locker für breites Publikum präsentiert. Als Geschenk oder nettes Mitbringsel prima geeignet.

Veröffentlicht am 02.11.2018

Sehr lesenswert. Ein must read. Tolles Geschenk an die Leser zu Chomskys 90stem.

Kampf oder Untergang!
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Dieses Buch habe ich mir großem Interesse gelesen und empfehle es auch gern weiter. Sowohl für Chomskys langjährigen Leser als auch für Einsteiger ist es sehr gut geeignet. Es liefert klare Analysen der ...

Dieses Buch habe ich mir großem Interesse gelesen und empfehle es auch gern weiter. Sowohl für Chomskys langjährigen Leser als auch für Einsteiger ist es sehr gut geeignet. Es liefert klare Analysen der Gegenwart, nennt die wesentlichen Problemfelder, erklärt ihre Ursachen, nennt Fakten, zeigt Zusammenhänge auf uvm. Großes Kino.
Der Band enthält kurze Einleitung, in der Noam Chomsky vorgestellt wird, 5 Interviews mit dem meist zitierten Intellektuellen unserer Zeit und paar Seiten Nachwort des Autors.
Chomsky und Feroz reden über die weltweite Ungleichheit, über die Eliten und ihr Machtstreben, über die Untergrabung der Demokratie, über US Imperialismus und illegale Kriege, über Geflüchtetenkrise, über Europa, über Trump und sein Motto „Amerika First“ uvm.
Chomsky fasst sich kurz, manchmal sehr kurz, aber stets bringt er es auf den Punkt und nimmt sich dabei kein Blatt vorm Mund: nennt Fakten, zeigt die Zusammenhänge auf, die einem treuen Leitmedienleser i.d.R. nicht bekannt sind. An manchen Stellen musste ich auch an das neuste Buch von Prof. Mausfeld „Warum schweigen die Lämmer?“ denken, da die messerscharfe Klarheit der Gedanken und die Übereinstimmungen der Sichtweisen offensichtlich sind.
Manchmal sagt Chomsky auch bekannte Dinge, dies aber stets unter einem anderen Blickwinkel betrachtend. Chomsky betont, dass es Themen gibt, da kann man sich nicht oft genug wiederholen. Spätestens im 3ten Interview merkt man, dass Klimawandel und die Auswirkungen des Raubkapitalismus für die nachfolgenden Generationen wichtige Themen für ihn sind. Auf einige solcher Themen kommen sie in jedem Interview zu sprechen, aber stets unter einem anderen Aspekt.
Das Buch ist auch und vor allem für Anfänger gut geeignet, denn Chomsky umfasst die Problematik griffig und prägnant zusammen. Die Anmoderation von Feroz, paar Seiten am Anfang eines jeden Interviews, hilft, sich in das jeweilige Thema hineinzudenken, da es einen kurzen, aber die Eckpunkte umfassenden Überblick gibt. Danach kommen die Fragen, die es auch in sich haben, da im Klartext verfasst worden und die Dinge unter solchen Blickwinkeln darstellen, die man vergeblich in Leitmedien sucht. So manche Frage von Feroz schien mir aber wie den Leitmedien entnommen zu sein, z.B. S. 49. Was Chomsky darauf antwortet ist sehr angemessen und entspricht den Tatsachen.
Diejenigen, die Chomskys Werke gelesen haben, kommen auch auf ihre Kosten, da er hier die aktuellen Entwicklungen bespricht und seine Sicht der Dinge dazu erklärt.
Man kann noch viel über dieses Buch schreiben, besser, man liest es selbst.
Ein gutes Buch ist gut auf jeder Seite. Hier trifft es voll und ganz zu.

Fazit: Sehr lesenswert. Ein must read. Ein würdiger Nachfolger der Werke Chomskys und ein tolles Geschenk an die Leser zu seinem 90sten.
Gekürzt.

Veröffentlicht am 01.11.2018

Ein schönes, erfüllendes Leseerlebnis. Klare Leseempfehlung!

Die schönsten Liebesgeschichten
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„Die schönsten Liebesgeschichten“ von Iwan Turgenew (1818-1883) habe ich sehr gern gelesen und empfehle sie auch gern weiter. Ein schönes Geschenk an die Leser zu seinem 200. Jubiläum.
Klappentext beschreibt ...

„Die schönsten Liebesgeschichten“ von Iwan Turgenew (1818-1883) habe ich sehr gern gelesen und empfehle sie auch gern weiter. Ein schönes Geschenk an die Leser zu seinem 200. Jubiläum.
Klappentext beschreibt den Inhalt sehr gut: „Iwan Turgenjews Prosawerke gehören zusammen mit den Romanen Lew Tolstojs und Fjodor Dostojewskis zu den Höhepunkten des russischen Realismus im 19. Jahrhundert. Neben Lyrik, Dramen und seinem berühmten Roman Väter und Söhne hat Turgenjew zahlreiche Erzählungen verfasst. Seine melancholischen Liebesgeschichten nehmen dabei einen besonderen Rang ein. Dieser Band enthält die schönsten davon. Ausgangspunkt ist zumeist ein psychologisch besonderer Fall, oft mit geheimnisvoller Komponente – wofür in den Romanen des Zeitkritikers kaum Platz war.“
Es sind neun Geschichten insg. Die ersten zwei sind eher kurz, 13 und 15 S., die weiteren fallen länger, 35-80 S., und deutlich komplexer aus.
Mir war, als ob ich Russland 1840-1860 Jahre besucht hätte.
Gerade die ersten Geschichten bezaubern durch Naturbeschreibungen, die nicht nur von ihrer Schönheit ein Lied singen, vielmehr legen sie Zeugnis von der wohl geübten Beobachtungsgabe des Autors und seinem schriftstellerischen Können ab.
Bei den Naturbeobachtungen bleibt es wohl freilich nicht. Jede der neun Geschichten hat zutreffende Aussagen, was menschliche Natur anbetrifft, damals wie heute, viele tragen auch einen gesellschaftskritischen Charakter, was man oft eher zwischen den Zeilen herausliest. Die Rolle der Frau wurde allerdings sehr deutlich thematisiert.
Oft fiel Turgenews Lebensweisheit auf, die er mit seinen Lesern gern teilt, z.B. in „Faust“, der Geschichte, die in Briefform verfasst ist, was auch den Inhalt optimal zum Leuchten bringt. Da schreibt ein Gutsbesitzer mittleren Alters, der irgendwo in russischer Provinz auf seinem Gut lebt, seinem Freund, was ihm im Sommer 1850 passiert war. Natürlich ist es eine Liebesgeschichte, psychologisch fein, mit subtil steigender Spannung, die mich bis zum Schluss gefesselt hielt, auch weil ich erfahren wollte, wie sich das ganze Gebilde aus neu entflammter Liebe, Pflichtgefühlen, neu gewonnenen Einsichten usw. auflöst. Wie so oft im Realismus gab es kein besonders glückliches Ende, was diese Werke wiederum stimmig und lebensecht macht.
In allen Geschichten war ich sehr beeindruckt von Turgenews Art, die Frauen, ob jung oder reif, so authentisch zu zeichnen, dass sie mir zum Greifen nah erschienen. Von „Asja“, spielt übrigens in Deutschland am Rein, dort wo die Weinreben die umliegenden Berge zieren, unter den jungen vermögenden Kleinadeligen, die sich dort zufällig treffen und eine Art Freundschaft anfangen, war ich hin und weg. Hier ist Turgenew nicht nur ein komplexer Frauencharakter gelungen, er vermochte die Liebe und die Unmöglichkeit ihrer Erfüllung so in Worte zu fassen, dass all dies noch lange nach dem Umblättern der letzten Seite nachhallte.
In der letzten Geschichte (Klara Militsch) beweist Turgenew nicht nur seine Beobachtungsgabe, sondern auch seinen Humor. Fein ironisch zeichnet er so manchen möchte-gern-Künstler, die am Anfang auftreten. Diese Gestalten standen sofort klar vor meinem inneren Auge. Ich musste paarmal schmunzeln und nicken: Passt. Wie dem wahren Leben entsprungen. Die Geschichte nahm einen eher mystischen Verlauf. Sehr gekonnt erzählt.
Eine Geschichte pro Abend, genüsslich langsam gelesen, erwies sich als ein guter Ansatz: Einerseits um genug Raum diesen Meisterwerken zu geben, damit sie sich zur vollen Größe entfalten können, andererseits um zu gewährleisten, dass das Buch nicht allzu schnell durchgelesen wird. Ich freute mich, abends zu diesem Band zurückzukehren, um in diese vergangene Epoche wieder einzutauchen.
Das Coverbild passt hier übrigens sehr gut, denn diese Atmosphäre durchdringt viele der hier zusammengefassten Geschichten.
Paar Sätze fürs Zitatenheft:
„Mit dem Glück verhält es sich wie mit der Gesundheit: Wenn wir es nicht bemerken, heißt es, dass wir es haben.“ S. 116.
„Jeder ist also Schöpfer und zugleich Geschöpf seines Schicksals.“ S. 145.
„Der Verstand einer Frau ist besser als viele Gedanken.“ S. 154.
„Das Glück ist nicht im Sturm zu erobern. Aber man sollte nie vergessen, dass nicht das Glück, sondern die Würde des Menschen das wichtigste Ziel im Leben ist.“ S. 160.
Es gibt noch viel mehr davon. Sie entfalten aber ihre Aussagekraft, wenn man sie eingebettet in der jeweiligen Geschichte liest.
Mir hat es viel Spaß gemacht, Turgenew (wieder) zu lesen: In die damalige Zeit einzutauchen; die Welt durch die Augen seiner Figuren zu sehen; zu begreifen, was für sie wichtig war und warum; was ihnen Leid oder Freude bereitete; wie viel für sie Liebe bedeutete uvm.
Nach einer Pause lese ich das Buch bestimmt nochmals. Ein schönes, erfüllendes Leseerlebnis.
5 Sterne und eine klare Leseempfehlung!
Taschenbuch, 426 Seiten, Insel Verlag, 13.08.2018.