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Veröffentlicht am 07.06.2018

Humorig-ironisch, realistisch, großartig!

Ein Start ins Leben
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„Ein Start ins Leben“ (1981), den Debütroman von Anita Brookner, habe ich sehr gern gelesen. Es ist ein großartiges literarisches Werk voller Witz, Ironie und Humor, sowie Überlegungen, was ein gelungenes ...

„Ein Start ins Leben“ (1981), den Debütroman von Anita Brookner, habe ich sehr gern gelesen. Es ist ein großartiges literarisches Werk voller Witz, Ironie und Humor, sowie Überlegungen, was ein gelungenes Leben eigentlich ist, messerscharfen Beobachtungen des menschlichen Verhaltens uvm.
Klappentext beschreibt den Kern des Romans treffend: „Die mittlerweile vierzigjährige Ruth Weiss ist schön, intelligent – und einsam. Die Literatursüchtige sucht bei Balzacs Heldinnen Antworten auf die Fragen des Lebens und der Liebe und sinnt darüber nach, wo in ihrer Kindheit und Jugend die Ursachen dafür liegen, dass sie zu einer so einzelgängerischen Existenz wurde. Dabei schien doch anfangs alles noch so hoffnungsvoll, als sie als junge Frau in Paris ein neues Leben begann …Schon Anita Brookners Romandebüt ist ein vollendetes Stück Literatur. Tessa Hadley zählte ihn im Guardian zu den fünf besten ihrer 24 Romane und nannte ihn ‚schwarzhumorig, düster, und sehr, sehr witzig.‘“
Schwarzhumorig würde ich den Roman nicht nennen. Humorig-ironisch, recht realistisch sind die Beobachtungen der Autorin, die sie meisterhaft verpackt und dem Leser großartig, auf ihre besondere Art präsentiert.
Viele Fragen gingen mir durch den Kopf: Ist es nicht die Ironie des Schicksals, dass Ruths Mutter, die einst erfolgsverwöhnte, allseits beliebte, schöne Helen so ein elendes, einsames Lebensende findet? Oder ist sie einfach selbst schuld, weil sie ihre prinzessenhafte Angst vor dem eigentlichen Leben nie abgelegt und keine andere Rolle für sich gefunden hatte? Ihr Mann George, der Helens Eskapaden stets sportlich nahm, sich davon aber weiter nicht beeindrucken ließ und eine Beziehung zu einer anderen Frau heimlich pflegte, die viel normaler war, ihn bekochte und sonst keine weiteren großen Ansprüche an ihn stellte, hatte offenbar ganz andere Vorstellungen vom gelungenen Leben. Sein Ende fiel aber ähnlich aus. Und Ruth, die eigentlich einen guten Start ins Leben in Paris hingelegt hatte, warum dann alles Retour und dieses Im-alten-Trott-versinken, wo sie doch schon so gut wie da raus war? Mit all diesen Fragen beschäftigt man sich noch länger, nach dem die letzte Seite umgeblättert wurde.
Das Ende war zwar etwas abrupt, aber bei literarischen Werken finde ich es weiter nicht besonders störend. Das Wichtigste wurde ja bereits gesagt.

Fazit: Ein sehr lesenswerter Roman, der etliche vergnügte und nachdenkliche Stunden seinen Lesern schenkt. Großartig geschrieben.
Gern lese ich weitere Romane der Autorin, v.a. „Hotel du Lac“ mit dem Anita Brookner den Booker Prise 1984 gewann.

Nachruf auf Anita Brookner, 2016, von ihrem einstigen Mitstreiter um den Booker Prise Julian Barnes, „Der Lärm der Zeit“, eine Art Romanbiographie von Dmitri Schostakowitsch aus seiner Feder habe ich im letzten Jahr kennengelernt, war auch sehr gut und hilfreich. Nach dem Roman las ich seine Zeilen nochmals. Dann kamen seine Ausführungen, wie Anita Brookner als Mensch war, da er sie persönlich kannte, und dass sie von der Presse in eine Schublade gesteckt wurde, in die sie eigentlich gar nicht passte, besser zur Geltung: „Es gab niemanden, der ihr auch nur ansatzweise vergleichbar gewesen wäre.“ Dies kann ich nun sehr gut nachvollziehen.

Eisele Verlag, ET 07.09.2018, 256 S.

#NetGalleyDEChallenge.


Veröffentlicht am 07.06.2018

Ein atmosphärischer Krimi aus Griechenland mit guter Portion Gesellschaftskritik.

Die Toten von Athen
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„Die Toten von Athen“ von Leo Kanaris ist ein recht spannender, atmosphärischer Krimi mit guter Portion Gesellschaftskritik und einem sympathischen Protagonisten.

Klappentext beschreibt den Anfang ganz ...

„Die Toten von Athen“ von Leo Kanaris ist ein recht spannender, atmosphärischer Krimi mit guter Portion Gesellschaftskritik und einem sympathischen Protagonisten.

Klappentext beschreibt den Anfang ganz gut: „Griechenland – authentisch und gefährlich.
Mario Filiotis, der sehr sozial und ökologisch gesinnte Bürgermeister der Insel Astypalea, kommt in Athen bei einem mysteriösen Fahrradunfall ums Leben. Privatdetektiv George Zafiris ist der festen Überzeugung, dass sein Freund ermordet wurde. Doch bei Marios Beerdigung liegt nicht der Tote, sondern ein antiker Goldschatz im Sarg. George Zafiris nimmt die Ermittlungen auf und gerät in ein Labyrinth aus Korruption, Betrug und Gewalt.“

Der Anfang war verlockend. Im Laufe der Geschichte gewann ich eher den Eindruck, dass es dem Autor wichtiger war, die gesellschaftskritischen Aspekte in den Vordergrund zu rücken wie die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die einfache Bevölkerung Griechenlands, die gesellschaftliche Zerrissenheit der Gutmenschen und die gute Organisation und perfekte Vernetzung der Verbrecher im Gegensatz zu ihnen. Die Ermittlungen an sich erschienen vor diesem Hintergrund eher zweitrangig, die Motive stellenweise etwas zu konstruiert. Das Ende war etwas unglaubwürdig und zu schnell abgewickelt.
Aber eine nette Reise voller Abenteuer in Griechenland ist dieser Krimi allemal geworden. Die Vielfalt der Orte, die George zwecks seiner Ermittlungen besucht, ihre sehr gut beschriebene Atmosphäre ist schon beeindruckend. Es ist, man wäre mit George vor Ort und schaute ihm über die Schulter. Auch die Diversität der Tätigkeiten ist positiv aufgefallen. Man ist bei der Olivenernte im Kreise der Familie und beim Ölpressen dabei, auch beim Beten mit den Mönchen auf Insel Athos, wohin den Zugang nur Männer haben dürfen, bei den flammenden Reden des Wirtes über die in der Gesellschaft fehlende Solidarität uvm. In den Krankenhäusern ist man recht oft: Am Anfang, wo es einem vermittelt wird, wie die medizinische Versorgung in Griechenland funktioniert, und am Ende beim verletzten George.

Die Figuren sind durchwegs gut gelungen. Wobei sie alle kommen wie Opfer des korrupten wie kaputten Systems vor. Der neue Assistent von George konnte mich jedoch nicht wirklich überzeugen, eher schemenhaft geblieben bis zum Schluss, bei dem ich mich motivieren musste, doch noch zum Ende zu lesen.

Fazit: Ein ganz guter, atmosphärischer Krimi, flott und recht gekonnt geschrieben. Die Spannung nimmt zum Schluss jedoch ab, und dieser fällt abrupt aus.
3,5 Sterne, die ich auf 4 aufrunde.

Aufbau Taschenbuch Verlag, 352 S., ET 18.05.18

#NetGalleyDEChallenge.

Veröffentlicht am 23.05.2018

Ein großartiger Roman aus Japan.

Die Ladenhüterin
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Diesen Roman der japanischen Schriftstellerin Sayaka Murata habe ich sehr gern gelesen und empfehle diesen auch gern weiter.
Klappentext beschreibt den Inhalt sehr gut.
Ich war sofort in der Geschichte ...

Diesen Roman der japanischen Schriftstellerin Sayaka Murata habe ich sehr gern gelesen und empfehle diesen auch gern weiter.
Klappentext beschreibt den Inhalt sehr gut.
Ich war sofort in der Geschichte drin und konnte mit Keiko in Japan der Gegenwart eintauchen. Keiko ist eine tüchtige Frau, die gern und auch recht viel arbeitet, immer pünktlich ist, großen Wert darauflegt, ihre Aufgaben perfekt zu erledigen, just so, wie es von ihr erwartet wird und ihr Leben auch nach dem ausrichtet, wie die Chefs des Ladens es sich wünschen. Man wird ja auch dafür bezahlt, dass man frisch und munter zur Arbeit erscheint. Sie hört und spürt den Laden. Sie verschmilzt schon fast mit ihm. Da denkt man, prima, sie hat ihre Berufung gefunden. Aber! Sie gilt in dieser Gesellschaft, unter ihren Bekannten und Verwandten, als Außenseiterin, als etwas Abnormales, denn sie arbeitet „nur“ als Aushilfe. Sie soll aber, so die Konventionen, entweder voll arbeiten oder heiraten und ein Kind oder zwei bekommen. Erst dann gilt ihre Pflicht an die Gesellschaft erfüllt, was ihr auch oft genug vermittelt wird. Dass sie von dieser erwarteten Norm abweicht, gilt es zu vertuschen, was ihre angepasste Schwester übernimmt, denn sie gibt vor, wie Keiko argumentieren soll, damit alle anderen Normalos sie auch halbwegs verstehen und akzeptieren können.
Spannend wird es, als Keiko Shiraha trifft. Er ist auch ein Außenseiter, aber von einer ganz anderen Art. Er ist ein Rebell. Er will sich gar nicht an diese Gesellschaftsnormen anpassen. Er verachtet sie. Sie sind ihm zu primitiv und archaisch. Keiko dagegen will sich weiter dahingehend anpassen, dass sie einen Mann bei sich wohnen hat, den sie evtl. auch heiratet, sie will also einen weiteren Schritt in Richtung der geforderten Normalität wagen.
Die beiden liefern sich solch aufschlussreichen Dialoge, dass ich sage, jeder soll diese bitte selbst lesen und sich eigene Überlegungen anstellen, worum es eigentlich in diesem Roman geht. Vllt um die persönliche Freiheit im heutigen Leben? Vllt um die schiere Unmöglichkeit, diese zu haben, denn die eigene Freiheit endet dort, wo die Unfreiheit des anderen beginnt? Was ist eigentlich ein erfülltes Leben? Was ist ein richtiges Leben? usw.
Der Roman ist auch deshalb großartig, weil er mit ganz knappen Mitteln auskommt. Mit sparsamen, aber sehr gekonnten Darstellungen der Tatsachen gibt Sayaka Murata so viel Stoff, so viel Raum zum Nachdenken über eine atemberaubende Vielfalt an Themen des heutigen Lebens! Das ist eine große Kunst.

Folgenden Satz aus dem Klappentext kann ich auf jeden Fall unterschreiben: „Mit leichter Feder und einem untrüglichen Gespür für die absurden Gesetzmäßigkeiten unseres Alltags zeichnet Sayaka Murata eine scharfsinnige Satire auf unser heutiges Leben.“ Diese distanzierte, fast trockene Feinhumorigkeit hat mich auch sehr beeindruckt.

Fazit: Ein großartiger Roman. Ein must read. Erstaunlich, dass nur 145 Seiten so viel schaffen können. Nach einer Pause lese ich „Die Ladenhüterin“ bestimmt nochmals.


Veröffentlicht am 23.05.2018

Ein gutes, vielfältiges, bereicherndes Leseerlebnis.

Mit anderen Augen
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„Mit anderen Augen“ von Fabian Körner habe ich insg. gern gelesen und kann das Buch gut weiterempfehlen, v.a. an die Eltern, deren Kinder nicht so ganz gesund auf die Welt gekommen sind.
Etwas ungewöhnlich ...

„Mit anderen Augen“ von Fabian Körner habe ich insg. gern gelesen und kann das Buch gut weiterempfehlen, v.a. an die Eltern, deren Kinder nicht so ganz gesund auf die Welt gekommen sind.
Etwas ungewöhnlich ist dieses Werk von der Form her, ein Mix aus: 1) Reiseberichten, wie man sie vllt in einigen Reiseblogs liest, i.e. Aufenthalte in Simbabwe, auf Mali, in der Dominikanischen Republik; 2) Beschreibungen der Lebenserfahrungen, i.e. die Geburt von Yanti, Abenteuer einer ganz anderen Art. Die erste, pessimistische Reaktion der Eltern, als sie erfuhren, dass die Kleine Downsyndrom hat; 3) Ein Ratgeber in Sachen positiver, richtiger Lebenseinstellung und Problembewältigung, gerade wenn man kein vollkommen gesundes Kind hat.
Die Reiseberichte, obwohl auch mit so manchen politischen Gegebenheiten und persönlichen Erfahrungen, Beschreibungen exotischer Landschaften angereichert, konnten mich wenig fesseln. Aber die Geschichte um Yanti, und wie ihre abenteuerdurstigen Eltern zu einer positiven Einstellung kommen, wie es da weitergeht, insb. nach dem Treffen mit der Mutter einer erwachsenen Tochter mit Downsyndrom, die erzählt hat, dass sie zuletzt vor dreißig Jahren im Urlaub war und sonst kein lebenswertes Leben seitdem hatte, all diese Dinge haben mich gefesselt und bis zur letzten Seite getragen. So schön und bewegend war zum Schluss zu lesen, was auch sehr überzeugend rübergebracht wurde, dass Yanti ein besonders einnehmendes, fröhliches Wesen hat und gleich positiv und freundlich angenommen wird!
Vieles liegt an den Eltern und an ihrem Umgang mit dem Downsyndrom des Kindes, liest sich deutlich aus den Zeilen von Fabien Körner heraus. Hier wurde auch gezeigt, dass eine richtige Lebenseinstellung die entscheidende Rolle spielt. Das eigene Leben gleich aufzugeben, wenn es nicht so ganz glatt läuft, gehört nicht dazu. Reisen mit solchen Kindern ist kein Problem, wenn man sich selbst nicht im Weg steht, wie die Reise in die Dominikanische Republik mit Baby Yanti zeigt. Auch das Reisen auf eigene Faust und Campen lässt sich prima gestalten. Es wurde gar von einem Mann aus Spanien berichtet, dass er trotz des Syndroms ein Lehramtstudium abgeschlossen, Vorträge zum Thema Inklusion gehalten, eine Sendung moderiert hat uvm. Fabian und seine Frau sehen in Spanien in einem Supermarkt eine Frau mit Downsyndrom, die allein einkaufen geht und sich sonst sehr souverän gibt.
Das Buch macht auf jeden Fall Mut all den Eltern, deren Kinder nicht so ganz gesund auf die Welt gekommen sind. Es sagt ganz klar: Man darf das eigene Leben nicht aufgeben. Es geht weiter, und es seid ihr, die dafür verantwortlich sind, dass ihr euer Leben nach euren Vorstellungen lebt und glücklich werdet.

Alles in allem ist es ein gutes, vielfältiges, bereicherndes Leseerlebnis geworden. Die Texte sind gut. Ich konnte sie prima lesen. Die Sprache ist klar, griffig, bildhaft, sodass das Kopfkino gleich startet und bis zur letzten Seite anhält. Ich kann hier gute vier Sterne vergeben.

Veröffentlicht am 18.05.2018

Gute Idee, schwache Umsetzung.

Psychopathinnen
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Auf „Psychopathinnen“ habe ich mich gefreut. Leider hat es sich als etwas endlos Langatmiges herausgestellt. An der Art der Stoffdarbietung hätte man gern noch arbeiten können, bevor dieses Buch auf die ...

Auf „Psychopathinnen“ habe ich mich gefreut. Leider hat es sich als etwas endlos Langatmiges herausgestellt. An der Art der Stoffdarbietung hätte man gern noch arbeiten können, bevor dieses Buch auf die Leser losgelassen wurde.

Dem Text sieht man an, dass hier kaum eine wohl geübte Erzählerin an den Werken war: Zu amateurhaft diese Art, zu frivol der Umgang mit den Lesern und ihrer wertvollen Lesezeit.

Ich fühlte mich nicht abgeholt, obwohl ich es ernsthaft versucht habe und mich ohnehin stark für das Thema interessiere. Vielmehr musste ich mich schon sehr motivieren, nach längeren Pausen, die ich mir in der Hoffnung, dass es dann besser wird, gegönnt habe, zum Buch wieder zurückzukehren.

Diese dröge, mitunter schnöselige, gleichzeitig aber zu breite Erzählart, vermutlich qua der Unfähigkeit, das Wesentliche vom Unwichtigen zu trennen, hat mich stets dazu gebracht, etwas anderes zu lesen. Mit dem Thema bin ich, fürchte ich, erstmal durch.

Es ist zwar von der Sache her richtig, was generell zum typisch psychopathischen Verhalten hier gesagt wurde, aber von diesem Grundsätzlichen gab es eher wenig. Man fischt es wie die winzigen Sandkörnchen aus dem Meer der Worte. Diese Art, diese epische Breite, die insb. auf den ersten 37% beim Fall der Diana Downs an den Tag gelegt wurde, hat meine Geduld deutlich überstrapaziert. Warum war es nötig, Diana so ausführlich darzustellen, hat sich mir am Ende nicht erschlossen. Bei drei weiteren Personen im Kapitel 2 ging es doch. Da habe ich keine weiteren Einzelheiten vermisst.

Ich habe schon einige Bücher über Psychopathen gelesen, die kurz aber prägnant das Wesentliche erläutern, die typischen Merkmale, die deutlich im Vordergrund stehen, mit paar Beispielen verdeutlicht, klar, stramm und verständlich an die Leser bringen. Hier dagegen muss man schon sehr viel Geduld und Zeit aufbringen, um zu den gleichen Ergebnissen kommen, die ich nach nur paar Stunden des Lesens der besser geschriebenen Werke zu dem Thema hatte. Hier habe ich noch paar gute Punkte/Merkmale vermisst.

Fazit: Gute Idee, schwache Umsetzung. Kann ich leider nicht empfehlen.