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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.06.2017

Absolute Leseempfehlung

Small World
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Suter mausert sich wohl immer mehr zu einem meiner absoluten Lieblingsautoren. Zumindest ist „Small World“ nun bereits das vierte Buch, das ich von ihm gelesen habe, und das mich restlos begeistert hat. ...

Suter mausert sich wohl immer mehr zu einem meiner absoluten Lieblingsautoren. Zumindest ist „Small World“ nun bereits das vierte Buch, das ich von ihm gelesen habe, und das mich restlos begeistert hat. Protagonisten des Romans sind der reiche Fabrikantensohn Thomas Koch und sein ärmlicher Freund Konrad Lang. Beide kennen sich aus frühesten Kindertagen und sind zusammen aufgewachsen. Konrad wurde sein Leben lang von Thomas Mutter finanziell unterstützt, dafür war Konrad immer zur Stelle, wenn Thomas ihn brauchte. Nun sind beide um die 60 Jahre alt und Konrad hat zunehmend Probleme mit seinem Kurzzeitgedächtnis. Schließlich die Diagnose: Alzheimer. Je mehr die Krankheit Konrads Neugedächtnis raubt, desto stärker erinnert er sich an Ereignisse aus seiner Jugend und frühesten Kindheit. Das passt aber Thomas Mutter, millionenschwere Alleinherrscherin des Familienunternehmens, überhaupt nicht. Großartig finde ich jedes Mal wieder Suters Sprache. Sie ist sehr präzise, ohne Schnörkel, trotzdem wird die Geschichte sehr einfühlsam erzählt. Faszinierend ist auch, wie feinfühlig Suter seine Figuren zeichnet, wie stilsicher er die Szenen entwirft. Die ganze Geschichte wird dadurch sehr stimmig, nichts ist zu wenig oder zu viel, jedes Wort, jeder Dialog sitzt. Am Ende gelingt Suter auch noch der Spagat zwischen Familiendrama, Thriller und einer medizinischen Fallstudie über Alzheimer. Ein tolles Buch, das einen sofort in den Bann zieht.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Bewundernswerter Umgang mit Sprache

Schilf
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Gekonnt verwebt Zeh in ihrem Werk „Schilf“ Krimi und Freundschafts- bzw. Liebesroman mit physikalischen Theorien und philosophischen Fragen. Und was dabei herauskommt ist einfach großartig. Im Mittelpunkt ...

Gekonnt verwebt Zeh in ihrem Werk „Schilf“ Krimi und Freundschafts- bzw. Liebesroman mit physikalischen Theorien und philosophischen Fragen. Und was dabei herauskommt ist einfach großartig. Im Mittelpunkt des Romans stehen die beiden Physiker Sebastian und Oskar, die seit ihrer Studienzeit eine sehr außergewöhnliche, innige Freundschaft verbindet. Diese Freundschaft beginnt allerdings zu wackeln, als beide sich für unterschiedliche Lebensmodelle entscheiden. Sebastian heiratet, wird Vater und nimmt eine Professorenstelle an der Freiburger Uni an. Nebenbei beschäftigt er sich mit Paralleluniversen und versucht deren Existenz zu beweisen. Oskar, der als theoretischer Physiker in Genf arbeitet und ein eher dandyhaftes Junggesellenleben führt, belächelt seinen Freund deswegen. Eines Tages wird jedoch Sebastians Sohn an einer Autobahnraststätte entführt. Für die Freilassung verlangt der Entführer von Sebastian einen hohen Preis. Sebastians Welt gerät ins Wanken und er verliert zunehmen die Kontrolle. Zeh hat wirklich ein Talent dafür, sehr einzigartige, außergewöhnliche Charaktere zu entwerfen und eine einmalige, besondere Atmosphäre zu schaffen. Zudem kann sie einfach bewundernswert gut mit Sprache umgehen. Der ganze Roman steckt voller ausdruckstarker Bilder und brillanter Sätze. Da hat es mich auch gar nicht gestört, dass die Sprache an manchen Stellen vielleicht ein wenig zu Metaphern-überladen ist. Die Geschichte ist spannend, klug und poetisch. Die Thematik zudem äußerst interessant – auch, wenn man (so wie ich) von Physik überhaupt keine Ahnung hat. Einziger Kritikpunkt: Das Ende war an sich gut, konnte aber mit dem Rest der Geschichte nicht wirklich mithalten. Großartige Prosa, die ich sehr empfehlen kann. Man darf nur nicht den Fehler machen und einen „echten“ Krimi erwarten.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Großartig

Der große Mandel
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Sehnsüchtig habe ich den dritten Mandel-Roman erwartet und wurde nicht enttäuscht. In „Der große Mandel“ schickt Mayer die beiden ehemaligen Musikjournalisten Sigi Singer und Max Mandel, die sich mittlerweile ...

Sehnsüchtig habe ich den dritten Mandel-Roman erwartet und wurde nicht enttäuscht. In „Der große Mandel“ schickt Mayer die beiden ehemaligen Musikjournalisten Sigi Singer und Max Mandel, die sich mittlerweile in Berlin mit einem Detektivbüro selbstständig gemacht haben, in ihre alte Heimat nach Regensburg. Beide wollen dort an einem Wrestling-Seminar teilnehmen, das Sigi Max zum Geburtstag geschenkt hat. Doch schon bald müssen sie wieder als Ermittler ran. Um herauszufinden, wer hinter der Erpressung eines Catchers steckt, touren Mandel und Singer mit einer kleinen Wrestling-Liga quer durch Deutschland. Den Roman zu lesen hat einfach nur riesigen Spaß gemacht. Ich mag Mayers sarkastischen, pointierten Erzählstil und liebe seine unverwechselbaren, extrem coolen und etwas skurrilen Charaktere. Obwohl die Mandel-Romane als Krimis deklariert werden, ist es allerdings nicht die Krimihandlung, die die Romane ausmachen. In „Der große Mandel“ setzt diese sogar erst recht spät ein. Es sind die vielen popkulturellen Anspielungen und das fast schon nerdige Hintergrundwissen zu Themen wie Musik oder – in diesem Fall – Wrestling, die die Romane zu etwas besonderem machen. Insgesamt geht es in der Trilogie auch um die Entwicklung einer Freundschaft. Was passiert mit zwei ehemaligen besten Freunden, die sich auseinanderleben? Von denen sich einer ständig dem anderen unterlegen fühlt? Auf seinen letzten Seiten kommt „Der große Mandel“ sogar etwas philosophisch daher und stimmt einen nachdenklich. Wirklich schade, dass das der letzte Mandel-Roman war. Übrigens: Auch wenn die drei Mandel-Romane „Mandels Büro“, „Black Mandel“ und „Der große Mandel“ in sich abgeschlossen sind, sollte man die Mandel-Trilogie unbedingt in der richtigen Reihenfolge lesen, um die Entwicklung der Protagonisten zu verstehen.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Familiensaga vor traumhafter Südsee-Kulisse

Der Duft der grünen Papaya
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Hinter dem Pseudonym Sarah Benedict steckt der Autor Eric Walz, der bereits mehrere historische Romane geschrieben hat. Mit „Der Duft der grünen Papaya“ wagt er sich an eine generationenübergreifende Familiensaga ...

Hinter dem Pseudonym Sarah Benedict steckt der Autor Eric Walz, der bereits mehrere historische Romane geschrieben hat. Mit „Der Duft der grünen Papaya“ wagt er sich an eine generationenübergreifende Familiensaga vor traumhafter Südsee-Kulisse. Meiner Meinung nach ist ihm dieses Experiment sehr geglückt. Die Geschichte hat meine Erwartungen sogar übertroffen und ist viel komplexer als Titel und Buchcover vermuten lassen. Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen: In der Gegenwart dreht sich die Geschichte um Evelyn Braams, die vor den Problemen in ihrem Leben fliehen will und in einer Nacht- und Nebelaktion alles in ihrer Heimat Frankfurt zurücklässt und nach Samoa fliegt. Dort quartiert sie sich bei zwei alten Frauen auf einer Papaya-Plantage ein und freundet sich schnell mit der über 90 Jahre alten Ili an. Ili hat aber auch ein Problem, sie bangt um ihren Besitz. Denn ihre Cousine Moana, mit der sie auf der Papaya-Plantage lebt, will die Plantage an einen amerikanischen Investor verkaufen. Aus Rache, denn die beiden alten Frauen stehen seit beinahe 80 Jahren auf Kriegsfuß miteinander. Der zweite Handlungsstrang beginnt im Jahr 1914, als Samoa noch eine deutsche Kolonie war, und erzählt sozusagen, worin der Hass, der die beiden alten Frauen verbindet, begründet liegt. Der Schreibstil ist ruhig, aber durchaus eindringlich und gefühlvoll. Vor allem die Landschaft wird so detailliert und farbig beschrieben, dass man richtig das Meer rauschen hört und die Südseesonne auf seiner Haut spürt. Dabei ist die Geschichte niemals langweilig. Der Leser bekommt nicht nur einen Familien- bzw. einen Liebesroman geboten, sondern bekommt auch Einblicke in die deutsche Kolonialzeit auf Samoa. Außerdem erfährt man einiges über die heutige Situation auf der Insel. Unter anderem schneidet der Autor die Probleme der Plantagenbesitzer an, die mit ihren Produkten kaum mehr auf dem Weltmarkt mithalten können oder auch die Situation der Jugendlichen auf Samoa, die sich durch ihre traditionelle Kultur individuell eingeengt fühlen. Zum Ende hin gab es dann vielleicht ein paar zu viele Fügungen, am Schluss war ich aber sehr bewegt und musste sogar ein paar Tränchen verdrücken.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Wenn aus Interesse Besessenheit wird

Die Germanistin
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In Dunckers Roman „Die Germanistin“ macht sich ein Student für seine Doktorarbeit auf die Suche nach einem Autor, der seit Jahren in einer psychiatrischen Anstalt lebt. Je tiefer er in die Wirklichkeit ...

In Dunckers Roman „Die Germanistin“ macht sich ein Student für seine Doktorarbeit auf die Suche nach einem Autor, der seit Jahren in einer psychiatrischen Anstalt lebt. Je tiefer er in die Wirklichkeit des Autors eindringt, desto mehr beginnt er selbst Grenzen zu überschreiten und gerät immer mehr in einen Strudel aus Besessenheit und Leidenschaft. Zugegeben, Dunckers kurzer Roman ist schon ein wenig schräg, die Geschichte hat aber auch eine sehr anziehende Wirkung. Zum einen steckt der Roman voller Poesie und Melancholie, zum anderen ist es faszinierend zu beobachten, wie die Besessenheit immer mehr vom Protagonisten Besitz ergreift, wie aus seinem wissenschaftlichen Interesse eine obsessive Leidenschaft wird. Nebenbei hat Duncker ihren Roman mit zahlreichen philosophischen und gesellschaftlichen Themen gefüttert, wie Homosexualität, Schizophrenie und die Liebe zwischen einem Schriftsteller und seinen Lesern. Eine rasante, originelle Geschichte, die auf hohem Niveau unterhält.