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Veröffentlicht am 02.04.2024

Soziale (Un-)Gerechtigkeiten vor hundert Jahren

Die Postbotin
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Der Erste Weltkrieg ist zu Ende. Während die Männer als Soldaten für das Vaterland gekämpft haben, haben die Frauen ihre Arbeit übernommen. Wie ihr Vater vor ihr trägt Regine Briefe für die Reichspost ...

Der Erste Weltkrieg ist zu Ende. Während die Männer als Soldaten für das Vaterland gekämpft haben, haben die Frauen ihre Arbeit übernommen. Wie ihr Vater vor ihr trägt Regine Briefe für die Reichspost in Berlin aus. Obwohl sie als Postbotin sehr geschätzt ist, drohen ihr und ihren Kolleginnen die Kündigung, damit die von der Front zurückkehrenden Männer Arbeit bekommen. Regine will aber nicht kampflos aufgeben und sucht Unterstützung bei der Gewerkschaft, wo sie in Kurts Bann gerät.

In ihrem Roman „Die Postbotin“ erzählt Elke Schneefuss nicht nur über die Ungerechtigkeit, mit der die Briefträgerinnen des Berliner Postfuhramt konfrontiert wurden. Dort arbeitet zum Beispiel auch Regines beste Freundin Evi als Telefonistin. Sie muss sich nicht fürchten, durch Männer ersetzt zu werden. Aber, wie viele Frauen der Nachkriegszeit ist sie auf der Suche nach ihrem Bruder, der vom Krieg noch nicht zurückgekehrt.

In einem flüssigen und angenehmen Schreibstil entführt die Autorin die Leser*innen auf den Straßen vom Brunnenviertel im Berlin der Nachkriegszeit. Elke Schneefuss behandelt in ihrer viele interessante Themen der Epoche, wie die Ersetzbarkeit der Frauen und ihre Kampfmöglichkeiten in einer Welt, in der Männer wertvoller sind als Frauen waren. Dazu hat sie auch eine Menge Figuren geschaffen, die sich in Regines und Evis Bannkreis befinden und mit ihnen interagieren. Ob Lotte, Emma oder Bernardine, das teilweise tragische Schicksal der zahlreichen Nebenrollen wird oft angeschnitten, aber das Potential nicht ausgeschöpft. Auch im Bezug auf Regine und Evi bleiben viele Fragen unbeantwortet. Es wäre auf jeden Fall genug Material für ein weiteres Buch.

Trotz dieser Enttäuschung hat mir der Roman gut gefallen, weil die Geschichte eine ausgewogene Mischung von bewegender Fiktion und historischen Gegebenheiten aufweist. Der Epilog, der wie ein Nachwort klingt, stellt die Geschichte wieder in ihren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang. Auch wenn die Situation der Frauen sich in den letzten hundert Jahren sich verbessert hat, sind der Kampf um soziale Gerechtigkeit und die Arbeitssuche noch brennend aktuelle Themen.

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Veröffentlicht am 24.03.2024

Eine niedliche Hasenfamilie

Alle meine Kuschelhäschen
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Papa Hase und Mama Hase haben viele liebevollen Kinder, ihre kleinen Kuschelhäschen. Spielen, Streicheln oder Küssen: es gibt so viele Möglichkeiten, miteinander eine schöne Zeit zu verbringen!

Sanfte ...

Papa Hase und Mama Hase haben viele liebevollen Kinder, ihre kleinen Kuschelhäschen. Spielen, Streicheln oder Küssen: es gibt so viele Möglichkeiten, miteinander eine schöne Zeit zu verbringen!

Sanfte Reimen und niedliche Illustrationen zeichnen dies wunderschönes Kinderbuch. Die Hasen auf dem Register findet man in den jeweiligen Seiten wieder, allerdings in anderen Positionen… Es bereitet den Kindern viel Spaß die ganze Hasenfamilie zu suchen. Auch als Gute-Nacht-Geschichte gut geeignet…

Die Reimen haben mit Ostern nichts zu tun. Jedoch eignet dies tolles Kinderbuch aufgrund seiner Figuren perfekt als Ostergeschenk für künftige Leseratten.

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Veröffentlicht am 23.03.2024

Die frische Brise des Atlantiks lässt die Seiten sich viel zu schnell drehen…

Mörderisches La Rochelle
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Mit den emblematischen Türmen des Hafens von La Rochelle entführt das Cover den Leser in die Hauptstadt des Départements Charente Maritime im Südwest Frankreichs. Aufgrund von den Spiegelungen im Wasser ...

Mit den emblematischen Türmen des Hafens von La Rochelle entführt das Cover den Leser in die Hauptstadt des Départements Charente Maritime im Südwest Frankreichs. Aufgrund von den Spiegelungen im Wasser könnte man denken, dass die „ville blanche“ (Die weiße Stadt) ein ruhiges Urlaubsparadies an der Atlantikküste ist. Kein Wunder, dass der Préfet De Daillon den Ruf der Stadt bewahren möchte, was unter den Umständen gar nicht so einfach ist.

Wegen eines Tripelmordes an der Pointe Saint Clément muss nämlich Commissaire Chevalier den Strandbesuch mit seiner Familie abbrechen (wie schön, wenn man an der Atlantikküste wohnt… so fühlt sich jeder Tag wie Urlaub!). Kannten sich die Opfer? Wieso wurden sie überhaupt erschossen? Sind weitere Morde möglich? Clément Chevalier und sein Team müssen alle dieser und einige weiteren Fragen beantworten, um diesen undurchsichtigen Fall zu klären.

Die Ermittlung erweist sich als sehr komplex, mit vielen Überraschungen, auch für die Polizisten. So viele Wendungen bis Chevalier und sein Team den Täter fassen können… Der Plot ist richtig gut eingefädelt und bis zum Ende spannend. Als Leser hat man einfach keine Chance von Anfang an auf die Lösung zu kommen. Und man fiebert bei jedem kleinen Fortschritt der Ermittler mit!

Die Spannung allein macht nicht alles bei einem Krimi. Mit einem klaren und dynamischen Schreibstil hat Jean-Claude Vinet einen Protagonisten mit Ecken und Kanten, sowie einer Vergangenheit und einer Familie, ins Leben gerufen. Trotz seiner Erfahrung als RAID-Polizisten verhält sich nie wie ein Superheld. Auch seine Teamkollegen wirken realistisch und authentisch. Das Team möchte ich gern bei weiteren Ermittlungen begleiten.

Der Gräuel des Tatorts wird durch wunderschönen Beschreibungen und Szenen ausgeglichen, die diese traumhafte Region und den familiären Alltag der Familie Chevalier an der Atlantikküste hervorheben. Der Autor gibt nach und nach gut dokumentierte Informationen zu den Orten (z.B. die „Carrelets“ oder die „Île d‘Aix“) preis, in denen seine Figuren sich bewegen. Auch die Mahlzeiten machen einem den Mund wässrig. Lokalkolorit hoch zehn!

Trotz einiger Ungereimtheiten, die wahrscheinlich nur Franzosen entdecken können, und ein paar Tippfehler, kann ich diesem Krimi keinen Punkt abziehen. Ich freue mich auch schon auf Clément Chevaliers nächsten Fall an der Atlantikküste.

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Veröffentlicht am 18.03.2024

Mehr als nur eine Kindergeschichte

Der Recyclosaurus
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Wie viele Kinder ist Matti ein großer Dinosaurier-Fan. Was für ein Glück, dass eines Tages ein Dino sich in Mattis Zimmer niederlässt… Plastik in allen Farben und Sorten ist sein Lieblingsessen, so dass ...

Wie viele Kinder ist Matti ein großer Dinosaurier-Fan. Was für ein Glück, dass eines Tages ein Dino sich in Mattis Zimmer niederlässt… Plastik in allen Farben und Sorten ist sein Lieblingsessen, so dass er schnell groß wird… Zu groß für Mattis Zimmer!

Mit dem Recyclosaurus hat Anka Schwelgin eine lustige Figur gezaubert, die allen Dino-Fans begeistern wird. Mit dieser entzückenden Kindergeschichte verbringen aber auch Nicht-Dino-Fans und ihre Eltern eine schöne Zeit. Die farbenfrohen Illustrationen sind im ganzen Buch kindergerecht und so lebendig, dass man als (Vor-)Leser sich anfühlt, als ob man selber dem Recyclosaurus begegnen würde.

Nach der Geschichte stellt die Autorin die Problematik um die Plastik vor. Entstehung, Herstellung, Verbreitung, Umweltschädigung und mögliche Lösungen werden den Kindern mit geeigneten Begriffen und Vergleichen näher gebracht. Für Kleinkinder möglicherweise noch nicht ganz begreifbar. Aber, ab der Vorschule eine gute Möglichkeit, mit Kindern über Recycling und Umweltschutz auszutauschen.

Erwähnenswert ist auch das besondere Engagement des Verlags: ausschließlich in Deutschland und vegan hergestellte Bücher, deren Erlöse einen Teil an einem tierischen Stiftung gespendet wird.

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Veröffentlicht am 17.03.2024

Die Rehabilitation einer gründlichen Wissenschaftlerin

Das verborgene Genie
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Mit diesem Buch ehrt die Autorin Marie Benedict eine vergessene Heldin der Wissenschaft, Rosalind Franklin, die die verdiente Anerkennung für ihre richtungsweisende Forschung an der DNA-Struktur zu ihren ...

Mit diesem Buch ehrt die Autorin Marie Benedict eine vergessene Heldin der Wissenschaft, Rosalind Franklin, die die verdiente Anerkennung für ihre richtungsweisende Forschung an der DNA-Struktur zu ihren Lebzeiten nicht genießen konnte. Rosalind Franklins und Raymond Goslings Ergebnisse, die ein langwieriges Sammeln von übereinstimmenden und unumstößlichen Beweisen erforderten, gelangten durch dubiose Listen in den Händen von genau den Menschen, die ihre wissenschaftliche Stringenz verachteten. Diese von Ruhm und Wettbewerb besessenen männlichen Fachkollegen wurden sogar nach Rosalinds frühzeitige Tod für die Entdeckung der DNA-Doppelhelix mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

Da Rosalind Franklin in Forschungszentren auf beiden Seiten des Ärmelkanals gearbeitet hat, werden im ganzen Roman die britische und die französische Wissenschaftskulturen der Nachkriegszeit gegenübergestellt. Die Leser:innen bekommen die Gelegenheit, mehreren berühmten Wissenschaftlern dieser Epoche zu begegnen. Forscherinnen scheinen im Buch in Frankreich bessere Karten als in England zu haben, wobei ich mich frage, ob diese Darstellung nicht teilweise verzerrt ist. Die Frauen in Frankreich haben nämlich über 15 Jahre länger warten müssen, als die Engländerinnen, bis sie z.B. wählen durften.

Das herablassende Verhalten einiger Wissenschaftler gilt nicht nur ihren weiblichen Fachkolleginnen, aber auch der politischen Orientierung und sogar den Disziplinen, in denen die Kollegen tätig sind. Der multidisziplinäre Ansatz in der Wissenschaft ist in dieser Zeit gerade noch in den Kinderschuhen. Jedoch ermöglichte es Rosalind Franklin, von der leblosen Kohle zur DNA und lebendigen Viren zu wechseln. Besonders interessant für mich waren zum einen die zahlreichen Szenen im Labor: Die Leser:innen werden mit Beschreibungen der Techniken und Geräten konfrontiert, die Rosalind Franklin und ihre Fachkollegen angewendet haben. Aufgrund der technischen Begriffen kann es auf einigen Leser:innen abschreckend wirken. Aber, ein Buch über eine versierte Röntgenkristallographin, derer Berufung und Leben einzig die Wissenschaft war, muss sich auf ihre Arbeit konzentrieren.

Die für Romanbiografie ziemlich unübliche Erzählung in der Ich-Form wirkt zuerst erfrischend. Der monotone und emotionslose Schreibstils verbreitet leider im Laufe der Seiten zunehmend Langeweile. Aufgrund der von ihr ausgesuchten Form der Romanbiografie und Ich-Form der Erzählung hätte die Autorin sich mehr mit den inneren Gedanken und Gefühlen ihrer Protagonistin auseinandersetzen können. Auch introvertierte Menschen brodeln in solchen ungerechten Situationen, auch wenn man es ihnen nicht ansieht. Die zahlreichen kurzen Kapitel schaffen es auch nicht, dem Buch Spannung zu verleihen, weil sie oft einzelne Ereignisse oder Szenen darstellen, die nicht miteinander wirklich verbunden sind. Es entspricht dem Unterschied zwischen einzelnen Atomen und Molekülen oder Kristallen.

In Ihrem Nachwort berichtet Marie Benedict über zwei Bücher, in denen Rosalind Franklin in ganz unterschiedlichen Weisen dargestellt wurde. Sie gesteht, dass Anna Sayres Biografie, die nach James Watsons Buch ihre langjährige Freundin Rosalind Franklin rehabilitiert, sie zu ihrer Romanbiografie „Das verborgene Genie“ inspiriert hat. Verglichen mit anderer Romanbiografien präzisiert Marie Benedicts Nachwort leider nicht, welche Abweichungen von der Realität sie sich eventuell für ihre Geschichte erlaubt hat.

Fazit: Die Abweichung zwischen Idee und Umsetzung führte zu dieser zwiespältige Bewertung. Für ihre neue Romanbiografie hat Marie Benedict mit der faszinierenden britischen Röntgenkristallographin Rosalind Franklin, derer Arbeit zur Identifikation der DNA-Struktur geführt hat, in der Theorie eine kluge Wahl getroffen… In der Praxis leidet aber die Erzählung unter literarischen Schwächen, wie dem ziemlich monotonen und emotionslosen Schreibstil der Autorin.

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