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Veröffentlicht am 22.08.2021

Im Spannungsfeld zwischen schön und schrecklich...

Boston Belles - Hunter
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Nachdem mich im letzten Dezember "All Saints High" in seinen Bann gezogen hat, habe ich gespannt auf Nachschub von L. J. Shen gewartet. "Boston Belles - Hunter" ist nun der Auftakt einer neuen vierbändigen ...

Nachdem mich im letzten Dezember "All Saints High" in seinen Bann gezogen hat, habe ich gespannt auf Nachschub von L. J. Shen gewartet. "Boston Belles - Hunter" ist nun der Auftakt einer neuen vierbändigen Reihe, welcher mit Hunter einen Charakter aus der "All Saints High"-Reihe aufgreift und mit Sailor der Tochter der Protagonisten aus ihrem Stand-Alone-Roman "Sparrow" eine Stimme verleiht. Auch wenn mich hier wieder einige Dinge gestört haben, entwickelt auch "Boston Belles - Hunter" einen atemberaubenden Sog, dem man nicht mehr entkommt. L. J. Shen tanzt hier mal wieder auf der schmalen Linie zwischen Liebe und Hass und kostet alle Facetten beider Emotionen so ausführlich auch, dass manche Stellen fast lyrisch schön sind und man andere wiederum man am liebsten überspringen würde. Hoffnungslos gefangen irgendwo zwischen "Wow" und "Igitt" - das beschreibt auch meine Erfahrung mit diesem Buch ganz gut.

Das Cover könnte meiner Meinung nach leider nicht schlechter passen (außer vielleicht es wären noch Herzchen und Einhörner zu sehen), auch wenn es wunderschön anzusehen ist. Denn "Boston Belles" ist meilenweit entfernt von einer stimmungsvollen High-School-Romanze, welche durch die zarten rosa Rosen und den hellen glitzer-Hintergrund und den großen, leuchtenden Titel impliziert wird. Hier geht es nicht süß, unschuldig oder gar romantisch zu - diese Geschichte ist explizit, rücksichtslos und hart und hätte daher in meinen Augen eher einen schwarz-roten Vamp-Look verdient gehabt. Dies war also einer der Momente, in denen ich die wunderschönen, aber nichtssagenden LYX-Cover verflucht habe. Denn so (und ohne zuvor etwas von L. J. Shen gelesen zu haben) sind ahnungslose Leser komplett unvorbereitet auf die von negativen Gefühlen durchtränkte Atmosphäre, die hier auf uns zukommt.


Erster Satz: "Es war einmal ein verwunschenes Schloss, in dem alles verwelkte, nur die Seele eines Jungen nicht."


Nach einem märchenhaften Prolog wirft uns die Autorin übergangslos in eine der unangenehmen, verstörenden Szenen, die eines ihrer Markenzeichen sind. Welche Autorin würde uns den männlichen Love Interest nackt und mit diversen Körperflüssigkeiten bedeckt auf dem Boden liegend vorstellen, nachdem er eine wilde Orgie gefeiert hat, die auch noch gefilmt wurde und im Internet gelandet ist? Tja, das bekommt auch nur L. J. Shen fertig. Und auch nur sie schafft es, dass man sich zu Beginn zwar ganz sicher ist, dass man den verwöhnten, nutzlosen und skandalös über die Stränge schlagenden Hunter Fitzpatrick niemals mögen könnte, seine eigene Einschätzung einige Seiten später aber nochmal revidieren muss. Dazu trägt auch vor allem die zweite Protagonistin und zweite Ich-Erzählerin Sailor Brennan bei, die wir als kämpferisch Athletin mit dem hohen Ziel der Olympischen Spiele und kaum vorhandenem Privatleben kennenlernen. Während wir uns mit ihr sofort identifizieren können, hat man es mit Hunter zunächst sehr schwer. Das bedeutet jedoch nicht, dass ihr Zusammenleben nicht unterhaltsam zu lesen wäre. Im Gegenteil: Durch ein Arrangement, das ihre beiden Väter für sie getroffen haben, soll Hunter endlich auf den Boden der Realität zurückfinden und Sailor etwas aus ihrer Comfort Zone herauskommen. Doch als Hunter die Jagd auf die unerfahrene Sailor eröffnet, rechnet er nicht damit, dass sie zurückschlägt...


Sailor: "Ich glaube, wir werden eine gute Lektion füreinander sein, Sailor. Du weißt nicht, wie man lebt, und ich kann nichts anderes, als hedonistisch zu leben." Als er das sagte, wurde mir klar, dass ich mich niemals sterblicher gefühlt hatte. Aber sterblich zu sein, bedeutet lebendig zu sein. Ich hatte so viel zu verlieren. So viel zu gewinnen. So viel zu fühlen."


Da Hunter weder ein Drogenproblem hat noch zu Gewaltausbrüchen oder Grausamkeit neigt (immerhin etwas) und es um Sailors geistige und emotionale Gesundheit recht gut steht (zumindest für L.J. Shen-Verhältnisse), ist "Boston Belles" etwas weniger hart zu lesen als "All Saints High". Dennoch - und das kann man bei den Büchern der Autorin nicht oft genug betonen - ist die Geschichte sehr derb und explizit geschrieben, bringt in die ein oder andere verstörende Situation, bereitet Unwohlsein und bricht das Herz und lullt die Leser in alles andere als eine romantische Wohlfühlatmosphäre ein. "Boston Belles" ist weit davon entfernt, eine typische Haters-to-Lovers-Geschichte zu sein. Ja, die Geschichte war intensiv und leidenschaftlich, wie im New Adult Genre erwünscht, aber sie ging auch an die Grenze der Menschlichkeit ihrer gebrochenen Protagonisten, ... und ab und zu darüber hinaus. On top gab es hier wieder eine reichhaltige Metaphorik, die vor allem auf die Jagd und somit auf ein Wortspiel mit Hunters Namen abzielt und benutzt wird, um die Atmosphäre mit noch mehr Düsternis anzureichern. Neben diesen Kunstmotiven verdunkeln vor allem Gefühle wie Begehren, Rache, Hass und Verachtung die Atmosphäre, die nur ab und zu von positiveren Anklängen abgelöst werden. Die Autorin bedient sich der ganzen Gefühlspalette, um ihre Figuren leiden, taumeln und fallen zu lassen, nur um sie danach liebevoll wieder aufzurichten.


Hunter: "Ich bin so nie einem Mädchen begegne, das gleichzeitig so kalt und so feurig war. In einem Moment denke ich, dass du mit Sicherheit in Ohnmacht fällst, wenn ich deine Hand berühre, und im nächsten Moment bin ich mir sicher, dass du mich im Schlaf umbringen wirst. Du bist echt ´ne komische Nummer, KK."


Grundsätzlich bin ich absolut kein Fan von Dark Romance mit toxischen Beziehungen, intriganten Manipulationen, hartem Mobbing und romantisierter Gewalt und bevorzuge eher "harmlose" Liebesgeschichten. Auch wenn alles, was L. J. Shen schreibt, definitiv Anklänge von Dark Romance hat, gefällt mir bei ihren Geschichten, dass ihre Figuren sich den Grenzen, die sie überschreiten bewusst, dass Richtig und Falsch immer klar getrennt und Fehlverhalten und Missstände nicht romantisiert werden. Auf diese Art kann man sich in einem sicheren Raum der Düsternis, Wildheit, Abhängigkeit und Zügellosigkeit der Geschichte stellen, die auch negative Gefühle voll ausschöpft und wird nicht von ständigen Cringe-Attacken überfallen, wie oft bei anderen Büchern des Genres. Denn mit der ganzen Düsternis kommt auch eine krankhafte Faszination, die ich gar nicht leugnen will. Diese drückt sich nicht nur durch die zwiespältigen Handlungen der Protagonisten im Buch aus, sondern überträgt sich auch auf den Leser. Die Autorin offenbart menschliche Abgründe und man selbst ist zu mitgerissen, um wegsehen zu können.


Sailor: "Ich wusste nicht, wie so was möglich war, aber mit den Wunden und Schrammen sah er noch besser aus. Wie ein brandneues Auto mit dem ersten Kratzer, der es von irgendeinem Auto in dein Auto verwandelte - mit einer gemeinsamen Geschichte, Erinnerungen und Gepäck. In diesem Augenblick wünschte ich mir, ich hätte niemals einen Blick auf Hunter Fitzpatrick geworden, denn ich wusste mit absoluter Sicherheit, dass er trotz seines verwöhnten, schlechten Benehmens und seiner Vergnügungssucht von Natur aus gut, loyal und mutig war. Diese Dinge machten ihn für mich sehr gefährlich. Gefährlich attraktiv."


Als sich in der zweiten Hälfte dann zartere Gefühle hinter der toxischen Dynamik der beiden offenbaren, kommen dafür deutlich handfestere Probleme auf den Tisch, die das Weiterlesen ihrerseits wiederum schwer machen. Man sollte die vorangestellte Triggerwarnung also unbedingt beachten: Diese Geschichte bietet nämlich auch ernsten Stoff zum Nachdenken und befasst sich mit einem sensiblen Thema. Hier beweist die Autorin abermals, dass sie auch anders kann. Denn wenn man an der derben Sprache ihrer Figuren und ihren unschönen Masken vorbeisieht, ist die Geschichte einfach herzzerreißend schön und kunstvoll gemacht mit beinahe lyrischen Szenen und einer Intensität, die ich auch gerne mal in Originalsprache genießen würde.


Sailor: "Er war ein einsamer Prinz - unberührbar und dennoch voller Sehnsucht nach einer Umarmung. Brilliant, aber völlig missverstanden. Auf einem Thron aus unerfüllten Erwartungen und Enttäuschung. Ich fragte mich, ob er überhaupt wusste, dass er klug und tapfer war und ein gutes Herz hatte. Ich fragte mich, ob ich das törichte Mädchen sein würde, die ihm dieses Geheimnis eröffnete. Ich erkannte, dass er recht hatte: Ich war zwar die Bogenschützin, aber der wahre Jäger war er."


Neben der mitreißenden Atmosphäre und dem Spannungsfeld zwischen schön und schrecklich ist die Handlung aber leider recht dürftig. Außer der Tatsache, dass Hunter und Sailor zusammenleben, er im Familienunternehmen Royal Pipelines arbeitet und sie neben ihrem Training ab und zu mit ihren Freundinnen ausgeht, passiert nicht besonders viel, was zu vielen sehr kurzen Szenen mit unregelmäßigen Zeitsprüngen dazwischen führt. Einige Vorrezensenten haben kritisiert, dass ihnen hier ein roter Faden fehlen würde. Das würde ich nicht unbedingt so sagen, da durch einige offene Fragen und zusätzliche Rätsel durchaus so etwas wie ein größerer Rahmen neben dem Hauptkonflikt zwischen Hunter und Sailor aufgespannt wurde. Die beiden Hauptfragen - was genau für das schlechte Verhältnis von Hunter zu seiner Familie gesorgt hat und was es mit Sailors verbissener Rivalität mit der Bogenschützin Lana auf sich hat - werden jedoch leider viel zu lange vor der Geschichte hergeschoben, künstlich in die Länge gezogen und am Ende nicht wirklich zufriedenstellen (sprich realistisch) aufgelöst. Auch die geheimnisvollen Intrigen von Hunters Arbeitskollege Syllie soll wohl zusätzlich den Spannungsbogen aufpeppen, verläuft sich dann aber leider etwas in der Bedeutungslosigkeit. Ich würde also nicht das Fehlen, sondern eher die mangelhafte Umsetzung des roten Fadens kritisieren.


Sailor: "Du kannst es überleben", flüsterte er in meinen Mund. "Es?", fragte ich mürrisch. "Uns. Ich habe eine Seele aus Glas, Baby. Schön anzusehen, aber sie zerbricht leicht. Sie bringt dich zum Bluten und niemand kann sie festhalten."


Leider sind mir noch andere Dinge eher negativ aufgefallen. Die beiden Figuren waren mal wieder sehr jung, was zu gleich ihr manchmal etwas unreifes Verhalten erklärt, aber in Diskrepanz mit manch anderen Teilen der Handlung steht. Als Beispiel würde ich den dreistelligen Frauenverschleiß Hunters anführen, welcher mir bei seinen neunzehn Jahren reichlich übertrieben erschien. Auch einige Entwicklungen der Figuren waren nicht wie sonst sorgfältig vorbereitet, sondern kamen gegen Ende recht flott. Dazu kommen dann noch ein paar Schlaglöcher in der Übersetzung, die leider über ein, zwei Tippfehler hinausgehen. Neben der Tatsache, dass Hunter wohl im Original so deftig im Fernsehen flucht, dass ihn die Moderatorin zur Ordnung verweist, mir in der Übersetzung aber keine Formulierung aufgefallen ist, an der sie hätte Anstoß nehmen können, sind mir auch mehrere "Fitzgeralds" ins Auge gefallen, die angesichts der Tatsache, dass die Familie FITZPATRICK heißt, dort nichts zu suchen hatten.


Hunter: "Wir redeten nicht darüber, was wir waren. Oder was wir nicht waren. Wir existierten nur: ein Schmetterling und ein Mann, der schöne Dinge zu schätzen wusste. Nebeneinander im Auge eines Sturms, in den man uns geworden hatte."


Dennoch: jetzt bin ich sehr gespannt auf die Geschichte von Hunters großen Bruder Cillian, der wohl in "Boston Belles - Villian" auf Persephone, eine von Sailors besten Freundinnen trifft. Im dritten Teil wird es dann um Hunters süße, kleine Schwester Aisling gehen, die sich wider Erwarten von Sailors Bruder Sam, der ein übler Gangster... - nein, natürlich ein "ehrlicher Geschäftsmann, solange niemand das Gegenteil beweist" - ist. Dann bleibt im vierten Band nur noch die Geschichte von Sailors anderer besten Freundin Belle zu erzählen, die bestimmt auch noch einen (mir bislang noch unbekannten) Love Interest erhält, der es ganz schön in sich hat. Ich bin gespannt!



Fazit:


"Boston Belles - Hunter" hat die typische mitreißende Atmosphäre eines L.J. Shen Romans und spannt mit Figuren, Schreibstil und Handlung mal wieder ein Spannungsfeld zwischen schön und schrecklich auf. Leider konnten mich das Ende, einige Entwicklungen und Nebenhandlungsstränge nicht wie gehofft überzeugen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.08.2021

Im Spannungsfeld zwischen schön und schrecklich...

Boston Belles - Hunter
0

Nachdem mich im letzten Dezember "All Saints High" in seinen Bann gezogen hat, habe ich gespannt auf Nachschub von L. J. Shen gewartet. "Boston Belles - Hunter" ist nun der Auftakt einer neuen vierbändigen ...

Nachdem mich im letzten Dezember "All Saints High" in seinen Bann gezogen hat, habe ich gespannt auf Nachschub von L. J. Shen gewartet. "Boston Belles - Hunter" ist nun der Auftakt einer neuen vierbändigen Reihe, welcher mit Hunter einen Charakter aus der "All Saints High"-Reihe aufgreift und mit Sailor der Tochter der Protagonisten aus ihrem Stand-Alone-Roman "Sparrow" eine Stimme verleiht. Auch wenn mich hier wieder einige Dinge gestört haben, entwickelt auch "Boston Belles - Hunter" einen atemberaubenden Sog, dem man nicht mehr entkommt. L. J. Shen tanzt hier mal wieder auf der schmalen Linie zwischen Liebe und Hass und kostet alle Facetten beider Emotionen so ausführlich auch, dass manche Stellen fast lyrisch schön sind und man andere wiederum man am liebsten überspringen würde. Hoffnungslos gefangen irgendwo zwischen "Wow" und "Igitt" - das beschreibt auch meine Erfahrung mit diesem Buch ganz gut.

Das Cover könnte meiner Meinung nach leider nicht schlechter passen (außer vielleicht es wären noch Herzchen und Einhörner zu sehen), auch wenn es wunderschön anzusehen ist. Denn "Boston Belles" ist meilenweit entfernt von einer stimmungsvollen High-School-Romanze, welche durch die zarten rosa Rosen und den hellen glitzer-Hintergrund und den großen, leuchtenden Titel impliziert wird. Hier geht es nicht süß, unschuldig oder gar romantisch zu - diese Geschichte ist explizit, rücksichtslos und hart und hätte daher in meinen Augen eher einen schwarz-roten Vamp-Look verdient gehabt. Dies war also einer der Momente, in denen ich die wunderschönen, aber nichtssagenden LYX-Cover verflucht habe. Denn so (und ohne zuvor etwas von L. J. Shen gelesen zu haben) sind ahnungslose Leser komplett unvorbereitet auf die von negativen Gefühlen durchtränkte Atmosphäre, die hier auf uns zukommt.


Erster Satz: "Es war einmal ein verwunschenes Schloss, in dem alles verwelkte, nur die Seele eines Jungen nicht."


Nach einem märchenhaften Prolog wirft uns die Autorin übergangslos in eine der unangenehmen, verstörenden Szenen, die eines ihrer Markenzeichen sind. Welche Autorin würde uns den männlichen Love Interest nackt und mit diversen Körperflüssigkeiten bedeckt auf dem Boden liegend vorstellen, nachdem er eine wilde Orgie gefeiert hat, die auch noch gefilmt wurde und im Internet gelandet ist? Tja, das bekommt auch nur L. J. Shen fertig. Und auch nur sie schafft es, dass man sich zu Beginn zwar ganz sicher ist, dass man den verwöhnten, nutzlosen und skandalös über die Stränge schlagenden Hunter Fitzpatrick niemals mögen könnte, seine eigene Einschätzung einige Seiten später aber nochmal revidieren muss. Dazu trägt auch vor allem die zweite Protagonistin und zweite Ich-Erzählerin Sailor Brennan bei, die wir als kämpferisch Athletin mit dem hohen Ziel der Olympischen Spiele und kaum vorhandenem Privatleben kennenlernen. Während wir uns mit ihr sofort identifizieren können, hat man es mit Hunter zunächst sehr schwer. Das bedeutet jedoch nicht, dass ihr Zusammenleben nicht unterhaltsam zu lesen wäre. Im Gegenteil: Durch ein Arrangement, das ihre beiden Väter für sie getroffen haben, soll Hunter endlich auf den Boden der Realität zurückfinden und Sailor etwas aus ihrer Comfort Zone herauskommen. Doch als Hunter die Jagd auf die unerfahrene Sailor eröffnet, rechnet er nicht damit, dass sie zurückschlägt...


Sailor: "Ich glaube, wir werden eine gute Lektion füreinander sein, Sailor. Du weißt nicht, wie man lebt, und ich kann nichts anderes, als hedonistisch zu leben." Als er das sagte, wurde mir klar, dass ich mich niemals sterblicher gefühlt hatte. Aber sterblich zu sein, bedeutet lebendig zu sein. Ich hatte so viel zu verlieren. So viel zu gewinnen. So viel zu fühlen."


Da Hunter weder ein Drogenproblem hat noch zu Gewaltausbrüchen oder Grausamkeit neigt (immerhin etwas) und es um Sailors geistige und emotionale Gesundheit recht gut steht (zumindest für L.J. Shen-Verhältnisse), ist "Boston Belles" etwas weniger hart zu lesen als "All Saints High". Dennoch - und das kann man bei den Büchern der Autorin nicht oft genug betonen - ist die Geschichte sehr derb und explizit geschrieben, bringt in die ein oder andere verstörende Situation, bereitet Unwohlsein und bricht das Herz und lullt die Leser in alles andere als eine romantische Wohlfühlatmosphäre ein. "Boston Belles" ist weit davon entfernt, eine typische Haters-to-Lovers-Geschichte zu sein. Ja, die Geschichte war intensiv und leidenschaftlich, wie im New Adult Genre erwünscht, aber sie ging auch an die Grenze der Menschlichkeit ihrer gebrochenen Protagonisten, ... und ab und zu darüber hinaus. On top gab es hier wieder eine reichhaltige Metaphorik, die vor allem auf die Jagd und somit auf ein Wortspiel mit Hunters Namen abzielt und benutzt wird, um die Atmosphäre mit noch mehr Düsternis anzureichern. Neben diesen Kunstmotiven verdunkeln vor allem Gefühle wie Begehren, Rache, Hass und Verachtung die Atmosphäre, die nur ab und zu von positiveren Anklängen abgelöst werden. Die Autorin bedient sich der ganzen Gefühlspalette, um ihre Figuren leiden, taumeln und fallen zu lassen, nur um sie danach liebevoll wieder aufzurichten.


Hunter: "Ich bin so nie einem Mädchen begegne, das gleichzeitig so kalt und so feurig war. In einem Moment denke ich, dass du mit Sicherheit in Ohnmacht fällst, wenn ich deine Hand berühre, und im nächsten Moment bin ich mir sicher, dass du mich im Schlaf umbringen wirst. Du bist echt ´ne komische Nummer, KK."


Grundsätzlich bin ich absolut kein Fan von Dark Romance mit toxischen Beziehungen, intriganten Manipulationen, hartem Mobbing und romantisierter Gewalt und bevorzuge eher "harmlose" Liebesgeschichten. Auch wenn alles, was L. J. Shen schreibt, definitiv Anklänge von Dark Romance hat, gefällt mir bei ihren Geschichten, dass ihre Figuren sich den Grenzen, die sie überschreiten bewusst, dass Richtig und Falsch immer klar getrennt und Fehlverhalten und Missstände nicht romantisiert werden. Auf diese Art kann man sich in einem sicheren Raum der Düsternis, Wildheit, Abhängigkeit und Zügellosigkeit der Geschichte stellen, die auch negative Gefühle voll ausschöpft und wird nicht von ständigen Cringe-Attacken überfallen, wie oft bei anderen Büchern des Genres. Denn mit der ganzen Düsternis kommt auch eine krankhafte Faszination, die ich gar nicht leugnen will. Diese drückt sich nicht nur durch die zwiespältigen Handlungen der Protagonisten im Buch aus, sondern überträgt sich auch auf den Leser. Die Autorin offenbart menschliche Abgründe und man selbst ist zu mitgerissen, um wegsehen zu können.


Sailor: "Ich wusste nicht, wie so was möglich war, aber mit den Wunden und Schrammen sah er noch besser aus. Wie ein brandneues Auto mit dem ersten Kratzer, der es von irgendeinem Auto in dein Auto verwandelte - mit einer gemeinsamen Geschichte, Erinnerungen und Gepäck. In diesem Augenblick wünschte ich mir, ich hätte niemals einen Blick auf Hunter Fitzpatrick geworden, denn ich wusste mit absoluter Sicherheit, dass er trotz seines verwöhnten, schlechten Benehmens und seiner Vergnügungssucht von Natur aus gut, loyal und mutig war. Diese Dinge machten ihn für mich sehr gefährlich. Gefährlich attraktiv."


Als sich in der zweiten Hälfte dann zartere Gefühle hinter der toxischen Dynamik der beiden offenbaren, kommen dafür deutlich handfestere Probleme auf den Tisch, die das Weiterlesen ihrerseits wiederum schwer machen. Man sollte die vorangestellte Triggerwarnung also unbedingt beachten: Diese Geschichte bietet nämlich auch ernsten Stoff zum Nachdenken und befasst sich mit einem sensiblen Thema. Hier beweist die Autorin abermals, dass sie auch anders kann. Denn wenn man an der derben Sprache ihrer Figuren und ihren unschönen Masken vorbeisieht, ist die Geschichte einfach herzzerreißend schön und kunstvoll gemacht mit beinahe lyrischen Szenen und einer Intensität, die ich auch gerne mal in Originalsprache genießen würde.


Sailor: "Er war ein einsamer Prinz - unberührbar und dennoch voller Sehnsucht nach einer Umarmung. Brilliant, aber völlig missverstanden. Auf einem Thron aus unerfüllten Erwartungen und Enttäuschung. Ich fragte mich, ob er überhaupt wusste, dass er klug und tapfer war und ein gutes Herz hatte. Ich fragte mich, ob ich das törichte Mädchen sein würde, die ihm dieses Geheimnis eröffnete. Ich erkannte, dass er recht hatte: Ich war zwar die Bogenschützin, aber der wahre Jäger war er."


Neben der mitreißenden Atmosphäre und dem Spannungsfeld zwischen schön und schrecklich ist die Handlung aber leider recht dürftig. Außer der Tatsache, dass Hunter und Sailor zusammenleben, er im Familienunternehmen Royal Pipelines arbeitet und sie neben ihrem Training ab und zu mit ihren Freundinnen ausgeht, passiert nicht besonders viel, was zu vielen sehr kurzen Szenen mit unregelmäßigen Zeitsprüngen dazwischen führt. Einige Vorrezensenten haben kritisiert, dass ihnen hier ein roter Faden fehlen würde. Das würde ich nicht unbedingt so sagen, da durch einige offene Fragen und zusätzliche Rätsel durchaus so etwas wie ein größerer Rahmen neben dem Hauptkonflikt zwischen Hunter und Sailor aufgespannt wurde. Die beiden Hauptfragen - was genau für das schlechte Verhältnis von Hunter zu seiner Familie gesorgt hat und was es mit Sailors verbissener Rivalität mit der Bogenschützin Lana auf sich hat - werden jedoch leider viel zu lange vor der Geschichte hergeschoben, künstlich in die Länge gezogen und am Ende nicht wirklich zufriedenstellen (sprich realistisch) aufgelöst. Auch die geheimnisvollen Intrigen von Hunters Arbeitskollege Syllie soll wohl zusätzlich den Spannungsbogen aufpeppen, verläuft sich dann aber leider etwas in der Bedeutungslosigkeit. Ich würde also nicht das Fehlen, sondern eher die mangelhafte Umsetzung des roten Fadens kritisieren.


Sailor: "Du kannst es überleben", flüsterte er in meinen Mund. "Es?", fragte ich mürrisch. "Uns. Ich habe eine Seele aus Glas, Baby. Schön anzusehen, aber sie zerbricht leicht. Sie bringt dich zum Bluten und niemand kann sie festhalten."


Leider sind mir noch andere Dinge eher negativ aufgefallen. Die beiden Figuren waren mal wieder sehr jung, was zu gleich ihr manchmal etwas unreifes Verhalten erklärt, aber in Diskrepanz mit manch anderen Teilen der Handlung steht. Als Beispiel würde ich den dreistelligen Frauenverschleiß Hunters anführen, welcher mir bei seinen neunzehn Jahren reichlich übertrieben erschien. Auch einige Entwicklungen der Figuren waren nicht wie sonst sorgfältig vorbereitet, sondern kamen gegen Ende recht flott. Dazu kommen dann noch ein paar Schlaglöcher in der Übersetzung, die leider über ein, zwei Tippfehler hinausgehen. Neben der Tatsache, dass Hunter wohl im Original so deftig im Fernsehen flucht, dass ihn die Moderatorin zur Ordnung verweist, mir in der Übersetzung aber keine Formulierung aufgefallen ist, an der sie hätte Anstoß nehmen können, sind mir auch mehrere "Fitzgeralds" ins Auge gefallen, die angesichts der Tatsache, dass die Familie FITZPATRICK heißt, dort nichts zu suchen hatten.


Hunter: "Wir redeten nicht darüber, was wir waren. Oder was wir nicht waren. Wir existierten nur: ein Schmetterling und ein Mann, der schöne Dinge zu schätzen wusste. Nebeneinander im Auge eines Sturms, in den man uns geworden hatte."


Dennoch: jetzt bin ich sehr gespannt auf die Geschichte von Hunters großen Bruder Cillian, der wohl in "Boston Belles - Villian" auf Persephone, eine von Sailors besten Freundinnen trifft. Im dritten Teil wird es dann um Hunters süße, kleine Schwester Aisling gehen, die sich wider Erwarten von Sailors Bruder Sam, der ein übler Gangster... - nein, natürlich ein "ehrlicher Geschäftsmann, solange niemand das Gegenteil beweist" - ist. Dann bleibt im vierten Band nur noch die Geschichte von Sailors anderer besten Freundin Belle zu erzählen, die bestimmt auch noch einen (mir bislang noch unbekannten) Love Interest erhält, der es ganz schön in sich hat. Ich bin gespannt!



Fazit:


"Boston Belles - Hunter" hat die typische mitreißende Atmosphäre eines L.J. Shen Romans und spannt mit Figuren, Schreibstil und Handlung mal wieder ein Spannungsfeld zwischen schön und schrecklich auf. Leider konnten mich das Ende, einige Entwicklungen und Nebenhandlungsstränge nicht wie gehofft überzeugen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.08.2021

Eine unterhaltsame, aber heillos übertriebene und furchtbar überzuckerte Office Romance!

When you look at me
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Nachdem mich Kelly Morans "Redwood Love"-Reihe ein bisschen gespalten zurückgelassen hat, wollte ich ihr mit ihrer neuen Office Romance eine weitere Chance geben, mich zu überzeugen. Nach einem sehr unterhaltsamen ...

Nachdem mich Kelly Morans "Redwood Love"-Reihe ein bisschen gespalten zurückgelassen hat, wollte ich ihr mit ihrer neuen Office Romance eine weitere Chance geben, mich zu überzeugen. Nach einem sehr unterhaltsamen und aufschlussreichen Buddyread mit Sofia von Sofias kleine Bücherwelt steht zumindest mal fest: "When you look at me" macht einem die Bewertung alles andere als leicht. Ganz als Müll abschreiben kann man die Geschichte um Xavier und Peyton definitiv nicht, da sie einige sehr süße Szenen und insgesamt einen hohen Unterhaltungswert hatte. Um wirklich zu überzeugen habe ich aber leider viel zu oft an ungewollten Stellen lachen müssen, da Handlung, Figuren und Schreibstil teilweise so absurd, übertrieben, unrealistisch und einfach cringe sind, dass ich mir sicher bin, dass man unter "Nobrainer" im Wörterbuch ein Bild dieser Geschichte finden kann.

Das Cover zeigt den Titel in großen Lettern auf einem hängenden Holzschild, das vor der verträumten, lila-rosa-farbenen Kulisse eines Lavendelfelds baumelt. Die unspektakuläre, aber hübsche Gestaltung passt treffsicher zur darin enthaltenen Geschichte und greift mit dem Lavendelmotiv einen wichtigen Ort der Handlung auf. Nicht ganz einverstanden bin ich hingegen mit dem Titel. Ich habe ja nur erst ungefähr 1000 Mal wiederholt, dass ich es nicht nachvollziehen kann, wieso deutsche Verlage englische Titel wählen, die NICHT die Originaltitel sind. Entweder wird halt der Titel übersetzt, oder man nimmt einen anderen deutschen, aber nicht einfach einen random englischen Titel (weil das irgendwie netter klingt, oder keine Ahnung, was sich die Titelgebenden hier als so denken?!?). Zwar ist "When you look at me" nicht komplett an der Geschichte vorbei, da Peyton Xaviers Anker ist, den er immer anschaut, wenn er sich verloren und nervös fühlt, der Originaltitel "Counterbalance" passt aber ungefähr eine Million Mal besser. Sehr schön sind die kleinen Golden Gate Bridges inklusive Skyline von San Francisco, die jeden der 24 Kapitelanfänge zieren.


Erster Satz: "Ihr letzter Termin ist hier, Mr. Gaines."


Wie bei jedem ihrer bisherigen Büchern erzählt Kelly Moran die Geschichte abwechselnd aus der Perspektive des erfolgreichen Geschäftsmannes Xavier und der PR-Beraterin Peyton. Dabei nutzt sie einen personalen Er-Erzähler, was zwar nicht meine Lieblingsperspektive ist, hier aber aufgrund der dennoch sehr hohen Dichte an Gedanken und Gefühlen sehr gut funktioniert. Weniger gut gewählt ist in meinen Augen der seltsame Zeitsprung, mit dem wir gleich im dritten Kapitel direkt nach dem Wiedersehen von Xavier und Peyton, bei dem er sie als seine Beraterin einstellt, um ganze zwei Jahre in die Zukunft hüpfen. Ich kann mir vorstellen, dass die Autorin ein wenig das Tempo aus der Entwicklung ihrer Romanze nehmen wollte und dachte, nach zwei Jahren der Zusammenarbeit haben sich die beiden wieder genügend kennengelernt, um realistischerweise eine Beziehung zu starten. Diese Herangehensweise bringt jedoch zwei Probleme mit sich. Erstens verpasst man so, wie sich die beiden wieder annähern und hat die meiste Zeit das Gefühl, es wäre einem etwas entgangen. Zweitens stellt man sich im Verlauf der Geschichte zunehmend die Frage, was sich denn nun geändert hat. Xavier betont immer wieder, dass er sich "zwei Jahre lang beherrscht hat" und auch von Peytons Seite ist von Beginn an eine deutliche Anziehung und Zuneigung zu spüren. Dennoch ist in den zwei Jahren offensichtlich nichts zwischen den beiden passiert, da sie professionell bleiben wollten. Und nun will uns die Autorin erzählen, dass die beiden plötzlich doch der Meinung sind, eine Beziehung sei eine feine Sache? Najaaa... Ohne den Zeitsprung hätte ich die Dynamik wesentlich spannender und nachvollziehbarer gefunden.

Ansonsten fehlt es den beiden aber definitiv nicht an Chemie. Ich mag Office Romances ab und zu sehr gerne, da in dem Spielraum von Machtgefälle, Reichtum, Verantwortung, Professionalität, Privatsphäre, Arbeitsverhältnis und Freizeit spannende Konflikte entstehen können. Zwar ist auch hier von der ersten Seite an glasklar, auf was die Geschichte hinauslaufen wird, bis zum vorhersehbaren Happy End weiß die Geschichte aber dennoch gut zu unterhalten. Nimmt man den hohen Unterhaltungswert der Geschichte weg, bleibt aber leider nicht mehr besonders viel übrig, um die überzogene Handlung zu tragen. Vor allem gegen Ende verrennt sich "When you look at me" in einem ziemlich schwer nachvollziehbaren Prä-Happy-End-Drama. Anstatt eines soliden Konflikts haben sich einfach die Ängste und Komplexe der Figuren immer wieder wiederholt, bis ich dann plötzlich alle Probleme in Luft auflösen. Geärgert hat mich auch, dass Xavier und Peyton zwar ständig ihre tolle Kommunikation anpreisen, der gesamte Konflikt der Geschichte aber hätte verhindert werden können, wenn die beiden tatsächlich so offen miteinander geredet hätten, wie sie es immer vorgehalten haben. Hier sind die beiden definitiv nicht ganz ehrlich mit sich selbst und dem Leser.


"Es war als hätte sie seinem Herz - über seine Funktion als Warnsystem hinaus (Seit wann ist DAS die Funktion des Herzens - Anmerkung der Rezensentin)- eine neue Aufgabe gegeben"



Auch die Figuren an sich.... kommen mit dem ein oder anderen Problemchen. Vor allem Xavier hat mich das ein oder andere Mal zur Weißglut getrieben. Das beginnt schon damit, dass er nicht nur das aller atypischste Beispiel einer sozialen Phobie ist, von dem ich jemals gelesen habe, sondern dass er sie sich auch noch selbst diagnostiziert hat (Arrrrgggh, wenn schon Mental-Health-Themen miteinbinden, dann doch bitte richtig!!!). Als sehr nervig habe ich auch die vielen Technikvergleiche und Metaphern in seiner Erzählperspektive empfunden. Neben dem "festplattenzerstörenden Kuss, der jeden gesunden Menschenverstand in den Papierkorb verschob", "nicht kompatiblen Schaltplänen", "durchbrennende Elektroden" hat der Gute auch regelmäßig Formulierungen wie "zerstörte Motherboards" im Angebot, wenn er seine Gedanken oder Gefühle beschreibt. Das mag ja bei der einmaligen Erwähnung ganz nett sein, die vielen technischen Wortbilder sind hier aber so aufdringlich, dass ich schon nach wenigen Kapiteln dachte "jaaaa, ich habe jetzt verstanden, dass Xavier ein Techniknerd ist, das muss man mir nicht auf jeder Seite unter die Nase reiben!". Auch der Rest seiner Charakterisierung hat bei mir einige Fragen aufgeworfen. Seinem unbeholfenen Technik-Genie steht nämlich ein ziemlich übertriebenes Alpha-Mann-Getue gegenüber, sodass ich ihn schon bald nicht mehr ernstnehmen konnte. Wenn man jedes mal einen Shot trinken würde, wenn er selbst mit seinen Fähigkeiten im Schlafzimmer prahlt, oder Peyton wiederholt, was für ein dominanter Sexgott er ist, hätte man schon nach vier Kapiteln ordentlich einen im Tee. Dieses extreme sexuelle Selbstbewusstsein hat einfach so überhaupt nicht zu dem schüchternen, familienfreundlichen Nerd-Gutmenschen gepasst, als den Kelly Moran ihn ansonsten darstellt, dass Sofia und ich ihn nur noch scherzhaft Mr. Fingerfertigkeit genannt haben.

Peyton ist da schon ein bisschen greifbarer gezeichnet, auch wenn natürlich auch sie nicht wirklich das perfekte Abbild eines tiefgründigen Charakters ist. Sehr gelacht habe ich über ihren Aspirin-Konsum (I mean... 2 Aspirin sind schon viel, aber das auch noch vorbeugend und in Kombination mit Alkohol und auf gefühlt jeder zweiten Seite? Verstehe ich nicht, ist das so ein Ami-Ding?) und darüber, dass sie gerne mal Dinge wie "Rrrrr" oder "Gah" denkt. Ausdrücke wie "weinende Eierstöcke", "heiliges Wow" und "Atome wurden gespalten, und es war durchaus möglich, dass seine Knochen splittern" komplettieren dann das echt schräge Gesamtbild. Schon in "Redwood Love" bin ich mit Kelly Morans Schreibstil nicht ganz warmgeworden und habe angemerkt, dass viele Formulierungen für meinen Geschmack viel zu plump waren und die teilweise sehr wörtlichen Übersetzungen den Lesefluss stören. Hier nimmt die cringyness aber nochmal ein ganz anderes Level an und viele Formulierungen sind seltsam, heillos übertrieben und überzuckert. Auch hier sind mir wieder viele gleiche Redewendungen und Beschreibungen ins Auge gestochen, die man aus vorherigen Szenen oder einem ihrer anderen Bücher schon kannte, sodass manchmal ganze Dialoge oder auch Teile der Sexszenen sehr formelhaft wirken. Ich halte also fest, dass Kelly Moran sich mit "When you look at me" aus ihrem typischen Bereich der Cozy Romances herausgewagt hat, sie mich in diesem etwas anderen Untergenre aber auch nicht überzeugen konnte. Für mich war es das deshalb erstmal mit Büchern von ihr...


"Wir stehen noch ganz am Anfang, Süße. Bitte tritt nicht auf die Bremse, bevor wir richtig Fahrt aufgenommen haben."




Fazit:


"When You Look At Me" ist eine unterhaltsame aber heillos übertriebene und furchtbar überzuckerte Office Romance voller seltsamer Formulierungen. Lässt man einige süße Szenen und den sehr hohen Unterhaltungswert beiseite, können Figuren, Schreibstil und Handlung leider nicht überzeugen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.08.2021

Eine unterhaltsame, aber heillos übertriebene und furchtbar überzuckerte Office Romance!

When you look at me
0

Nachdem mich Kelly Morans "Redwood Love"-Reihe ein bisschen gespalten zurückgelassen hat, wollte ich ihr mit ihrer neuen Office Romance eine weitere Chance geben, mich zu überzeugen. Nach einem sehr unterhaltsamen ...

Nachdem mich Kelly Morans "Redwood Love"-Reihe ein bisschen gespalten zurückgelassen hat, wollte ich ihr mit ihrer neuen Office Romance eine weitere Chance geben, mich zu überzeugen. Nach einem sehr unterhaltsamen und aufschlussreichen Buddyread mit Sofia von Sofias kleine Bücherwelt steht zumindest mal fest: "When you look at me" macht einem die Bewertung alles andere als leicht. Ganz als Müll abschreiben kann man die Geschichte um Xavier und Peyton definitiv nicht, da sie einige sehr süße Szenen und insgesamt einen hohen Unterhaltungswert hatte. Um wirklich zu überzeugen habe ich aber leider viel zu oft an ungewollten Stellen lachen müssen, da Handlung, Figuren und Schreibstil teilweise so absurd, übertrieben, unrealistisch und einfach cringe sind, dass ich mir sicher bin, dass man unter "Nobrainer" im Wörterbuch ein Bild dieser Geschichte finden kann.

Das Cover zeigt den Titel in großen Lettern auf einem hängenden Holzschild, das vor der verträumten, lila-rosa-farbenen Kulisse eines Lavendelfelds baumelt. Die unspektakuläre, aber hübsche Gestaltung passt treffsicher zur darin enthaltenen Geschichte und greift mit dem Lavendelmotiv einen wichtigen Ort der Handlung auf. Nicht ganz einverstanden bin ich hingegen mit dem Titel. Ich habe ja nur erst ungefähr 1000 Mal wiederholt, dass ich es nicht nachvollziehen kann, wieso deutsche Verlage englische Titel wählen, die NICHT die Originaltitel sind. Entweder wird halt der Titel übersetzt, oder man nimmt einen anderen deutschen, aber nicht einfach einen random englischen Titel (weil das irgendwie netter klingt, oder keine Ahnung, was sich die Titelgebenden hier als so denken?!?). Zwar ist "When you look at me" nicht komplett an der Geschichte vorbei, da Peyton Xaviers Anker ist, den er immer anschaut, wenn er sich verloren und nervös fühlt, der Originaltitel "Counterbalance" passt aber ungefähr eine Million Mal besser. Sehr schön sind die kleinen Golden Gate Bridges inklusive Skyline von San Francisco, die jeden der 24 Kapitelanfänge zieren.


Erster Satz: "Ihr letzter Termin ist hier, Mr. Gaines."


Wie bei jedem ihrer bisherigen Büchern erzählt Kelly Moran die Geschichte abwechselnd aus der Perspektive des erfolgreichen Geschäftsmannes Xavier und der PR-Beraterin Peyton. Dabei nutzt sie einen personalen Er-Erzähler, was zwar nicht meine Lieblingsperspektive ist, hier aber aufgrund der dennoch sehr hohen Dichte an Gedanken und Gefühlen sehr gut funktioniert. Weniger gut gewählt ist in meinen Augen der seltsame Zeitsprung, mit dem wir gleich im dritten Kapitel direkt nach dem Wiedersehen von Xavier und Peyton, bei dem er sie als seine Beraterin einstellt, um ganze zwei Jahre in die Zukunft hüpfen. Ich kann mir vorstellen, dass die Autorin ein wenig das Tempo aus der Entwicklung ihrer Romanze nehmen wollte und dachte, nach zwei Jahren der Zusammenarbeit haben sich die beiden wieder genügend kennengelernt, um realistischerweise eine Beziehung zu starten. Diese Herangehensweise bringt jedoch zwei Probleme mit sich. Erstens verpasst man so, wie sich die beiden wieder annähern und hat die meiste Zeit das Gefühl, es wäre einem etwas entgangen. Zweitens stellt man sich im Verlauf der Geschichte zunehmend die Frage, was sich denn nun geändert hat. Xavier betont immer wieder, dass er sich "zwei Jahre lang beherrscht hat" und auch von Peytons Seite ist von Beginn an eine deutliche Anziehung und Zuneigung zu spüren. Dennoch ist in den zwei Jahren offensichtlich nichts zwischen den beiden passiert, da sie professionell bleiben wollten. Und nun will uns die Autorin erzählen, dass die beiden plötzlich doch der Meinung sind, eine Beziehung sei eine feine Sache? Najaaa... Ohne den Zeitsprung hätte ich die Dynamik wesentlich spannender und nachvollziehbarer gefunden.

Ansonsten fehlt es den beiden aber definitiv nicht an Chemie. Ich mag Office Romances ab und zu sehr gerne, da in dem Spielraum von Machtgefälle, Reichtum, Verantwortung, Professionalität, Privatsphäre, Arbeitsverhältnis und Freizeit spannende Konflikte entstehen können. Zwar ist auch hier von der ersten Seite an glasklar, auf was die Geschichte hinauslaufen wird, bis zum vorhersehbaren Happy End weiß die Geschichte aber dennoch gut zu unterhalten. Nimmt man den hohen Unterhaltungswert der Geschichte weg, bleibt aber leider nicht mehr besonders viel übrig, um die überzogene Handlung zu tragen. Vor allem gegen Ende verrennt sich "When you look at me" in einem ziemlich schwer nachvollziehbaren Prä-Happy-End-Drama. Anstatt eines soliden Konflikts haben sich einfach die Ängste und Komplexe der Figuren immer wieder wiederholt, bis ich dann plötzlich alle Probleme in Luft auflösen. Geärgert hat mich auch, dass Xavier und Peyton zwar ständig ihre tolle Kommunikation anpreisen, der gesamte Konflikt der Geschichte aber hätte verhindert werden können, wenn die beiden tatsächlich so offen miteinander geredet hätten, wie sie es immer vorgehalten haben. Hier sind die beiden definitiv nicht ganz ehrlich mit sich selbst und dem Leser.


"Es war als hätte sie seinem Herz - über seine Funktion als Warnsystem hinaus (Seit wann ist DAS die Funktion des Herzens - Anmerkung der Rezensentin)- eine neue Aufgabe gegeben"



Auch die Figuren an sich.... kommen mit dem ein oder anderen Problemchen. Vor allem Xavier hat mich das ein oder andere Mal zur Weißglut getrieben. Das beginnt schon damit, dass er nicht nur das aller atypischste Beispiel einer sozialen Phobie ist, von dem ich jemals gelesen habe, sondern dass er sie sich auch noch selbst diagnostiziert hat (Arrrrgggh, wenn schon Mental-Health-Themen miteinbinden, dann doch bitte richtig!!!). Als sehr nervig habe ich auch die vielen Technikvergleiche und Metaphern in seiner Erzählperspektive empfunden. Neben dem "festplattenzerstörenden Kuss, der jeden gesunden Menschenverstand in den Papierkorb verschob", "nicht kompatiblen Schaltplänen", "durchbrennende Elektroden" hat der Gute auch regelmäßig Formulierungen wie "zerstörte Motherboards" im Angebot, wenn er seine Gedanken oder Gefühle beschreibt. Das mag ja bei der einmaligen Erwähnung ganz nett sein, die vielen technischen Wortbilder sind hier aber so aufdringlich, dass ich schon nach wenigen Kapiteln dachte "jaaaa, ich habe jetzt verstanden, dass Xavier ein Techniknerd ist, das muss man mir nicht auf jeder Seite unter die Nase reiben!". Auch der Rest seiner Charakterisierung hat bei mir einige Fragen aufgeworfen. Seinem unbeholfenen Technik-Genie steht nämlich ein ziemlich übertriebenes Alpha-Mann-Getue gegenüber, sodass ich ihn schon bald nicht mehr ernstnehmen konnte. Wenn man jedes mal einen Shot trinken würde, wenn er selbst mit seinen Fähigkeiten im Schlafzimmer prahlt, oder Peyton wiederholt, was für ein dominanter Sexgott er ist, hätte man schon nach vier Kapiteln ordentlich einen im Tee. Dieses extreme sexuelle Selbstbewusstsein hat einfach so überhaupt nicht zu dem schüchternen, familienfreundlichen Nerd-Gutmenschen gepasst, als den Kelly Moran ihn ansonsten darstellt, dass Sofia und ich ihn nur noch scherzhaft Mr. Fingerfertigkeit genannt haben.

Peyton ist da schon ein bisschen greifbarer gezeichnet, auch wenn natürlich auch sie nicht wirklich das perfekte Abbild eines tiefgründigen Charakters ist. Sehr gelacht habe ich über ihren Aspirin-Konsum (I mean... 2 Aspirin sind schon viel, aber das auch noch vorbeugend und in Kombination mit Alkohol und auf gefühlt jeder zweiten Seite? Verstehe ich nicht, ist das so ein Ami-Ding?) und darüber, dass sie gerne mal Dinge wie "Rrrrr" oder "Gah" denkt. Ausdrücke wie "weinende Eierstöcke", "heiliges Wow" und "Atome wurden gespalten, und es war durchaus möglich, dass seine Knochen splittern" komplettieren dann das echt schräge Gesamtbild. Schon in "Redwood Love" bin ich mit Kelly Morans Schreibstil nicht ganz warmgeworden und habe angemerkt, dass viele Formulierungen für meinen Geschmack viel zu plump waren und die teilweise sehr wörtlichen Übersetzungen den Lesefluss stören. Hier nimmt die cringyness aber nochmal ein ganz anderes Level an und viele Formulierungen sind seltsam, heillos übertrieben und überzuckert. Auch hier sind mir wieder viele gleiche Redewendungen und Beschreibungen ins Auge gestochen, die man aus vorherigen Szenen oder einem ihrer anderen Bücher schon kannte, sodass manchmal ganze Dialoge oder auch Teile der Sexszenen sehr formelhaft wirken. Ich halte also fest, dass Kelly Moran sich mit "When you look at me" aus ihrem typischen Bereich der Cozy Romances herausgewagt hat, sie mich in diesem etwas anderen Untergenre aber auch nicht überzeugen konnte. Für mich war es das deshalb erstmal mit Büchern von ihr...


"Wir stehen noch ganz am Anfang, Süße. Bitte tritt nicht auf die Bremse, bevor wir richtig Fahrt aufgenommen haben."




Fazit:


"When You Look At Me" ist eine unterhaltsame, aber heillos übertriebene und furchtbar überzuckerte Office Romance voller seltsamer Formulierungen. Lässt man einige süße Szenen und den sehr hohen Unterhaltungswert beiseite, können Figuren, Schreibstil und Handlung leider nicht überzeugen.

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Veröffentlicht am 18.08.2021

Eine unterhaltsame aber heillos übertriebene und furchtbar überzuckerte Office Romance!

When You Look at Me
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Nachdem mich Kelly Morans "Redwood Love"-Reihe ein bisschen gespalten zurückgelassen hat, wollte ich ihr mit ihrer neuen Office Romance eine weitere Chance geben, mich zu überzeugen. Nach einem sehr unterhaltsamen ...

Nachdem mich Kelly Morans "Redwood Love"-Reihe ein bisschen gespalten zurückgelassen hat, wollte ich ihr mit ihrer neuen Office Romance eine weitere Chance geben, mich zu überzeugen. Nach einem sehr unterhaltsamen und aufschlussreichen Buddyread mit Sofia von Sofias kleine Bücherwelt steht zumindest mal fest: "When you look at me" macht einem die Bewertung alles andere als leicht. Ganz als Müll abschreiben kann man die Geschichte um Xavier und Peyton definitiv nicht, da sie einige sehr süße Szenen und insgesamt einen hohen Unterhaltungswert hatte. Um wirklich zu überzeugen habe ich aber leider viel zu oft an ungewollten Stellen lachen müssen, da Handlung, Figuren und Schreibstil teilweise so absurd, übertrieben, unrealistisch und einfach cringe sind, dass ich mir sicher bin, dass man unter "Nobrainer" im Wörterbuch ein Bild dieser Geschichte finden kann.

Das Cover zeigt den Titel in großen Lettern auf einem hängenden Holzschild, das vor der verträumten, lila-rosa-farbenen Kulisse eines Lavendelfelds baumelt. Die unspektakuläre, aber hübsche Gestaltung passt treffsicher zur darin enthaltenen Geschichte und greift mit dem Lavendelmotiv einen wichtigen Ort der Handlung auf. Nicht ganz einverstanden bin ich hingegen mit dem Titel. Ich habe ja nur erst ungefähr 1000 Mal wiederholt, dass ich es nicht nachvollziehen kann, wieso deutsche Verlage englische Titel wählen, die NICHT die Originaltitel sind. Entweder wird halt der Titel übersetzt, oder man nimmt einen anderen deutschen, aber nicht einfach einen random englischen Titel (weil das irgendwie netter klingt, oder keine Ahnung, was sich die Titelgebenden hier als so denken?!?). Zwar ist "When you look at me" nicht komplett an der Geschichte vorbei, da Peyton Xaviers Anker ist, den er immer anschaut, wenn er sich verloren und nervös fühlt, der Originaltitel "Counterbalance" passt aber ungefähr eine Million Mal besser. Sehr schön sind die kleinen Golden Gate Bridges inklusive Skyline von San Francisco, die jeden der 24 Kapitelanfänge zieren.


Erster Satz: "Ihr letzter Termin ist hier, Mr. Gaines."


Wie bei jedem ihrer bisherigen Büchern erzählt Kelly Moran die Geschichte abwechselnd aus der Perspektive des erfolgreichen Geschäftsmannes Xavier und der PR-Beraterin Peyton. Dabei nutzt sie einen personalen Er-Erzähler, was zwar nicht meine Lieblingsperspektive ist, hier aber aufgrund der dennoch sehr hohen Dichte an Gedanken und Gefühlen sehr gut funktioniert. Weniger gut gewählt ist in meinen Augen der seltsame Zeitsprung, mit dem wir gleich im dritten Kapitel direkt nach dem Wiedersehen von Xavier und Peyton, bei dem er sie als seine Beraterin einstellt, um ganze zwei Jahre in die Zukunft hüpfen. Ich kann mir vorstellen, dass die Autorin ein wenig das Tempo aus der Entwicklung ihrer Romanze nehmen wollte und dachte, nach zwei Jahren der Zusammenarbeit haben sich die beiden wieder genügend kennengelernt, um realistischerweise eine Beziehung zu starten. Diese Herangehensweise bringt jedoch zwei Probleme mit sich. Erstens verpasst man so, wie sich die beiden wieder annähern und hat die meiste Zeit das Gefühl, es wäre einem etwas entgangen. Zweitens stellt man sich im Verlauf der Geschichte zunehmend die Frage, was sich denn nun geändert hat. Xavier betont immer wieder, dass er sich "zwei Jahre lang beherrscht hat" und auch von Peytons Seite ist von Beginn an eine deutliche Anziehung und Zuneigung zu spüren. Dennoch ist in den zwei Jahren offensichtlich nichts zwischen den beiden passiert, da sie professionell bleiben wollten. Und nun will uns die Autorin erzählen, dass die beiden plötzlich doch der Meinung sind, eine Beziehung sei eine feine Sache? Najaaa... Ohne den Zeitsprung hätte ich die Dynamik wesentlich spannender und nachvollziehbarer gefunden.

Ansonsten fehlt es den beiden aber definitiv nicht an Chemie. Ich mag Office Romances ab und zu sehr gerne, da in dem Spielraum von Machtgefälle, Reichtum, Verantwortung, Professionalität, Privatsphäre, Arbeitsverhältnis und Freizeit spannende Konflikte entstehen können. Zwar ist auch hier von der ersten Seite an glasklar, auf was die Geschichte hinauslaufen wird, bis zum vorhersehbaren Happy End weiß die Geschichte aber dennoch gut zu unterhalten. Nimmt man den hohen Unterhaltungswert der Geschichte weg, bleibt aber leider nicht mehr besonders viel übrig, um die überzogene Handlung zu tragen. Vor allem gegen Ende verrennt sich "When you look at me" in einem ziemlich schwer nachvollziehbaren Prä-Happy-End-Drama. Anstatt eines soliden Konflikts haben sich einfach die Ängste und Komplexe der Figuren immer wieder wiederholt, bis ich dann plötzlich alle Probleme in Luft auflösen. Geärgert hat mich auch, dass Xavier und Peyton zwar ständig ihre tolle Kommunikation anpreisen, der gesamte Konflikt der Geschichte aber hätte verhindert werden können, wenn die beiden tatsächlich so offen miteinander geredet hätten, wie sie es immer vorgehalten haben. Hier sind die beiden definitiv nicht ganz ehrlich mit sich selbst und dem Leser.


"Es war als hätte sie seinem Herz - über seine Funktion als Warnsystem hinaus (Seit wann ist DAS die Funktion des Herzens - Anmerkung der Rezensentin)- eine neue Aufgabe gegeben"



Auch die Figuren an sich.... kommen mit dem ein oder anderen Problemchen. Vor allem Xavier hat mich das ein oder andere Mal zur Weißglut getrieben. Das beginnt schon damit, dass er nicht nur das aller atypischste Beispiel einer sozialen Phobie ist, von dem ich jemals gelesen habe, sondern dass er sie sich auch noch selbst diagnostiziert hat (Arrrrgggh, wenn schon Mental-Health-Themen miteinbinden, dann doch bitte richtig!!!). Als sehr nervig habe ich auch die vielen Technikvergleiche und Metaphern in seiner Erzählperspektive empfunden. Neben dem "festplattenzerstörenden Kuss, der jeden gesunden Menschenverstand in den Papierkorb verschob", "nicht kompatiblen Schaltplänen", "durchbrennende Elektroden" hat der Gute auch regelmäßig Formulierungen wie "zerstörte Motherboards" im Angebot, wenn er seine Gedanken oder Gefühle beschreibt. Das mag ja bei der einmaligen Erwähnung ganz nett sein, die vielen technischen Wortbilder sind hier aber so aufdringlich, dass ich schon nach wenigen Kapiteln dachte "jaaaa, ich habe jetzt verstanden, dass Xavier ein Techniknerd ist, das muss man mir nicht auf jeder Seite unter die Nase reiben!". Auch der Rest seiner Charakterisierung hat bei mir einige Fragen aufgeworfen. Seinem unbeholfenen Technik-Genie steht nämlich ein ziemlich übertriebenes Alpha-Mann-Getue gegenüber, sodass ich ihn schon bald nicht mehr ernstnehmen konnte. Wenn man jedes mal einen Shot trinken würde, wenn er selbst mit seinen Fähigkeiten im Schlafzimmer prahlt, oder Peyton wiederholt, was für ein dominanter Sexgott er ist, hätte man schon nach vier Kapiteln ordentlich einen im Tee. Dieses extreme sexuelle Selbstbewusstsein hat einfach so überhaupt nicht zu dem schüchternen, familienfreundlichen Nerd-Gutmenschen gepasst, als den Kelly Moran ihn ansonsten darstellt, dass Sofia und ich ihn nur noch scherzhaft Mr. Fingerfertigkeit genannt haben.

Peyton ist da schon ein bisschen greifbarer gezeichnet, auch wenn natürlich auch sie nicht wirklich das perfekte Abbild eines tiefgründigen Charakters ist. Sehr gelacht habe ich über ihren Aspirin-Konsum (I mean... 2 Aspirin sind schon viel, aber das auch noch vorbeugend und in Kombination mit Alkohol und auf gefühlt jeder zweiten Seite? Verstehe ich nicht, ist das so ein Ami-Ding?) und darüber, dass sie gerne mal Dinge wie "Rrrrr" oder "Gah" denkt. Ausdrücke wie "weinende Eierstöcke", "heiliges Wow" und "Atome wurden gespalten, und es war durchaus möglich, dass seine Knochen splittern" komplettieren dann das echt schräge Gesamtbild. Schon in "Redwood Love" bin ich mit Kelly Morans Schreibstil nicht ganz warmgeworden und habe angemerkt, dass viele Formulierungen für meinen Geschmack viel zu plump waren und die teilweise sehr wörtlichen Übersetzungen den Lesefluss stören. Hier nimmt die cringyness aber nochmal ein ganz anderes Level an und viele Formulierungen sind seltsam, heillos übertrieben und überzuckert. Auch hier sind mir wieder viele gleiche Redewendungen und Beschreibungen ins Auge gestochen, die man aus vorherigen Szenen oder einem ihrer anderen Bücher schon kannte, sodass manchmal ganze Dialoge oder auch Teile der Sexszenen sehr formelhaft wirken. Ich halte also fest, dass Kelly Moran sich mit "When you look at me" aus ihrem typischen Bereich der Cozy Romances herausgewagt hat, sie mich in diesem etwas anderen Untergenre aber auch nicht überzeugen konnte. Für mich war es das deshalb erstmal mit Büchern von ihr...


"Wir stehen noch ganz am Anfang, Süße. Bitte tritt nicht auf die Bremse, bevor wir richtig Fahrt aufgenommen haben."




Fazit:


"When You Look At Me" ist eine unterhaltsame aber heillos übertriebene und furchtbar überzuckerte Office Romance voller seltsamer Formulierungen. Lässt man einige süße Szenen und den sehr hohen Unterhaltungswert beiseite, können Figuren, Schreibstil und Handlung leider nicht überzeugen.

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