Sexy, mitreißend, komplex und mit dem typischen Jennifer-L-Armentrout-Humor
Blood and Ash – Liebe kennt keine GrenzenNachdem sich die letzten Reihen (z.B. Die "Wicked"-Trilogie und die "Götterleuchten"-Reihe) von Jennifer L. Armentrout für mich eher als Enttäuschung herausgestellt haben, hatte ich sehr geringe Erwartungen ...
Nachdem sich die letzten Reihen (z.B. Die "Wicked"-Trilogie und die "Götterleuchten"-Reihe) von Jennifer L. Armentrout für mich eher als Enttäuschung herausgestellt haben, hatte ich sehr geringe Erwartungen an den neuen Reihenauftakt, "Blood and Ash", vor allem, da dies ihr erster Ausflug ins Genre High Fantasy war. Aber - wow -, kann sie in diesem Genre bitte für immer bleiben? Die Geschichte von Poppy und Hawke ist so mitreißend, sexy, humorvoll und komplex - die Autorin kann hier ohne Probleme an den Charme ihrer ersten Reihen wie "Dark Elements" oder "Obsidian" anknüpfen und erschließt mit einem Volltreffer ein neues Subgenre für sich!
"Mut und Angst sind oft ein und dasselbe, und man wird entweder zum Krieger oder zum Feigling. Der einzige Unterschied ist die Person, die Mut und Angst empfindet."
Auch die Gestaltung ist schon ein absoluter Volltreffer. Zusehen sind Poppys Dolch und ein Pfeil, welche sich vor dem dunklen Hintergrund eines dichten Wurzelwerks mit blutroten Blättern kreuzen. Düster, blutig, sexy - das sind Assoziationen, die mir beim Betrachten des Covers einfallen und diese passen auch ganz wunderbar zur Geschichte. Ich liebe es also, dass der Verlag den Titel und die Covergestaltung der Originalausgabe beibehalten hat. Aber was bitte soll dieser nichtssagende schwülstige Untertitel? Schon bei "Wicked" habe ich über den deutschen Untertitel "Eine Liebe zwischen Licht und Dunkelheit" nur schmunzeln können. Und jetzt "Liebe kennt keine Grenzen" - Mal im Ernst, Heyne Verlag, welcher Genius denkt sich bei Euch die Untertitel aus?
Erste Sätze: "Finley wurde heute Abend gefunden. Am Rand des Blutwaldes. Tot."
Jennifer L. Armentrout beginnt ihre neue Fantasy-Saga mit viel Sex, Mord und Totschlag und so verwirrend komplex, dass man sich gleich in ein von magischen Wesen bevölkertes Westeros versetzt fühlt. Wir lernen hier unsere Hauptprotagonistin und Ich-Erzählerin Penellaphe, kurz Poppy, auf einem unerlaubten Streifzug durch das Vergnügungsviertel der Burg Teerman kennen, auf dem sie Erfahrungen sammeln will, die ihr als Auserwählte, als "Jungfräuliche", nicht erlaubt sind. Muss sie sonst mit einem Schleier bedeckt ihren Studien nachgehen, um sich darauf vorzubereiten, vor die Götter zu treten und das Königreich zu retten, ist sie während ihrer Ausflüge einfach nur eine junge Frau aus der Suche nach Spaß und Abenteuer. Als jedoch ausgerechnet Hawke Flynn, mit dem sie ein prickelndes Erlebnis aus einer dieser Nächte verbindet, als ihr Leibwächter eingeteilt wird, scheint ihr Geheimnis kurz vor dem Auffliege zu sein und ihr Ruf auf dem Spiel zu stehen. Mit seinem Erscheinen in ihrem Leben werden jedoch eine Reihe anderer Vorkommnisse in Bewegung gesetzt, sodass sie schnell in größeren Schwierigkeiten steckt als eine Bestrafung für unerlaubtes Verschwinden und schon bald steht ihre ganze Welt Kopf...
"Ich schwöre Euch, Penellaphe, mit meinem Schwert und meinem Leben zu beschützen", sagte er mit tiefer, wohlklingender Stimme, die mich an vollmundige dunkle Schokolade erinnerte. "Ich gehöre Euch, von diesem Moment an bis zu meinem Tod."
Schon nach wenigen Szenen wusste ich: uhhh, das könnte gut werden, und zwar so richtig gut! Zwar passiert zu Beginn erst einmal nicht besonders viel, dennoch ist die Geschichte von der ersten Seite an spannend. Diese Spannung fußt gerade in der ersten Hälfte weniger auf einer besonders ausgeklügelten Handlung, sondern eher auf der zwischenmenschlichen Anziehungskraft zwischen Poppy und ihrem neuen Leibwächter Hawke, ihrem Unwillen, sich in die für sie vorgesehene Rolle pressen zu lassen und einigen Rätseln, die uns das Setting aufwirft. Jennifer L. Armentrout entführt hier nämlich in eine komplexe von einem lang vergangenen Krieg zerrissenen Fantasy-Welt mit verschiedenen, von hohen Mauern umgebenen Herzogtümern, die Menschen und sogenannte "Aufgestiegene" vor den Attacken der "Hungernden" beschützen, die im Blutwald leben und mit dem Nebel kommend über die Menschen herfallen. Neben den sehr greifbaren Gefahren dieser mittelalterlichen Welt spielen auch Götter, Atlantier und Wölfische eine Rolle, welche jedoch mehr Religion und Aberglaube als Realität sind - denkt Poppy zumindest. Doch im Verlauf der Geschichte muss sie immer wieder in Frage stellen, was sie zu glauben weiß und zu Beginn schwer greifbare Begriffe und Konstrukte dieser Welt werden auch für die Leser zunehmend realer. Leider bemerkt man in dem Zuge auch, dass sich hinter was auf den ersten Blick sehr fremdartig und originell erscheint, viele bekannte Fabelwesen wie Zombies, Vampyre, Werwölfe oder Fae verbergen.
"Hier gab es weder etwas zu tun noch zu finden. Außer der Wahrheit. Und was war mein Leitsatz, wenn es um die Wahrheit ging? Natürlich machte die Wahrheit oft Angst, aber mit ihr kam auch die Macht. Und ich hatte mich noch nie vor der Wahrheit versteckt."
Das schmälert jedoch nicht die Tatsache, dass Jennifer L. Armentrout dieses neue Genre rockt! Zwischendurch hatte ich (vor allem beim männlichen Alpha-Love-Interest) sehr starke Sarah-J-Maas-Vibes und war deshalb überhaupt nicht überrascht, als JLA ihr in der Danksagung für ihre Unterstützung gedankt hat. Dennoch kann man hier in jeder Zeile die typische JLA Handschrift erkennen: "Blood and Ash" bringt mit humorvollen Anspielungen zum Lachen, mit prickelnder Liebe zum Schmachten, mit epischen Kämpfen zum Mitfiebern und mit schockierenden Wendungen und Cliffhangern zum Fluchen. Auch der schlimmste Mord und Totschlag hält Jennifer L. Armentrout nicht davon ab, uns mit einem humorvollen Unterton ab und zu zum Lachen zu bringen. Zwischen all den romantischen, actionreichen und erschreckenden Szenen nimmt sie mit ihrem treffenden Humor vielen Problemen die Spitze und macht die Geschichte trotz des eher handlungsarmen Begins unglaublich unterhaltsam. Hawkes Zweideutigkeiten, Poppys Sarkasmus, die vielen Insiderwitzen (Stichwort: Miss Willas Tagebuch) und vor allem die unglaublich lustigen und auch oft peinlichen Konversationen zwischen der erfahrungshungrigen, unerfahrenen Poppy und dem selbstsicheren Frauenhelden Hawke haben mir zusätzlich praktisch ein Dauergrinsen ins Gesicht tapeziert. Wortgewandt, witzig, dabei voller Andeutungen, Metaphern und mit grandiosen Beschreibungen von Gegebenheiten, Ereignissen, Emotionen und magischen Elementen führt sie uns durch die Geschichte, sodass die 666 Seiten wie im Flug vergehen.
"Ich bin die Jungfräuliche."
Er zog scharf die Luft ein und schloss die Augen. Ein Zittern ging durch seinen Körper. "Du bist die Auserwählte. Geboren unter dem Schleier der Götter, beschützt seit dem Mutterleib, verschleiert seit ihrer Geburt."
Ja, das war dann wohl ich."
Überrascht hat mich, dass es sich die Autorin trotz des komplizierteren Worldbuildings nicht nehmen lässt, einen sehr starken Fokus auf die Charaktere und deren Beziehung zueinander zu legen, welche im High Fantasy Genre oft zu kurz kommt. In "Blood and Ash" besteht jedoch ungefähr die Hälfe der 666 Seiten aus Interaktionen zwischen Poppy und Hawke (und ja, damit meine ich auch heiße Szenen, von denen es einige gibt, was besonders ironisch ist, da die Hauptfigur hier den Titel "die Jungfräuliche" trägt) und die andere aus blutigen Kämpfen. Das sorgt natürlich für einen wahnsinnig hohen Unterhaltungsfaktor, da die Elektrizität zwischen den beiden eine ganze Stadt mit Strom versorgen könnte, rückt aber auch die Figuren an sich in den Vordergrund. Unsere Ich-Erzählerin Poppy ist eine starke Heldin, die mit einer besonderen Gabe, einer großen Verantwortung und einer strahlenden Zukunft geboren wurde, jedoch mit ihrer Auserwählten-Rolle hadert. Die "Die Hauptperson ist ja sooo eine besondere Schneeflocke"-Idee ist ja ein sehr häufiges Motiv in Fantasy-Reihen. Wie egal Poppy ihre von den "Göttern" zugedachte Position als Jungfräuliche (was by the way irgendwie sexueller klingt als die Übersetzung "Maiden") ist, wie sie gegen ihre Rolle rebelliert, anstatt sich damit zu identifizieren und die Schwierigkeiten, in die sie sich damit manövriert, sind deshalb eine sehr erfrischende Abwechslung.
„Du bist wirklich ein faszinierendes, mörderisches kleines Ding.“
Und Hawke, was soll man zu ihm sagen... er ist mitfühlend, düster, selbstbewusst, humorvoll, stark und unverschämt heiß - einfach der Inbegriff männlicher Perfektion, die droht, Rhysand als ultimativer Bookboyfriend Konkurrenz zu machen. Leider konnte ich die Wendung, die ihn betrifft, schon sehr früh vorhersagen.
"Der Tod ist wie ein alter Freund, der zu Besuch kommt. Manchmal schaut er vorbei, wenn du es am wenigsten erwartest, und manchmal sehnst du ihn herbei. Es ist nicht das erste, und auch nicht das letzte Mal, dass du ihn siehst, aber das macht ihn nicht weniger brutal und gnadenlos."
Das Ende ist mal wieder auf die typische Armentrout´sche "haha-du-dummer-Leser-hier-hast-du-einen-krassen-Cliffhanger-jetzt-komm-damit-klar-und-zerbreche-dir-darüber-den-Kopf-bis-der-nächste-Teil-rauskommt"-Art, für die ich sie wirklich hassen könnte. Aber nur fast, denn dafür habe mich bei dieser Geschichte viel zu oft mit breitem Grinsen auf meinem Bett gesessen und mir gewünscht, in die Geschichte eintauchen zu können.
Fazit:
Sexy, mitreißend, komplex und mit dem typischen Jennifer-L-Armentrout-Humor - "Blood and Ash" ist ein vielversprechender Auftakt, mit dem die Autorin an den Charme ihrer ersten Reihen anknüpft und sich ein neues Genre erschließt!
4,5 von 5 Sterne!