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Veröffentlicht am 29.06.2021

Eine bunte, diverse, unterhaltsame Geschichte!

In all seinen Farben
1

Jahre ist die starke Zunahme der Repräsentation von Randgruppen und Diversität. Viele Verlage achten vermehrt darauf, dass verschiedene Ethnien, Religionen und LGBTQ+ Geschichten einen Platz finden, um ...

Jahre ist die starke Zunahme der Repräsentation von Randgruppen und Diversität. Viele Verlage achten vermehrt darauf, dass verschiedene Ethnien, Religionen und LGBTQ+ Geschichten einen Platz finden, um die Vielfalt an Menschen auch in Romanen abzubilden. "In all seinen Farben" ist eine dieser Geschichten, die die LGBTQ-Community feiert und insbesondere in das Thema "Drag" einführt. George Lester, der selbst als Drag Queen unter dem Namen "That Gurrrl" auftritt hat hier eine bunte, diverse und unterhaltsame Geschichte geschrieben, die allein für ihr Thema schon eine Leseempfehlung verdient hat. Schaut man jedoch unter die glitzernde Fassade, fallen mir doch die ein oder andere Baustelle auf.

Das Cover ist ein wahrer Hingucker. Zusehen ist die schwarz-weiße Comic-Silhouette eines Jungen, dessen eines Auge durch künstliche Wimpern und roten Lidschatten hervorsticht. Der Titel ist in allen Farben des Regenbogens gehalten, genau wie
die Farbsprenkel, die den ansonsten weiß-beigen Hintergrund zieren. Hier gefällt mir selbst der deutsche Titel "In all seinen Farben" fast besser als der Originaltitel, "Boy Queen", da es hier tatsächlich eher um ALLE Farben, alle Facetten an Robin geht und seine neu erwachende Leidenschaft für Drag nur eine Komponente der Geschichte ist.

Ebenfalls sehr positiv aufgefallen ist mir das kurze Glossar mit unterstützenden Begriffserläuterungen und ein Namensregister der im Buch vorkommenden Queens. Gerade für komplette Quereinsteiger in diese Thematik (wie ich) ist es hilfreich, den ein oder anderen Begriff nochmal nachlesen zu können. Diesmal habe ich das Glossar sogar auch nicht erst am Ende entdeckt - da ein Hinweis des Verlags gleich zu Beginn den Tipp gibt, sich das Glossar und die Triggerwarnung einmal anzuschauen. Großes Lob also an den Verlag!


Erster Satz: "Die Musik ist so laut, dass ich spüren kann, wie sie durch den Boden pulsiert."


Auch abseits der Gestaltung ist es nicht besonders schwer, in die Thematik einzusteigen, da gute 120 Seiten vergehen, bis wir überhaupt in der Drag-Queen-Show landen. Um ehrlich zu sein zieht sich der Beginn ein bisschen, da zunächst einige Seiten ins Land gehen, in denen wir mehr über Robins Freunde, seine Mutter, seinen Traum einer Schauspielausbildung an der LAPA zu machen und seine Beziehung zu Connor erfahren. Durch den Klapptext weiß man schon gleich, dass er bei der Aufnahmeprüfung nicht angenommen wird und erst durch ein Besuch im Entity eine neue Zukunftsperspektive findet. So wartet man während des ersten Drittels der Geschichte eigentlich nur darauf, dass endlich sein Geburtstag ist und es zur Drag-Queen-Show geht. Das ist ein bisschen schade, da andere vorkommende Themen wie die kriselnde Beziehung zu Connor, der sein Coming-Out noch nicht hatte und Robin zu seinem kleinen, dreckigen Geheimnis vor seinen homophoben Freunden und Familie macht, Robins Freude am Tanzen, die lockere, vertrauensvolle Mutter-Sohn-Beziehung oder Robins Clique bestehend aus Nat, Greg und seiner Tanzfreundin Priya sehr spannend wären und viel Potential hätten, das aber nicht genutzt wird.

Denn sobald Robin Drag für sich entdeckt, geht es um kaum etwas anderes mehr. Die Probleme seiner Freunde ignoriert er fast komplett, mit seiner Mutter redet er nicht mehr und die Müge, den interessanten Neuen, Seth, wirklich kennenzulernen und über dessen Gefühle zu reden, macht er sich auch nicht wirklich. Kein Wunder also, dass Robin das ein oder andere Mal von seinen Freunden als egoistisch beschimpft wird. Für ihn als Charakter ist das kein Problem - er ist einfach eine Figur mit Ecken und Kanten, die manchmal etwas über die Stränge schlägt, während sie für das kämpft, was ihr wichtig ist -, für die Nebenfiguren aber schon, da diese inmitten von Robins neuer Begeisterung und seiner Probleme fast vollständig untergehen. Auch in Bezug auf andere Themen wie Homophobie, Mobbing oder körperliche Gewalt hat sich George Lester ein bisschen verzettelt und ich hätte mir mehr emotionale Tiefe und einen stärkeren Fokus auf EIN Thema gewünscht. Dazu kommt, dass die Handlung alles in allem sehr vorhersehbar war und ich emotional nicht so sehr involviert wurde. Da wäre also definitiv mehr drin gewesen.


"Man kann planen so viel man will, das Leben hat doch oft anderes mit einem vor. Es muss weitergehen. irgendetwas Gutes entsteht eigentlich immer, egal wie beschissen die Lage auch sein mag. Du hast Drag für dich entdeckt. Ich habe dich gefunden. Was auch geschieht, man muss irgendwie lernen, damit umzugehen. Was bleibt einem sonst übrig?"


Das bedeutet aber nicht, dass ich die Geschichte nicht mochte. Im Gegenteil: ich war ganz begeistert von der künstlerischen, offenen und glitzernden Welt, in die ich hier entführt wurde. Wahrscheinlich hätte "In all seinen Farben" für mich als Film besser funktioniert, da ich Schwierigkeiten hatte, mir manche Dinge vorzustellen, der Autor beschreibt aber alles sehr bildhaft und lebendig. Gerade an den Beschreibungen der Strukturen innerhalb der Drag Family, der Beziehungen zwischen den verschiedenen Queens und Themen wie Make-Up und Performance merkt man, dass der Autor selbst Praxis-Erfahrung hat und genau weiß, wie es in der Community läuft. Dahingehend konnte ich beim Lesen eine Menge lernen. Begriffe wie Drag Mother, AFAB-Queens oder Persona haben mir zuvor überhaupt nichts gesagt. Auch wenn ich selbst erst wenig Berührungspunkte mit Drag hatte und mich einiges vielleicht nicht so sehr erreichen konnte, fand ich die Geschichte also eine super Möglichkeit, auf unterhaltsame Art und Weise den eigenen Horizont ein bisschen zu erweitern. Außerdem habe ich bei den ganzen Beschreibungen der Shows richtig Lust bekommen, selbst eine anzusehen und gleich mal gegoogelt, ob es eine örtliche Community in meiner Nähe gibt, die ich unterstützen könnte!


"Es wirkt verwegen und stark; sie tupft und blendet, genau wie ich es auch mache. Es gibt einen Moment, in dem ich denke, es sei schief gegangen, aber das ist es nicht, es ist nur noch nicht fertig. Auf seltsame Weise fühlt sich das an wie eine Lebensmetapher. Alles sieht total verkehrt aus und so, als würde es gleich auseinanderfallen, aber das stimmt nicht, denn eigentlich ist es nur noch nicht abgeschlossen. Es ist kein Chaos, sondern eine fortlaufende Entwicklung."


Das Ende der Geschichte ist ein bisschen knapp, führt aber alle wichtigen Punkte zu einem Abschluss und zeigt, dass wir hier erst am Anfang von Robins Geschichte stehen.



Fazit
:

Eine bunte, diverse, unterhaltsame Geschichte über Drag, Freundschaft, Zukunftspläne, Homophobie und darüber, die eigene innere Königin zu entdecken und zum Strahlen zu bringen. Zwar nutzt George Lester nicht das gesamte Potential aus, insgesamt kann ich "In all seinen Farben" aber unbedingt weiterempfe

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.06.2021

Eine bunte, diverse, unterhaltsame Geschichte!

In all seinen Farben
0

Jahre ist die starke Zunahme der Repräsentation von Randgruppen und Diversität. Viele Verlage achten vermehrt darauf, dass verschiedene Ethnien, Religionen und LGBTQ+ Geschichten einen Platz finden, um ...

Jahre ist die starke Zunahme der Repräsentation von Randgruppen und Diversität. Viele Verlage achten vermehrt darauf, dass verschiedene Ethnien, Religionen und LGBTQ+ Geschichten einen Platz finden, um die Vielfalt an Menschen auch in Romanen abzubilden. "In all seinen Farben" ist eine dieser Geschichten, die die LGBTQ-Community feiert und insbesondere in das Thema "Drag" einführt. George Lester, der selbst als Drag Queen unter dem Namen "That Gurrrl" auftritt hat hier eine bunte, diverse und unterhaltsame Geschichte geschrieben, die allein für ihr Thema schon eine Leseempfehlung verdient hat. Schaut man jedoch unter die glitzernde Fassade, fallen mir doch die ein oder andere Baustelle auf.

Das Cover ist ein wahrer Hingucker. Zusehen ist die schwarz-weiße Comic-Silhouette eines Jungen, dessen eines Auge durch künstliche Wimpern und roten Lidschatten hervorsticht. Der Titel ist in allen Farben des Regenbogens gehalten, genau wie
die Farbsprenkel, die den ansonsten weiß-beigen Hintergrund zieren. Hier gefällt mir selbst der deutsche Titel "In all seinen Farben" fast besser als der Originaltitel, "Boy Queen", da es hier tatsächlich eher um ALLE Farben, alle Facetten an Robin geht und seine neu erwachende Leidenschaft für Drag nur eine Komponente der Geschichte ist.

Ebenfalls sehr positiv aufgefallen ist mir das kurze Glossar mit unterstützenden Begriffserläuterungen und ein Namensregister der im Buch vorkommenden Queens. Gerade für komplette Quereinsteiger in diese Thematik (wie ich) ist es hilfreich, den ein oder anderen Begriff nochmal nachlesen zu können. Diesmal habe ich das Glossar sogar auch nicht erst am Ende entdeckt - da ein Hinweis des Verlags gleich zu Beginn den Tipp gibt, sich das Glossar und die Triggerwarnung einmal anzuschauen. Großes Lob also an den Verlag!


Erster Satz: "Die Musik ist so laut, dass ich spüren kann, wie sie durch den Boden pulsiert."


Auch abseits der Gestaltung ist es nicht besonders schwer, in die Thematik einzusteigen, da gute 120 Seiten vergehen, bis wir überhaupt in der Drag-Queen-Show landen. Um ehrlich zu sein zieht sich der Beginn ein bisschen, da zunächst einige Seiten ins Land gehen, in denen wir mehr über Robins Freunde, seine Mutter, seinen Traum einer Schauspielausbildung an der LAPA zu machen und seine Beziehung zu Connor erfahren. Durch den Klapptext weiß man schon gleich, dass er bei der Aufnahmeprüfung nicht angenommen wird und erst durch ein Besuch im Entity eine neue Zukunftsperspektive findet. So wartet man während des ersten Drittels der Geschichte eigentlich nur darauf, dass endlich sein Geburtstag ist und es zur Drag-Queen-Show geht. Das ist ein bisschen schade, da andere vorkommende Themen wie die kriselnde Beziehung zu Connor, der sein Coming-Out noch nicht hatte und Robin zu seinem kleinen, dreckigen Geheimnis vor seinen homophoben Freunden und Familie macht, Robins Freude am Tanzen, die lockere, vertrauensvolle Mutter-Sohn-Beziehung oder Robins Clique bestehend aus Nat, Greg und seiner Tanzfreundin Priya sehr spannend wären und viel Potential hätten, das aber nicht genutzt wird.

Denn sobald Robin Drag für sich entdeckt, geht es um kaum etwas anderes mehr. Die Probleme seiner Freunde ignoriert er fast komplett, mit seiner Mutter redet er nicht mehr und die Müge, den interessanten Neuen, Seth, wirklich kennenzulernen und über dessen Gefühle zu reden, macht er sich auch nicht wirklich. Kein Wunder also, dass Robin das ein oder andere Mal von seinen Freunden als egoistisch beschimpft wird. Für ihn als Charakter ist das kein Problem - er ist einfach eine Figur mit Ecken und Kanten, die manchmal etwas über die Stränge schlägt, während sie für das kämpft, was ihr wichtig ist -, für die Nebenfiguren aber schon, da diese inmitten von Robins neuer Begeisterung und seiner Probleme fast vollständig untergehen. Auch in Bezug auf andere Themen wie Homophobie, Mobbing oder körperliche Gewalt hat sich George Lester ein bisschen verzettelt und ich hätte mir mehr emotionale Tiefe und einen stärkeren Fokus auf EIN Thema gewünscht. Dazu kommt, dass die Handlung alles in allem sehr vorhersehbar war und ich emotional nicht so sehr involviert wurde. Da wäre also definitiv mehr drin gewesen.


"Man kann planen so viel man will, das Leben hat doch oft anderes mit einem vor. Es muss weitergehen. irgendetwas Gutes entsteht eigentlich immer, egal wie beschissen die Lage auch sein mag. Du hast Drag für dich entdeckt. Ich habe dich gefunden. Was auch geschieht, man muss irgendwie lernen, damit umzugehen. Was bleibt einem sonst übrig?"


Das bedeutet aber nicht, dass ich die Geschichte nicht mochte. Im Gegenteil: ich war ganz begeistert von der künstlerischen, offenen und glitzernden Welt, in die ich hier entführt wurde. Wahrscheinlich hätte "In all seinen Farben" für mich als Film besser funktioniert, da ich Schwierigkeiten hatte, mir manche Dinge vorzustellen, der Autor beschreibt aber alles sehr bildhaft und lebendig. Gerade an den Beschreibungen der Strukturen innerhalb der Drag Family, der Beziehungen zwischen den verschiedenen Queens und Themen wie Make-Up und Performance merkt man, dass der Autor selbst Praxis-Erfahrung hat und genau weiß, wie es in der Community läuft. Dahingehend konnte ich beim Lesen eine Menge lernen. Begriffe wie Drag Mother, AFAB-Queens oder Persona haben mir zuvor überhaupt nichts gesagt. Auch wenn ich selbst erst wenig Berührungspunkte mit Drag hatte und mich einiges vielleicht nicht so sehr erreichen konnte, fand ich die Geschichte also eine super Möglichkeit, auf unterhaltsame Art und Weise den eigenen Horizont ein bisschen zu erweitern. Außerdem habe ich bei den ganzen Beschreibungen der Shows richtig Lust bekommen, selbst eine anzusehen und gleich mal gegoogelt, ob es eine örtliche Community in meiner Nähe gibt, die ich unterstützen könnte!


"Es wirkt verwegen und stark; sie tupft und blendet, genau wie ich es auch mache. Es gibt einen Moment, in dem ich denke, es sei schief gegangen, aber das ist es nicht, es ist nur noch nicht fertig. Auf seltsame Weise fühlt sich das an wie eine Lebensmetapher. Alles sieht total verkehrt aus und so, als würde es gleich auseinanderfallen, aber das stimmt nicht, denn eigentlich ist es nur noch nicht abgeschlossen. Es ist kein Chaos, sondern eine fortlaufende Entwicklung."


Das Ende der Geschichte ist ein bisschen knapp, führt aber alle wichtigen Punkte zu einem Abschluss und zeigt, dass wir hier erst am Anfang von Robins Geschichte stehen.



Fazit
:

Eine bunte, diverse, unterhaltsame Geschichte über Drag, Freundschaft, Zukunftspläne, Homophobie und darüber, die eigene innere Königin zu entdecken und zum Strahlen zu bringen. Zwar nutzt George Lester nicht das gesamte Potential aus, insgesamt kann ich "In all seinen Farben" aber unbedingt weiterempfe

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.06.2021

Eine bunte, diverse, unterhaltsame Geschichte!

In all seinen Farben
0

Jahre ist die starke Zunahme der Repräsentation von Randgruppen und Diversität. Viele Verlage achten vermehrt darauf, dass verschiedene Ethnien, Religionen und LGBTQ+ Geschichten einen Platz finden, um ...

Jahre ist die starke Zunahme der Repräsentation von Randgruppen und Diversität. Viele Verlage achten vermehrt darauf, dass verschiedene Ethnien, Religionen und LGBTQ+ Geschichten einen Platz finden, um die Vielfalt an Menschen auch in Romanen abzubilden. "In all seinen Farben" ist eine dieser Geschichten, die die LGBTQ-Community feiert und insbesondere in das Thema "Drag" einführt. George Lester, der selbst als Drag Queen unter dem Namen "That Gurrrl" auftritt hat hier eine bunte, diverse und unterhaltsame Geschichte geschrieben, die allein für ihr Thema schon eine Leseempfehlung verdient hat. Schaut man jedoch unter die glitzernde Fassade, fallen mir doch die ein oder andere Baustelle auf.

Das Cover ist ein wahrer Hingucker. Zusehen ist die schwarz-weiße Comic-Silhouette eines Jungen, dessen eines Auge durch künstliche Wimpern und roten Lidschatten hervorsticht. Der Titel ist in allen Farben des Regenbogens gehalten, genau wie
die Farbsprenkel, die den ansonsten weiß-beigen Hintergrund zieren. Hier gefällt mir selbst der deutsche Titel "In all seinen Farben" fast besser als der Originaltitel, "Boy Queen", da es hier tatsächlich eher um ALLE Farben, alle Facetten an Robin geht und seine neu erwachende Leidenschaft für Drag nur eine Komponente der Geschichte ist.

Ebenfalls sehr positiv aufgefallen ist mir das kurze Glossar mit unterstützenden Begriffserläuterungen und ein Namensregister der im Buch vorkommenden Queens. Gerade für komplette Quereinsteiger in diese Thematik (wie ich) ist es hilfreich, den ein oder anderen Begriff nochmal nachlesen zu können. Diesmal habe ich das Glossar sogar auch nicht erst am Ende entdeckt - da ein Hinweis des Verlags gleich zu Beginn den Tipp gibt, sich das Glossar und die Triggerwarnung einmal anzuschauen. Großes Lob also an den Verlag!


Erster Satz: "Die Musik ist so laut, dass ich spüren kann, wie sie durch den Boden pulsiert."


Auch abseits der Gestaltung ist es nicht besonders schwer, in die Thematik einzusteigen, da gute 120 Seiten vergehen, bis wir überhaupt in der Drag-Queen-Show landen. Um ehrlich zu sein zieht sich der Beginn ein bisschen, da zunächst einige Seiten ins Land gehen, in denen wir mehr über Robins Freunde, seine Mutter, seinen Traum einer Schauspielausbildung an der LAPA zu machen und seine Beziehung zu Connor erfahren. Durch den Klapptext weiß man schon gleich, dass er bei der Aufnahmeprüfung nicht angenommen wird und erst durch ein Besuch im Entity eine neue Zukunftsperspektive findet. So wartet man während des ersten Drittels der Geschichte eigentlich nur darauf, dass endlich sein Geburtstag ist und es zur Drag-Queen-Show geht. Das ist ein bisschen schade, da andere vorkommende Themen wie die kriselnde Beziehung zu Connor, der sein Coming-Out noch nicht hatte und Robin zu seinem kleinen, dreckigen Geheimnis vor seinen homophoben Freunden und Familie macht, Robins Freude am Tanzen, die lockere, vertrauensvolle Mutter-Sohn-Beziehung oder Robins Clique bestehend aus Nat, Greg und seiner Tanzfreundin Priya sehr spannend wären und viel Potential hätten, das aber nicht genutzt wird.

Denn sobald Robin Drag für sich entdeckt, geht es um kaum etwas anderes mehr. Die Probleme seiner Freunde ignoriert er fast komplett, mit seiner Mutter redet er nicht mehr und die Müge, den interessanten Neuen, Seth, wirklich kennenzulernen und über dessen Gefühle zu reden, macht er sich auch nicht wirklich. Kein Wunder also, dass Robin das ein oder andere Mal von seinen Freunden als egoistisch beschimpft wird. Für ihn als Charakter ist das kein Problem - er ist einfach eine Figur mit Ecken und Kanten, die manchmal etwas über die Stränge schlägt, während sie für das kämpft, was ihr wichtig ist -, für die Nebenfiguren aber schon, da diese inmitten von Robins neuer Begeisterung und seiner Probleme fast vollständig untergehen. Auch in Bezug auf andere Themen wie Homophobie, Mobbing oder körperliche Gewalt hat sich George Lester ein bisschen verzettelt und ich hätte mir mehr emotionale Tiefe und einen stärkeren Fokus auf EIN Thema gewünscht. Dazu kommt, dass die Handlung alles in allem sehr vorhersehbar war und ich emotional nicht so sehr involviert wurde. Da wäre also definitiv mehr drin gewesen.


"Man kann planen so viel man will, das Leben hat doch oft anderes mit einem vor. Es muss weitergehen. irgendetwas Gutes entsteht eigentlich immer, egal wie beschissen die Lage auch sein mag. Du hast Drag für dich entdeckt. Ich habe dich gefunden. Was auch geschieht, man muss irgendwie lernen, damit umzugehen. Was bleibt einem sonst übrig?"


Das bedeutet aber nicht, dass ich die Geschichte nicht mochte. Im Gegenteil: ich war ganz begeistert von der künstlerischen, offenen und glitzernden Welt, in die ich hier entführt wurde. Wahrscheinlich hätte "In all seinen Farben" für mich als Film besser funktioniert, da ich Schwierigkeiten hatte, mir manche Dinge vorzustellen, der Autor beschreibt aber alles sehr bildhaft und lebendig. Gerade an den Beschreibungen der Strukturen innerhalb der Drag Family, der Beziehungen zwischen den verschiedenen Queens und Themen wie Make-Up und Performance merkt man, dass der Autor selbst Praxis-Erfahrung hat und genau weiß, wie es in der Community läuft. Dahingehend konnte ich beim Lesen eine Menge lernen. Begriffe wie Drag Mother, AFAB-Queens oder Persona haben mir zuvor überhaupt nichts gesagt. Auch wenn ich selbst erst wenig Berührungspunkte mit Drag hatte und mich einiges vielleicht nicht so sehr erreichen konnte, fand ich die Geschichte also eine super Möglichkeit, auf unterhaltsame Art und Weise den eigenen Horizont ein bisschen zu erweitern. Außerdem habe ich bei den ganzen Beschreibungen der Shows richtig Lust bekommen, selbst eine anzusehen und gleich mal gegoogelt, ob es eine örtliche Community in meiner Nähe gibt, die ich unterstützen könnte!


"Es wirkt verwegen und stark; sie tupft und blendet, genau wie ich es auch mache. Es gibt einen Moment, in dem ich denke, es sei schief gegangen, aber das ist es nicht, es ist nur noch nicht fertig. Auf seltsame Weise fühlt sich das an wie eine Lebensmetapher. Alles sieht total verkehrt aus und so, als würde es gleich auseinanderfallen, aber das stimmt nicht, denn eigentlich ist es nur noch nicht abgeschlossen. Es ist kein Chaos, sondern eine fortlaufende Entwicklung."


Das Ende der Geschichte ist ein bisschen knapp, führt aber alle wichtigen Punkte zu einem Abschluss und zeigt, dass wir hier erst am Anfang von Robins Geschichte stehen.



Fazit
:

Eine bunte, diverse, unterhaltsame Geschichte über Drag, Freundschaft, Zukunftspläne, Homophobie und darüber, die eigene innere Königin zu entdecken und zum Strahlen zu bringen. Zwar nutzt George Lester nicht das gesamte Potential aus, insgesamt kann ich "In all seinen Farben" aber unbedingt weiterempfehlen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.06.2021

Was will diese Geschichte sein?

Mit dir leuchtet der Ozean
0

Pünktlich zum Erscheinungstermin letzte Woche ist "Mit dir leuchtet der Ozean" von Lea Coplin bei mir angekommen. Da die Autorin mich schon letztes Jahr im Sommer mit ihrer ungekünstelten, spritzigen, ...

Pünktlich zum Erscheinungstermin letzte Woche ist "Mit dir leuchtet der Ozean" von Lea Coplin bei mir angekommen. Da die Autorin mich schon letztes Jahr im Sommer mit ihrer ungekünstelten, spritzigen, authentischen Art zu Schreiben in "Für eine Nacht sind wir unendlich" überzeugt hat, war ich sehr gespannt auf ihren neusten Roman und hatte auf ein ähnliches Highlight gehofft. Leider hat mich "Mit dir leuchtet der Ozean" nicht ganz so sehr überzeugen können, wie ihr letzter Roman. Zwar sind Setting, Figuren, Atmosphäre und Handlung einzeln betrachtet grundsätzlich interessant gestaltet - als Ganzes war mir aber nicht ganz klar, was diese Geschichte sein will. Ein seichter Urlaubsroman? Keineswegs, dazu ist der Roman zu schwermütig und das Setting wird zu wenig genutzt. Eine dramatische Liebesgeschichte? Leider bleiben viele Themen zu oberflächlich und einige Emotionen gehen auf dem Weg verloren....

Das Cover entführt mit einem farbintensiven Bild eines Strands im Hintergrund und dem hervorgehobenen Kontrast aus türkisblauem Wasser und orangenem Sand im Titel sofort in eine sonnige Parallelwelt voll heißer Tage, lauer Nächte, Sandburgen und Gelächter unter Palmen. Nach dem Einstieg in die Geschichte kommt dann aber schnell die Ernüchterung: Trotz grundsätzlichem Sommer-Sonne-Kaktus-Flair die "Mit dir leuchtet der Ozean" keine unbeschwerte Sommerlektüre. Dazu sind die Tage der Protagonisten zu voll, der emotionale Ballast, den beide mit sich herumschleppen zu schwer und die Stimmung zu melancholisch. Statt Strandpartys, Freude und Freiheit zu zelebrieren, fallen Penny und Milo nach ihren langen Tagen im Club oft erschöpft ins Bett und bekommen außerhalb ihrer Tätigkeit im Solana Sunshine Club wenig von der spanischen Insel zu sehen, auf der sie den Sommer verbringen. Das ist keineswegs ein Problem und nur logisch angesichts der Tatsache, dass Penny und Milo nicht zum Urlaubmachen auf Fuerteventura sind - aber eben eine Sache, die man wissen muss, wenn man sich auf die Geschichte einlässt.


Erster Satz: "In dem Augenblick, in dem meine Hand den Griff umschloss, knipste irgendjemand das Licht aus, und auf einmal war es stockfinster im Raum."


Auch der poetische Titel führt auf eine eher falsche Fährte: wer hier eine leidenschaftliche Liebesgeschichte erwartet, wird eher enttäuscht werden. "Mit dir leuchtet der Ozean" erfindet den Begriff "Slow Burn" komplett neu. Zwar lesen wir von ihrem ersten Kuss schon im ersten Kapitel, nachdem wir in dem sehr süßen Prolog die erste richtige Begegnung von Penny und Milo während eines Partyspiels im Schrank beobachtet haben, fällt ihr zweites Aufeinandertreffen, fast vier Jahre später aber weit weniger prickelnd aus. Während sich Penny eigentlich nur ihrer Freundin zuliebe für den Job beworben hatte (die nun aber mit Gips zuhause bleiben musste) und nichts lieber tun würde, als sich von der Welt zu verkriechen, ist auch Milo nicht gerade begeistert, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Denn Penny weiß zu viel über seine Vergangenheit und könnte das Bild des unbeschwerten Sunnyboys zusammenbrechen lassen, das er sich mühsam aufgebaut hat. Sie beschließen also, einander erstmal aus dem Weg zu gehen - was sich als gar nicht so einfach herausstellt, da Milos Sonnenschein-Freundin Helena ausgerechnet Pennys Zimmergenossin ist...


Milo: "Mit Helena zusammen zu sein ist großartig, denn es nimmt dem Leben all die scharfen Kanten. Hier allerdings, zwischen Penny Fuchs und mir, wirkt sie auf einmal wie einer dieser aufziehbaren Hundewelpen aus der Werbung. Zu positiv. Zu perfekt. Nicht echt."


Klar, kein Wunder, dass es unter diesen Umständen eine ganze Weile dauert, bis die beiden sich etwas annähern, aber ein bisschen mehr Prickeln hätte es zwischen den beiden meiner Meinung nach schon können. Ich finde es grundsätzlich positiv, dass sich die Autorin hier so viel Zeit lässt, bis Penny und Milo sich wiederfinden, ein bisschen mehr Chemie, Anziehungskraft und Gefühlen hätte sie sich aber trotzdem bedienen können, um uns über die recht ereignisarme erste Hälfte hinwegzuhelfen. Denn bis auf die Beschreibung der Arbeit im Club, das ein oder andere Telefongespräch nach Hause und kurze Treffen der beiden Protagonisten passiert zunächst einfach nicht. Zwar ist das All-Inclusive-Club-Arbeitsleben ein interessanter Rahmen, in welchem ich noch nie eine Geschichte eingebunden gelesen habe, aber auch wenn ich ein Auge zu drücke muss ich anmerken, dass es sich dennoch ganz schön ziiieeeht, bis endlich mal etwas passiert.


Penny: "Da stehe ich, in einem kurzen T-Shirt mit zu nackten Beinen, und Milo starrt mich an... wie ich weiß nicht, wie er mich anstarrt. Als sei ich ein leeres Blatt oder eine weiße Leinwand und er kurz davor, mich mit Farbe zu begießen, aus vollen Eimern, bis ich darin untergehe."


Spannung wird vor allem durch die vielen offenen Fragen gewonnen, die nur nach und nach beantwortet werden. Was ist mit Milos Bruder passiert? Was ist an den Gerüchten um ihn dran? Was hat es mit Pennys Veränderung und der angespannten Stimmung in ihrer Familie auf sich? Weshalb sind die beiden ausgerechnet in Fuerteventura gelandet? Im Laufe der Beantwortung kommt das ein oder andere sehr ernste Thema ans Licht, das dann auch die vorher genannte schwermütige Atmosphäre, Milos gekünsteltes Lächeln und Pennys Typveränderung erklärt. Auf diese Themen und Konflikte wird aber leider zu wenig eingegangen, als dass ich richtig emotional mitgenommen worden wäre. Im hinteren Teil der Geschichte bricht dann nämlich die zuvor vermisste Liebesgeschichte durch und wird so präsent, dass eine weitere Auseinandersetzung mit der Charakterentwicklung völlig untergeht (die Figuren scheinen sogar vollkommen aufzuhören zu denken, wenn man mal betrachtet, was sie so anstellen augenverdreh).


Milo: "Helena schwebt davon, und ich bleibe mit dem Gefühl zurück, dass die Maske, die ich seit Monaten trage wie eine zweite Haut, in leichte Schieflage gerät durch die andere, die ich gerade darübergestülpt habe."


Um zu erklären, wie ich das meine muss ich noch generell ein paar Worte zu den Figuren verlieren. Penny und Milo erzählen hier in 51 Kapiteln abwechselnd jeweils aus der Ich-Perspektive und sind grundsätzlich sehr spannend angelegt. Lebendig werden die beiden vor allem durch ihre Eigenheiten und die vielen ungenauen Hintergründe und Fragen, die sie und ihr Verhalten aufwerfen. Darüber hinaus ist aber nicht so ganz der Funke übergesprungen, da wir bei vielen wichtigen Entwicklungsschritten nicht dabei sind und ich das Gefühl hatte, dass die Figuren manchmal selbst vergessen haben, wer sie eigentlich sind. Fangen wir mal an mit Penny. Diese hat erst kürzlich ihr Psychologiestudium abgebrochen, da es ihr gelungen ist "sich in jeder einzelnen möglichen Psychoneurose wiederzuerkennen, die ihr über den Weg lief" (Grüße gehen raus an mein eigenes Hypochonder-Ich, das bei jeder vorgestellten Störung denkt "ach, das hast du doch auch, oder?" - da konnte ich mich nur zu gut drin wiederfinden). Schon auf den ersten Seiten konnte ich mich gut mit ihr identifizieren, da ich das Gefühl kenne, zu sehr im eigenen Kopf gefangen zu sein. Doch dann kommt sie in den Club und alles was sie tut ist arbeiten und an Milo denken - ihre zuvor genannten Probleme ausgehend von ihrem Studienabbruch prägen ihre Wahrnehmung und ihr Empfinden in der weiteren Handlung kaum. Zukunftsängste? Fehlanzeige. Viele Gedanken über Zuhause, über das Studium, über ihre Kindheit? Nope. Ihre neu entdeckte Leidenschaft für das Theater? Wird zur Randbemerkung. Der Konflikt mit ihren Eltern? Das kann man ja im Epilog kurz als geklärt deklarieren. Es scheint, als würde sie plötzlich nur noch eine Sache beschäftigen: Milo. Und das macht sie leider ein bisschen eindimensionaler, als sie hätte sein müssen.


Penny: "Irgendwie habe ich allmählich das Gefühl, ihr gehört vielleicht zusammen, Milo und du".
"Ah nein, das ist..."
"Ich meine, du gibst dir jetzt schon zum zweiten Mal richtig Mühe, die nicht in Milo Kohlberg zu verlieben. Und diesmal scheint es dir ein bisschen weniger gut zu gelingen als damals in der Schule."


Milo kämpft mit seinem schlechten Ruf, der ihn von München aus bis nach Fuerteventura zu folgen scheint und findet es leichter, alle mit einem unbeschwerten Lächeln zu täuschen, als wirkliche Nähe und Verletzlichkeit zuzulassen. Wirkliche Beziehungen sind ihm zu anstrengend, deshalb konzentriert er sich auf seine Katzen und ist mit der immer gutgelaunten Helena zusammen, die nie Fragen stellt. So weit so gut. Als Penny auftaucht, will er ihr zunächst aus dem Weg gehen, fühlt sich dann aber immer mehr mit ihr verbunden und dann - plötzlich - scheint das mit der Verschlossenheit kein Problem mehr zu sein. Er öffnet sich ihr immer mehr und erzählt, was damals wirklich geschehen ist - wirklich emotional verarbeitet wird das aber von keiner der beiden Figuren und beim Leser kommt auch nicht viel mehr ans als ein "oh, aha". Ich halte also fest, dass viele Konflikte nicht ganz so gelöst werden, wie ich mir das vorgestellt habe und viele der Themen zu oberflächlich und viele der Gefühle zu distanziert bleiben.


Milo: "Ich frage mich, ob wir uns damals zueinander bekannt hätten. Sie, das stille, zurückhaltende Mädchen, mit dieser einen Freundin an ihrer Seite, nicht wirklich unbeliebt, aber auch nicht in den angesagten Cliquen unterwegs. Nicht ganz außen vor. Am Rand. So wie ich. Vielleicht war damals nicht unsere Zeit. Die Frage ist bloß, ob sie es jetzt ist"


Damit ich meine Rezension nicht mit einem zu negativen Eindruck beende, will ich nun auch noch ein paar positive Worte über "Mit dir leuchtet der Ozean" verlieren. Ich habe in meiner "Lesekarriere" schon wirklich eine Menge New-Adult-Bücher gelesen und immer wieder das übertriebene Drama, die vielen Klischees und die aufgesetzten Probleme kritisiert, die leider oft mit emotionalen Geschichten des Genres einhergehen. Ganz dagegen gefeit ist "Mit dir leuchtet der Ozean" natürlich auch nicht, dennoch gefiel mir, wie unaufgeregt die Autorin aus dem Leben ihrer Figuren erzählt. Lea Coplins ruhige, aber authentische Erzählweise sorgt letztendlich dafür, dass man zwar nicht ganz weiß, worauf der Roman hinauswill, man aber trotzdem alles in allem eine gute Zeit hatte!




Fazit
:

Für einen Sommer-Wohlfühlbuch zu schwermütig, für eine dramatische Liebesgeschichte zu emotional distanziert und für ein Entwicklungsroman zu oberflächlich... Zwar sind Setting, Figuren, Atmosphäre und Handlung einzeln betrachtet grundsätzlich interessant gestaltet - als Ganzes war mir aber nicht ganz klar, was diese Geschichte sein will.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.06.2021

Was will diese Geschichte sein?

Mit dir leuchtet der Ozean
0

Pünktlich zum Erscheinungstermin letzte Woche ist "Mit dir leuchtet der Ozean" von Lea Coplin bei mir angekommen. Da die Autorin mich schon letztes Jahr im Sommer mit ihrer ungekünstelten, spritzigen, ...

Pünktlich zum Erscheinungstermin letzte Woche ist "Mit dir leuchtet der Ozean" von Lea Coplin bei mir angekommen. Da die Autorin mich schon letztes Jahr im Sommer mit ihrer ungekünstelten, spritzigen, authentischen Art zu Schreiben in "Für eine Nacht sind wir unendlich" überzeugt hat, war ich sehr gespannt auf ihren neusten Roman und hatte auf ein ähnliches Highlight gehofft. Leider hat mich "Mit dir leuchtet der Ozean" nicht ganz so sehr überzeugen können, wie ihr letzter Roman. Zwar sind Setting, Figuren, Atmosphäre und Handlung einzeln betrachtet grundsätzlich interessant gestaltet - als Ganzes war mir aber nicht ganz klar, was diese Geschichte sein will. Ein seichter Urlaubsroman? Keineswegs, dazu ist der Roman zu schwermütig und das Setting wird zu wenig genutzt. Eine dramatische Liebesgeschichte? Leider bleiben viele Themen zu oberflächlich und einige Emotionen gehen auf dem Weg verloren....

Das Cover entführt mit einem farbintensiven Bild eines Strands im Hintergrund und dem hervorgehobenen Kontrast aus türkisblauem Wasser und orangenem Sand im Titel sofort in eine sonnige Parallelwelt voll heißer Tage, lauer Nächte, Sandburgen und Gelächter unter Palmen. Nach dem Einstieg in die Geschichte kommt dann aber schnell die Ernüchterung: Trotz grundsätzlichem Sommer-Sonne-Kaktus-Flair die "Mit dir leuchtet der Ozean" keine unbeschwerte Sommerlektüre. Dazu sind die Tage der Protagonisten zu voll, der emotionale Ballast, den beide mit sich herumschleppen zu schwer und die Stimmung zu melancholisch. Statt Strandpartys, Freude und Freiheit zu zelebrieren, fallen Penny und Milo nach ihren langen Tagen im Club oft erschöpft ins Bett und bekommen außerhalb ihrer Tätigkeit im Solana Sunshine Club wenig von der spanischen Insel zu sehen, auf der sie den Sommer verbringen. Das ist keineswegs ein Problem und nur logisch angesichts der Tatsache, dass Penny und Milo nicht zum Urlaubmachen auf Fuerteventura sind - aber eben eine Sache, die man wissen muss, wenn man sich auf die Geschichte einlässt.


Erster Satz: "In dem Augenblick, in dem meine Hand den Griff umschloss, knipste irgendjemand das Licht aus, und auf einmal war es stockfinster im Raum."


Auch der poetische Titel führt auf eine eher falsche Fährte: wer hier eine leidenschaftliche Liebesgeschichte erwartet, wird eher enttäuscht werden. "Mit dir leuchtet der Ozean" erfindet den Begriff "Slow Burn" komplett neu. Zwar lesen wir von ihrem ersten Kuss schon im ersten Kapitel, nachdem wir in dem sehr süßen Prolog die erste richtige Begegnung von Penny und Milo während eines Partyspiels im Schrank beobachtet haben, fällt ihr zweites Aufeinandertreffen, fast vier Jahre später aber weit weniger prickelnd aus. Während sich Penny eigentlich nur ihrer Freundin zuliebe für den Job beworben hatte (die nun aber mit Gips zuhause bleiben musste) und nichts lieber tun würde, als sich von der Welt zu verkriechen, ist auch Milo nicht gerade begeistert, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Denn Penny weiß zu viel über seine Vergangenheit und könnte das Bild des unbeschwerten Sunnyboys zusammenbrechen lassen, das er sich mühsam aufgebaut hat. Sie beschließen also, einander erstmal aus dem Weg zu gehen - was sich als gar nicht so einfach herausstellt, da Milos Sonnenschein-Freundin Helena ausgerechnet Pennys Zimmergenossin ist...


Milo: "Mit Helena zusammen zu sein ist großartig, denn es nimmt dem Leben all die scharfen Kanten. Hier allerdings, zwischen Penny Fuchs und mir, wirkt sie auf einmal wie einer dieser aufziehbaren Hundewelpen aus der Werbung. Zu positiv. Zu perfekt. Nicht echt."


Klar, kein Wunder, dass es unter diesen Umständen eine ganze Weile dauert, bis die beiden sich etwas annähern, aber ein bisschen mehr Prickeln hätte es zwischen den beiden meiner Meinung nach schon können. Ich finde es grundsätzlich positiv, dass sich die Autorin hier so viel Zeit lässt, bis Penny und Milo sich wiederfinden, ein bisschen mehr Chemie, Anziehungskraft und Gefühlen hätte sie sich aber trotzdem bedienen können, um uns über die recht ereignisarme erste Hälfte hinwegzuhelfen. Denn bis auf die Beschreibung der Arbeit im Club, das ein oder andere Telefongespräch nach Hause und kurze Treffen der beiden Protagonisten passiert zunächst einfach nicht. Zwar ist das All-Inclusive-Club-Arbeitsleben ein interessanter Rahmen, in welchem ich noch nie eine Geschichte eingebunden gelesen habe, aber auch wenn ich ein Auge zu drücke muss ich anmerken, dass es sich dennoch ganz schön ziiieeeht, bis endlich mal etwas passiert.


Penny: "Da stehe ich, in einem kurzen T-Shirt mit zu nackten Beinen, und Milo starrt mich an... wie ich weiß nicht, wie er mich anstarrt. Als sei ich ein leeres Blatt oder eine weiße Leinwand und er kurz davor, mich mit Farbe zu begießen, aus vollen Eimern, bis ich darin untergehe."


Spannung wird vor allem durch die vielen offenen Fragen gewonnen, die nur nach und nach beantwortet werden. Was ist mit Milos Bruder passiert? Was ist an den Gerüchten um ihn dran? Was hat es mit Pennys Veränderung und der angespannten Stimmung in ihrer Familie auf sich? Weshalb sind die beiden ausgerechnet in Fuerteventura gelandet? Im Laufe der Beantwortung kommt das ein oder andere sehr ernste Thema ans Licht, das dann auch die vorher genannte schwermütige Atmosphäre, Milos gekünsteltes Lächeln und Pennys Typveränderung erklärt. Auf diese Themen und Konflikte wird aber leider zu wenig eingegangen, als dass ich richtig emotional mitgenommen worden wäre. Im hinteren Teil der Geschichte bricht dann nämlich die zuvor vermisste Liebesgeschichte durch und wird so präsent, dass eine weitere Auseinandersetzung mit der Charakterentwicklung völlig untergeht (die Figuren scheinen sogar vollkommen aufzuhören zu denken, wenn man mal betrachtet, was sie so anstellen augenverdreh).


Milo: "Helena schwebt davon, und ich bleibe mit dem Gefühl zurück, dass die Maske, die ich seit Monaten trage wie eine zweite Haut, in leichte Schieflage gerät durch die andere, die ich gerade darübergestülpt habe."


Um zu erklären, wie ich das meine muss ich noch generell ein paar Worte zu den Figuren verlieren. Penny und Milo erzählen hier in 51 Kapiteln abwechselnd jeweils aus der Ich-Perspektive und sind grundsätzlich sehr spannend angelegt. Lebendig werden die beiden vor allem durch ihre Eigenheiten und die vielen ungenauen Hintergründe und Fragen, die sie und ihr Verhalten aufwerfen. Darüber hinaus ist aber nicht so ganz der Funke übergesprungen, da wir bei vielen wichtigen Entwicklungsschritten nicht dabei sind und ich das Gefühl hatte, dass die Figuren manchmal selbst vergessen haben, wer sie eigentlich sind. Fangen wir mal an mit Penny. Diese hat erst kürzlich ihr Psychologiestudium abgebrochen, da es ihr gelungen ist "sich in jeder einzelnen möglichen Psychoneurose wiederzuerkennen, die ihr über den Weg lief" (Grüße gehen raus an mein eigenes Hypochonder-Ich, das bei jeder vorgestellten Störung denkt "ach, das hast du doch auch, oder?" - da konnte ich mich nur zu gut drin wiederfinden). Schon auf den ersten Seiten konnte ich mich gut mit ihr identifizieren, da ich das Gefühl kenne, zu sehr im eigenen Kopf gefangen zu sein. Doch dann kommt sie in den Club und alles was sie tut ist arbeiten und an Milo denken - ihre zuvor genannten Probleme ausgehend von ihrem Studienabbruch prägen ihre Wahrnehmung und ihr Empfinden in der weiteren Handlung kaum. Zukunftsängste? Fehlanzeige. Viele Gedanken über Zuhause, über das Studium, über ihre Kindheit? Nope. Ihre neu entdeckte Leidenschaft für das Theater? Wird zur Randbemerkung. Der Konflikt mit ihren Eltern? Das kann man ja im Epilog kurz als geklärt deklarieren. Es scheint, als würde sie plötzlich nur noch eine Sache beschäftigen: Milo. Und das macht sie leider ein bisschen eindimensionaler, als sie hätte sein müssen.


Penny: "Irgendwie habe ich allmählich das Gefühl, ihr gehört vielleicht zusammen, Milo und du".
"Ah nein, das ist..."
"Ich meine, du gibst dir jetzt schon zum zweiten Mal richtig Mühe, die nicht in Milo Kohlberg zu verlieben. Und diesmal scheint es dir ein bisschen weniger gut zu gelingen als damals in der Schule."


Milo kämpft mit seinem schlechten Ruf, der ihn von München aus bis nach Fuerteventura zu folgen scheint und findet es leichter, alle mit einem unbeschwerten Lächeln zu täuschen, als wirkliche Nähe und Verletzlichkeit zuzulassen. Wirkliche Beziehungen sind ihm zu anstrengend, deshalb konzentriert er sich auf seine Katzen und ist mit der immer gutgelaunten Helena zusammen, die nie Fragen stellt. So weit so gut. Als Penny auftaucht, will er ihr zunächst aus dem Weg gehen, fühlt sich dann aber immer mehr mit ihr verbunden und dann - plötzlich - scheint das mit der Verschlossenheit kein Problem mehr zu sein. Er öffnet sich ihr immer mehr und erzählt, was damals wirklich geschehen ist - wirklich emotional verarbeitet wird das aber von keiner der beiden Figuren und beim Leser kommt auch nicht viel mehr ans als ein "oh, aha". Ich halte also fest, dass viele Konflikte nicht ganz so gelöst werden, wie ich mir das vorgestellt habe und viele der Themen zu oberflächlich und viele der Gefühle zu distanziert bleiben.


Milo: "Ich frage mich, ob wir uns damals zueinander bekannt hätten. Sie, das stille, zurückhaltende Mädchen, mit dieser einen Freundin an ihrer Seite, nicht wirklich unbeliebt, aber auch nicht in den angesagten Cliquen unterwegs. Nicht ganz außen vor. Am Rand. So wie ich. Vielleicht war damals nicht unsere Zeit. Die Frage ist bloß, ob sie es jetzt ist"


Damit ich meine Rezension nicht mit einem zu negativen Eindruck beende, will ich nun auch noch ein paar positive Worte über "Mit dir leuchtet der Ozean" verlieren. Ich habe in meiner "Lesekarriere" schon wirklich eine Menge New-Adult-Bücher gelesen und immer wieder das übertriebene Drama, die vielen Klischees und die aufgesetzten Probleme kritisiert, die leider oft mit emotionalen Geschichten des Genres einhergehen. Ganz dagegen gefeit ist "Mit dir leuchtet der Ozean" natürlich auch nicht, dennoch gefiel mir, wie unaufgeregt die Autorin aus dem Leben ihrer Figuren erzählt. Lea Coplins ruhige, aber authentische Erzählweise sorgt letztendlich dafür, dass man zwar nicht ganz weiß, worauf der Roman hinauswill, man aber trotzdem alles in allem eine gute Zeit hatte!




Fazit
:

Für einen Sommer-Wohlfühlbuch zu schwermütig, für eine dramatische Liebesgeschichte zu emotional distanziert und für ein Entwicklungsroman zu oberflächlich... Zwar sind Setting, Figuren, Atmosphäre und Handlung einzeln betrachtet grundsätzlich interessant gestaltet - als Ganzes war mir aber nicht ganz klar, was diese Geschichte sein will.

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