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Veröffentlicht am 30.04.2021

Locker, leicht, atmosphärisch und romantisch!

Und dann war es Liebe
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In einer der letzten Montagsfragen ging es um unsere liebsten Eskapismus-Bücher, die uns auch in Zeiten von Ausgangsbeschränkungen und Reiseverboten an Traumorte entführen können. Letzte Woche durfte dank ...

In einer der letzten Montagsfragen ging es um unsere liebsten Eskapismus-Bücher, die uns auch in Zeiten von Ausgangsbeschränkungen und Reiseverboten an Traumorte entführen können. Letzte Woche durfte dank des Vorabexemplars der Bastei Lübbe auch "Und dann war es Liebe" von Lorraine Brown, welches genau heute Buchgeburtstag feiert, dem Corona-Fernweg-Club beitreten. Dieser zuckersüße Liebesroman über den Selbstfindungsprozess einer Frau, die in einer der schönsten Großstädte der Welt strandet und zwischen Montmartre und dem Gare du Nord einen neuen Lebensweg einschlägt, entführt nicht nur in ein traumhaftes Setting, sondern ist auch so spritzig geschrieben, dass man ihn in einem Rutsch weglesen kann.

Allein die äußerliche Gestaltung finde ich schon wunderschön. Der Lübbe Verlag hat sich hier für einen kartonierten Umschlag mit Klappbroschur entschieden, der von oben bis unten mit dem winzigen Blueprint der Buchseiten bedruckt ist. Vor dem Hintergrund der klitzekleinen Schrift ist ein buntes Aquarell-Motiv zu sehen, das die Skyline einer Stadt und ein sich küssendes Paar zeigt. Der geschwungene Titel und die bunt angedeuteten Feuerwerke runden das Bild ab. Sehr schön ist außerdem, dass sich die hintere Klappbroschur als Buchschnitt über den Buchblock umschlagen lässt. Auch wenn ich die Gestaltung des deutschen Covers wirklich hinreißend finde, gefällt mir das Originalcover fast noch besser, da es mit dem angedeuteten Zugabteil, dem Eifelturm und dem Titel konkreter ist und besser zur Handlung passt.


Erster Satz: "Ich sprintete die Treppe zum Bahnhof Venezia Santa Lucia hinauf."


Die dreißigjährige Hannah ist eigentlich an einem Punkt in ihrem Leben angelangt, an dem all ihre Träume in greifbarer Nähe scheinen. Bei einer romantischen Reise nach Venedig mit ihrem reichen, gutaussehenden Freund hat sie einen Verlobungsring gefunden und sieht dem Rest ihres gemeinsamen Lebens mit Freunde entgegen. Simon kümmert sich pflichtbewusst um alles Organisatorische, würde sie entgegengesetzt zu ihrem Vater niemals im Stich lassen und gibt ihr die Sicherheit und Stabilität, die sie sich schon immer gewünscht hat. Doch als sie im Nachtzug nach Amsterdam, wo sie die Hochzeit von Simons Schwester besuchen wollen, in einen falschen Waggon einsteigt und morgens in Paris landet, ist plötzlich alles anders. Ohne Portemonnaie, Handy und Gepäck in einer fremden Stadt ist sie zum ersten Mal seit langem wieder komplett auf sich allein gestellt und entdeckt ihre spontane und abenteuerliche Seite, als der ebenfalls gestrandete Franzose Leo sie kurzerhand auf eine Stadttour einlädt, um die Zeit zum nächsten Zug nach Amsterdam zu überbrücken. Nicht nur der charmante Fremde und die plötzliche Vertrautheit zwischen den beiden stürzt sie in Verwirrung, auch auftauchende Ungereimtheiten in Simons Äußerungen bezüglich einer der Brautjungfern, lässt sie ihr Lebensentwurf überdenken. Zwischen Montmartre, dem Eifelturm und der Seine stellt sie sich die Frage, ob Sicherheit wirklich das ist, was sie sich wünscht...

Anders als der Titel es impliziert, ist "Und dann war es Liebe" keine epische, leidenschaftliche Liebesgeschichte. Im Vordergrund steht hier viel mehr unsere Protagonistin Hannah und deren Erkenntnisprozess. Wer ist sie, was wünscht sie sich und wer will sie sein? Diese Fragen stellen wir uns zusammen mit unserer Hauptfigur, während sie einen spontanen, wunderschönen Tag in der Stadt der Liebe erlebt. Zwar hat Hannah zwischen den vielen kleinen Stationen der Stadttour nicht besonders viel Zeit zum Grübeln, die Entwicklung vollzieht sich also eher unterschwellig. Durch Erinnerungen und Rückblenden reflektiert sie jedoch immer wieder ihr bisheriges Leben, was uns Lesern das Kennenlernen zusätzlich vereinfacht. Die Beziehung zu ihrer Mutter, ihrem Vater, die Anfänge ihrer Partnerschaft mit Simon, ihre Jugend und ihre Freundschaft zu Elli... Lorraine Brown erweitert durch diese Rückblenden geschickt den Erzählausschnitt und vervollständigt nach und nach das Puzzle um Hannahs Leben, ohne ihren Haupterzählstrang damit zu stören. Die etwas chaotische, schlecht organisierte Powerfrau ist mir dabei schnell sehr ans Herz gewachsen. Unser zweiter Protagonist, Léo bleibt hingegen leider relativ blass. Wir erfahren während der 332 Seiten nur recht wenig über ihn, da er sich Hannah gegenüber nicht so sehr öffnet und durch die Erzählperspektive viele Fragen ihn betreffend offenbleiben. Er funktioniert hier also eher als Anstoß, Stadtführer und interessante Bekanntschaft, sein eigenes Innenleben bleibt eher grob umrissen.


"Was auch immer ich brauchte, Simon fand einen Weg, es mir zu ermöglichen - ich musste ihn nur darum bitten. Aber mittlerweile wohnten wir zusammen und dachten darüber nach, den Rest unseres Lebens gemeinsam zu verbringen, und ich kam nicht umhin, mich zu fragen, ob Simon gekommen war und mich gerettet hatte, bevor ich überhaupt herausfinden konnte, ob ich es auch selbst geschafft hätte."


Dementsprechend im Hintergrund bleibt auch die Liebesgeschichte, die zwar leise angedeutet wird, dem Setting und der Selbstfindungsgeschichte der Protagonistin aber den Vortritt lässt. Auch wenn ich zwischen den beiden keine große Chemie gespürt habe, hat mir sehr gut gefallen, dass die Autorin ein behutsames und wohlüberlegtes Tempo vorlegt: hier geht es nicht zu schnell, nicht zu langsam, nichts ist unrealistisch, weit hergeholt oder langweilig. Als die Beiden sich das erste Mal sehen, ist sofort eine gegenseitige Faszination zu spüren und auch wenn sie wissen, dass sich ihre Wege bald wieder trennen würden, wollen sie den anderen noch nicht gehen lassen. Dadurch dass die gesamte Handlung nur an einem Tag passiert und die Protagonisten kaum 24 Stunden miteinander verbringen, ist das, was sie teilen intensiver, spontaner und ungehemmter als in anderen Liebesgeschichten. Hier sprühen zwar keine Funken und auch das Schmieden großer Zukunftspläne ist hier nicht zu finden. Stattdessen beobachten wir hier die allerersten Schritte eines Annäherungsprozesses und das sich langsam aufbauende Vertrauen, das entsteht, während sich zwei Fremde, die nicht damit rechnen, sich nochmal zu begegnen, das Herz ausschütten...

Die wenigen Seiten der Geschichte täuschen: durch die kompakte Erzählweise und das kurze Erzählintervall passiert hier eine ganze Menge und es wird garantiert nicht langweilig. Ein fröhliches Prickeln, kaum Zeit zum Nachdenken, die ständige Gegenwart des anderen und eine sich schleichend einstellende Nähe - So entwickelt sich die Liebe zwischen ihnen langsam Schritt für Schritt, sodass trotz der vielen Ereignisse eine gemütliche Ruhe über die Geschichte liegt. Mir gefällt, dass hier alles im Fluss ist - die Geschichte, die Beziehung, die Charaktere, die Dialoge - hier gibt es keine schlagfertigen Wortgefechte, die sich lesen, als hätten sie die Autorin Tage gekostet, sie sich auszudenken oder schwülstige Liebeserklärungen. Stattdessen schreibt Lorraine Brown charmant, modern, einfühlsam und einfach ECHT, sodass man ihr jede Wendung abnimmt, bis man mit dem offenen und recht plötzlichen, aber süßen Ende die Geschichte abschließt.


"Okay, gehen wir", sagte ich stattdessen und drehte mich auf der Suche nach meiner Tasche im Kreis. "Bevor ich meine Meinung ändere." Léo musterte mich. "Du bist immer für Überraschungen gut, Hannah." "Oh ja, ich bin voll davon", erwiderte ich."


Wunderbar untermauert wird die sich langsam entwickelnde Liebesgeschichte natürlich durch das wundervolle Setting. Dass es kaum einen passenderen Ort für eine sich langsam entwickelnde Liebesgeschichte gibt als das romantische Paris, muss ich wohl kaum begründen. Vom Gare du Nord geht es mit dem Motorrad über den chaotischsten Kreisverkehr der Welt, weiter auf die Champs-Élysées zum Eifelturm und natürlich zur Sacré-Coeur. Abseits der typischen Touristenattraktionen führt Léos und Hannahs Weg entlang des Canal Saint-Martin oder in den Parc des Buttes Chaumont. Auch eine kulinarische Verköstigung der Spezialitäten wie die beste heiße Schokolade im Café Angelina, süße Kunstwerke in einer Patisserie auf der Quai de Valmy direkt am Wasser, Crêpes und eine Flasche Wein dürfen nicht fehlen. Lorraine Brown nutzt ihren Spielort jedoch nicht nur als Kulisse, sondern beschreibt die einzelnen Stationen der kurzen Tour so prägnant, dass diese einen Wert an sich haben und zum Träumen anregen. Ich war noch niemals in Paris, habe mich aber sehr gefreut, mir diese wundervolle Stadt durch Hannahs Augen ansehen zu können.



Fazit:


Locker, leicht, atmosphärisch und romantisch! Lorraine Brown erzählt die Geschichte einer chaotischen, liebenswerten Protagonistin, die in Mitten der Stadt der Liebe ihr Leben überdenkt und dabei mit alten Problemen und neuen Chancen fertig wird.

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Veröffentlicht am 21.02.2021

Pointiert, authentisch und mitreißend erzählt!

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Die Eindrücke:

Handlung: Jason Reynolds erzählt hier 10 kurze Einzelgeschichten, die auf den ersten Blick zusammenhangslos erscheinen, sich aber nach und nach zu einem Gesamtbild zusammensetzen. Kinder, ...

Die Eindrücke:

Handlung:
Jason Reynolds erzählt hier 10 kurze Einzelgeschichten, die auf den ersten Blick zusammenhangslos erscheinen, sich aber nach und nach zu einem Gesamtbild zusammensetzen. Kinder, Lehrer, Eltern, Hausmeister, Verkehrslotsen und ein rätselhafter Schulbus, der vom Himmel fiel - immer wieder auftauchende Figuren und Motive ziehen sich wie ein roter Faden durch die kurzen Einzelerzählungen und verbinden die kurzen Eindrücke zu einem Gesamtwerk.

Schreibstil: Jason Reynolds, den ich schon aus "Die Sache mit dem Glücklichsein" kenne, verknüpft auch hier auf sehr charmante Art und Weise eine ganze Fülle an tragischen Themen mit witzigen Ereignissen direkt aus der Mitte des Lebens, sodass es zugleich um philosophische Abhandlungen über Popel, Süßigkeitendeals, Freundschaftsflaggen, spontane Comedy-Shows und Pferderennen auf dem Schulgang - eben Kinder, die sich einfach verhalten wie... Kinder - und ernste Problemthemen gehen kann, ohne dass diese wie ein Fremdkörper in der Geschichte wirken. Die behandelten Themen reichen dabei von einer gefährlichen Erbkrankheit, Eltern mit Krebs, Mobbing und Homophobie, Gefängnisaufenthalte, Demenz bis hin zu Angst und erreichen so, dass zwischen den lustigen Geschichten auch subtil etwas Inhalt transportiert wird.

Figuren: Neben dem Schreibstil und dem leichten Umgang mit den schwierigen Themen, sind vor allem die Protagonisten Träger des Romans. Die vorgestellten Figuren haben alle ihre eigenen Kämpfe auszutragen und auch wenn die Einblicke in ihr Leben sehr kurz sind, hat man nach jedem Kapitel den Eindruck, die erzählenden Kinder gut zu kennen. Egal ob Zocker, Mobber, Einzelgänger, Gangs oder Klassenclowns - Jason Reynolds hat hier eine ganze Palette an unterschiedlichen Kindern herausgesucht, die ihre Klischee-Kategorien jedoch schon nach wenigen Seiten Lügen strafen. Unter spritzigen Titeln nutzt er verschiedene Erzählformate wie Listen, Rückblenden, verschiedene Perspektiven und Erzählebenen, um die einzelnen Erzählungen zu individualisieren und deutlich zu machen, wie wichtig es ist, auch außerhalb des Straßenverkehrs in beide Richtungen zu blicken (aka lahme Anspielung auf den Originaltitel "Look Both Ways"😂).


Das Zitat:

"Eigentlich sollte diese Geschichte ja so anfangen wie alle supergenialen Geschichten: mit einem Schulbus, der vom Himmel fällt. Aber keiner hatte gesehen, wie es passiert ist. Keiner hatte was gehört. Deshalb fängt diese Geschichte eben nur wie eine ... gute Geschichte an. Mit Popeln."



Das Urteil:


Zehn Schulwegerlebnisse, die von Freiheit, Autonomie und Begegnung, aber auch von Gefahr, Angst und Konfrontation erzählen - pointiert, authentisch und mitreißend erzählt!
Mit der einfühlsamen Erzählperspektive und vielen witzig-skurrilen Situationen mitten aus dem Leben, gelingt Jason Reynolds mit "Asphalthelden" die schwere Gradwanderung zwischen Ernsthaftigkeit und Unterhaltsamkeit, Trauer und Freude, Emotionen und Witz und lässt seine Anthologie traurig und schön zugleich wirken.

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Veröffentlicht am 21.02.2021

Pointiert, authentisch und mitreißend erzählt!

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Die Eindrücke:

Handlung: Jason Reynolds erzählt hier 10 kurze Einzelgeschichten, die auf den ersten Blick zusammenhangslos erscheinen, sich aber nach und nach zu einem Gesamtbild zusammensetzen. Kinder, ...

Die Eindrücke:

Handlung:
Jason Reynolds erzählt hier 10 kurze Einzelgeschichten, die auf den ersten Blick zusammenhangslos erscheinen, sich aber nach und nach zu einem Gesamtbild zusammensetzen. Kinder, Lehrer, Eltern, Hausmeister, Verkehrslotsen und ein rätselhafter Schulbus, der vom Himmel fiel - immer wieder auftauchende Figuren und Motive ziehen sich wie ein roter Faden durch die kurzen Einzelerzählungen und verbinden die kurzen Eindrücke zu einem Gesamtwerk.

Schreibstil: Jason Reynolds, den ich schon aus "Die Sache mit dem Glücklichsein" kenne, verknüpft auch hier auf sehr charmante Art und Weise eine ganze Fülle an tragischen Themen mit witzigen Ereignissen direkt aus der Mitte des Lebens, sodass es zugleich um philosophische Abhandlungen über Popel, Süßigkeitendeals, Freundschaftsflaggen, spontane Comedy-Shows und Pferderennen auf dem Schulgang - eben Kinder, die sich einfach verhalten wie... Kinder - und ernste Problemthemen gehen kann, ohne dass diese wie ein Fremdkörper in der Geschichte wirken. Die behandelten Themen reichen dabei von einer gefährlichen Erbkrankheit, Eltern mit Krebs, Mobbing und Homophobie, Gefängnisaufenthalte, Demenz bis hin zu Angst und erreichen so, dass zwischen den lustigen Geschichten auch subtil etwas Inhalt transportiert wird.

Figuren: Neben dem Schreibstil und dem leichten Umgang mit den schwierigen Themen, sind vor allem die Protagonisten Träger des Romans. Die vorgestellten Figuren haben alle ihre eigenen Kämpfe auszutragen und auch wenn die Einblicke in ihr Leben sehr kurz sind, hat man nach jedem Kapitel den Eindruck, die erzählenden Kinder gut zu kennen. Egal ob Zocker, Mobber, Einzelgänger, Gangs oder Klassenclowns - Jason Reynolds hat hier eine ganze Palette an unterschiedlichen Kindern herausgesucht, die ihre Klischee-Kategorien jedoch schon nach wenigen Seiten Lügen strafen. Unter spritzigen Titeln nutzt er verschiedene Erzählformate wie Listen, Rückblenden, verschiedene Perspektiven und Erzählebenen, um die einzelnen Erzählungen zu individualisieren und deutlich zu machen, wie wichtig es ist, auch außerhalb des Straßenverkehrs in beide Richtungen zu blicken (aka lahme Anspielung auf den Originaltitel "Look Both Ways"😂).


Das Zitat:

"Eigentlich sollte diese Geschichte ja so anfangen wie alle supergenialen Geschichten: mit einem Schulbus, der vom Himmel fällt. Aber keiner hatte gesehen, wie es passiert ist. Keiner hatte was gehört. Deshalb fängt diese Geschichte eben nur wie eine ... gute Geschichte an. Mit Popeln."



Das Urteil:


Zehn Schulwegerlebnisse, die von Freiheit, Autonomie und Begegnung, aber auch von Gefahr, Angst und Konfrontation erzählen - pointiert, authentisch und mitreißend erzählt!
Mit der einfühlsamen Erzählperspektive und vielen witzig-skurrilen Situationen mitten aus dem Leben, gelingt Jason Reynolds mit "Asphalthelden" die schwere Gradwanderung zwischen Ernsthaftigkeit und Unterhaltsamkeit, Trauer und Freude, Emotionen und Witz und lässt seine Anthologie traurig und schön zugleich wirken.

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Veröffentlicht am 21.02.2021

Pointiert, authentisch und mitreißend erzählt!

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Die Eindrücke:

Handlung: Jason Reynolds erzählt hier 10 kurze Einzelgeschichten, die auf den ersten Blick zusammenhangslos erscheinen, sich aber nach und nach zu einem Gesamtbild zusammensetzen. Kinder, ...

Die Eindrücke:

Handlung:
Jason Reynolds erzählt hier 10 kurze Einzelgeschichten, die auf den ersten Blick zusammenhangslos erscheinen, sich aber nach und nach zu einem Gesamtbild zusammensetzen. Kinder, Lehrer, Eltern, Hausmeister, Verkehrslotsen und ein rätselhafter Schulbus, der vom Himmel fiel - immer wieder auftauchende Figuren und Motive ziehen sich wie ein roter Faden durch die kurzen Einzelerzählungen und verbinden die kurzen Eindrücke zu einem Gesamtwerk.

Schreibstil: Jason Reynolds, den ich schon aus "Die Sache mit dem Glücklichsein" kenne, verknüpft auch hier auf sehr charmante Art und Weise eine ganze Fülle an tragischen Themen mit witzigen Ereignissen direkt aus der Mitte des Lebens, sodass es zugleich um philosophische Abhandlungen über Popel, Süßigkeitendeals, Freundschaftsflaggen, spontane Comedy-Shows und Pferderennen auf dem Schulgang - eben Kinder, die sich einfach verhalten wie... Kinder - und ernste Problemthemen gehen kann, ohne dass diese wie ein Fremdkörper in der Geschichte wirken. Die behandelten Themen reichen dabei von einer gefährlichen Erbkrankheit, Eltern mit Krebs, Mobbing und Homophobie, Gefängnisaufenthalte, Demenz bis hin zu Angst und erreichen so, dass zwischen den lustigen Geschichten auch subtil etwas Inhalt transportiert wird.

Figuren: Neben dem Schreibstil und dem leichten Umgang mit den schwierigen Themen, sind vor allem die Protagonisten Träger des Romans. Die vorgestellten Figuren haben alle ihre eigenen Kämpfe auszutragen und auch wenn die Einblicke in ihr Leben sehr kurz sind, hat man nach jedem Kapitel den Eindruck, die erzählenden Kinder gut zu kennen. Egal ob Zocker, Mobber, Einzelgänger, Gangs oder Klassenclowns - Jason Reynolds hat hier eine ganze Palette an unterschiedlichen Kindern herausgesucht, die ihre Klischee-Kategorien jedoch schon nach wenigen Seiten Lügen strafen. Unter spritzigen Titeln nutzt er verschiedene Erzählformate wie Listen, Rückblenden, verschiedene Perspektiven und Erzählebenen, um die einzelnen Erzählungen zu individualisieren und deutlich zu machen, wie wichtig es ist, auch außerhalb des Straßenverkehrs in beide Richtungen zu blicken (aka lahme Anspielung auf den Originaltitel "Look Both Ways"😂).


Das Zitat:

"Eigentlich sollte diese Geschichte ja so anfangen wie alle supergenialen Geschichten: mit einem Schulbus, der vom Himmel fällt. Aber keiner hatte gesehen, wie es passiert ist. Keiner hatte was gehört. Deshalb fängt diese Geschichte eben nur wie eine ... gute Geschichte an. Mit Popeln."



Das Urteil:


Zehn Schulwegerlebnisse, die von Freiheit, Autonomie und Begegnung, aber auch von Gefahr, Angst und Konfrontation erzählen - pointiert, authentisch und mitreißend erzählt!
Mit der einfühlsamen Erzählperspektive und vielen witzig-skurrilen Situationen mitten aus dem Leben, gelingt Jason Reynolds mit "Asphalthelden" die schwere Gradwanderung zwischen Ernsthaftigkeit und Unterhaltsamkeit, Trauer und Freude, Emotionen und Witz und lässt seine Anthologie traurig und schön zugleich wirken.

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Veröffentlicht am 07.02.2021

"Vielleicht ist Mut nur ein Paar Flügel, um der dunklen Angst in unserem Herzen davonzufliegen."

Elbendunkel 2: Kein Weg zu dir
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Schon mit ihrer magischen, komplexen Erstlingsreihe um "Chosen - Das Erwachen" und "Chosen - Die Bestimmte" hat Rena Fischer mich überzeugt und auch der Auftakt zu ihrer neuen Serie "Elbendunkel - Kein ...

Schon mit ihrer magischen, komplexen Erstlingsreihe um "Chosen - Das Erwachen" und "Chosen - Die Bestimmte" hat Rena Fischer mich überzeugt und auch der Auftakt zu ihrer neuen Serie "Elbendunkel - Kein Weg zurück" hatte es ganz schön in sich. Mit "Elbendunkel - Kein Weg zu dir" endet die kurze Dystopie-Dilogie rund um verfeindete Dunkelelben, Lichtelben und Menschen in einem futuristischen San Franzisco auch schon wieder. Und, was soll ich sagen - der komplexe Plot, das hohe Erzähltempo, viele Wendungen, das Gefühlschaos, liebenswerte Protagonisten, der magische Schreibstil und nicht zuletzt die hübsche äußerliche Gestaltung machen diese Reihe zu einem Buchhighlight, das sich kein Fan von dystopischen Jugendbüchern oder Fantasy entgehen lassen sollte!


"Vielleicht ist Mut nur ein Paar Flügel, um der dunklen Angst in unserem Herzen davonzufliegen."


Das Cover ist ganz hinreißend gestaltet. Auf weiß-grauem Hintergrund ist ein lila-grün-schwarzer haptisch hervorgehobener Nebelstreifen zu sehen, in dem die Silhouette eines Paares, die Golden Gate Bridge, verschiedene Gebäude und die Lichter von San Francisco zu sehen sind. Auch der Titel nimmt gekonnt die Hell-Dunkel-Kontraste auf. Ohne den Einband ist die gebundene Ausgabe weiß mit dem Titel in violetten Großbuchstaben auf dem Buchrücken, innerhalb der Buchdeckel ist jeder Kapitelanfang mit einer grauen Wolke verziert. Somit passt die Gestaltung ganz wundervoll zu der des ersten Teils und verschönert jedes Regal.


Erster Satz: "Nialls kurzer Ausflug zum Mexikaner an diesem Nachmittag startete mit einem Taco-Menü, den Anstrengungen, vor dem fleckigen Waschbecken der Toilette die Käsesoße der Nachos aus seinem künstlichen Bart zu pflücken, tatsächlichen oder auch nur eingebildeten misstrauischen Blicken der übrigen Restaurantgäste, und dem Eintreffen eines Krankenwagens um kurz nach fünf Uhr."


Rena Fischer startet nach dem recht offenen Ende ihres Auftaktbandes sofort mitten im Geschehen und führt nacheinander die drei Haupthandlungsstränge ein, die wir über die 496 Seiten begleiten. Zuersteinmal sind da Ash und Darel, die bei den Dunkelelbenrebellen unter dem Berg jeweils auf ihre eigene Art und Weise um Anhänger werben, sich dabei mit dem Anführer Dusk gutstellen und nach den Offenbarungen des ersten Teils damit zurecht kommen müssen, dass sie Halbgeschwister sind. Ihre beiden Perspektiven wechseln sich mit der von Niall und Rain ab, die zusammen zu den Lichtelbenrebellen gelangt sind, die ihrerseits nach einer friedlichen Lösung des globalen Konflikts suchen. Der dritte Handlungsstrang ist der um Nialls Freund Adrasel und Ashs beste Freundin Kelly, welche sich im Exil bei der Seherin Anobal näher kommen und eine musikalische Rebellion starten. Rena Fischer nutzt ihre 5 Erzählperspektiven hier also voll aus, um parallel die Schritte der einzelnen Parteien darzustellen und so werden wir abermals schnell in ein Wirr-Warr aus politischen Intrigen, rasant wechselnden Einzelinteressen, spannenden Verfolgungsjagden, plötzlichen Entführungen, phantastischen Prophezeiungen und alten Geheimnissen verstrickt.


"Liebe kann die Welt in leuchtende Farben tauchen oder sie in graue Asche verwandeln."


Denkbar schwer ist demnach auch der Einstig in die Geschichte. Beim Erinnern an die vielen nordischen Namen, die Hierarchie der Rebellenclans, die Organisation des dystopischen San Franciscos und die Familienverhältnisse der einzelnen Figuren hilft das Verzeichnis der wichtigsten Personen am Ende der Geschichte. Mindestens genauso hilfreich sind die beiläufigen Erläuterungen, die die Autorin während ihrer ersten Kapitel einstreut, sodass ich von Beginn an abgeholt wurde. Gleich von der ersten Seite war ich einfach an dieses Buch gefesselt und bin nicht mehr losgekommen, bis nicht auch das aller letzte Wort noch verschlungen war. Während man im ersten Teil noch zusammen mit Luz hilflos in alle Ereignisse hineinstolpert und verzweifelt versucht, alle Zusammenhänge zu verstehen, Fragmenten der Wahrheit hinterherzurennen und die Motive der Handelnden zu durchschauen, bekommt man in diesem Finale einen besseren Einblick in die Hintergründe der Story.


"Ihre Augen wurden tränenschwer und sie musste sich räuspern, bevor sie flüsterleise zu singen begann. Die Sterne waren ihr erstes Publikum und vielleicht würden sie ihr einziges bleiben. Wer wusste das schon. Aber sie stellte sich vor, dass irgendwo in der Ferne ein Dunkelelbenjunge lächelte und sie auf seiner Silberflöte begleitete."


Das bedeutet jedoch nicht, dass wir verstehen würden, was die Figuren vorhaben und wer gerade was für wen tun - haha, im Gegenteil! Auch hier behält die Autorin das für sie so typische gerade noch verstehbare Maß an Undurchsichtigkeit und Verwirrung bei, das die Spannung hoch hält und enorme Mitdenkleistungen von den Lesern fordert. An dieser Stellen muss man anmerken, dass die Grundidee der Geschichte eigentlich nicht sonderlich komplex ist und einige Klischees aus dem Jugendbuchbereich beinhaltet. So ist die Protagonistin ein einzigartiges Mischwesen, kommt hinter die Lüge ihrer Identität durch einen rebellischen Jungen, steht im Mittelpunkt einer Prophezeiung, in der sie das Volk der Menschen, der Lichtelben und der Dunkelelben versöhnen muss und wird durch eine strapaziöse Krieger-Ausbildung so zur Bad-Ass-Heldin. Diese Ansätze lese ich nicht zum ersten Mal, genauso wenig wie vom "oje-wir-sind-Geschwister-und-dürfen-uns-nicht-lieben"-Problem, welches im ersten Drittel vorliegt, aber relativ bald auf vorhersehbare Art und Weise aufgelöst wird. Dennoch würde ich diese Geschichte durchaus als komplex und originell bezeichnen. Warum? Weil es genügend abwechslungsreiche und einfallsreiche Ideen rund um diese typischen Ansätze gibt, sodass diese kaum auffallen und auch Klischee-Hasser auf ihre Kosten kommen.


"Kinder beschützt ein besonderer Zauber. Sie fassen ihre Umgebung in den Ring ihrer Erinnerungsschätze ein, wie ein Goldschmied ein Juwel. Selbst in den verfallensten Winkeln dieser Welt entdecken sie Schönheit und Darel entsann sich, dass er , um ringt von den schillernden Farben der nach Abwasser stinkenden Betonwände davon geträumt hatte, im Cockpit eines Raumschiffs zu sein, die Weiten des Weltalls vor sich."


Ein gutes Beispiel dafür sind das Setting und die verarbeitete Mythologie. Treue Leser meines Blogs werden wissen, dass ich von Urban Fantasy in Anlehnung an überlieferte Mythologien kaum genug bekommen kann. Hier verwendet wurde die nordische Mythologie mit Lichtelben, Dunkelelben, der Anderwelt Áflheimr und der Welt der Menschen Midgard. Zwar werden die Welten der Elben und die Vorgeschichte um die Mythen in Irland nur grob angerissen und auch die Magie der Elben ist nur andeutungsweise ein Thema, doch durch die vielen kleinen Details wie zum Beispiel die gälischen Namen, fließt die mythologische Komponente flüssig in die dystopische mit ein. Letztere zeichnet das Bild einer immer brutaler gegen die Elben vorgehende Regierung, deren politische Spannung sich immer weiter zuspitzt. Die gesellschaftskritischen, politischen Parallelen zu den Themen Einwanderung und Rassismus sind leider so aktuell wie eh und je und bei den Schilderungen der Autorin ist mir das ein und andere Mal ein kalter Schauer den Rücken hinunter gelaufen. Auch der Rest des Setting wie die Zukunftstechnologien aus dem Jahr 2044 oder die Stadt San Francisco und ihre Umgebung sind schlüssig und authentisch geschildert.


"Unter ihr schimmerte das Wasser türkisblau wie Darels Augen, als er ihr im Wald am letzten Tag ihrer Flucht so nahe wie nie zuvor gewesen war, und der ziehende Schmerz in ihrem Herzen drückte ihr die Luft ab. Ash ging leicht in die Knie, federte ab und sprang gerade noch rechtzeitig, um ihre Tränen wie Wasserperlen aussehen zu lassen."


Wir halten also fest: Auch wenn die nicht ganz neuen Grundideen die Story in Teilen - zum Beispiel der Liebesgeschichte - vorhersehbar machen, hat Rena Fischer doch die besten Elemente aus Liebesgeschichten, Dystopien, Fantasy und Abenteuerroman genutzt, um eine Geschichte zu schaffen, die so noch nicht dagewesen ist. Ganz große Klasse ist auch Rena Fischers Schreibstil. Man glaubt einfach nicht, dass das erst die zweite Reihe von Rena Fischer ist - zu erfahren und abgeklärt wirkt ihre Schreibweise. Gleichzeitig locker, leicht und einfach, aber dennoch ausführlich, magisch und gut durchdacht erzählt sie die mitreißende Geschichte und ihr Satzbau ist dabei abwechslungsreich und umgangssprachlich genug, um gut gelesen werden zu können, dabei aber nicht zu schlampig und ungalant formuliert. Dieser Hochseilakt meistert die Autorin wirklich super, was ich, genau wie ihre Fähigkeit, an den richtigen Stellen gefühlvoll, eiskalt, rasant oder ruhig zu schreiben, sehr bewundere. Toll sind auch wieder die Poetry-Slams, die diesmal auch durch drei Songtexte erweitert werden. Da die Autorin die Ursprungsmelodie immer mit vermerkt hat, hatte ich beim Durchlesen sofort das Lied im Kopf.


"Du bist die Harmonie in der Dissonanz meines verfluchten Lebens, das Tempo, in dem mein Herz seit unserer Begegnung schlägt, die Melodie, in die mein Text sich schmiegt. Früher habe ich Noten gespielt, jetzt atme ich Musik. Meine Seele fliegt in deinem Takt, meinen Sinnen verleihst du Flügel." Endlich sah er von ihren Händen auf. "Schick mich fort, Kelly Dearing, und ich werde in der Apokalypse vollkommener Stille treiben, bis das Tyrium mich endlich von meiner Sehnsucht nach dir erlöst."


Gegen Ende wird wird das Erzähltempo immer schneller, die Kapitel immer kürzer und die Perspektivwechsel immer häufiger, bis wir dann drei Showdowns der jeweils drei Handlungsstränge lesen. Dies ist natürlich Ausdruck der ständig steigenden Spannung, doch leider gingen mir dadurch ein paar Entwicklungen etwas zu schnell. Durch den recht starken Handlungsfokus erfahren wir leider nicht mehr so viel über unsere Hauptprotagonisten, wie ich es mir nach dem Ende von Band 1 erhofft hatte und vor allem die Liebesgeschichten (zum Beispiel Rain-Niall und Adrasel-Kelly) liefen für meinen Geschmack etwas sprunghaft ab. Während im ersten Band noch ein Liebesdreieck zwischen Niall, Luz/Ash und Darel im Raum stand, ist dies sehr bald aus der Welt geschafft und Niall findet in seiner Sandkastenfreundin Rain einen neuen Love Interest. Zwischen Adrasel und Kelly hat sich auch schon im ersten Teil etwas leise angedeutet, doch da sie hier sehr viel Zeit miteinander verbringen, entwickeln sie schnell starke Gefühle füreinander. Versteht mich nicht falsch, die zwei zusätzlichen Liebesgeschichten (zu der von Ash und Darel) sind sehr schön zu lesen und eine tolle Ergänzung, aber hier war meines Empfindens nach zu schnell von der großen Liebe die Rede und die Figuren verhielten sich, als seien sie seit 10 Jahren verheiratet (mindestens). Positiv betrachtet: Freunde von viel Romantik werden hier Spaß haben!



Fazit:


Trotz einiger Jugendbuchklischees und den etwas hinter der Handlung zurücktretenden Protagonisten ist diese Geschichte so temporeich, komplex und spannend, dass ich es nur von Herzen weiterempfehlen kann. Denn dieses Finale arbeitet nicht nur das Dystopie-Setting und die Mythologie-Motive weiter aus, sondern sorgt außerdem mit Poetry-Slam- und Songtexten und gleich drei Liebesgeschichten für eine magische Atmosphäre!

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