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Veröffentlicht am 04.05.2020

Spannend, witzig, charmant und einfach magisch!

Das Flüstern der Magie
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Von Bestseller-Autorin Laura Kneidl habe ich zwar schon mehrere ihrer Young-Adult-Bücher wie zum Beispiel "Berühre mich. Nicht", "Verliere mich. Nicht." oder "Someone New" gelesen, einen Fantasy-Roman ...

Von Bestseller-Autorin Laura Kneidl habe ich zwar schon mehrere ihrer Young-Adult-Bücher wie zum Beispiel "Berühre mich. Nicht", "Verliere mich. Nicht." oder "Someone New" gelesen, einen Fantasy-Roman aus ihrer Feder habe ich aber bislang noch nicht versucht. Da kommt ihr neues Fantasyabenteuer "Das Flüstern der Magie" gerade recht, das in die magische Stadt Edinburgh entführt! Dank des Piper Verlags konnte ich schon vor dem Erscheinungstermin mit dem Lesen anfangen und euch nun heute - pünktlich zur Veröffentlichung - von meinen Erfahrungen erzählen!

Das Cover gefällt mir wirklich sehr gut, da es mit den dunklen Ranken, den blauen Farbschlieren und den goldenen Akzenten von düsteren Geheimnissen, wundervoller Magie und einem schillernden Setting erzählt und direkt den Kern der Geschichte trifft. Auch der Titel "Das Flüstern der Magie" passt sehr gut zum Inhalt, da die Protagonistin genau diesem Flüstern folgt, um magische Gegenstände aufzuspüren. Sehr schön sind auch die beiden Porträts von Fallon und Reed in den Leselaschen der broschierten Ausgabe und das Vorwort der Autorin, das gleich Lust macht, die Geschichte zu lesen.


Erster Satz: "Ich starrte den Türsteher des Banshee Labyrinth an und fragte mich, wen der stämmige Mann wohl vor sich stehen sah."


Ohne große Umschweife lernen wir die junge Fallon kennen, die getarnt durch ihren magischen Mantel in einem Club im Billard Geld erspielt, um die angeschlagene Kasse ihres Antiquitätenladens aufzubessern. Denn auch wenn dieser Laden nur zur Tarnung ihres eigentlichen Berufs als Archivarin magischer Gegenstände gilt, überprüfen ihre Eltern regelmäßig, ob der Laden läuft und sie die Verantwortung zurecht an die 19-Jähirge übergeben haben. Als plötzlich ein geheimnisvoller junger Mann die magische Maskerade ihres Mantels durchschaut und ihr wahres Ich sieht, ist ihr sofort klar, dass er anders ist. Was sie allerdings noch nicht weiß, als sie ihn mit zu sich nach Hause nimmt, ist dass er sie übel hintergehen, magische Tarotkarten aus ihrem Archiv stehlen und damit nicht nur ihr eigenes Leben sondern das aller Menschen in Gefahr bringen wird...

Wie das in jedem guten Fantasy-Einzelband der Fall ist, werden wir schnell in die Begebenheiten eingeführt und starten dann unmittelbar mit der Handlung durch. Anders als ich angenommen hatte, herrscht zu einem großen Teil eine Krimi-Atmosphäre vor, da sich die Haupthandlung darum dreht, die verschollenen und gefährlichen Tarot-Karten wiederzubeschaffen, die durch Reeds Verrat in Umlauf gekommen sind. Damit niemand wissentlich oder versehentlich mit dem magischen Kartenset ein Leben verflucht, schließt sich die Archivarin Fallon bald mit dem reuigen Dieb Reed zusammen, der für das ganze Schlamassel verantwortlich war und die beiden begeben sich auf eine abenteuerliche Suche im Untergrund Edinburghs. Einbrüche, Deals, Verkäufer, Zwischenhändler, Okkult-Portale im Internet, Verfolgung und Täuschung - den Beiden ist kein Weg zu schade, um herauszufinden, wer die Karten hat, bevor etwas Schlimmes passiert. Und als wäre der äußere Druck nicht schon hoch genug, finden auch bald Fallons Eltern den Verlust der Karten heraus und stellen ihr ein Ultimatum, was dafür sorgt, dass die Spannung immer hoch bleibt.


"Und du hörst die Magie wirklich flüstern?", fragte Reed, nachdem ich ihm einen Crashkurs über Archivarenwissen gegeben hatte. (…)
"Und was sagt die Magie?"
"Sie rezitiert alte Metallica-Songs."


Neben dem Krimi-ähnlichen Handlungsaufbau und der Jagd nach dem Kartenset, spielt auch das Setting der Geschichte eine auffallend prägende Rolle in der Geschichte. Egal ob berüchtigte Pubs, uralte Museen, wichtige Sehenswürdigkeiten, düstere Schwarzmärkte oder Häuser am Meer - die Autorin nimmt uns an ganz unterschiedliche Schauplätze mit, vermittelt uns ein vielseitiges Bild der Stadt und baut eine magisch-düstere Atmosphäre auf, sodass man jeder Seite anmerkt, dass Laura Kneidl einen Narren an Edinburgh gefressen und sogar eine Weile dort gelebt hat. Natürlich spart sie auch Schottland-Klischees wie Kilts, Bier und Dauerregen nicht aus und in den 400 Seiten können wir nur einen kurzen Eindruck des Settings erhalten, dieser Eindruck hat jedoch ausgereicht um in mir den Wunsch zu wecken, einmal hinzufahren und die Stadt mit eigenen Augen zu sehen.

Die magisch-düstere Atmosphäre der Stadt wird ganz wunderbar mit einfachen aber spannenden Urban-Fantasy-Elementen verbunden. Statt magische Wesen oder besondere Fähigkeiten zu beschreiben, erzählt Laura Kneidl von ganz normalen Menschen, die das "Flüstern der Magie" hören können und zusammen mit sogenannten "Eingeweihten" daran arbeiten, dass diese Magie kein Unheil anrichtet und verborgen bleibt. Diese Idee um die Archivare, die magische Gegenstände aufspüren, in ihren Besitz bringen (notfalls auch durch Diebstahl und Täuschung versteht sich ^^), sie katalogisieren und dann sicher verwahren ist eine wirklich nette und kreative Abwechslung, die mir sehr gut gefallen hat. Zwar bleiben viele Erklärungen rund um die Arbeit der Archivare und das ganze System aufgrund der limitierten Länge oberflächlich und die Autorin kann nicht so in die Tiefe gehen, wie eine Reihe es ermöglicht hätte, dennoch leiden weder Setting, Handlung noch Fantasy-Konstrukt unter dem Konzeption als Einzelband. Besonders angetan haben es mir die magischen Gegenstände, bei denen ich mir im Verlauf der Geschichte oftmals gewünscht habe, auch so einen zu besitzen. Da besitzt Fallon zum Beispiel ein magisches Tablett, dass Essen erscheinen lässt, einen Mantel, der die wahre Identität des Trägers verschleiert und den Menschen stattdessen zeigt, was sie am liebsten sehen wollen, ein Kompass, der jeder Person finden kann, von der man etwas besitzt, oder eine Schreibfeder, die alles, was man notiert erscheinen lässt. Man stelle sich vor, man besäße solche Gegenstände - wie würde das mein Leben erleichtern...


"Nein, wir sind nicht zusammen. Es ist etwas komplizierter."
Jess runzelte die Stirn. "Ist komplizierter das Codewort für schwanger? Wenn ja, bestehe ich darauf, dass das Baby Jess heißt."


Eine packende Jagd durch den Untergrund, ein vielseitiges, ausdrucksstarkes Setting, abwechslungsreiche Fantasy-Elemente und unerwartete Wendungen - was fehlt da noch für einen Young-Adult-Fantasy-Roman? Natürlich: eine schöne Romanze. Dass die beiden Protagonisten sich auf ihrer Suche nach den Karten näher kommen müssen, ist ja schon beinahe vorprogrammiert. Eine nette Idee ist aber, dass diesmal die Protagonistin in das Geheimnis der Magie eingeweiht ist und es dem ahnungslosen Protagonisten erklären muss und nicht wie so oft umgekehrt. Zwar findet Fallon auch bald heraus, dass Reed anders ist und die Magie auf ihn keine Wirkung hat, dennoch entwickelt die Geschichte dadurch eine andere Dynamik. Schön ist auch, dass trotz der großen Raum einnehmenden Handlung noch genügend Luft für die beiden Protagonisten gelassen wird. Fallon ist keine besonders begabte Archivarin und auch keine "besondere Schneeflocke" mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, wie man das aus vielen Reihen kennt. Immer wieder verschusselt sie etwas, hat Pech und oftmals geht etwas schief, sie ist jedoch mit vollem Herzen dabei und deshalb sehr sympathisch. An manchen Stellen nimmt man ihr aber nur mäßig gut ab, dass sie 19 Jahre alt ist. Beim Schicksal von Reed hat Laura Kneidl vielleicht ein kleines bisschen dick aufgetragen. Hier hätte das halbe Drama auch ausgereicht, um sein Dasein als Dieb zu rechtfertigen, was seiner Glaubwürdigkeit gut getan hätte. Nichtsdestotrotz machen die Beiden in Kombination sehr viel Spaß - Sarkasmus, Schwierigkeiten und Uneinigkeiten zum Trotz bilden sie ein tolles Team, das sich ergänzt, vertraut und eine schöne Beziehung aufbaut.


"Alles - jeder Mensch und jeder Gegenstand - hatte seinen eigenen Klang, seinen eigenen Duft und sein eigenes Gefühl. Reeds Stimme erinnerte an ein Instrument mit einer einzigen verstimmten Saite. Nicht perfekt, aber noch immer wohltuen, wenn eine Melodie darauf gespielt wurde."


Das Ende hat mich zwar nicht komplett überrascht, mir aber zugesagt und einen runden Abschluss für diesen temporeichen, vielseitigen Fantasy-Roman gebildet, den ich an einem einzigen Mittag runtergelesen habe. Vielleicht sollte ich also den weiteren Fantasy-Romanen der Autorin noch eine Chance geben und zum Beispiel mit "Die Krone der Dunkelheit" anfangen. Fest steht, dass mich Laura Kneidl im Fantasy-Genre viel mehr überzeugen konnte, als in der Disziplin YA.




Fazit:


Eine packende Jagd durch den Untergrund Edinburghs, ein vielseitiges, ausdrucksstarkes Setting, abwechslungsreiche Fantasy-Elemente, eine prickelnde Romanze und unerwartete Wendungen - dieser Einzelband ist spannend, witzig, charmant und einfach magisch!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.04.2020

Eine prickelnde Mischung aus Sagen der Antike und Urban Romantasy!

Staub & Flammen
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Spätestens seit Rick Riordan liebe ich Geschichten über griechische Mythologie über alles und auch Kira Licht hat es meisterhaft geschafft, die vielseitige, spannende Grundlage auf neue Art in Szene zu ...

Spätestens seit Rick Riordan liebe ich Geschichten über griechische Mythologie über alles und auch Kira Licht hat es meisterhaft geschafft, die vielseitige, spannende Grundlage auf neue Art in Szene zu setzen und in einer rasanten, humorvollen, spritzigen Geschichte zu verarbeiten. Nachdem der erste Band ihrer Götter-Dilogie, "Gold und Schatten", mit einem miesen Cliffhanger geendet hatte, war ich sehr gespannt, wie es mit Livia, Maél und den anderen weitergeht. "Staub und Flammen", was zugleich Fortsetzung und Finale ist, ist in mancher Hinsicht gelungener als der Auftakt, in anderen Aspekten jedoch schwächer, weshalb ich zufrieden mit dem Ausgang bin, aber nicht das Jahreshighlight bekommen habe, auf das ich gehofft hatte.


„Warum er? Ich wäre eine ebenbürtige Alternative."
Wir sind Feuer und Feuer, Enko. Das mit uns würde niemals gutgehen.“
„Ja, klar. Und du und Maél seid ein Traumpaar?“
Ich sah ihn fest an. „Wir sind Licht und Schatten. Wir existieren nicht ohne einander.“


Schon die Gestaltung ist wieder traumhaft und bringt mich als absoluten Cover-Kritiker immer wieder zum Schwärmen. Nicht nur dass die Glanzoptik der goldenen Lichtpunkte einen wundervollen Kontrapunkt zu den marmorierten Schatten bieten und die ganze Gestaltung dynamisch machen - die starken Kontraste zwischen hellem, weichen Gold und dunklen, schwarzen Schatten passen auch wunderbar zum Thema. Der sanfte Anriss eines Mädchens mit blonden Haaren gibt nur eine zarte Idee von der Protagonistin Livia und nimmt nicht zu viel vorweg. Zusammen mit dem Titel, der durch einen gegensätzlichen Farbverlauf hervorgehoben wird und dem dunklen Lesebändchen wird das Buch zu einem Gesamtkunstwerk. Auffällig am Innenleben dieser Schönheit ist, dass die Seiten sehr dünn sind und die 624 Seiten deshalb optisch eher wie höchstens 400 erscheinen. Entgegen wirken diesem Effekt während dem Lesen die sehr langen Kapitel, die sich mit gut und gerne mal 50 Seiten für Kapitelleser ziehen. Eine kleine positive Überraschung hat das Buch noch auf den letzten Seiten parat. Hier sind nämlich ausführliche Rezepte zu den in der Geschichte vorkommenden Speisen enthalten.


Erster Satz: "Über Nacht war es Herbst geworden."


Da "Gold und Schatten" mit einer dramatischen Kampfszene und einem miesen Cliffhanger geendet hatte, dachte ich eigentlich, dass "Staub und Flammen" gleich zu Beginn große Geschütze auffahren und wir gleich mit der Rettung von Maél einsteigen würden. Stattdessen lesen wir im gesamten ersten Drittel erstmal von Livias Alltagsleben, von einer neuen Schülerin mit fragwürdigem Interesse an ihr und ihrer eingeweihten Freundesclique, von Flirtereien mit Maéls Bruder Enko, von ihrer Trauer, die sie von der Schule ablenkt und ein paar neu auftauchenden Fähigkeiten... Auch wenn die ersten Kapitel ganz nett sind, um wieder in der Geschichte anzukommen, hat mir der gemächliche Start doch ein bisschen zu lang gebraucht um wieder in Gang zu kommen. Besonders Livias zwiespältigen Gefühle gegenüber Enko haben meiner Meinung nach nicht ganz zur Handlung gepasst und den Beginn deutlich ausgebremst, sodass ich fast froh war, dass er bald relativ plötzlich und ziemlich nachhaltig von der Bildfläche verschwand - schade, denn er ist ein wirklich interessanter Charakter, über den ich gerne noch mehr gelesen hätte.

Selbst nachdem die Geschichte durch neue Erkenntnisse endlich Fahrt aufnimmt, fehlte mir das gewisse anziehende Etwas, das Band 1 zu einem Pageturner hat werden lassen. Uralte Götter, gefährliche Relikte, ausgestorbene Tierarten, überraschende Wendungen, neu erwachende Kräfte, neue Protagonisten, schöne Wiedersehen und eine herannahende Apokalypse - diese Geschichte hat mal wieder einiges zu bieten. Doch leider werden viele auftauchende Probleme einfach und im Handumdrehen gelöst, was trotz der vielen Ereignisse immer wieder Spannung heraus nimmt. An anderen Stellen waren die Protagonisten dann aber wiederum so begriffsstutzig, dass sie für eine Schlussfolgerung, die dem Leser schon nach wenigen Anspielungen sofort klar ist, Ewigkeiten brauchen. Das verzögert den Verlauf der Geschichte unnötiger Weise und kratzt auch an der Glaubwürdigkeit der "verrückten Gang" bestehend aus Göttern, Halbgöttern, Nymphen und Menschen. alles, was sich dem Leser ziemlich schnell nach einer Andeutung erschließt, wird von den Protagonisten ewig herumgewälzt. Dass es etwas unrealistisch ist, dass die Eltern der kleinen Weltenretter nie etwas von dem Treiben ihrer Kinder mitbekommen zu scheinen ist ja ein altbekanntes YA-Problem. Insgesamt waren mir trotz der vielen tollen Ideen und des flotten Erzähltempos viele Wendungen zu vorhersehbar und an einigen Stellen hätte ein bisschen mehr Dramatik, Action oder Gefühl die dahinplätschernde Handlung aufpeppen können. Spannende Geschehnisse, süße Machart, nette Charaktere, originelle Ideen - ja, das hat die Geschichte alles, aber mir hat trotzdem ein bisschen das Mitreißende gefehlt.


"Warum er?", stieß er dann heißer hervor. "Warum ausgerechnet er?"
"Ich liebe ihn."
"Aber warum?" Er wischte sich die letzten Hautfetzen vom Kinn. Dann war er wieder der makellos schöne Halbgott, den alle so anbeteten.
"Liebe kann man nicht erklären. Es ist ein Gefühl, das entweder da ist oder eben nicht."


Die Idee, dass die Götter aus Langeweile ihren Hauptsitz alle paar Jahrhunderte von einer Großstadt zur nächsten verlegen und zur Zeit alle in Paris wohnen, hat mir schon im ersten Teil gut gefallen da wir diese sowieso magische Stadt auf diese Weise in einem ganz besonderen Licht dargestellt bekommen. Zusammen mit Livia und Maél besuchten wir die berühmten Sehenswürdigkeiten der Stadt, schlenderten durch die romantischen Parks und über die weitläufigen Plätze, saßen in süßen Cafés und erkundeten Museen, lernten die Katakomben näher kennen und machten Ausflüge in heruntergekommenere Distrikte der Stadt. Leider rückt das spannende, funkelnde, facettenreiche Setting in Paris in diesem Teil stark in den Hintergrund und bis auf den Showdown am Eifelturm und zwei kurzen Ausflügen zur Seine, wird die Stadt hier nicht mehr so geschickt in Szene gesetzt wie in Band 1.


"Das alles sieht nach einem Plan aus, der über die Jahrhunderte hinweg sorgfältig gesponnen wurde. Ich bin mir sicher, wir haben bisher nur Bruchstücke davon durchschaut. Eines jedoch ich klar: Die Moiren sind mächtige alte Göttinnen. Dass sie ausgerechnet dich im Blick haben, ist mehr als mysteriös. Es scheint ja doch so, als würden viele zufällige Ereignisse genau in einem Punkt münden." Er sah zu mir. "Und dieser Punkt bist du."



Dafür rückt die mythologische Fantasy-Komponente mehr in den Vordergrund. Schon in "Gold und Schatten" haben wir Götter wie den Strass-liebenden, immer gestressten Götterboten Hermes kennengelernt, welcher als Chef einer PR-Agentur neben seiner Aufgabe als Pate für verschiedene Halbgötter und als ewiger Streitschlichter zwischen den Göttern viel um die Ohren hat und mehr über den Gott der Schmiede Hephaistos erfahren, welcher sich einen magischen Garten aus Metall geschmiedet hat, sich aber nach lebendigen Weggefährten sehnt. Auch hier spielen die Beiden wieder eine wichtige Rolle und auch auf ein Wiedersehen mit dem Gott der Unterwelt, Hades, höchst persönlich, welcher auf ambivalente Art und Weise einen perfekten Antihelden darstellt, können wir uns freuen. Wichtige Sagengestalten, singende und kämpfende Sternenbilder, verzauberte Skelette, gutherzige Flussmonster und eine Menge prähistorischer Haustiere dürfen natürlich auch wieder nicht fehlen. So entsteigt dem romantischen Setting eine prickelnde Mischung aus Sagen der Antike und Urban Romantasy.


„Die Liebe ist nur eine Leihgabe, Livia. Sie wird uns genommen. Durch das Schicksal, durch Hände anderer, durch den Tod."


Wirklich an erster Stelle stehen jedoch nicht die mythologischen Wesen sondern vor allem die Freundschaft und Verbundenheit der ungewöhnlichen Formation, die sich im Laufe der Handlung findet und die zusammen allen Widrigkeiten trotzt. Dafür wird die göttliche, verrückte Gang, die wir schon im ersten Teil kennen und lieben gelernt haben, um ein paar Neuzugänge erweitert. Neben den bereits genannten Göttern sind ja bereits der unsterbliche Ödipus (ehemals bekannt als der prophezeiende Penner vom Straßenrand), Livias beiden Freundinnen Gigi und Jemma und Enkos ebenfalls menschlicher Bandkollege Noah mit im Boot. Neu dazu kommen hier der Flussgott Nereus, der mithilfe von kleinen Wasserdrachen eine chinesische Reinigung betreibt, sein wasserliebende und schwimmwütige Sohn, der Halbgott Selkes und die rosaliebende Hadestochter Tiffy, die mich mit weiteren antiken Insekten in Verzückung versetzt hat. Ihre leuchtenden Sternenmäuse komplettieren zusammen mit Livias Syllektis Evangéline die "verrückte Gang". Zwei Götter, drei Halbgötter, eine Nymphe, ein unsterblicher Sterblicher, drei Menschen und fünf ausgestorbene Rieseninsekten - was klingt wie der Beginn eines schlechten Witzes, ist eine sehr liebenswürdige und fähige Einheit, die bald als einziges zwischen der Erde und einem rachesüchtigen, mächtigen Urgott steht...


“Na gut.“ Ich seufzte. „Aber nichts Illegales, nichts Perverses und nichts mit Hühnern. Ich habe panische Angst vor Hühnern, seit mir als Kind mal eins seien Schnabel in die Wage gerammt hat.“ „Das klingt, als wäre ich ein Vodoopriester. Herzlichen Dank für dein Vertrauen, Nymphe."


Durch den Fokus auf die Gruppe und die Einführung so vieler Protagonisten rücken Livia, Maél und ihre Liebesgeschichte leider ein wenig in den Hintergrund. Livia Estelle McKenzie ist eine wundervolle Protagonistin und mit ihrer selbstbewussten, schlagfertigen, zielstrebigen Art, ihrem skurrilen Kleidungsstil und ihrem kurvigen Körper definitiv nicht auswechselbar. Auch wenn es mir die meiste Zeit recht seltsam erschien, dass sie erst sechzehn Jahre alt sein sollte und sie sich manchmal etwas übereifrig und naiv verhielt, ist sie mir sehr ans Herz gewachsen. Etwas schade fand ich, dass sie keine Zeit erhält, sich nennenswert weiterzuentwickeln und die Autorin sie stattdessen zu einer "noch besondereren Schneeflocke" macht. Dass die sowieso schon auserwählte Protagonisten und letzte Nymphe hier noch neue Fähigkeiten und Macht entdeckt, scheint wie ein Trostpflaster für die verpasste Entwicklung und war meiner Meinung nach nicht notwendig. Dadurch dass Maél hier erstmal lange Zeit verschwunden bleibt, tritt ihre wacklige Beziehung ziemlich in den Hintergrund. Dass diese nach seinem Auftauchen einfach weiter geht, als wäre nichts geschehen und als wären sie schon seit Ewigkeiten ein Paar empfand ich als etwas seltsam. Wer mir da definitiv über diese holprige Phase hinweggeholfen hat, ist die kleine Evangéline. Die flauschige Riesenmotte bekommt von mir definitiv einen Preis als "Buchhaustier des Jahres"!


"Ich lächelte. Es sind definitiv keine Feuer." Ich hob die Hand und streichelte seine Wange entlang. "Es ist der Nachthimmel, Maél. Deine Heimat. Ein Meer aus Dunkelblau und tausend düsteren Farben. Es ist wunderschön."



Zum Leben erweckt wird diese wundersame Mischung aber erst durch Kira Lichts spritzigen, erfrischend humorvollen und lockeren Schreibstil. Sie zieht ihre Geschichte rasant auf und sorgt durch schlagfertige Dialoge, kreative Ideen, skurrile Begegnungen und leise Romantik dafür, dass es während der 624 Seiten trotz der genannten Schnitzer im Handlungsaufbau niemals langweilig wird. Durch ihren einmaligen Humor, der mich ein wenig an Jennifer L. Armentrout in ihren besten Jahren erinnert hat, bringt sie immer wieder ein wenig Schwung in die Geschichte und hat mich ein ums andere Mal zum Lachen gebracht. Dabei scheint eine leise Ironie die Darstellung der mythologischen Welt zu durchziehen. So liegen die Eingänge des Tartaros in den Rutschen von McDonald´s Filialen, die drei Schicksalsgöttinnen tauchen als drei brummige Cateringsangestellte auf, Ödipus ist ein ungeschlagener Fernseh-Quiz-König und süchtig nach Hühnersuppe und Nereus macht ganz mieses Creme Brûlée aus Meeresdrachenmilch. Immer wenn ich sehe, dass eine bestimmte Mythologie der Ausgangspunkt einer Geschichte ist, mache ich mir Sorgen, dass sich die Geschichte zu sehr auf die historischen Vorlagen verlässt, andere Romane zu sehr nacheifert und dabei eine eigene Note vergisst. Das passiert der Autorin hier jedoch keineswegs und mit viel Einfallsreichtum und Kreativität wird ein ganz besonderes Lesegefühl hervorgerufen.


"Bei allen Göttern, was bist du eigentlich? Zwölf oder was?"
"Auf einer Skala von eins bis zehn auf jeden Fall."


Das Ende wartet mit einem spannenden Showdown inklusive Fast-Weltuntergang, göttlicher Schlacht und Besuch auf dem Olymp auf, bevor jeder Protagonist sein Happy End erhält. Und mit "jeder" meine ich auch wirklich jeder! Auch wenn mir das Ende gut gefallen hat, war es fast schon zu perfekt und reibungslos, sodass ich beim Lächeln auch ein wenig mit den Zähnen knirschen musste. Was bleibt also nach diesem Finale? Eine rasante, humorvolle, spritzige Geschichte mit vielseitigem Setting, schlagfertigen Dialogen, kreativen Ideen, skurrilen Begegnungen und leiser Romantik. Eine prickelnde Mischung aus Sagen der Antike und Urban Romantasy, welche sich zwar ein paar Schnitzer erlaubt, aber dennoch empfehlenswert für Fantasy-Fans ist!



Fazit:

Mit dem erhöhten Fokus auf dem Fantasy-Anteil, den vielen spannenden Nebenprotagonisten, die die wohl verrückteste aber auch liebenswürdigste Gang bilden, die es in der Geschichte der griechischen Mythologie jemals gab und der temporeichen, vielfältigen Handlung ist diese Fortsetzung definitiv epischer als der erste Teil und ein würdiges Ende. Leider leiden aber die Umsetzung des Settings, die Entwicklung der beiden Hauptprotagonisten und die Liebesgeschichte unter dem neu gesetzten Fokus, sodass auch dieses Finale mich nicht zu 100% überzeugen konnte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.04.2020

Eine prickelnde Mischung aus Sagen der Antike und Urban Romantasy!

Staub & Flammen
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Spätestens seit Rick Riordan liebe ich Geschichten über griechische Mythologie über alles und auch Kira Licht hat es meisterhaft geschafft, die vielseitige, spannende Grundlage auf neue Art in Szene zu ...

Spätestens seit Rick Riordan liebe ich Geschichten über griechische Mythologie über alles und auch Kira Licht hat es meisterhaft geschafft, die vielseitige, spannende Grundlage auf neue Art in Szene zu setzen und in einer rasanten, humorvollen, spritzigen Geschichte zu verarbeiten. Nachdem der erste Band ihrer Götter-Dilogie, "Gold und Schatten", mit einem miesen Cliffhanger geendet hatte, war ich sehr gespannt, wie es mit Livia, Maél und den anderen weitergeht. "Staub und Flammen", was zugleich Fortsetzung und Finale ist, ist in mancher Hinsicht gelungener als der Auftakt, in anderen Aspekten jedoch schwächer, weshalb ich zufrieden mit dem Ausgang bin, aber nicht das Jahreshighlight bekommen habe, auf das ich gehofft hatte.


„Warum er? Ich wäre eine ebenbürtige Alternative."
Wir sind Feuer und Feuer, Enko. Das mit uns würde niemals gutgehen.“
„Ja, klar. Und du und Maél seid ein Traumpaar?“
Ich sah ihn fest an. „Wir sind Licht und Schatten. Wir existieren nicht ohne einander.“


Schon die Gestaltung ist wieder traumhaft und bringt mich als absoluten Cover-Kritiker immer wieder zum Schwärmen. Nicht nur dass die Glanzoptik der goldenen Lichtpunkte einen wundervollen Kontrapunkt zu den marmorierten Schatten bieten und die ganze Gestaltung dynamisch machen - die starken Kontraste zwischen hellem, weichen Gold und dunklen, schwarzen Schatten passen auch wunderbar zum Thema. Der sanfte Anriss eines Mädchens mit blonden Haaren gibt nur eine zarte Idee von der Protagonistin Livia und nimmt nicht zu viel vorweg. Zusammen mit dem Titel, der durch einen gegensätzlichen Farbverlauf hervorgehoben wird und dem dunklen Lesebändchen wird das Buch zu einem Gesamtkunstwerk. Auffällig am Innenleben dieser Schönheit ist, dass die Seiten sehr dünn sind und die 624 Seiten deshalb optisch eher wie höchstens 400 erscheinen. Entgegen wirken diesem Effekt während dem Lesen die sehr langen Kapitel, die sich mit gut und gerne mal 50 Seiten für Kapitelleser ziehen. Eine kleine positive Überraschung hat das Buch noch auf den letzten Seiten parat. Hier sind nämlich ausführliche Rezepte zu den in der Geschichte vorkommenden Speisen enthalten.


Erster Satz: "Über Nacht war es Herbst geworden."


Da "Gold und Schatten" mit einer dramatischen Kampfszene und einem miesen Cliffhanger geendet hatte, dachte ich eigentlich, dass "Staub und Flammen" gleich zu Beginn große Geschütze auffahren und wir gleich mit der Rettung von Maél einsteigen würden. Stattdessen lesen wir im gesamten ersten Drittel erstmal von Livias Alltagsleben, von einer neuen Schülerin mit fragwürdigem Interesse an ihr und ihrer eingeweihten Freundesclique, von Flirtereien mit Maéls Bruder Enko, von ihrer Trauer, die sie von der Schule ablenkt und ein paar neu auftauchenden Fähigkeiten... Auch wenn die ersten Kapitel ganz nett sind, um wieder in der Geschichte anzukommen, hat mir der gemächliche Start doch ein bisschen zu lang gebraucht um wieder in Gang zu kommen. Besonders Livias zwiespältigen Gefühle gegenüber Enko haben meiner Meinung nach nicht ganz zur Handlung gepasst und den Beginn deutlich ausgebremst, sodass ich fast froh war, dass er bald relativ plötzlich und ziemlich nachhaltig von der Bildfläche verschwand - schade, denn er ist ein wirklich interessanter Charakter, über den ich gerne noch mehr gelesen hätte.

Selbst nachdem die Geschichte durch neue Erkenntnisse endlich Fahrt aufnimmt, fehlte mir das gewisse anziehende Etwas, das Band 1 zu einem Pageturner hat werden lassen. Uralte Götter, gefährliche Relikte, ausgestorbene Tierarten, überraschende Wendungen, neu erwachende Kräfte, neue Protagonisten, schöne Wiedersehen und eine herannahende Apokalypse - diese Geschichte hat mal wieder einiges zu bieten. Doch leider werden viele auftauchende Probleme einfach und im Handumdrehen gelöst, was trotz der vielen Ereignisse immer wieder Spannung heraus nimmt. An anderen Stellen waren die Protagonisten dann aber wiederum so begriffsstutzig, dass sie für eine Schlussfolgerung, die dem Leser schon nach wenigen Anspielungen sofort klar ist, Ewigkeiten brauchen. Das verzögert den Verlauf der Geschichte unnötiger Weise und kratzt auch an der Glaubwürdigkeit der "verrückten Gang" bestehend aus Göttern, Halbgöttern, Nymphen und Menschen. alles, was sich dem Leser ziemlich schnell nach einer Andeutung erschließt, wird von den Protagonisten ewig herumgewälzt. Dass es etwas unrealistisch ist, dass die Eltern der kleinen Weltenretter nie etwas von dem Treiben ihrer Kinder mitbekommen zu scheinen ist ja ein altbekanntes YA-Problem. Insgesamt waren mir trotz der vielen tollen Ideen und des flotten Erzähltempos viele Wendungen zu vorhersehbar und an einigen Stellen hätte ein bisschen mehr Dramatik, Action oder Gefühl die dahinplätschernde Handlung aufpeppen können. Spannende Geschehnisse, süße Machart, nette Charaktere, originelle Ideen - ja, das hat die Geschichte alles, aber mir hat trotzdem ein bisschen das Mitreißende gefehlt.


"Warum er?", stieß er dann heißer hervor. "Warum ausgerechnet er?"
"Ich liebe ihn."
"Aber warum?" Er wischte sich die letzten Hautfetzen vom Kinn. Dann war er wieder der makellos schöne Halbgott, den alle so anbeteten.
"Liebe kann man nicht erklären. Es ist ein Gefühl, das entweder da ist oder eben nicht."


Die Idee, dass die Götter aus Langeweile ihren Hauptsitz alle paar Jahrhunderte von einer Großstadt zur nächsten verlegen und zur Zeit alle in Paris wohnen, hat mir schon im ersten Teil gut gefallen da wir diese sowieso magische Stadt auf diese Weise in einem ganz besonderen Licht dargestellt bekommen. Zusammen mit Livia und Maél besuchten wir die berühmten Sehenswürdigkeiten der Stadt, schlenderten durch die romantischen Parks und über die weitläufigen Plätze, saßen in süßen Cafés und erkundeten Museen, lernten die Katakomben näher kennen und machten Ausflüge in heruntergekommenere Distrikte der Stadt. Leider rückt das spannende, funkelnde, facettenreiche Setting in Paris in diesem Teil stark in den Hintergrund und bis auf den Showdown am Eifelturm und zwei kurzen Ausflügen zur Seine, wird die Stadt hier nicht mehr so geschickt in Szene gesetzt wie in Band 1.


"Das alles sieht nach einem Plan aus, der über die Jahrhunderte hinweg sorgfältig gesponnen wurde. Ich bin mir sicher, wir haben bisher nur Bruchstücke davon durchschaut. Eines jedoch ich klar: Die Moiren sind mächtige alte Göttinnen. Dass sie ausgerechnet dich im Blick haben, ist mehr als mysteriös. Es scheint ja doch so, als würden viele zufällige Ereignisse genau in einem Punkt münden." Er sah zu mir. "Und dieser Punkt bist du."



Dafür rückt die mythologische Fantasy-Komponente mehr in den Vordergrund. Schon in "Gold und Schatten" haben wir Götter wie den Strass-liebenden, immer gestressten Götterboten Hermes kennengelernt, welcher als Chef einer PR-Agentur neben seiner Aufgabe als Pate für verschiedene Halbgötter und als ewiger Streitschlichter zwischen den Göttern viel um die Ohren hat und mehr über den Gott der Schmiede Hephaistos erfahren, welcher sich einen magischen Garten aus Metall geschmiedet hat, sich aber nach lebendigen Weggefährten sehnt. Auch hier spielen die Beiden wieder eine wichtige Rolle und auch auf ein Wiedersehen mit dem Gott der Unterwelt, Hades, höchst persönlich, welcher auf ambivalente Art und Weise einen perfekten Antihelden darstellt, können wir uns freuen. Wichtige Sagengestalten, singende und kämpfende Sternenbilder, verzauberte Skelette, gutherzige Flussmonster und eine Menge prähistorischer Haustiere dürfen natürlich auch wieder nicht fehlen. So entsteigt dem romantischen Setting eine prickelnde Mischung aus Sagen der Antike und Urban Romantasy.


„Die Liebe ist nur eine Leihgabe, Livia. Sie wird uns genommen. Durch das Schicksal, durch Hände anderer, durch den Tod."


Wirklich an erster Stelle stehen jedoch nicht die mythologischen Wesen sondern vor allem die Freundschaft und Verbundenheit der ungewöhnlichen Formation, die sich im Laufe der Handlung findet und die zusammen allen Widrigkeiten trotzt. Dafür wird die göttliche, verrückte Gang, die wir schon im ersten Teil kennen und lieben gelernt haben, um ein paar Neuzugänge erweitert. Neben den bereits genannten Göttern sind ja bereits der unsterbliche Ödipus (ehemals bekannt als der prophezeiende Penner vom Straßenrand), Livias beiden Freundinnen Gigi und Jemma und Enkos ebenfalls menschlicher Bandkollege Noah mit im Boot. Neu dazu kommen hier der Flussgott Nereus, der mithilfe von kleinen Wasserdrachen eine chinesische Reinigung betreibt, sein wasserliebende und schwimmwütige Sohn, der Halbgott Selkes und die rosaliebende Hadestochter Tiffy, die mich mit weiteren antiken Insekten in Verzückung versetzt hat. Ihre leuchtenden Sternenmäuse komplettieren zusammen mit Livias Syllektis Evangéline die "verrückte Gang". Zwei Götter, drei Halbgötter, eine Nymphe, ein unsterblicher Sterblicher, drei Menschen und fünf ausgestorbene Rieseninsekten - was klingt wie der Beginn eines schlechten Witzes, ist eine sehr liebenswürdige und fähige Einheit, die bald als einziges zwischen der Erde und einem rachesüchtigen, mächtigen Urgott steht...


“Na gut.“ Ich seufzte. „Aber nichts Illegales, nichts Perverses und nichts mit Hühnern. Ich habe panische Angst vor Hühnern, seit mir als Kind mal eins seien Schnabel in die Wage gerammt hat.“ „Das klingt, als wäre ich ein Vodoopriester. Herzlichen Dank für dein Vertrauen, Nymphe."


Durch den Fokus auf die Gruppe und die Einführung so vieler Protagonisten rücken Livia, Maél und ihre Liebesgeschichte leider ein wenig in den Hintergrund. Livia Estelle McKenzie ist eine wundervolle Protagonistin und mit ihrer selbstbewussten, schlagfertigen, zielstrebigen Art, ihrem skurrilen Kleidungsstil und ihrem kurvigen Körper definitiv nicht auswechselbar. Auch wenn es mir die meiste Zeit recht seltsam erschien, dass sie erst sechzehn Jahre alt sein sollte und sie sich manchmal etwas übereifrig und naiv verhielt, ist sie mir sehr ans Herz gewachsen. Etwas schade fand ich, dass sie keine Zeit erhält, sich nennenswert weiterzuentwickeln und die Autorin sie stattdessen zu einer "noch besondereren Schneeflocke" macht. Dass die sowieso schon auserwählte Protagonisten und letzte Nymphe hier noch neue Fähigkeiten und Macht entdeckt, scheint wie ein Trostpflaster für die verpasste Entwicklung und war meiner Meinung nach nicht notwendig. Dadurch dass Maél hier erstmal lange Zeit verschwunden bleibt, tritt ihre wacklige Beziehung ziemlich in den Hintergrund. Dass diese nach seinem Auftauchen einfach weiter geht, als wäre nichts geschehen und als wären sie schon seit Ewigkeiten ein Paar empfand ich als etwas seltsam. Wer mir da definitiv über diese holprige Phase hinweggeholfen hat, ist die kleine Evangéline. Die flauschige Riesenmotte bekommt von mir definitiv einen Preis als "Buchhaustier des Jahres"!


"Ich lächelte. Es sind definitiv keine Feuer." Ich hob die Hand und streichelte seine Wange entlang. "Es ist der Nachthimmel, Maél. Deine Heimat. Ein Meer aus Dunkelblau und tausend düsteren Farben. Es ist wunderschön."



Zum Leben erweckt wird diese wundersame Mischung aber erst durch Kira Lichts spritzigen, erfrischend humorvollen und lockeren Schreibstil. Sie zieht ihre Geschichte rasant auf und sorgt durch schlagfertige Dialoge, kreative Ideen, skurrile Begegnungen und leise Romantik dafür, dass es während der 624 Seiten trotz der genannten Schnitzer im Handlungsaufbau niemals langweilig wird. Durch ihren einmaligen Humor, der mich ein wenig an Jennifer L. Armentrout in ihren besten Jahren erinnert hat, bringt sie immer wieder ein wenig Schwung in die Geschichte und hat mich ein ums andere Mal zum Lachen gebracht. Dabei scheint eine leise Ironie die Darstellung der mythologischen Welt zu durchziehen. So liegen die Eingänge des Tartaros in den Rutschen von McDonald´s Filialen, die drei Schicksalsgöttinnen tauchen als drei brummige Cateringsangestellte auf, Ödipus ist ein ungeschlagener Fernseh-Quiz-König und süchtig nach Hühnersuppe und Nereus macht ganz mieses Creme Brûlée aus Meeresdrachenmilch. Immer wenn ich sehe, dass eine bestimmte Mythologie der Ausgangspunkt einer Geschichte ist, mache ich mir Sorgen, dass sich die Geschichte zu sehr auf die historischen Vorlagen verlässt, andere Romane zu sehr nacheifert und dabei eine eigene Note vergisst. Das passiert der Autorin hier jedoch keineswegs und mit viel Einfallsreichtum und Kreativität wird ein ganz besonderes Lesegefühl hervorgerufen.


"Bei allen Göttern, was bist du eigentlich? Zwölf oder was?"
"Auf einer Skala von eins bis zehn auf jeden Fall."


Das Ende wartet mit einem spannenden Showdown inklusive Fast-Weltuntergang, göttlicher Schlacht und Besuch auf dem Olymp auf, bevor jeder Protagonist sein Happy End erhält. Und mit "jeder" meine ich auch wirklich jeder! Auch wenn mir das Ende gut gefallen hat, war es fast schon zu perfekt und reibungslos, sodass ich beim Lächeln auch ein wenig mit den Zähnen knirschen musste. Was bleibt also nach diesem Finale? Eine rasante, humorvolle, spritzige Geschichte mit vielseitigem Setting, schlagfertigen Dialogen, kreativen Ideen, skurrilen Begegnungen und leiser Romantik. Eine prickelnde Mischung aus Sagen der Antike und Urban Romantasy, welche sich zwar ein paar Schnitzer erlaubt, aber dennoch empfehlenswert für Fantasy-Fans ist!



Fazit:

Mit dem erhöhten Fokus auf dem Fantasy-Anteil, den vielen spannenden Nebenprotagonisten, die die wohl verrückteste aber auch liebenswürdigste Gang bilden, die es in der Geschichte der griechischen Mythologie jemals gab und der temporeichen, vielfältigen Handlung ist diese Fortsetzung definitiv epischer als der erste Teil und ein würdiges Ende. Leider leiden aber die Umsetzung des Settings, die Entwicklung der beiden Hauptprotagonisten und die Liebesgeschichte unter dem neu gesetzten Fokus, sodass auch dieses Finale mich nicht zu 100% überzeugen konnte.

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  • Cover
  • Erzählstil
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  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.04.2020

Eine perfekte Sommerlektüre für Zwischendurch!

Mein Herz in deinen Händen
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"Dein Herz in meinen Händen" ist der erste Teil der neuen Return-to-me-Reihe von Corinne Michaels, deren Liebesromane nun zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt wurden. Auch wenn ich lieber New Adult lese ...

"Dein Herz in meinen Händen" ist der erste Teil der neuen Return-to-me-Reihe von Corinne Michaels, deren Liebesromane nun zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt wurden. Auch wenn ich lieber New Adult lese als Liebesromane, in denen die Protagonisten schon über 30 sind, hat mir diese berührende, emotionale Geschichte sehr gut gefallen!


"Mein Herz kann den Schmerz nicht länger festhalten, während ich dahinfliege. Plötzlich bin ich an einem Ort, an dem es keine Traurigkeit mehr gibt. Der Tod verfolgt nicht länger meine Gedanken, da ist nichts als Luft. Das Ringen um Atem hört auf. Ich bin frei, einfach nur frei."


Das Cover passt wunderbar zum ländlichen, heißen Setting in der Kleinstadt Bell Buckle (welches es übrigens wirklich gibt) im US-Staat Tennessee. Die mit orange-roter Wasserfarbe gemalten Blätter, der sanfte Farbverlauf in der Mitte und die angedeutete Landschaft ergeben zusammen mit dem großen Titel ein rundes Gesamtbild, das von weiten Flächen, heißen Mittagen und verschlafenen Kleinstädten erzählt. Auch wenn der Titel "Mein Herz in deinen Händen" eher nichtssagend ist, passt er alles in allem recht gut zur Geschichte.


Erster Satz: "Warum gehst du nicht nach Hause, Presley?"


Das fragt sie Presleys beste Freundin Angie, mit der zusammen sie sich den Traum eines Cupcake-Ladens in Media, Pennsylvania, erfüllt hat. Doch als sie dann tatsächlich zu Hause ankommt, zerbricht ihr gemütliches, glückliches Leben in tausend Stücke: sie findet ihren Mann Todd erhängt im Badezimmer. Trotz der Triggerwarnung des Verlags, kommt der tragische, harte Beginn sehr überraschend. Zusammen mit Presley fragen wir uns "Warum nur?", doch als Presley mit Todds Chef und der Bank telefoniert, wird ihr bald klar, dass ihr Leben doch nicht so sorglos und glücklich war, wie sie dachte. Todd war schon eine Weile arbeitslos, die beiden haben hohe Schulden, können die Hypothek für das gemeinsame Haus nicht bezahlen und jetzt wird auch die Lebensversicherung aufgrund des Selbstmords nicht ausbezahlt - kurz, Presley und ihre beiden Söhne Cayden und Logan sind am Ende. Es ist gar nicht leicht, die Protagonistin in dieser schrecklichen Ausnahmesituation kennenzulernen und in die Geschichte einzufinden, zum Glück geht es danach ein wenig gemütlicher und weniger intensiv weiter, als Presley mit ihren beiden Söhnen in ihre alte Heimat auf die Ranch ihrer Eltern nach Tennessee zieht und das, obwohl sie sich geschworen hat, nie mehr dorthin zurückzukehren. Denn dort warten neben der großen Aufgabe, das Geschehene zu verkraften und ihre Gefühle zu verarbeiten ebenfalls noch einige Geister der Vergangenheit, denn auch ihre große Jugendliebe Zach ist wieder zurück...


"Hör mal, das Leben ist ein Glücksspiel. Du hast gespielt und verloren. Aber das macht dich nicht zum ewigen Verlierer. Es bedeutet nur, dass die Karten neu gemischt werden."



Nach dem erdrückenden Beginn setzt die Autorin geschickt immer wieder Zeitsprünge von mehreren Monaten ein, um Presleys Trauerzeit zu raffen und die Liebesgeschichte einzuleiten, die trotz des tragischen Beginns schließlich erzählt werden soll. Das ist zum Einen natürlich ein notwendiges Mittel, um in der Geschichte voranzukommen, zum Anderen ist es aber schade, dass wir viele wichtige Entwicklungsschritte verpassen, Zachs und Presleys Geschichte nur durch spärliche Rückblenden erzählt bekommen und zu Beginn ihres Wiedersehens alles sehr schnell zu gehen scheint. Auf der einen Seite ist sie noch zu Tode betrübt und vollkommen zerstört, auf der nächsten wird ihr auch schon klar, dass sie Zach immer geliebt hat und schwärmt dem Leser von seinen blauen Augen vor. Hier hätte es der Glaubwürdigkeit der Geschichte gut getan, wenn auch der Leser die vergangene Zeit und die durchgemachte Trauerbewältigung besser zu spüren bekommen und die Autorin ein wenig Tempo rausgenommen und mit ihrem Wiedersehen noch ein wenig gewartet hätte.


"Halt mich einfach fest", bitte ich. Und er tut es. Er hält mich fest. Er hält mich sicher. Er hält mich so, wie ich lange nicht mehr gehalten worden bin. (…) Jetzt gerade, in diesem Moment, fühle ich mich aufgefangen und bin vielleicht in der Lage, auf eigenen Füßen zu stehen. In seinen Armen kann ich kämpfen."


Vor allem da im Mittelteil dann wiederum Längen auftauchen und es kaum handfeste Handlung gibt. Auch wenn man das aufgrund der Situation nachfühlen kann, ist es für den Leser sehr frustrierend, dass Presley und Zach seitenlang umeinander herumtanzen, immer wieder dieselben Probleme auftauchen, dass immer wieder dasselbe Streitgespräch geführt wird und sie einfach nicht vom Fleck kommen. Ich denke es erschließt sich jedem Leser, warum sich Presley nicht sofort in das nächste amouröse Abenteuer stürzt, doch dass wir uns über mehrere hundert Seiten im Kreis drehen, viele ähnliche Szenen lesen und doch eigentlich genau wissen, worauf die Geschichte hinauslaufen wird, ist der Spannung nicht gerade zuträglich. Insgesamt hätte der Roman also eine deutlich bessere Figur gemacht, wenn sich die Autorin zu Beginn ein wenig mehr Zeit genommen hätte, während im Mittelteil auch 100 Seiten weniger ausreichend gewesen wären.


"Ich spüre die Musik. Ich spüre seinen Puls unter meinen Händen, aber vor allem spüre ich uns. Wir sind in diesem Moment die Musik. Er ist der Rhythmus, nach dem ich tanze. Und unsere Musik ist eine wunderschöne Sinfonie."


Schön ist, dass die entstehenden Leerstellen im zweiten Drittel durch viele tolle Nebenfiguren gefüllt werden. Sei es Presleys grummeliger aber herzensguter Bruder Cooper, der ihr nicht verziehen hat, dass sie damals einfach abgehauen ist und nicht mehr zurückgeblickt hat; ihre Eltern, die sich einfach freuen, dass sie wieder da ist und dass sie ihre Enkelkinder aufwachsen sehen; ihre Söhne Cayden und Logan, die sich in einer vollkommen neuen Umgebung zurecht finden müssen; oder ihre High School Freundin Grace, die sie damals ebenfalls aus den Augen verloren hat - Presley hat viel aufzuholen und wie sie vom ganzen Dorf mit offenen Armen empfangen wird, ist wirklich wunderbar. Nur Zachs Exfreundin Felicia scheint ein lebendiges Klischee zu sein und erhält viel zu wenig Tiefe um bei einem ihrer Auftritte mehr als ein genervtes Augenrollen zu ernten. Allgemein ist die Kleinstadt-Idylle ein sehr angenehmes Setting für diese Geschichte. Farm-Arbeit, Pferde, Ausritte, Dorfkneipen, Viehtrieb und sternenklare Nächte im Zelt - die verklärte Südstaatenromantik macht diesen Roman zur perfekten Sommerlektüre. Meine besonderen Lieblinge waren jedoch die Hennigton-Brüder Wyatt, Trent und natürlich Zach, denen jeweils ein Band der Return-to-me-Reihe gewidmet ist. Der charmante, witzige Frauenheld Wyatt, der seit Kindertagen in Presley verliebt ist und als Vorarbeiter auf der Townsend-Farm arbeitet trifft im zweiten Teil auf Presleys Freundin aus der Großstadt Angie während der dritte Teil sich um Graces und Trents ständige On-Off-Beziehung dreht.


"Ich lächle nur halb so viel, wenn er nicht da ist. Es ist, als würde Zach das Gewicht der gesamten Welt von meinen Schultern nehmen. Vielleicht ist es genau das, was Glück ausmacht. Befreit zu werden."


Obwohl wir all diese Nebenfiguren mit ihren Problemen und Hoffnungen hier schon kennenlernen und die Autorin so nebenbei den Grundstein für die weiteren zwei Bände legt, ist dieser Roman doch ganz Zach und Presley gewidmet. Zu Presley konnte ich trotz unseres Altersunterschieds durch all das Leid, das wir gemeinsam mit ihr erleiden müssen, schnell eine Beziehung aufbauen, bei Zach hat das eine Weile gedauert, vor allem auch weil mir die Autorin mit Kapiteln aus seiner Sicht ein bisschen zu sehr gegeizt hat. Alles in allem ist mir die Liebesgeschichte der Beiden aber sehr ans Herz gegangen, was auch vor allem am Schreibstil der Autorin liegt. Sie schreibt sehr süß, voller Gefühl und nimmt sich außergewöhnlich viel Zeit für eine ausführliche Beschreibung von Emotionen und Gedanken ihrer Protagonisten. Das ist definitiv mal was anderes als die immergleichen sarkastischen Gespräche oder sexualisierten Gedanken, mit denen wir sonst in Liebesgeschichten konfrontieret werden, leider wirken aber manche ihrer Sätze etwas überzogen und abgedroschen, sodass ich an kitschige Kalendersprüche erinnert wurde. Über diesen schmalen Grat zwischen Kitsch und Gefühl, Intensität und Unglaubwürdigkeit, schönen Liebesschwüren und abgedroschenen Phrasen könnte aber auch die Übersetzung entschieden haben (wobei ich Michaela Link eigentlich für ihre unglaublich gute Übersetzung von unter anderem "Eragon" und "Throne of Glass" feiere).


"Wenn ich nachts die Augen schließe, sehe ich keine Stadtlichter mehr. Ich sehe Sterne. Ich sehe blaue Augen, Glühwürmchen und ländliche Hügel. Mein Herz ist hier."


Das Ende wartet dann nochmal mit einer (in meinen Augen etwas unnötigen) Krise auf, bevor die Protagonisten ihr wohlverdientes Happy End erhalten, nach dem ich nicht zu 100% überzeugt aber auf jeden Fall neugierig auf die nächsten Geschichte zurückbleibe.



Fazit:


Trotz dass der Aufbau nicht ganz astrein war und der Schreibstil zwischen wunderschön emotional und abgedroschen kitschig schwankt, hat mir diese berührende, gefühlvolle Geschichte sehr gut gefallen! Ein tolles Südstaatensetting, liebenswürdige Nebenfiguren und eine Liebespaar, über dessen Geschichte man Lieder schreiben könnte - eine perfekte Sommerlektüre für Zwischendurch!

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  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.04.2020

Eine perfekte Sommerlektüre für Zwischendurch!

Mein Herz in deinen Händen
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"Dein Herz in meinen Händen" ist der erste Teil der neuen Return-to-me-Reihe von Corinne Michaels, deren Liebesromane nun zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt wurden. Auch wenn ich lieber New Adult lese ...

"Dein Herz in meinen Händen" ist der erste Teil der neuen Return-to-me-Reihe von Corinne Michaels, deren Liebesromane nun zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt wurden. Auch wenn ich lieber New Adult lese als Liebesromane, in denen die Protagonisten schon über 30 sind, hat mir diese berührende, emotionale Geschichte sehr gut gefallen!


"Mein Herz kann den Schmerz nicht länger festhalten, während ich dahinfliege. Plötzlich bin ich an einem Ort, an dem es keine Traurigkeit mehr gibt. Der Tod verfolgt nicht länger meine Gedanken, da ist nichts als Luft. Das Ringen um Atem hört auf. Ich bin frei, einfach nur frei."


Das Cover passt wunderbar zum ländlichen, heißen Setting in der Kleinstadt Bell Buckle (welches es übrigens wirklich gibt) im US-Staat Tennessee. Die mit orange-roter Wasserfarbe gemalten Blätter, der sanfte Farbverlauf in der Mitte und die angedeutete Landschaft ergeben zusammen mit dem großen Titel ein rundes Gesamtbild, das von weiten Flächen, heißen Mittagen und verschlafenen Kleinstädten erzählt. Auch wenn der Titel "Mein Herz in deinen Händen" eher nichtssagend ist, passt er alles in allem recht gut zur Geschichte.


Erster Satz: "Warum gehst du nicht nach Hause, Presley?"


Das fragt sie Presleys beste Freundin Angie, mit der zusammen sie sich den Traum eines Cupcake-Ladens in Media, Pennsylvania, erfüllt hat. Doch als sie dann tatsächlich zu Hause ankommt, zerbricht ihr gemütliches, glückliches Leben in tausend Stücke: sie findet ihren Mann Todd erhängt im Badezimmer. Trotz der Triggerwarnung des Verlags, kommt der tragische, harte Beginn sehr überraschend. Zusammen mit Presley fragen wir uns "Warum nur?", doch als Presley mit Todds Chef und der Bank telefoniert, wird ihr bald klar, dass ihr Leben doch nicht so sorglos und glücklich war, wie sie dachte. Todd war schon eine Weile arbeitslos, die beiden haben hohe Schulden, können die Hypothek für das gemeinsame Haus nicht bezahlen und jetzt wird auch die Lebensversicherung aufgrund des Selbstmords nicht ausbezahlt - kurz, Presley und ihre beiden Söhne Cayden und Logan sind am Ende. Es ist gar nicht leicht, die Protagonistin in dieser schrecklichen Ausnahmesituation kennenzulernen und in die Geschichte einzufinden, zum Glück geht es danach ein wenig gemütlicher und weniger intensiv weiter, als Presley mit ihren beiden Söhnen in ihre alte Heimat auf die Ranch ihrer Eltern nach Tennessee zieht und das, obwohl sie sich geschworen hat, nie mehr dorthin zurückzukehren. Denn dort warten neben der großen Aufgabe, das Geschehene zu verkraften und ihre Gefühle zu verarbeiten ebenfalls noch einige Geister der Vergangenheit, denn auch ihre große Jugendliebe Zach ist wieder zurück...


"Hör mal, das Leben ist ein Glücksspiel. Du hast gespielt und verloren. Aber das macht dich nicht zum ewigen Verlierer. Es bedeutet nur, dass die Karten neu gemischt werden."



Nach dem erdrückenden Beginn setzt die Autorin geschickt immer wieder Zeitsprünge von mehreren Monaten ein, um Presleys Trauerzeit zu raffen und die Liebesgeschichte einzuleiten, die trotz des tragischen Beginns schließlich erzählt werden soll. Das ist zum Einen natürlich ein notwendiges Mittel, um in der Geschichte voranzukommen, zum Anderen ist es aber schade, dass wir viele wichtige Entwicklungsschritte verpassen, Zachs und Presleys Geschichte nur durch spärliche Rückblenden erzählt bekommen und zu Beginn ihres Wiedersehens alles sehr schnell zu gehen scheint. Auf der einen Seite ist sie noch zu Tode betrübt und vollkommen zerstört, auf der nächsten wird ihr auch schon klar, dass sie Zach immer geliebt hat und schwärmt dem Leser von seinen blauen Augen vor. Hier hätte es der Glaubwürdigkeit der Geschichte gut getan, wenn auch der Leser die vergangene Zeit und die durchgemachte Trauerbewältigung besser zu spüren bekommen und die Autorin ein wenig Tempo rausgenommen und mit ihrem Wiedersehen noch ein wenig gewartet hätte.


"Halt mich einfach fest", bitte ich. Und er tut es. Er hält mich fest. Er hält mich sicher. Er hält mich so, wie ich lange nicht mehr gehalten worden bin. (…) Jetzt gerade, in diesem Moment, fühle ich mich aufgefangen und bin vielleicht in der Lage, auf eigenen Füßen zu stehen. In seinen Armen kann ich kämpfen."


Vor allem da im Mittelteil dann wiederum Längen auftauchen und es kaum handfeste Handlung gibt. Auch wenn man das aufgrund der Situation nachfühlen kann, ist es für den Leser sehr frustrierend, dass Presley und Zach seitenlang umeinander herumtanzen, immer wieder dieselben Probleme auftauchen, dass immer wieder dasselbe Streitgespräch geführt wird und sie einfach nicht vom Fleck kommen. Ich denke es erschließt sich jedem Leser, warum sich Presley nicht sofort in das nächste amouröse Abenteuer stürzt, doch dass wir uns über mehrere hundert Seiten im Kreis drehen, viele ähnliche Szenen lesen und doch eigentlich genau wissen, worauf die Geschichte hinauslaufen wird, ist der Spannung nicht gerade zuträglich. Insgesamt hätte der Roman also eine deutlich bessere Figur gemacht, wenn sich die Autorin zu Beginn ein wenig mehr Zeit genommen hätte, während im Mittelteil auch 100 Seiten weniger ausreichend gewesen wären.


"Ich spüre die Musik. Ich spüre seinen Puls unter meinen Händen, aber vor allem spüre ich uns. Wir sind in diesem Moment die Musik. Er ist der Rhythmus, nach dem ich tanze. Und unsere Musik ist eine wunderschöne Sinfonie."


Schön ist, dass die entstehenden Leerstellen im zweiten Drittel durch viele tolle Nebenfiguren gefüllt werden. Sei es Presleys grummeliger aber herzensguter Bruder Cooper, der ihr nicht verziehen hat, dass sie damals einfach abgehauen ist und nicht mehr zurückgeblickt hat; ihre Eltern, die sich einfach freuen, dass sie wieder da ist und dass sie ihre Enkelkinder aufwachsen sehen; ihre Söhne Cayden und Logan, die sich in einer vollkommen neuen Umgebung zurecht finden müssen; oder ihre High School Freundin Grace, die sie damals ebenfalls aus den Augen verloren hat - Presley hat viel aufzuholen und wie sie vom ganzen Dorf mit offenen Armen empfangen wird, ist wirklich wunderbar. Nur Zachs Exfreundin Felicia scheint ein lebendiges Klischee zu sein und erhält viel zu wenig Tiefe um bei einem ihrer Auftritte mehr als ein genervtes Augenrollen zu ernten. Allgemein ist die Kleinstadt-Idylle ein sehr angenehmes Setting für diese Geschichte. Farm-Arbeit, Pferde, Ausritte, Dorfkneipen, Viehtrieb und sternenklare Nächte im Zelt - die verklärte Südstaatenromantik macht diesen Roman zur perfekten Sommerlektüre. Meine besonderen Lieblinge waren jedoch die Hennigton-Brüder Wyatt, Trent und natürlich Zach, denen jeweils ein Band der Return-to-me-Reihe gewidmet ist. Der charmante, witzige Frauenheld Wyatt, der seit Kindertagen in Presley verliebt ist und als Vorarbeiter auf der Townsend-Farm arbeitet trifft im zweiten Teil auf Presleys Freundin aus der Großstadt Angie während der dritte Teil sich um Graces und Trents ständige On-Off-Beziehung dreht.


"Ich lächle nur halb so viel, wenn er nicht da ist. Es ist, als würde Zach das Gewicht der gesamten Welt von meinen Schultern nehmen. Vielleicht ist es genau das, was Glück ausmacht. Befreit zu werden."


Obwohl wir all diese Nebenfiguren mit ihren Problemen und Hoffnungen hier schon kennenlernen und die Autorin so nebenbei den Grundstein für die weiteren zwei Bände legt, ist dieser Roman doch ganz Zach und Presley gewidmet. Zu Presley konnte ich trotz unseres Altersunterschieds durch all das Leid, das wir gemeinsam mit ihr erleiden müssen, schnell eine Beziehung aufbauen, bei Zach hat das eine Weile gedauert, vor allem auch weil mir die Autorin mit Kapiteln aus seiner Sicht ein bisschen zu sehr gegeizt hat. Alles in allem ist mir die Liebesgeschichte der Beiden aber sehr ans Herz gegangen, was auch vor allem am Schreibstil der Autorin liegt. Sie schreibt sehr süß, voller Gefühl und nimmt sich außergewöhnlich viel Zeit für eine ausführliche Beschreibung von Emotionen und Gedanken ihrer Protagonisten. Das ist definitiv mal was anderes als die immergleichen sarkastischen Gespräche oder sexualisierten Gedanken, mit denen wir sonst in Liebesgeschichten konfrontieret werden, leider wirken aber manche ihrer Sätze etwas überzogen und abgedroschen, sodass ich an kitschige Kalendersprüche erinnert wurde. Über diesen schmalen Grat zwischen Kitsch und Gefühl, Intensität und Unglaubwürdigkeit, schönen Liebesschwüren und abgedroschenen Phrasen könnte aber auch die Übersetzung entschieden haben (wobei ich Michaela Link eigentlich für ihre unglaublich gute Übersetzung von unter anderem "Eragon" und "Throne of Glass" feiere).


"Wenn ich nachts die Augen schließe, sehe ich keine Stadtlichter mehr. Ich sehe Sterne. Ich sehe blaue Augen, Glühwürmchen und ländliche Hügel. Mein Herz ist hier."


Das Ende wartet dann nochmal mit einer (in meinen Augen etwas unnötigen) Krise auf, bevor die Protagonisten ihr wohlverdientes Happy End erhalten, nach dem ich nicht zu 100% überzeugt aber auf jeden Fall neugierig auf die nächsten Geschichte zurückbleibe.



Fazit:


Trotz dass der Aufbau nicht ganz astrein war und der Schreibstil zwischen wunderschön emotional und abgedroschen kitschig schwankt, hat mir diese berührende, gefühlvolle Geschichte sehr gut gefallen! Ein tolles Südstaatensetting, liebenswürdige Nebenfiguren und eine Liebespaar, über dessen Geschichte man Lieder schreiben könnte - eine perfekte Sommerlektüre für Zwischendurch!

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