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Veröffentlicht am 06.12.2020

Vereint intelligente Gesellschaftskritik, ungewöhnliche Figuren und ganz viel bissigen Humor.

QualityLand (QualityLand 1)
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"Come to where the quality is! Come to QualityLand!"


Mit diesem wunderbar anglisierten Werbeslogan startet das neue satirische Meisterwerk von Känguru-Kleinkünstler Marc-Dieter Kling (ähm natürlich Marc-Uwe ...

"Come to where the quality is! Come to QualityLand!"


Mit diesem wunderbar anglisierten Werbeslogan startet das neue satirische Meisterwerk von Känguru-Kleinkünstler Marc-Dieter Kling (ähm natürlich Marc-Uwe Kling), welches viele witzige Szenen, Gedanken und Dialoge zu spannenden Themen wie starke KIs, Arbeit und Identität, Transparenz und Überwachung und Nähe in einer maximal verdrahteten und gläsernen Gesellschaft vereint. Wie gewohnt ist dieser grandiose Roman oft zum Lachen, mal zum Grübeln, ab und zu auch zum besorgt die Stirn runzeln aber immer gut durchdacht und stimmig. Beziehungsweise, "am besten durchdacht" und "am stimmigsten", denn in QualityLand wird der Superlativ zum Imperativ...

Dieses satirische Gedankenexperiment entführt in eine nicht ganz so ferne Zukunft, in der Deutschland den klangvollen Namen "QualityLand" trägt, um negative historische Beigeschmäcker loszuwerden und außerdem "Made in QualityLand" auf Exportgüter drucken zu können. Um diesen fremdartigen und doch seltsam plausiblen Zukunftsentwurf kennenzulernen stellt uns Marc-Uwe Kling mehrere Handlungsstränge vor, während sich zwischen den einzelnen Kapiteln Einschübe aus "QualityLand, Ihr persönlicher Reiseführer", Werbeanzeigen und Nachrichtenbeiträgen inklusive natürlich der stupiden Kommentare dazu abwechseln. Wichtig zu wissen ist an dieser Stelle, dass "QualityLand" in zwei verschiedenen Editionen erschienen ist, die sich nicht nur hinsichtlich ihrer Coverfarbe, sondern auch bezüglich der Tönung der Werbeanzeigen und Nachrichtenbeiträge unterscheiden. Während in der weißen Edition vorwiegend positive Werbeanzeigen und Nachrichten gebracht werden, sind diese in der schwarzen Edition eher negativ. Aber keine Angst: Euch entgeht nichts, wenn Ihr Euch für eine Edition entscheidet - die Beiträge der anderen Version (und vieles mehr) könnt ihr auf der toll gestalteten Website zu Qualityland nachlesen.

Im Zentrum steht der Protagonist Peter Arbeitsloser (der Name kommt daher, dass Jungen als Nachnamen den Beruf ihres Vaters bei der Zeugung erhalten und Mädchen nach dem ihrer Mutter benannt werden), der sich als lustloser Maschinenverschrotter und Level-9-Mensch am unteren Ende der Nahrungskette befindet. Eigentlich würde er lieber Maschinentherapeut sein, da aber die Konsumschutzgesetze zum Schutz des Konsums jegliche Reparatur verbieten, verbringt er seine Zeit wohl oder übel damit, defekte Maschinen vor ihrem Ende zu retten. So kommt es, dass in seinem Keller unter anderem ein Sexdroide mit Erektionsstörungen, eine Drohne mit Flugangst und ein Anwaltsroboter mit einem Gewissen wohnen. Außerdem mit von Partie sind eine Epoetin mit Schreibblockade, ein QualityPad mit Persönlichkeitsstörung und ein panzerbrechender Kampfroboter für schwere Kriegseinsätze mit posttraumatischer Belastungsstörung. Mit seinen technischen Begleitern lebt er eigentlich recht unspektakulär vor sich hin, bis eines Tages eine Paketlieferung von TheShop (dem weltweit beliebtesten Versandhändler) alles verändert: die Algorithmen, die eigentlich wissen sollten, was er will, schicken ihm einen rosafarbenen Delfinvibrator zu. Sich im Recht wissend, dass er das wirklich nicht wollte (nicht mal ein kleines bisschen unterbewusst) beginnt er einen Rückgabemarathon, der sich zu einer Odyssee von Beschwerdestelle zu Beschwerdestelle und zu einem Kriegszug gegen das System entwickelt...


"Okay", sagt Niemand.
Niemand ist Peters persönlicher digitaler Assistent. Peter selbst hat diesen Namen gewählt, denn er hat oft das Gefühl, dass Niemand für ihn da ist. Niemand hilft ihm. Niemand hört ihm zu. Niemand spricht mit ihm. Niemand beobachtet ihn. Niemand trifft für ihn Entscheidungen. Peter bildet sich sogar ein, dass Niemand ihn mag."


Könnt Ihr noch, oder hat euch dieser kreative Haufen von Nebenprotagonisten und verrückten Ideen schon zu sehr geplättet? Ich hätte da nämlich noch einen zweiten Handlungsstrang im Angebot, der den Androiden "John of Us" bei seinem Wahlkampf begleitet. Ja, "Wahlkampf", ihr habt richtig gelesen, denn diese künstliche Intelligenz mit Roboterkörper tritt als Präsident an und muss am eigenen Leib (oder wohl eher an der eigenen Karosserie) erfahren, dass man mit den besseren Argumenten oftmals nicht weiterkommt... Die Parallelen zum vorletzten amerikanischen Wahlkampf, dem Aufmarsch der Populisten und Rassisten sind dabei nicht zu übersehen. Denn in QualityLand gibt es nicht nur futuristische Ideen wie selbstfahrende Autos, kaufwütige Geldautomaten, FeSaZus (mit einem Reinheitsgebot von 1/3 Fett, 1/3 Salz und 1/3 Zucker), digitale Assistenten, Maschinen mit menschlichen Eigenschaften und absolut gläserne Menschen - wir begegnen auch vielen bekannten Problemen wie Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, Kapitalismus, Unterdrückung, soziale Ungleichheit und Machtmissbrauch. Auch mit politischen Ausführungen und Diskussionen (mit starkem, linken Touch) spart Marc-Uwe Kling wieder einmal nicht und bettet seine Handlung in einen gewohnt gesellschaftskritischen Kontext irgendwo zwischen Dystopie und Utopie ein.

Der dritte große Handlungsstrang ist der von Denise und Martyn, einem Ehepaar direkt aus der Bourgeoisie (um mal die dem linken Spektrum entsprechenden Fachtermini zu verwenden), die uns in die technischen Spielerein der Upper-Class einführen und elektronische Nannys, Serienshopping und digitale Freunde nahebringen. In welchem Verhältnis der Politiker und die junge Mutter zum Rest der Handlung stehen und was eine weiße Tennissocke damit zutun hat... - lest (oder hört) selbst! Und damit wären wir bei einem weiteren wichtigen Punkt, den ich gerne ansprechen will: das Medienformat der Geschichte. Da "QualityLand" weniger rein dialogbasiert wie die Känguru-Reihe, sondern als komplexe, zusammenhängende Geschichte mit mehreren Handlungssträngen daherkommt, würde ich hier eher das Buch empfehlen, auch wenn das Hörbuch durch den Autor selbst wieder professionell und kurzweilig eingesprochen ist.

Was Känguru-Fans freuen wird: In "QualityLand" sind einige Eastereggs versteckt. Neben dem "ältesten Trick der Welt" (dies bezeichnet natürlich die Phrase "Halt mal kurz") und ikonischen Aussprüchen wie "Ein Idiot in Uniform ist immer noch ein Idiot" wird aufmerksamen Fans auch ein Nebencharakter bekannt vorkommen... Doch auch wer die Känguru-Reihe noch nicht kennt (Ich habe Mitleid mit diesen armen Menschen), wird humortechnisch voll auf seine Kosten kommen. Wieder einmal schreibt der Autor rhetorisch auf hohem Niveau und versichert durch die ständige Abwechslung subtile Anspielungen und plumpe Wortspiele, dass jede Art von Leser hier mal Lachen muss. Bei einigen Gags wie zum Beispiel dem Besuch von "Hitler - Das Musical", bleibt das Lachen auch schonmal im Hals stecken und bei anderen muss man seine grauen Zellen ganz schön anstrengen, um sie zu verstehen, durch die gekonnte langsame Hinführung zu verschiedenen Themen muss man aber nicht besonders viel Vorwissen mitbringen, um der Geschichte folgen zu können.

Der Autor schreibt jedoch nicht nur sprachlich und rhetorisch hervorragend, sondern tut sich auch mit enormer Fachkenntnis zu Digitalisierung und Informatik hervor. Anhand anschaulicher Beispiele erläutert er moralisch-ethische Fragestellungen, die sich mit smarter Technologie in Zukunft ergeben werden. Egal ob die moralischen Dilemmas selbstfahrender Autos, die entscheiden müssen, ob sie lieber den Level-89-Millionär oder zehn Kindergartenkinder umfahren, die verheerenden philosophischen Auswirkungen der Entwicklung einer starken KI, das "The Winner Takes It All"-Prinzip des Online-Handelns oder spannende Fakten zum "Algorithmus, wo man mit muss!" - diese Themen werden auf unterhaltsame und leichtverdauliche Weise bearbeitet und sorgen für den ein oder anderen Aha-Effekt.

Das Ende kommt dann mit ordentlichem "Knalleffekt" und einer großen Portion romantischer Ironie. Der Autor schafft es wieder, die Grenzen seiner Erzählperspektiven aufzuheben und auf die Fortsetzung neugierig zu machen.


"Bitte bewerten Sie mich jetzt"

- OK -


Da die einzige Option, die nicht sofort eine Kundenumfrage nach sich ziehen würde, diese ist, dem Buch volle 5 Sterne zu geben, werde ich das natürlich brav tun.



Fazit:


"QualityLand" vereint utopische und dystopische Beschreibungen, intelligente Gesellschaftskritik, ein gut durchdachtes Grundkonzept, ungewöhnliche Figuren und ganz viel bissigen Humor.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.12.2020

Eine funkensprühende, farbenfrohe und magische Liebesgeschichte, die man nicht verpassen sollte.

Love Like Magic
1

"Sie lauschte angestrengt, ob sie seinen Atem hören konnte. Zu gern wollte sie in der Stille zwischen seinen Worten leben."


Als ich mir vor ein paar Wochen die Vorschau des Piper Verlags für den Dezember ...

"Sie lauschte angestrengt, ob sie seinen Atem hören konnte. Zu gern wollte sie in der Stille zwischen seinen Worten leben."


Als ich mir vor ein paar Wochen die Vorschau des Piper Verlags für den Dezember angeschaut habe, habe ich ganze drei Bücher entdeckt, die ich unbedingt lesen wollte und mittlerweile zwei davon verschlungen... Nur um zu bemerken, dass sie sich extrem ähneln. Im Nachhinein wundere ich mich, weshalb der Verlag zwei sehr ähnliche Bücher in seinem Programm hat und diese auch noch in derselben Woche erschienen. Beide Romane spielen in New Orleans, beide Titel beginnen mit "Love" und beide Geschichten handeln von einer unmöglichen Liebe... Na, von welchem Buch spreche ich? Na von "Love is Wild" von Kathinka Engel. Mit diesem Kunstwerk kann "Love like Magic" zwar nicht ganz mithalten, ist aber dennoch eine funkensprühende, farbenfrohe und magische Liebesgeschichte, die man nicht verpassen sollte.


"Das war sein Selbstporträt, und sie wollte vor seiner Schönheit niederknien. Geehrt schaffte es nicht zu beschreiben, wie seine Verletzlichkeit sie auf die beste Art schwach werden ließ."


Das Cover ist genau wie die Geschichte: bunt, glitzernd, peppig, sehr schön anzusehen, aber mit eher wenig bleibendem Eindruck. Ich mag die gelb-rosa Farbwirbel, den großen pinken Titel und die Glitzerwolken sehr, aber ein ausdrucksstarkes Motiv ist dieser mädchenhafte Traum in rosa nicht gerade. Hier fehlen mir einfach zentrale Motive, wie sie auf dem Originalcover zu sehen sind. Der Titel hingegen passt meines Erachtens sogar besser als der Originaltitel "New Orleans Rush". Denn die hier erzählte Liebesgeschichte zwischen einer flüchtigen Künstlerin und einem verschuldeten Magier mitten im farbenfrohen New Orleans ist wirklich magisch.


"Unvollkommenheit machte Menschen einzigartig, jede Geschichte und jeder Fehler mischte die Farben, die ihr Leben ausmachten. Sie fragte sich, welche Farben Huxleys Vergangenheit geprägt hatten."


Es beginnt mit einem Tiefpunkt in Beas Leben. Ihr nicht allzu freiwilliger Neuanfang in New Orleans startet denkbar schlecht, als ihr Freund sie verlässt und sie somit in einer fremden Stadt allein und wohnungslos dasteht. Aber sie wäre nicht Bea, wenn sie sich dadurch lange aufhalten lassen würde. Durch eine Reihe an schicksalshaften Verstrickungen landet sie bei den Fabelhaften Marlow Boys und wird Assistentin von Magier Huxley. Bald schon sprühen nicht nur auf der Bühne die Funken, doch ihr Glück wird durch Beas Vergangenheit gefährdet und bald bekommen sie es nicht nur mit Vandalismus, sondern auch mit mörderischen Kredithaien und einem eifersüchtigen Konkurrenten zu tun, der dem Theater an den Kragen will...


"Dieses Wassermelonen-Mädchen schafft es, mich zum Lachen zu bringen. Und ich glaube, ich habe vergessen, wie man das macht. Was verdammt traurig ist." Bis Beatrice Baker in knallrosa Hosen auf einem Barhocker gesessen und ihn als Colon Rectum (="Kolonistenkäfer", Anmerkung der Rezensentin 😂) bezeichnet hatte, ein feuriges Blitzen in den gewitterwolkenfarbenen Augen."


Wenn man dem Inhalt genauer betrachtet, muss man zugeben, dass es wohl schon innovativere Handlungsbauten gegeben hat. Zwei attraktive Personen treffen sich, verlieben sich und werden durch Hindernisse aus ihrer Vergangenheit davon abgehalten, ganz zueinander zu finden. Ja gut, das ist vorhersehbar und nicht gerade ein neues Prinzip. Auch ist es nicht Kelly Siskinds erste Priorität, hier eine realistische Dokumentation abzuliefern und so lässt sie Probleme ab und zu wie eine echte Zauberkünstlerin in Luft auflösen. Aber - und hier kommt das wichtige ABER - diese Geschichte ist dennoch so lebensbejahend, exzentrisch und liebenswert erzählt, dass man sie einfach lieben muss.


"Beatrice ist eine neunzigjährige Frau, die nachts ihre Zähne auf den Nachttisch legt, zentimeterdicke Brillengläser trägt und Eierlikör trinkt, statt Martini." (...) Niemand hatte es je geschafft, "Beatrice" sexy klingen zu lassen. Bis ein gewisser Huxley Marlow daherkam und ihren Namen anprobierte wie ein Kleidungsstück."


Allein schon das zauberhafte Setting ist ein Grund, dieses Buch zu lesen. Ich habe noch nicht allzuviele Bücher gelesen, die in New Orleans spielen und dessen peppigen, künstlerischen Multi-Kulti-Vibe verströmen. Dass ihr Setting und ihre Figuren lebendig werden, versichert sich Kelly Siskind durch ihre sehr vitale, verschmitzte Art zu schreiben, die der ganzen Geschichte ein charmantes Augenzwinkern verpasst. So war ich sehr gerne Besucher der Fabelhaften Marlow Boys in ihrem schönen aber etwas abgewrackten und sanierungsbedürftigen Theater, habe mit Bea auf dem French Market Schmuck verkauft, mit Huxley in Jazzclubs und Kneipen getanzt und gepokert und bin in Beas gelbem Miniauto durch die Straßen der Stadt gefahren. Kombiniert mit dem an sich schon tollen Flair des Settings machen Huxleys Magie und Beas Kunst einen essenziellen Teil der stimmigen und kreativen Atmosphäre aus und stellen einen passenden Hintergrund für die Handlung und die Liebesgeschichte dar.


"Das könnte ein Aufschub sein anstatt ein Ende. Eine Pause in einer unausweichlichen Liebesgeschichte. "Ja", sagte sein sofort schneller schlagendes Herz. "Ja", flüsterte er in den leeren Raum. Er würde an sie beide glauben. An das Unmögliche."


Letztere hat mich vor allem durch die tolle Chemie zwischen Bea und Huxley überzeugt. Mit seinen Narben, dem verschlossenen Blick und der Verantwortung, für das Erbe seines Vaters und den Lebensunterhalt seiner Brüder zu sorgen, ist Huxley nicht gerade ein extrovertierter, lustiger Zeitgenosse, der weiß, wie man Spaß hat. Umso spannender sind seine Reaktionen, als die lebenslustige, sonnige und beinahe schmerzhaft optimistische Bea in sein Leben tritt. Obwohl sie schon von klein auf wenig Sicherheit erfahren hatte und ihr Vertrauen nicht zuletzt von ihrem spielsüchtigen Vater mehrmals missbraucht wurde, bemüht sie sich, das Gute in den Menschen, der Welt und ihrem Leben zu sehen und alle Schwierigkeiten wegzulächeln. Zusehen, wie die strahlende Künstlerin mit ihren roten Haaren, den bunten Kleidern Farbkleckse-hinterlassend durch Huxleys Leben tanzt und seiner tristen Welt eine doppelte Portion Sonnenschein verpasst, ist einfach hinreißend. Berücksichtigt man dann noch die Nebencharaktere wie Huxleys Brüder Fox und Axel, Beas neue Freundin Della, welche in Kombination für einige amüsante Szenen sorgen, kommt man um eine Leseempfehlung trotz der eingangs beschriebenen Schwächen nicht mehr herum.


"Heute sehe ich nur dich. Kein gezwungenes Lächeln. Keine vorgetäuschte Tapferkeit. Keine Farbe, hinter der du dich verstecken kannst. Nur dich."


Etwas schade finde ich nur, dass der hier gegebene Raum für einen zweiten Roman über Della und Foy oder auch gerne noch einen dritten, in dem der Weiberheld Axel sein Herz verliert, nicht genutzt wurde und "Love Like Magic" von der Autorin aber als Standalone konzipiert ist. So müssen wir die liebgewonnenen Protagonisten nach ihrem (zugegebenermaßen etwas schmalzigen) Happy End schon wieder verlassen...



Zum Abschluss noch mein Lieblingszitat:


"Sie war so versunken, dass sie ihn nicht bemerkte, doch er war wie verzaubert, von ihrem Einhornzauber. Sie war so voller Leben. Voller Spaß. Voller Lachen. Ihre Albernheit füllte die wachsende Leere in seiner Brust mit etwas Neuem, einer tieferen Zuneigung, die ihn in dem teilweise bewölkten Himmel über sich nur die Streifen aus Licht sehen ließ. Liebe. Pure, unverfälschte Liebe - das war es, was er empfand."





Fazit:

Trotz einiger Schwächen im Handlungsaufbau und einem Mangel an wirklicher Tiefgründigkeit ist "Love like Magic" eine funkensprühende, farbenfrohe und magische Liebesgeschichte, die man nicht verpassen sollte. Die zwei so verschiedenen Protagonisten, das zauberhafte Setting und Kelly Siskinds charmante Art zu schreiben werten die Geschichte enorm auf, sodass man um eine Leseempfehlung nicht herumkommt.

  • Einzelne Kategorien
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  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.11.2020

Eine positive Überraschung auf ganzer Linie!

Eve of Man (2)
0

Schon der erste Teil der "Eve of Man" Reihe von Giovanna und Tom Fletcher hatte es in sich: ein bisschen "The Handmaid’s Tale", ein Schuss "Rapunzel", eine angedeutete Teenie-Lovestory und ein postapokalyptisches ...

Schon der erste Teil der "Eve of Man" Reihe von Giovanna und Tom Fletcher hatte es in sich: ein bisschen "The Handmaid’s Tale", ein Schuss "Rapunzel", eine angedeutete Teenie-Lovestory und ein postapokalyptisches Setting, das liest man nicht alle Tage. Während "Eve of Man - Die letzte Frau" aber noch unter den Schwächen eines Trilogie-Auftakt litt, startet "Eve of Man - Die Rebellin" von der ersten Seite an voll durch und lenkt die Geschichte in eine ernstere, unvorhersehbarere und auch brutalere Richtung. Eine positive Überraschung auf voller Linie!

Dieses Cover ist genau wie der erste Teil mal wieder ein seltenes Beispiel dafür, dass ich das deutsche Cover schöner finde als das Original. Denn auch die Gestaltung des zweiten Bandes hat das Team des dtv-Verlags wieder gerockt. Im Zentrum ist wieder das goldene Eve-Logo zu sehen, welches ebenfalls auf dem dunkelblauen Buchdeckel prangt, wenn man den Umschlag entfernt. Das geschwungene "e", umrahmt vom Zeichen der Weiblichkeit, dem Venussymbol, passt wunderbar als Hauptsymbol der Geschichte, die mit Eve als letzte Frau einen feministischen Touch hat. Die schwarze, mit pinken Lichtpartikeln versetzte Sphäre und der Farbverlauf um die schlanke Silhouette eines Mädchens, welche gut zu meiner Vorstellung von Eve passt, wirkt gleichzeitig futuristisch und düster, womit die Atmosphäre der Geschichte gut wiedergegeben wird. Zwar fand ich persönlich die blau-goldene Farbkombination des ersten Teils ansprechender, da der zweite Teil aber super zum ersten passt, bin ich trotzdem sehr zufrieden mit dem Design! Wieder auffällig sind die sehr dünnen Seiten, durch die sich die 44 Kapitel der ohnehin schon knapp bemessenen Seitenanzahl von 336 Seiten wie noch weniger anfühlen.


Erster Satz: "Eingeschränkter Dienst."


"Eve of Man - Die Rebellin" schließt gleich an das Ende des ersten Teils an, in dem Bram und Eve nach einer spektakulären Flucht vom Turm der AFM gesprungen sind und sich nun auf dem Weg in die Freiheit befinden. Und mit "gleich" meine ich auch wirklich sofort - nahtlos begegnen wir den Protagonisten im Fallen wieder und sehen, wie schon auf dem Weg zum Erdboden auf Flutniveau die ersten Zweifel aufkommen. Denn Eve hat nicht nur alles zurückgelassen, was ihr Leben ausgemacht hat, nachdem sie aufgedeckt hat, dass ihr Leben im Turm nichts war, als eine große, schön verpackte Lüge, sondern weiß auch nicht, was sie in der realen Welt erwartet. Auch wenn die neue Freiheit erstmal süß schmeckt, lassen sie das überschwemmte, unbekannte Land mit den vielen Menschen, die nur darauf warten, dass sie nach ihrer Befreiung das Ruder übernimmt und ihre Wut über die Taten der AFM nicht vergessen, dass eine große Last auf ihren Schultern ruht: die Verantwortung die Menschheit vor ihrem Aussterben zu retten...


"Sie rufen dabei: "Für Eve." Aber sie tun das nicht für mich. Das ist eine falsche Interpretation. Sie tun es für sich, für uns, für jeden einzelnen Menschen, der existiert oder vor uns existiert hat. Das Leben wird nicht errungen oder genommen. Man darf nicht mit ihm spielen. Man muss es respektieren."


Das Ehepaar Fletcher hat hier keinen typischen Mittelteil geschrieben, der für das Zustandekommen einer Trilogie eben existieren muss, in dem aber nicht viel passiert - ganz im Gegenteil! Ausgehend von der enttarnten Lüge im ersten Teil wird die Geschichte wesentlich action- und temporeicher weitererzählt, sodass uns kaum eine ruhige Minute vergönnt ist. Die Flucht aus dem Turm geht nahtlos in eine Verfolgungsjagd bis zum Rebellenversteck über und bevor wir uns mit Eve und Bram erneut vor den Gardisten der AFM verstecken müssen und die Handlung in einen rasanten Showdown übergeht, prasseln viele neue Eindrücke im Libertisten-Hauptquartier auf uns ein. Die geringere Seitenzahl als Band 1 hat mich zu Beginn zwar etwas verunsichert und skeptisch werden lassen, lasst euch jedoch von mir versichert sein: hier fehlt nichts. Klar, das Autorenduo hätte sich noch etwas mehr Zeit nehmen können, um Eves Ankommen in der "realen Welt" und die Entwicklung ihrer Beziehung zu Bram auf eine neue Stufe genauer zu betrachten, ich finde das Verhältnis, in dem innere Prozesse hier im Vergleich zur Handlung stehen, jedoch angemessen in diesem Genre.


"Es gibt nicht den leisesten Zweifel, dass dies die richtige Entscheidung ist. Und ich bin nicht allein. Das missbilligende Getuschel ist verschwunden. Jetzt summt die Luft förmlich. Ein Summen, dass nach Veränderung klingt. Das Summen eines Volkes, das seine Fesseln abstreift."


Neben dem gesteigerten Erzähltempo hat sich die Geschichte auch auf anderen Ebenen erstaunlich weiterentwickelt. Was in "Eve of Man - Die letzte Frau" noch eine recht harmlose und typische Einführung in eine dystopische Welt war, wird hier um mehrere Dimensionen ernster und auch brutaler. Das kommt zum einen dadurch zustande, dass wir nicht mehr von Eves "perfekter Welt" als netten Ausgleich zur düsteren Außenwelt lesen, sondern nun ganz in der Realität angekommen sind. Hier rückt das im Wasser versunkene ehemalige London, das nun Central genannt wird als postapokalyptisches Setting ein bisschen mehr in den Vordergrund. Die genaue historische Entwicklung, die zu Überschwemmungen und Ausbleiben der Fruchtbarkeit geführt hat, blieb mir aber weiterhin etwas unklar. Zum anderen wird der ernstere Ton dadurch verursacht, dass sich (wie man noch vom Ende des ersten Teils weiß) Hartman und Eves Vater noch im Turm befinden und im Zuge der "Informationsextraktion", wie Miss Silva die physische und psychische Folter an ihren Gefangenen zum Ermitteln des Aufenthaltsortes von Eve, einiges ertragen müssen. Die beiden Autoren lassen es sich hierbei nicht nehmen, Schmerzen, Tod und neue technische Methoden, um ebendiese hervorzurufen, genau zu beschreiben und damit die emotionale Belastbarkeit ihrer Leser das ein oder andere Mal auszutesten.


"Während die Energie im Saal anschwillt, wird mir klar, dass ich noch immer ein Symbol bin, wie zuvor. Früher verkörperte ich allerdings Hoffnung. Jetzt stehe ich für Widerstand."


Einen brühwarmen Einblick in die Vorgänge des Turms erhalten wir hier durch eine neue Erzählperspektive. Während in Band 1 nur Eve und Bram abwechselnd als personale Erzähler tätig waren, kommt hier noch der Gardist Michael hinzu, den wir von einem gewissen Fahrstuhlzwischenfall aus dem Vorgänger kennen. Nach der Flucht des wichtigsten Menschen der Welt, oder wie es offiziell heißt, nach der "Entführung Eves durch den Verräter Bram und die Libertisten", hat er den Platz des Kommandanten der Gardisten eingenommen und soll nun Eve zurückholen. Durch einige Fügungen und Zufälle erhält er das Vertrauen von Vivian Silva und Dr. Wells und soll deshalb auch beim eben genannten "Extrahieren von Informationen" anwesend und behilflich sein. Durch seine Perspektive bekommen wir aber nicht nur einen spannenden Blick hinter die Kulissen des Turms, stoßen auf neue Geheimnisse wie die rätselhafte Welt Äräon, Intrigen und bleiben auf dem Laufenden, was die AFM gerade plant, sondern erhalten auch einen äußerst spannenden und liebenswerten neuen Protagonisten. Seine schrittweise Charakterisierung ausgehend von einem recht profillosen Soldaten, der einfach nur seine Befehle befolgt, hat mir sehr gut gefallen. In seinem Zwiespalt zwischen Loyalität und Grauen, Vertrauen und Rebellion, Gehorsam und Umdenken ist er ein eindrückliches Beispiel für eine ambivalente Persönlichkeit mit innerem Konflikt.


"Ich betrachte die Gesichert, die auf uns blicken. Ich lächle und nicke dankbar. Ich versuche so zu sein, wie sie sich mich wünschen sollen - gütig, zugänglich, nachsichtig, zielbewusst und stark. Und bei jedem Schritt, den ich gehe, fühle ich mich so, denn das bin ich. Die Liebe wirbelt die Dinge auf, die Liebe überwindet alle Widerstände, die Liebe wendet die Geschicke. Meine Liebe zu ihnen, ihre Liebe zu mir und die Liebe, die ich mir selbst entgegenbringe.(...) Die Menschen im Turm - Vivian und ihre Lakaien - wollten mich glauben machen, ich sei schwach und unwürdig, doch nun dämmert die Wahrheit herauf. Sie ist erwacht und ich werde nicht umkehren. Ich werde nicht wieder einschlafen."


Für das Hinzufügen des neuen Handlungsstrangs müssen Eve und Bram zwar ein bisschen Platz machen, die beiden gehen aber keineswegs unter. Im Gegenteil: während ich Eve zuvor noch als oft widersprüchlich und wechselhaft empfunden habe - eben wie ein launischer Teenager - wird sie hier von Seite zu Seite erwachsener und beginnt, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen und eigene Entscheidungen zu treffen. Ihren Wunsch nach Freiheit und Unabhängigkeit, der ihrem Bedürfnis nach Normalität und Stabilität gegenübersteht, konnte ich gut nachfühlen und durch ihr stärkeres Auftreten hier hat sie in meinen Augen deutlich an Profil gewonnen. Auch Bram konnte hier einige Pluspunkte sammeln. Als Eves Anker und Beschützer, der sowohl ihre Sicherheit als auch ihre Unabhängigkeit im Blick behält, ist er ihr eine wichtige Stütze in ihrem Schritt in die Freiheit und kann sich mehr von seinem digitalen Alias Holly abgrenzen. Zwar gingen mir einige Entwicklungen ein bisschen schnell (eben aufgrund des Handlungsfokusses), wie die beiden aber ausgehend von der tiefen, jahrelangen Freundschaft, die sie durch Brams "Pilotentätigkeit", also der Verkörperung von Eves einziger Freundin im Turm, entwickelt hat, eine tiefe Vertrautheit und zarte Gefühle ausbilden, hat mir sehr gut gefallen. Dass Holly in einigen Situationen immer noch zwischen ihnen steht und sie auf ihre gewohnte Interaktion zurückgreifen, wenn sie unsicher sind, ist nur ein Beispiel dafür, wie innovativ und originell die Dynamik zwischen den beiden ist. Wirklichkeit und Schein, Wahrheit und Lüge, Draußen und Drinnen, Tod und Leben, Weiblich und Männlich - das sind nur einige von vielen Gegensätzen, die durch Bram und Eve wunderbar in den Vordergrund gestellt werden und den Leser auf Trab halten.


"Seit je habe ich mich gegen den Titel gewehrt, den sie mir verliehen haben: Als "Retterin der Menschheit" zu gelten, hat mich überfordert. Aber vielleicht bin ich gar nicht hier, um uns vor der Zukunft zu retten, sondern vor der Vergangenheit. Und vielleicht nimmt das alles jetzt, wo ich hergekommen bin, um meinen Körper und meinen Wert zurückzufordern, seinen Anfang."


So entwickelt sich die Geschichte rasant, gefühlvoll und mitreißend und offenbart immer wieder neue, interessante Denkweise und schockierende Geheimnisse, die dem Leser bislang verborgen geblieben waren. Dabei merkt man auch gar nicht, dass hier zwei Autoren am Werk waren. Die Geschichte des Ehepaares Fletcher liest sich absolut flüssig und ohne jeden Bruch, was ich so noch nie bei einer Geschichte erlebt habe, die aus der Kooperation mehrerer Autoren entstanden ist. Großes Lob! Besonders toll ist auch, dass dieser Mittelteil im Gegensatz zum Vorgänger deutlich vom typischen Dystopie-Schema abweicht und mehrere Wendungen enthält, die ich so nicht kommen sehen hatte. Ich hatte nach dem ersten Teil schon mit einem typischen Verlauf inklusive Rebellion, Kampf und spektakuläre Befreiungsaktion gerechnet. So wurde ich total positiv überrascht, dass die Reihe ihren eigenen Weg geht und mit beinahe thrillerartigen Entwicklungen und Enthüllungen abschließt. Das eigentliche Ende kommt dann mit einem bösen Cliffhanger daher und lässt noch einige Fragen offen, die uns hoffentlich im angekündigten letzten Band der Trilogie beantwortet werden, welcher auf Englisch im April erscheint und auf Deutsch wohl noch ein bisschen länger auf sich warten lassen wird.





Fazit:


Deutlich ernster, actionreicher, unvorhersehbarerer und auch brutaler als der Vorgänger - eine positive Überraschung auf ganzer Linie! "Eve of Man - Die Rebellin" ist alles andere als ein typischer Trilogie-Mittelteil und besticht mit tieferen Charakterisierungen, einem höheren Erzähltempo und vielen schockierenden Wendungen.

Für volle 5 Sterne hätte ich mir noch eine konsequenter auserzählte Entwicklung der Liebesgeschichte und mehr Hintergrunddetails zum Setting gewünscht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.11.2020

Eine positive Überraschung auf ganzer Linie!

Eve of Man (2)
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Schon der erste Teil der "Eve of Man" Reihe von Giovanna und Tom Fletcher hatte es in sich: ein bisschen "The Handmaid’s Tale", ein Schuss "Rapunzel", eine angedeutete Teenie-Lovestory und ein postapokalyptisches ...

Schon der erste Teil der "Eve of Man" Reihe von Giovanna und Tom Fletcher hatte es in sich: ein bisschen "The Handmaid’s Tale", ein Schuss "Rapunzel", eine angedeutete Teenie-Lovestory und ein postapokalyptisches Setting, das liest man nicht alle Tage. Während "Eve of Man - Die letzte Frau" aber noch unter den Schwächen eines Trilogie-Auftakt litt, startet "Eve of Man - Die Rebellin" von der ersten Seite an voll durch und lenkt die Geschichte in eine ernstere, unvorhersehbarere und auch brutalere Richtung. Eine positive Überraschung auf voller Linie!

Dieses Cover ist genau wie der erste Teil mal wieder ein seltenes Beispiel dafür, dass ich das deutsche Cover schöner finde als das Original. Denn auch die Gestaltung des zweiten Bandes hat das Team des dtv-Verlags wieder gerockt. Im Zentrum ist wieder das goldene Eve-Logo zu sehen, welches ebenfalls auf dem dunkelblauen Buchdeckel prangt, wenn man den Umschlag entfernt. Das geschwungene "e", umrahmt vom Zeichen der Weiblichkeit, dem Venussymbol, passt wunderbar als Hauptsymbol der Geschichte, die mit Eve als letzte Frau einen feministischen Touch hat. Die schwarze, mit pinken Lichtpartikeln versetzte Sphäre und der Farbverlauf um die schlanke Silhouette eines Mädchens, welche gut zu meiner Vorstellung von Eve passt, wirkt gleichzeitig futuristisch und düster, womit die Atmosphäre der Geschichte gut wiedergegeben wird. Zwar fand ich persönlich die blau-goldene Farbkombination des ersten Teils ansprechender, da der zweite Teil aber super zum ersten passt, bin ich trotzdem sehr zufrieden mit dem Design! Wieder auffällig sind die sehr dünnen Seiten, durch die sich die 44 Kapitel der ohnehin schon knapp bemessenen Seitenanzahl von 336 Seiten wie noch weniger anfühlen.


Erster Satz: "Eingeschränkter Dienst."


"Eve of Man - Die Rebellin" schließt gleich an das Ende des ersten Teils an, in dem Bram und Eve nach einer spektakulären Flucht vom Turm der AFM gesprungen sind und sich nun auf dem Weg in die Freiheit befinden. Und mit "gleich" meine ich auch wirklich sofort - nahtlos begegnen wir den Protagonisten im Fallen wieder und sehen, wie schon auf dem Weg zum Erdboden auf Flutniveau die ersten Zweifel aufkommen. Denn Eve hat nicht nur alles zurückgelassen, was ihr Leben ausgemacht hat, nachdem sie aufgedeckt hat, dass ihr Leben im Turm nichts war, als eine große, schön verpackte Lüge, sondern weiß auch nicht, was sie in der realen Welt erwartet. Auch wenn die neue Freiheit erstmal süß schmeckt, lassen sie das überschwemmte, unbekannte Land mit den vielen Menschen, die nur darauf warten, dass sie nach ihrer Befreiung das Ruder übernimmt und ihre Wut über die Taten der AFM nicht vergessen, dass eine große Last auf ihren Schultern ruht: die Verantwortung die Menschheit vor ihrem Aussterben zu retten...


"Sie rufen dabei: "Für Eve." Aber sie tun das nicht für mich. Das ist eine falsche Interpretation. Sie tun es für sich, für uns, für jeden einzelnen Menschen, der existiert oder vor uns existiert hat. Das Leben wird nicht errungen oder genommen. Man darf nicht mit ihm spielen. Man muss es respektieren."


Das Ehepaar Fletcher hat hier keinen typischen Mittelteil geschrieben, der für das Zustandekommen einer Trilogie eben existieren muss, in dem aber nicht viel passiert - ganz im Gegenteil! Ausgehend von der enttarnten Lüge im ersten Teil wird die Geschichte wesentlich action- und temporeicher weitererzählt, sodass uns kaum eine ruhige Minute vergönnt ist. Die Flucht aus dem Turm geht nahtlos in eine Verfolgungsjagd bis zum Rebellenversteck über und bevor wir uns mit Eve und Bram erneut vor den Gardisten der AFM verstecken müssen und die Handlung in einen rasanten Showdown übergeht, prasseln viele neue Eindrücke im Libertisten-Hauptquartier auf uns ein. Die geringere Seitenzahl als Band 1 hat mich zu Beginn zwar etwas verunsichert und skeptisch werden lassen, lasst euch jedoch von mir versichert sein: hier fehlt nichts. Klar, das Autorenduo hätte sich noch etwas mehr Zeit nehmen können, um Eves Ankommen in der "realen Welt" und die Entwicklung ihrer Beziehung zu Bram auf eine neue Stufe genauer zu betrachten, ich finde das Verhältnis, in dem innere Prozesse hier im Vergleich zur Handlung stehen, jedoch angemessen in diesem Genre.


"Es gibt nicht den leisesten Zweifel, dass dies die richtige Entscheidung ist. Und ich bin nicht allein. Das missbilligende Getuschel ist verschwunden. Jetzt summt die Luft förmlich. Ein Summen, dass nach Veränderung klingt. Das Summen eines Volkes, das seine Fesseln abstreift."


Neben dem gesteigerten Erzähltempo hat sich die Geschichte auch auf anderen Ebenen erstaunlich weiterentwickelt. Was in "Eve of Man - Die letzte Frau" noch eine recht harmlose und typische Einführung in eine dystopische Welt war, wird hier um mehrere Dimensionen ernster und auch brutaler. Das kommt zum einen dadurch zustande, dass wir nicht mehr von Eves "perfekter Welt" als netten Ausgleich zur düsteren Außenwelt lesen, sondern nun ganz in der Realität angekommen sind. Hier rückt das im Wasser versunkene ehemalige London, das nun Central genannt wird als postapokalyptisches Setting ein bisschen mehr in den Vordergrund. Die genaue historische Entwicklung, die zu Überschwemmungen und Ausbleiben der Fruchtbarkeit geführt hat, blieb mir aber weiterhin etwas unklar. Zum anderen wird der ernstere Ton dadurch verursacht, dass sich (wie man noch vom Ende des ersten Teils weiß) Hartman und Eves Vater noch im Turm befinden und im Zuge der "Informationsextraktion", wie Miss Silva die physische und psychische Folter an ihren Gefangenen zum Ermitteln des Aufenthaltsortes von Eve, einiges ertragen müssen. Die beiden Autoren lassen es sich hierbei nicht nehmen, Schmerzen, Tod und neue technische Methoden, um ebendiese hervorzurufen, genau zu beschreiben und damit die emotionale Belastbarkeit ihrer Leser das ein oder andere Mal auszutesten.


"Während die Energie im Saal anschwillt, wird mir klar, dass ich noch immer ein Symbol bin, wie zuvor. Früher verkörperte ich allerdings Hoffnung. Jetzt stehe ich für Widerstand."


Einen brühwarmen Einblick in die Vorgänge des Turms erhalten wir hier durch eine neue Erzählperspektive. Während in Band 1 nur Eve und Bram abwechselnd als personale Erzähler tätig waren, kommt hier noch der Gardist Michael hinzu, den wir von einem gewissen Fahrstuhlzwischenfall aus dem Vorgänger kennen. Nach der Flucht des wichtigsten Menschen der Welt, oder wie es offiziell heißt, nach der "Entführung Eves durch den Verräter Bram und die Libertisten", hat er den Platz des Kommandanten der Gardisten eingenommen und soll nun Eve zurückholen. Durch einige Fügungen und Zufälle erhält er das Vertrauen von Vivian Silva und Dr. Wells und soll deshalb auch beim eben genannten "Extrahieren von Informationen" anwesend und behilflich sein. Durch seine Perspektive bekommen wir aber nicht nur einen spannenden Blick hinter die Kulissen des Turms, stoßen auf neue Geheimnisse wie die rätselhafte Welt Äräon, Intrigen und bleiben auf dem Laufenden, was die AFM gerade plant, sondern erhalten auch einen äußerst spannenden und liebenswerten neuen Protagonisten. Seine schrittweise Charakterisierung ausgehend von einem recht profillosen Soldaten, der einfach nur seine Befehle befolgt, hat mir sehr gut gefallen. In seinem Zwiespalt zwischen Loyalität und Grauen, Vertrauen und Rebellion, Gehorsam und Umdenken ist er ein eindrückliches Beispiel für eine ambivalente Persönlichkeit mit innerem Konflikt.


"Ich betrachte die Gesichert, die auf uns blicken. Ich lächle und nicke dankbar. Ich versuche so zu sein, wie sie sich mich wünschen sollen - gütig, zugänglich, nachsichtig, zielbewusst und stark. Und bei jedem Schritt, den ich gehe, fühle ich mich so, denn das bin ich. Die Liebe wirbelt die Dinge auf, die Liebe überwindet alle Widerstände, die Liebe wendet die Geschicke. Meine Liebe zu ihnen, ihre Liebe zu mir und die Liebe, die ich mir selbst entgegenbringe.(...) Die Menschen im Turm - Vivian und ihre Lakaien - wollten mich glauben machen, ich sei schwach und unwürdig, doch nun dämmert die Wahrheit herauf. Sie ist erwacht und ich werde nicht umkehren. Ich werde nicht wieder einschlafen."


Für das Hinzufügen des neuen Handlungsstrangs müssen Eve und Bram zwar ein bisschen Platz machen, die beiden gehen aber keineswegs unter. Im Gegenteil: während ich Eve zuvor noch als oft widersprüchlich und wechselhaft empfunden habe - eben wie ein launischer Teenager - wird sie hier von Seite zu Seite erwachsener und beginnt, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen und eigene Entscheidungen zu treffen. Ihren Wunsch nach Freiheit und Unabhängigkeit, der ihrem Bedürfnis nach Normalität und Stabilität gegenübersteht, konnte ich gut nachfühlen und durch ihr stärkeres Auftreten hier hat sie in meinen Augen deutlich an Profil gewonnen. Auch Bram konnte hier einige Pluspunkte sammeln. Als Eves Anker und Beschützer, der sowohl ihre Sicherheit als auch ihre Unabhängigkeit im Blick behält, ist er ihr eine wichtige Stütze in ihrem Schritt in die Freiheit und kann sich mehr von seinem digitalen Alias Holly abgrenzen. Zwar gingen mir einige Entwicklungen ein bisschen schnell (eben aufgrund des Handlungsfokusses), wie die beiden aber ausgehend von der tiefen, jahrelangen Freundschaft, die sie durch Brams "Pilotentätigkeit", also der Verkörperung von Eves einziger Freundin im Turm, entwickelt hat, eine tiefe Vertrautheit und zarte Gefühle ausbilden, hat mir sehr gut gefallen. Dass Holly in einigen Situationen immer noch zwischen ihnen steht und sie auf ihre gewohnte Interaktion zurückgreifen, wenn sie unsicher sind, ist nur ein Beispiel dafür, wie innovativ und originell die Dynamik zwischen den beiden ist. Wirklichkeit und Schein, Wahrheit und Lüge, Draußen und Drinnen, Tod und Leben, Weiblich und Männlich - das sind nur einige von vielen Gegensätzen, die durch Bram und Eve wunderbar in den Vordergrund gestellt werden und den Leser auf Trab halten.


"Seit je habe ich mich gegen den Titel gewehrt, den sie mir verliehen haben: Als "Retterin der Menschheit" zu gelten, hat mich überfordert. Aber vielleicht bin ich gar nicht hier, um uns vor der Zukunft zu retten, sondern vor der Vergangenheit. Und vielleicht nimmt das alles jetzt, wo ich hergekommen bin, um meinen Körper und meinen Wert zurückzufordern, seinen Anfang."


So entwickelt sich die Geschichte rasant, gefühlvoll und mitreißend und offenbart immer wieder neue, interessante Denkweise und schockierende Geheimnisse, die dem Leser bislang verborgen geblieben waren. Dabei merkt man auch gar nicht, dass hier zwei Autoren am Werk waren. Die Geschichte des Ehepaares Fletcher liest sich absolut flüssig und ohne jeden Bruch, was ich so noch nie bei einer Geschichte erlebt habe, die aus der Kooperation mehrerer Autoren entstanden ist. Großes Lob! Besonders toll ist auch, dass dieser Mittelteil im Gegensatz zum Vorgänger deutlich vom typischen Dystopie-Schema abweicht und mehrere Wendungen enthält, die ich so nicht kommen sehen hatte. Ich hatte nach dem ersten Teil schon mit einem typischen Verlauf inklusive Rebellion, Kampf und spektakuläre Befreiungsaktion gerechnet. So wurde ich total positiv überrascht, dass die Reihe ihren eigenen Weg geht und mit beinahe thrillerartigen Entwicklungen und Enthüllungen abschließt. Das eigentliche Ende kommt dann mit einem bösen Cliffhanger daher und lässt noch einige Fragen offen, die uns hoffentlich im angekündigten letzten Band der Trilogie beantwortet werden, welcher auf Englisch im April erscheint und auf Deutsch wohl noch ein bisschen länger auf sich warten lassen wird.





Fazit:


Deutlich ernster, actionreicher, unvorhersehbarerer und auch brutaler als der Vorgänger - eine positive Überraschung auf ganzer Linie! "Eve of Man - Die Rebellin" ist alles andere als ein typischer Trilogie-Mittelteil und besticht mit tieferen Charakterisierungen, einem höheren Erzähltempo und vielen schockierenden Wendungen.

Für volle 5 Sterne hätte ich mir noch eine konsequenter auserzählte Entwicklung der Liebesgeschichte und mehr Hintergrunddetails zum Setting gewünscht.

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Veröffentlicht am 22.11.2020

Ein vielversprechender Reihenauftakt!

Kaleidra - Wer das Dunkel ruft (Band 1)
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Ich habe von Kira Licht jetzt schon drei Bücher gelesen: ihren YA-Erstling "Sunset Beach" und ihre Götter-Dilogie. Von allen drei Werken war ich total begeistert - hatte aber auch einiges zu kritisieren. ...

Ich habe von Kira Licht jetzt schon drei Bücher gelesen: ihren YA-Erstling "Sunset Beach" und ihre Götter-Dilogie. Von allen drei Werken war ich total begeistert - hatte aber auch einiges zu kritisieren. Und genauso stehe ich auch zu ihrem neuen Urban Fantasy-Auftakt. "Kaleidra - Wer das Dunkel ruft" ein eher ungewöhnliches Thema wundervoll in einer schillernden, witzigen und geheimnisvollen Geschichte um.


"Wir sind Alchemisten". Er sah mich eindringlich an. "Und du bist eine von uns. Eine Loge ist eine Arbeitsgemeinschaft, ein Orden so was wie deine Nationalität. Man ist entweder Silber, Gold oder Quecksilber. Wir sind Gold und mit Silber ist alles kuschlig, mit Quecksilber bekriegen wir uns, weil sie die Weltherrschaft wollen. Klingt wie ein billiger Actionfilm, heißt bei uns aber Realität. Willkommen in der Welt der unbegrenzten Möglichkeiten. Ich hoffe, du bist gut in Chemie."


Schon die Gestaltung ist einfach traumhaft und bringt mich als absoluten Cover-Kritiker immer wieder zum Schwärmen. Düster, geheimnisvoll und wunderschön - die Gestaltung bringt die Atmosphäre der Geschichte auf den Punkt. Nicht nur dass die Lichtpunkte und die geometrischen Formen die naturwissenschaftlichen aber auch fantastischen Anklänge des Romans auffangen, die starken Kontraste zwischen hellem, weichen Gold und dunklen, schwarzen Schatten passen auch wunderbar zum Thema. Zusammen mit dem goldenen Titel und dem dunklen Lesebändchen wird das Buch zu einem Gesamtkunstwerk. Auffällig am Innenleben dieser Schönheit ist, dass die Seiten sehr dünn sind und die 560 Seiten deshalb optisch eher wie höchstens 350 erscheinen. Eine kleine positive Überraschung hat das Buch noch auf den letzten Seiten parat. Hier wartet nämlich ein hilfreiches Glossar auf den verwirrten Leser.


"Er neigte den Kopf zu mir, und für den Bruchteil einer Sekunde strich sein warmer Atem über mein Ohr, als er dieses eine Wort flüsterte. "Kaleidra."
Es klang, als würde ein sanfter Hauch durch ein Windspiel streichen. Sphärisch, schillernd und glockenhell. Es berührte einen unbekannten Teil von mir. Ich schmeckte Farben auf meiner Zunge, ich hörte die raue Schönheit, die es verhieß, ich fühlte die Kraft in mir leise lachen. "Kaleidra"


Verwirrt deshalb, da Kira Licht hier ein eher ungewöhnliches Thema zum Mittelpunkt ihrer neuen Reihe auserwählt hat: die Alchemie. Dass Bücher über verborgene Geheimlogen, Reisen durch magische Artefakte und Konkurrenzkämpfe zwischen den Gruppierungen gut als Jugendfantasy funktionieren, weiß man spätestens seit "Rubinrot" und so löste sich meine anfängliche Skepsis bald in Begeisterung auf. Denn wer hätte gedacht, dass chemische Reaktionen, verstaubte Manuskripte und komplizierte Rätsel so spannend sein können? Die Protagonistin und Ich-Erzählerin Emilia ahnt auf jeden Fall nicht, welch turbulentes Abenteuer auf sie zu kommt, als sie wenige Tage nach ihrer letzten Prüfung die Wanderausstellung zum sagenumwobenen Voynich-Manuskript besucht. Als sie irgendwas von Planeten, blutenden Pelikanen und Drachen vorliest, staunen nicht nur ihre Freunde nicht schlecht, es werden auch verborgene Mächte auf sie aufmerksam. Denn das Manuskript kann von keinem Menschen oder Computer der Welt entschlüsselt werden - nur von einer Nachfahrin der berühmten Silberalchimistin Maria di Luca...


"Für sie ist das gesamte Voynich-Manuskript eine Anleitung zu einem großen Spiel." Er hielt in seiner Bewegung inne, ließ das Handy sinken, und dann sah er mich schließlich wieder direkt an. "Und du bist vermutlich die Einzige, die die Regeln durchschauen kann."


So geraten wir zusammen mit Emilia in eine geheime Welt voller Geheimlogen, verschlüsselten Dokumente, gefährlichen Missionen, uralte Feindschaften und Allianzen und müssen uns erst mit den neuen Gegebenheiten zurechtfinden, wo Schlangenamulette durch die Luft fliegen, man mit dem Stein der Weisen durch die Welt reisen kann und Augen silbern oder golden leuchten. Das klingt jetzt erstmal sehr magisch und auch die Genrebezeichnung "Urban Fantasy" weist auf einen hohen Fantastikgehalt hin, in "Kaleidra" zieht die Autorin das Thema "Alchemie" jedoch eher wissenschaftlich auf und erklärt viele Vorgänge durch chemische Reaktionen statt durch Magie. Wer jetzt denkt, "Chemie, igitt", dem sei versichert, dass man die Geschichte auch ohne jegliches chemische Vorwissen gut verfolgen kann, es aber dennoch besser wäre, wenn man zumindest das nötige Vorstellungsvermögen mitbringt. Wer nicht weiß, dass Natrium zusammen mit Chlor zu Salz reagiert, oder Quecksilber einen niedrigeren Siedepunkt hat als Silber und Gold, wird die Handlung dank Kiras leicht verständlichen Schilderungen trotzdem nachvollziehen können. Richtig Spaß macht die Geschichte aber erst, wenn man die innere Logik der Actionszenen versteht und auch mit Kiras Beschreibungen von Laboren, fliegenden Riesenschlangen und Parallelwelten etwas anfangen kann - nur dann entfaltet sie ihr volles Potential. Wenn Chemie also euer wunder Punkt ist (bei mir zum Glück nicht - Chemie Leistungskurs in der Schule haha), kann ich es euch nicht verübeln, wenn ihr auf Grund der Thematik abspringt.


"Der Tod ist unser täglicher Begleiter." Er hob ganz leicht das Kinn. "Aber ich bin sehr gut darin, ihm die Stirn zu bieten. Und ich bin sehr gut darin, ihn von anderen fernzuhalten." Er sah kurz zur Seite, doch dann glitt sein Blick zurück zu mir. "Ihn von dir fernzuhalten."


Neben dem prominenten Mystery/Chemie Aspekt, aus dem die Alchemie-Thematik besteht, ist auch eine starke Abenteuerkomponente vertreten. Emilia muss nämlich nicht nur damit zurechtkommen, dass sie von einer uralten Linie von Alchemisten abstammt, sondern wird auch dringend in der Goldloge gebraucht, um ein zerfallendes Dokument zu entschlüsseln und die Anweisungen darauf zu befolgen, bevor sie für immer verloren sind. Das Voynich-Manuskript (das es übrigens tatsächlich gibt), führt Emilia und ihren Mitstreiter aus der Goldloge, Ben, an verschiedene historische Orte auf der ganzen Welt, an denen Rätsel zu lösen und Bausteine zu bergen sind. Egal ob nach Palermo, Syrien oder Frankreich - es gibt immer etwas zu entdecken und allerlei gefährliche Hindernisse, die Ben und Emilia im Weg stehen. Diese immer mal wieder eingestreuten Indiana-Jones-Abenteuer, die sich mit gelegentlichen Aufeinandertreffen mit der rivalisierenden Quecksilberloge abwechseln, boosten die Spannung natürlich enorm, bleiben aber insgesamt recht knapp erzählt und lassen genügend Platz für Gespräche, Fragen, Kennenlernen und Emilias Ankommen in ihrer neuen Welt.


"Du bist mein, ich bin dein.
Wir sind alles, wir sind nichts.
Wir sind Diener, wir sind Herrschende.
Wir waren, wir sind, wir werden sein."


Auch eine Liebesgeschichte darf in einem Jugendbuch nicht fehlen. Die sich anbahnende Romanze zwischen Emilia und Ben bleibt hier jedoch sehr lange im Hintergrund und entwickelt sich eher subtil, statt übergangslos von sexueller Anziehungskraft zur großen Liebe zu springen. Das passt aus vielen verschiedenen Gründen sehr gut und konnte mich sowohl emotional abholen als auch inhaltlich überzeugen. Zum einen haben wir durch die langsame Entwicklung genügend Zeit, die Protagonisten kennenzulernen und zu verstehen, in welche Strukturen wir hineingeraten sind. Zum anderen sind Berührungen und sonstige Annäherungen zwischen Mitglieder verschiedener Logen verboten und die beiden können sich zu Beginn nicht sehr leiden, was beides nicht unbedingt begünstigende Faktoren für eine Liebesbeziehung sind. So lernen sich "Lord Hastings und die Silberfee" (wäre auch ein witziger Buchtitel by the way) aka Emilia und Ben erst nach und nach besser kennen, wodurch auch die Chemie zwischen den beiden erst schleichend auftritt. Im letzten Drittel sprühen dann aber doch die Funken zwischen den beiden - im wahrsten Sinne des Wortes ...


"Keine Gegenargumente? Keine flammende Rede zugunsten der großen Macht der Liebe?" Ich erwiderte sein Lächeln. "Die Liebe ist so groß, dass sie Platz für jede Art von Theorie hat. Wenn Liebe für dich Egoismus ist, dann ist es eben so."
"Was ist sie für dich?"
Für einen kurzen Moment glitt mein Blick zur Seite, bevor ich wieder hoch in sein Gesicht sah. "Hingabe."


Mystery, Action-Abenteuer und eine zarte Liebesgeschichte - was will man noch mehr? Ja genau, ein tolles Setting! Ich weiß auch nicht, wie die Autorin es immer schafft, einen möglichst atmosphärischen Schauplatz für ihre Geschichte auszuwählen. Nach den Göttern in Paris folgen nun die Alchemisten in Rom und wie schon in der Götter-Dilogie hat Kira Licht das Potential ihres Settings wunderbar genutzt. Denn Rom bietet sich als geschichtsträchtige Stadt und Ursprung des Konflikts zwischen Übernatürlichem und Wissenschaft natürlich super für eine Alchemisten-Geschichte samt Rätsel-Schnitzeljagd und Anspielungen an viele historischen Orte, Persönlichkeiten, Fakten und Theorien an.


"Du bist wie Richard Löwenherz. Ich kenne niemanden, der mutiger ist als du. Du kannst knallhart sein, aber auch unglaublich sensibel." Ich sah ihn an. "Verletzlich. Du versteckst so viel hinter deiner Maske aus Geschäftsmäßigkeit. Aber ich sehe es. Ich sehe dich." Er wandte sich mir jetzt komplett zu, sein Blick offen, völlig ehrlich. "Willst du wissen, was du für mich bist?" Ich nickte. "Kennst du dieses Spiel, in dem man aus Holzsteinen einen hohen Turm baut? Und dann zieht man immer mehr Bausteine aus dem Turm, bis..." Er brach ab. Doch ich wusste, wovon er sprach, ahnte, was er damit meinte. Und es berührte mich zutiefst.
"Es ist bloß dieser eine Stein", sagte er leise, "der dafür sorgt, dass etwas, das so sicher stand, komplett in sich zusammenbricht."


Zum Leben erweckt wird diese wundersame Mischung aber erst durch Kira Lichts spritzigen, erfrischend humorvollen und lockeren Schreibstil. Sie zieht ihre Geschichte rasant auf und sorgt durch schlagfertige Dialoge, kreative Ideen, skurrile Begegnungen und leise Romantik dafür, dass es während der 560 Seiten niemals langweilig wird. Auch der Realitätsbezug geht hier nie verloren. Mit viel Schwung und Enthusiasmus proträtiert sie das offene, erwartungsvolle Gefühl der Jugendlichen in ihrem Abschlussjahr, das von Aufbruch, Träumen, Lebensplanung und Konflikten geprägt ist und lässt diese Stimmung in die Geschichte miteinfließen. Durch ihren einmaligen Humor, der mich ein wenig an Jennifer L. Armentrout in ihren besten Jahren erinnert hat, bringt sie immer wieder Schwung in die Geschichte und hat mich ein ums andere Mal zum Lachen gebracht.


"Man kann sein Herz nur einmal verschenken." Er sah mich nicht an, als er an mir vorbei ging. "Und genau deshalb sollte man umso weiser wählen."


Klar, die Autorin erfindet das Genre nicht gerade neu und greift auch auf altbewährte Strategien und Abläufe zurück, aber ihr gelingt es mit viel Einfallsreichtum und Kreativität, einen individuellen Wiedererkennungswert zu hinterlassen und ein ganz besonderes Lesegefühl hervorzurufen. Vor allem bei der Gestaltung ihrer beiden Hauptcharaktere hat Kira Licht meines Erachtens aber ein bisschen zu sehr auf typische Jugendbuch-Klischees zurückgegriffen. Emilia ist als magische Überfliegerin und wichtige Schlüsselfigur für eine große Mission natürlich die "Special Snowflake" und Ben der dazu passende arrogante Love Interest mit vielen Geheimnissen. Naiv und unwissend trifft auf gutaussehend, rätselhaft und Teil einer verborgenen, magischen Welt - das ist definitiv kein neues Konzept, dennoch hat mir vor allem die Darstellung von Emilia gut gefallen. Sie ist zwar neu in der Materie (noch ein Chemie, Wortwitz haha), lässt sich aber nicht unterbuttern, macht emanzipiert das Beste aus ihrer Situation, hat immer einen flotten Spruch auf den Lippen und glaubt und tut vor allem nicht dümmlich lächelnd alles, was Ben ihr sagt. Dadurch wirkt sie manchmal vielleicht etwas trotzig und leichtsinnig, für mich war das aber eine tolle Abwechslung zu den ewigen lahmarschigen "Damsel in Distress"- Protagonistinnen in der YA-Fantasy.


"Ich atmete aus, und Silberpartikel flirrten in der Wolke meines Atems. Kommt, tanzt für mich. Ich drehte mich zu Ben. Sein tiefgoldener Blick schien mich zu verbrennen. ich wusste, dass er das Silber in meinen Augen sah. Wir waren zwei Naturgewalten, die aufeinander zurasten. Wir waren zu groß für diesen Raum. Wir waren zu mächtig, um Feinde zu sein. Wir waren dafür gemacht, Seite an Seite die Welt aus ihren Angeln zu reißen."


Durch die vielen Details über die Missionen, die Logen und den großen Rahmen der Geschichte, den wir hier präsentiert bekommen, gehen die Nebencharaktere wie zum Beispiel Emilias Freunde Tizi und Matti oder die weiteren Mitglieder der Goldloge wie Annmary, Oliver, Larkin oder Murphy etwas unter. Das ist jedoch erstmal nicht dramatisch, denn deshalb ist "Kaleidra - Wer das Dunkel ruft" auch ein Reihenauftakt und kein Einzelband. Hier ist also noch alles drin! Auch das Ende folgt genau diesem Motto. Nach 560 Seiten Abenteuer, Rätsel und Geheimnisse folgt ein spannender Showdown, der einige Überraschungen und Wendungen bereithält und in einem miesen Cliffhanger gipfelt. Damit ist natürlich klar, dass diese Geschichte noch lange nicht zu Ende erzählt wurde und noch viele spannende Leseabenteuer auf uns warten. Ich freue mich auf jeden Fall sehr auf den nächsten Teil!



Fazit:


In "Kaleidra - Wer das Dunkel ruft" entführt Kira Licht in eine spannende Welt voller Geheimlogen, verschlüsselten Dokumente, gefährlichen Missionen, uralte Feindschaften und Allianzen und verbindet Mystery, Abenteuer, ein atmosphärisches Setting und eine zarte Liebesgeschichte. Ein vielversprechender Reihenauftakt, der jedoch noch ein bisschen zu nah an YA-Klischees blieb...

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