Disclaimer: Vorab muss ich dazusagen, dass das mein erster (und wohl ganz sicher auch letzter) Ausflug in die MC Romance war und meine Abneigung gegenüber dieser Geschichte sich deshalb wohl eher auf das ...
Disclaimer: Vorab muss ich dazusagen, dass das mein erster (und wohl ganz sicher auch letzter) Ausflug in die MC Romance war und meine Abneigung gegenüber dieser Geschichte sich deshalb wohl eher auf das ganze Genre und weniger auf dieses Buch speziell bezieht...
Handlung: Ich habe mittlerweile schon das ein oder andere Dark Romance Buch gelesen und auch wenn keine der gelesenen Geschichten im entferntesten einem literarischen Meisterwerk gleichkamen, haben sie mich egal ob mit CEOs, Fantasyfiguren, Agenten, Drogenbosse oder Mafiosi bislang wenigstens gut unterhalten. Dieser Ausflug in die Welt der Motorclubs und Biker war aber in erster Linie: seeehr cringe. Nach spannenden Wendungen, Charakterentwicklung oder gezeichnetem Spannungsbogen sucht man auf den 262 Seiten vergeblich. Dafür gibt es jede Menge sexuelle Fantasien, Gewalt und übereilte Liebeserklärungen. Gegen Ende nimmt die Geschichte dann mehr Fahrt auf, bleibt aber recht vorhersehbar und viel zu unrealistisch und überzeichnet, als dass ich wirklich mitfiebern konnte. Ich meine eine MC Parallelwelt im praktisch rechtsfreien Raum mit Käfigkämpfen, Entführungen, Massaker, Zwangsprostitution, Menschenhandel und Drogendeals mitten in den USA... Ich weiß natürlich, dass Biker Gangs und deren Rivalitäten in Amerika eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit darstellen. Aber diese realitätsferne und absolut unproblematisierte Romantisierung der Biker-Kultur konnte mich einfach nicht abholen.
Schreibstil: Auch der Schreibstil mit der sehr derben Sprache, den vielen sexualisierten Gedanken (vor allem des Protagonisten Cage, der neben Billie auch erzählt) und Ausdrücken konnte mich nicht überzeugen. Die Biker-Welt mit "Brüdern", "Old Ladys", "Messen", "Kutten", "Prospects" und "Clubschlampen" und diversen Ausschweifungen konnte ich irgendwie nicht ganz ernstnehmen. Versteht mich nicht falsch: die Story hatte auch ihre guten Momente, insgesamt hat mich aber hier vieles abgestoßen, statt anzuziehen, sodass ich beschlossen habe, von Biker-Romances in Zukunft generell eher Abstand zu nehmen.
Charaktere: Ein kleiner Lichtblick waren hier einige Nebenprotagonisten wie Billies kleine Schwester Rose oder ihre neue Bekannte Tinker. Für die wirklich süße Nebenhandlung um das neue Leben der beiden Schwestern bleibt in diesem Dark Romance Buch aber nicht besonders viel Raum und statt die Protagonisten wirklich zu entwickeln geht es mit oberflächlichem Geplänkel weiter. Auch wenn beide Hauptfiguren grundsätzlich sympathisch sind, stört mich, dass sie so oberflächlich gezeichnet sind, dass ihr Charakter außerhalb ihrer gegenseitigen Anziehung eigentlich keine Rolle spielt. Gerade Cage ist der typischer starker Bad Boy mit zu stark ausgeprägtem Beschützerinstinkt, der bloß auf seine Stärke, sein Aussehen und seine Männlichkeit reduziert wurde. Auch seiner Vergangenheit als Cop und seine schmerzhaften Erfahrungen, die ihn in die MC getrieben haben konnten ihm nicht wirklich mehr Profil verleihen. Billie ist der wunderschöne, verletzliche, aber doch starke Gegenpart zu ihm, die sich nach kurzen Zweifeln nur zu gerne in die rettenden Arme ihres starken Helds wirft. Da ist definitiv noch Luft nach oben!
Die Zitate:
"Ich weiß nicht, wie ich mit dem umgehen soll, was gerade passiert ist. Mein Verstand schreit: Renn weg. Mein Körper schreit: Nimm dir mehr. Und das ist es, was ich wirklich will. Mehr."
"Ein MC hat mir die schlimmsten Dinge angetan. Nicht nur mir, sondern auch Rose. Meine Familie ist tot. Ich habe erlebt, wie Frauen, die ich geliebt habe, in die Sklaverei verkauft oder vergewaltigt wurden. Ich habe miterlebt, wie schnell aus einem Club wie den Bastards ein tiefes schwarzes Loch mitten in der Hölle werden kann, das dich verschlingt, bis nichts mehr von dir übrig bleibt. Aber ich habe auch erlebt, wie sich fremde Menschen in den letzten Tagen für mich eingesetzt und mir dabei geholfen haben, ein neues Leben für Rose und mich aufzubauen. Menschen, die mir nichts schulden. Diese Menschen waren auch Teil eines Clubs."
Das Urteil:
Dieser erste Ausflug in die Welt der Motorclubs und Biker war mir viel zu derb, unlogisch und vorhersehbar, um mich zu überzeugen. Ich konnte weder die Protagonisten noch die Biker Welt mit ihrer Gewalt und ihren Ausschweifungen wirklich ernstnehmen und werde mich deshalb in Zukunft von diesem Sub-Genre fernhalten.
Nachdem Leonie Lastellas Romandebüt "Das Licht von tausend Sternen" eine DIESER Geschichten war - die, die dich beim Lesen alles vergessen lassen, die du in Gedanken den ganzen Tag mit dir herumträgst ...
Nachdem Leonie Lastellas Romandebüt "Das Licht von tausend Sternen" eine DIESER Geschichten war - die, die dich beim Lesen alles vergessen lassen, die du in Gedanken den ganzen Tag mit dir herumträgst und in deine Träume mitnimmst; die, die voller bittersüßer Momente von der ganz undefinierbaren Sorte sind, bei denen du dich nicht genau entscheiden kannst, ob du vom Glück überwältigt oder von der Traurigkeit gerührt sein sollst; genau DIESE Art von Geschichte - und mich im März zu einem absoluten Fan gemacht hat, stand es nicht zur Debatte, dass ich auch ihren zweiten Roman "Wenn Liebe eine Farbe hätte" lesen muss. Und - oh Wunder -, auch diese Geschichte entpuppte sich als zuckersüßer Glücksgriff, auch wenn mich die Story von Everly und Weston nicht ganz so mitreißen konnte wie die von Harper und Ashton.
Weston: "Hass ist im Prinzip das Gleiche wie Liebe. Beide Gefühle sind mächtig, verschlingend. Nicht mein Ding.“
Mit der Gestaltung hat der dtv Verlag mal wieder einen Volltreffer gelandet. Wieder besonders an der Machart ist, dass der Einband aus bedruckter, weicher Pappe besteht und der Titel in silberner Prägung wie eines dieser Metallic-Kratzbilder wirkt, die ich vor einigen Jahren geliebt habe. Statt eines einfachen, schwarzen Hintergrunds wie bei Lastellas Erstling, umfasst hier ein an einen Abendhimmel erinnernden Farbverlauf den schwarzen Fleck, der den Titel umgibt. Warum der Roman ausgerechnet den kunstvollen Titel "Wenn Liebe eine Farbe hätte" trägt, wird erst mit der Zeit klar, entfaltet dann aber nachträglich seine Wirkung. Auf 400 Seiten erzählen Everly und Weston abwechselnd in 61 kurzen Kapiteln ihre Geschichte, die an sich nicht besonders aufregend, neu oder glamourös daherkommt, aber schon nach wenigen Seiten ihre leise, echte Magie entfaltet.
Erster Satz: "Der Geruch nach Alkohol und feiernden Menschen durchdringt die Luft auf Miles´ Party."
Denn Leonie Lastella schreibt hier wieder sehr lebensnah über Themen, die junge Menschen beschäftigen, über Protagonisten, die es wirklich geben könnte und Gefühle, die wir wohl alle kennen. Anstrengendes Studium, schwieriger WG-Alltag, verkorkstes Familienleben, vertrackte Freundschaften, Hetzen zum Nebenjob und unerfüllte Träume sind nur einige der Probleme, mit denen Everly und Weston sich herumschlagen müssen und so ist es nicht verwunderlich, dass die Stimmungsskala eher dunkler gefärbt ist und ich diese Geschichte nicht unbedingt als Wohlfühlroman bezeichnen würde. Auch die Themen Verantwortung, Verlust, Zukunftsangst, Kunst und Selbstverwirklichung halten hier Einzug und werden stimmig zu einer berührenden, echten Geschichte verarbeitet. Und was sorgt mitten in all dem Wahnsinn dafür, dass Everly und Weston nicht die Hoffnung verlieren, weiterkämpfen und ihre Welt bunter wird? Die große Liebe...
Weston:"Everly und du, ihr passt gut zusammen." Olivia wirkte zufrieden. "Sie braucht jemanden, der sie aus ihrem Schneckenhaus holte, und du..." Sie sieht mich lächelnd an. "Du brauchst definitiv einen Anker."
Doch Anker haben die Angewohnheit einen in die Tiefe zu reißen...."
Anders als im typischen New-Adult-Roman geht es hier mal nicht nur um heiße Leidenschaft und anziehende Protagonisten mit sexualisierten Gedanken und großem Lebenstraumata, sondern um zwei Protagonisten die einfach unfassbar süß zusammen passen, auch wenn ihre Welten scheinbar nicht kompatibel sind. Während Everly neben ihrem Medizinstudium durch zwei Nebenjobs hetzt, sich um den Gesundheitszustand ihrer Großmutter sorgt, bei der sie aufgewachsen ist und ihr Leben in trockenen Tüchern scheint, bewegt sich Westons Leben, der als Schulabbrecher ein kleines Diner betreibt, in eine ganz andere Richtung. Als sie durch eine Reihe an Zufällen (oder eher durch sorgfältige Kuppelarbeit von Großmutter Olivia) aufeinandertreffen, um Geld zu sparen zusammenziehen und dadurch gezwungen sind, die Welt des jeweils anderen besser kennenzulernen, merken sie jedoch, dass sie nicht ganz so verschieden sind und sich gegenseitig Halt geben können. Auch wenn ich zwischen den beiden keine große Chemie gespürt habe, hat mir sehr gut gefallen, dass die Autorin ein behutsames und wohlüberlegtes Tempo vorlegt: hier geht es nicht zu schnell, nicht zu langsam, nichts ist unrealistisch, weit hergeholt oder langweilig. Zwar gibt es auch hier einige Missverständnisse, Geheimnisse und das Leben, das sich zwischen die beiden zu drängen versucht, Leonie Lastella kommt aber ohne Klischees, überzogene Dramen oder andere unerfreuliche Stilmittel des Durchschnitts-Liebesromans aus. Dazu kommt, dass der nervige, unvermeidbare Prä-Happy-End-Breakdown hier endlich mal gut konstruiert und aus der Story nachvollziehbar entwickelt wurde.
Weston: "Wenn ich sie berühre, ist das wie ein Beben. Keines, das Katastrophen verursacht, sondern ein gutes. Wenn sie nicht da ist, schlägt mein Herz zu langsam und findet den richtigen Takt erst, sobald sie auftaucht. Ich brauche sie, damit mein Körper funktioniert. So einfach ist das. So biologisch. So eine verfluchte Scheiße."
Auch Leonie Lastellas atmosphärischer Schreibstil, der es ähnlich dessen der "Queen-of-Hearts" (Colleen Hoover) schafft, sämtliche Gefühle mit wenigen Worten und ohne geschwollene Metaphern oder Ausschweifungen auszudrücken und - noch viel wichtiger - lebensecht an den Leser weiter zu transportieren, präsentiert die Geschichte im besten Licht. So wird die recht vorhersehbare Handlung, die durch die beiden ehrlichen Ich-Erzähler keine Geheimnisse, überraschende Lebensumstände oder verborgene Gefühle der beiden Figuren zu bieten hat, trotzdem zu keinem Zeitpunkt langweilig. Dennoch (und hier kommt das große ABER ins Spiel, das dafür gesorgt hat, dass "Wenn Liebe eine Farbe hätte", mich nicht so sehr überzeugen konnte, wie Lastellas Vorgänger) haben mir hier die geballten Emotionen gefehlt, die "Das Licht von tausend Sternen" so mitreißend gemacht hat, der besondere Funke, der auch weit nach dem Beenden der Geschichte das Vergessen unmöglich machte und die außergewöhnliche Grundidee, die einen bleibenden Eindruck hinterließ. Versteht mich nicht falsch, ich mochte die Geschichte wirklich sehr, sie hatte nur einfach nicht genügend Pepp, um ein richtiges Herzensbuch zu werden.
Everly: "Wir sprechen vielleicht nicht immer dieselbe Sprache, unsere Körper hingegen schon. Und das ist eine vollkommen neue Erfahrung für mich. Es passiert einfach. Ich lasse mich fallen. Ich falle. Und Wes fängt mich mit jeder Berührung, jedem Kuss auf."
Das lag auch ein wenig an den Protagonisten. Everly blieb mir ein wenig zu blass. Zwar ist sie sensibel, einfühlsam, schlau und ... nett, was aber im Endeffekt darauf hinausläuft, dass sie einiges mit sich machen lässt. Egal ob Weston, ihre beste Freundin Jules, oder ihre geliebte Großmutter Olivia - neben den starken, polarisierenden und auch mal ambivalenten Persönlichkeiten wirkte sie ein wenig fade und lässt eine klare eigene Stimme vermissen. Weston hat mir da schon besser gefallen was seine persönlichen Konflikte anbelangt (zum Beispiel sein Problem mit seinem Vater oder auch seine Verarbeitung in Form von Kunst) geht aber alles ein wenig schnell und bleibt oberflächlich, da der Hauptfokus der Geschichte an einer anderen Stelle liegt. Auch das ist Meckern auf hohem Niveau und im Grunde mochte ich beide sehr. Wohin ihr Weg am Ende nun genau führt und wie sie ihre Probleme vollends lösen wollen, wird am Schluss natürlich nicht komplett geklärt - das wäre ja auch viel zu unrealistisch. Dadurch dass einiges offengelassen wird, macht die Autorin deutlich, dass es sich hier nicht um ein Ende, sondern erst um einen Anfang handelt. Dass ich diesem wieder beiwohnen durfte hat mich sehr gefreut - das wird auf keinen Fall mein letztes Buch von der Autorin gewesen sein...
Fazit:
"Wenn Liebe eine Farbe hätte" entpuppt sich als zuckersüßer Glücksgriff, auch wenn mich die Story von Everly und Weston nicht ganz so mitreißen konnte wie Leonie Lastellas Vorgänger. Dafür blieben mir die Protagonisten zu blass und es fehlte der gewisse Funke, der diese Geschichte zusammen mit dem atmosphärischen Schreibstil der Autorin, der authentischen Romanze und den lebensnahen Themen zu einem Herzensbuch gemacht hätte.
Nachdem Leonie Lastellas Romandebüt "Das Licht von tausend Sternen" eine DIESER Geschichten war - die, die dich beim Lesen alles vergessen lassen, die du in Gedanken den ganzen Tag mit dir herumträgst ...
Nachdem Leonie Lastellas Romandebüt "Das Licht von tausend Sternen" eine DIESER Geschichten war - die, die dich beim Lesen alles vergessen lassen, die du in Gedanken den ganzen Tag mit dir herumträgst und in deine Träume mitnimmst; die, die voller bittersüßer Momente von der ganz undefinierbaren Sorte sind, bei denen du dich nicht genau entscheiden kannst, ob du vom Glück überwältigt oder von der Traurigkeit gerührt sein sollst; genau DIESE Art von Geschichte - und mich im März zu einem absoluten Fan gemacht hat, stand es nicht zur Debatte, dass ich auch ihren zweiten Roman "Wenn Liebe eine Farbe hätte" lesen muss. Und - oh Wunder -, auch diese Geschichte entpuppte sich als zuckersüßer Glücksgriff, auch wenn mich die Story von Everly und Weston nicht ganz so mitreißen konnte wie die von Harper und Ashton.
Weston: "Hass ist im Prinzip das Gleiche wie Liebe. Beide Gefühle sind mächtig, verschlingend. Nicht mein Ding.“
Mit der Gestaltung hat der dtv Verlag mal wieder einen Volltreffer gelandet. Wieder besonders an der Machart ist, dass der Einband aus bedruckter, weicher Pappe besteht und der Titel in silberner Prägung wie eines dieser Metallic-Kratzbilder wirkt, die ich vor einigen Jahren geliebt habe. Statt eines einfachen, schwarzen Hintergrunds wie bei Lastellas Erstling, umfasst hier ein an einen Abendhimmel erinnernden Farbverlauf den schwarzen Fleck, der den Titel umgibt. Warum der Roman ausgerechnet den kunstvollen Titel "Wenn Liebe eine Farbe hätte" trägt, wird erst mit der Zeit klar, entfaltet dann aber nachträglich seine Wirkung. Auf 400 Seiten erzählen Everly und Weston abwechselnd in 61 kurzen Kapiteln ihre Geschichte, die an sich nicht besonders aufregend, neu oder glamourös daherkommt, aber schon nach wenigen Seiten ihre leise, echte Magie entfaltet.
Erster Satz: "Der Geruch nach Alkohol und feiernden Menschen durchdringt die Luft auf Miles´ Party."
Denn Leonie Lastella schreibt hier wieder sehr lebensnah über Themen, die junge Menschen beschäftigen, über Protagonisten, die es wirklich geben könnte und Gefühle, die wir wohl alle kennen. Anstrengendes Studium, schwieriger WG-Alltag, verkorkstes Familienleben, vertrackte Freundschaften, Hetzen zum Nebenjob und unerfüllte Träume sind nur einige der Probleme, mit denen Everly und Weston sich herumschlagen müssen und so ist es nicht verwunderlich, dass die Stimmungsskala eher dunkler gefärbt ist und ich diese Geschichte nicht unbedingt als Wohlfühlroman bezeichnen würde. Auch die Themen Verantwortung, Verlust, Zukunftsangst, Kunst und Selbstverwirklichung halten hier Einzug und werden stimmig zu einer berührenden, echten Geschichte verarbeitet. Und was sorgt mitten in all dem Wahnsinn dafür, dass Everly und Weston nicht die Hoffnung verlieren, weiterkämpfen und ihre Welt bunter wird? Die große Liebe...
Weston:"Everly und du, ihr passt gut zusammen." Olivia wirkte zufrieden. "Sie braucht jemanden, der sie aus ihrem Schneckenhaus holte, und du..." Sie sieht mich lächelnd an. "Du brauchst definitiv einen Anker."
Doch Anker haben die Angewohnheit einen in die Tiefe zu reißen...."
Anders als im typischen New-Adult-Roman geht es hier mal nicht nur um heiße Leidenschaft und anziehende Protagonisten mit sexualisierten Gedanken und großem Lebenstraumata, sondern um zwei Protagonisten die einfach unfassbar süß zusammen passen, auch wenn ihre Welten scheinbar nicht kompatibel sind. Während Everly neben ihrem Medizinstudium durch zwei Nebenjobs hetzt, sich um den Gesundheitszustand ihrer Großmutter sorgt, bei der sie aufgewachsen ist und ihr Leben in trockenen Tüchern scheint, bewegt sich Westons Leben, der als Schulabbrecher ein kleines Diner betreibt, in eine ganz andere Richtung. Als sie durch eine Reihe an Zufällen (oder eher durch sorgfältige Kuppelarbeit von Großmutter Olivia) aufeinandertreffen, um Geld zu sparen zusammenziehen und dadurch gezwungen sind, die Welt des jeweils anderen besser kennenzulernen, merken sie jedoch, dass sie nicht ganz so verschieden sind und sich gegenseitig Halt geben können. Auch wenn ich zwischen den beiden keine große Chemie gespürt habe, hat mir sehr gut gefallen, dass die Autorin ein behutsames und wohlüberlegtes Tempo vorlegt: hier geht es nicht zu schnell, nicht zu langsam, nichts ist unrealistisch, weit hergeholt oder langweilig. Zwar gibt es auch hier einige Missverständnisse, Geheimnisse und das Leben, das sich zwischen die beiden zu drängen versucht, Leonie Lastella kommt aber ohne Klischees, überzogene Dramen oder andere unerfreuliche Stilmittel des Durchschnitts-Liebesromans aus. Dazu kommt, dass der nervige, unvermeidbare Prä-Happy-End-Breakdown hier endlich mal gut konstruiert und aus der Story nachvollziehbar entwickelt wurde.
Weston: "Wenn ich sie berühre, ist das wie ein Beben. Keines, das Katastrophen verursacht, sondern ein gutes. Wenn sie nicht da ist, schlägt mein Herz zu langsam und findet den richtigen Takt erst, sobald sie auftaucht. Ich brauche sie, damit mein Körper funktioniert. So einfach ist das. So biologisch. So eine verfluchte Scheiße."
Auch Leonie Lastellas atmosphärischer Schreibstil, der es ähnlich dessen der "Queen-of-Hearts" (Colleen Hoover) schafft, sämtliche Gefühle mit wenigen Worten und ohne geschwollene Metaphern oder Ausschweifungen auszudrücken und - noch viel wichtiger - lebensecht an den Leser weiter zu transportieren, präsentiert die Geschichte im besten Licht. So wird die recht vorhersehbare Handlung, die durch die beiden ehrlichen Ich-Erzähler keine Geheimnisse, überraschende Lebensumstände oder verborgene Gefühle der beiden Figuren zu bieten hat, trotzdem zu keinem Zeitpunkt langweilig. Dennoch (und hier kommt das große ABER ins Spiel, das dafür gesorgt hat, dass "Wenn Liebe eine Farbe hätte", mich nicht so sehr überzeugen konnte, wie Lastellas Vorgänger) haben mir hier die geballten Emotionen gefehlt, die "Das Licht von tausend Sternen" so mitreißend gemacht hat, der besondere Funke, der auch weit nach dem Beenden der Geschichte das Vergessen unmöglich machte und die außergewöhnliche Grundidee, die einen bleibenden Eindruck hinterließ. Versteht mich nicht falsch, ich mochte die Geschichte wirklich sehr, sie hatte nur einfach nicht genügend Pepp, um ein richtiges Herzensbuch zu werden.
Everly: "Wir sprechen vielleicht nicht immer dieselbe Sprache, unsere Körper hingegen schon. Und das ist eine vollkommen neue Erfahrung für mich. Es passiert einfach. Ich lasse mich fallen. Ich falle. Und Wes fängt mich mit jeder Berührung, jedem Kuss auf."
Das lag auch ein wenig an den Protagonisten. Everly blieb mir ein wenig zu blass. Zwar ist sie sensibel, einfühlsam, schlau und ... nett, was aber im Endeffekt darauf hinausläuft, dass sie einiges mit sich machen lässt. Egal ob Weston, ihre beste Freundin Jules, oder ihre geliebte Großmutter Olivia - neben den starken, polarisierenden und auch mal ambivalenten Persönlichkeiten wirkte sie ein wenig fade und lässt eine klare eigene Stimme vermissen. Weston hat mir da schon besser gefallen was seine persönlichen Konflikte anbelangt (zum Beispiel sein Problem mit seinem Vater oder auch seine Verarbeitung in Form von Kunst) geht aber alles ein wenig schnell und bleibt oberflächlich, da der Hauptfokus der Geschichte an einer anderen Stelle liegt. Auch das ist Meckern auf hohem Niveau und im Grunde mochte ich beide sehr. Wohin ihr Weg am Ende nun genau führt und wie sie ihre Probleme vollends lösen wollen, wird am Schluss natürlich nicht komplett geklärt - das wäre ja auch viel zu unrealistisch. Dadurch dass einiges offengelassen wird, macht die Autorin deutlich, dass es sich hier nicht um ein Ende, sondern erst um einen Anfang handelt. Dass ich diesem wieder beiwohnen durfte hat mich sehr gefreut - das wird auf keinen Fall mein letztes Buch von der Autorin gewesen sein...
Fazit:
"Wenn Liebe eine Farbe hätte" entpuppt sich als zuckersüßer Glücksgriff, auch wenn mich die Story von Everly und Weston nicht ganz so mitreißen konnte wie Leonie Lastellas Vorgänger. Dafür blieben mir die Protagonisten zu blass und es fehlte der gewisse Funke, der diese Geschichte zusammen mit dem atmosphärischen Schreibstil der Autorin, der authentischen Romanze und den lebensnahen Themen zu einem Herzensbuch gemacht hätte.
Wer schon längere Zeit meinen Blog verfolgt wird nicht überrascht sein zu hören, dass ich dem Erscheinungstermin von "Crescent City" seit der Ankündigung letztes Jahr begeistert entgegengefiebert habe. ...
Wer schon längere Zeit meinen Blog verfolgt wird nicht überrascht sein zu hören, dass ich dem Erscheinungstermin von "Crescent City" seit der Ankündigung letztes Jahr begeistert entgegengefiebert habe. Da der deutsche Verlag mit der Übersetzung wahnsinnig Gas gegeben hat, stand schon seit Mitte September meinem Versuch zu überprüfen, ob die Geschichte wirklich den Hype der englischen Community verdient, nichts mehr im Weg ... außer meinen eigenen Ansprüchen. Wie bei allen langersehnten Neuerscheinungen hatte ich als langjähriger Sarah-J.-Maas-Fan ein wenig Angst, von diesem Genreausflug enttäuscht zu werden. Doch wieder einmal waren diese Sorgen unbegründet: "Crescent City" ist komplex, brutal, schonungslos, herzbrechend, wunderschön, magisch, liebevoll, bildgewaltig, detailreich und wieder einmal einfach nur EPISCH!
"Hunt schaltete sein Handy aus und trat dann durch die Tür hinaus ins Freie. Er war wie ein Schandfleck im Licht, ein Schatten vor der Sonne. Mit einem einzigen kräftigen Schlag seiner Schwingen stieg er in die Luft. Und schaute nicht mehr zurück."
Schon bei der Gestaltung könnte ich stundenlang ins Schwärmen kommen. Dass das detailgetreue Cover mit den vielen liebevoll gestalteten Einzelheiten, den inhaltliche abgestimmten Spielereien, den kontrastreichen Farben und dem fantasievollen Motiv ein Hingucker ist, muss ich denke ich nicht genauer erklären. Positiv überrascht haben mich aber der kunstvolle Buchschnitt, der auch nach dem Lesen immer noch farbenfroh und knitterfrei mit dem Hauptmotiv verzückt, die aufwändig illustrierte Karte, der goldene Sichelmond unter dem Schutzumschlag und die episch-düstere Ausgestaltung der Buchdeckelinnenseiten. Dass bei meiner limitierten Ausgabe außerdem noch ein passendes Tattoo mit der Aufschrift "Through Love All Is Possible" mitgeliefert wurde, setzt dem stimmigen Gesamtkonzept natürlich nochmal ein Sahnehäubchen auf. Dass das Buch trotz der knapp 1000 Seiten und der gebundenen Ausgabe recht dünn ist, wird durch die recht kleine Schrift und das dünne Bibel-Seiten-Papier gewährleistet. Warum die englische Ausgabe trotzdem nur etwa die Hälfte des Umfangs aufweist, ist und bleibt mir ein Rätsel...
"Du kannst es. Wir stehen das zusammen durch."
Es durchstehen - zusammen. Dieses chaotische Leben. Diese chaotische Welt. Bryce schluchzte, aber dieses Mal nicht nur vor Schmerz."
Inhaltlich aufgeteilt ist die Geschichte in vier Teile "Die Senke", "Der Graben", "Der Canyon" und "Die Schlucht", sowie in 97 Kapitel inklusive eines kurzen Epilogs, die dieser langen und komplexen Story eine Struktur verschaffen. Zuerst erhalten wir einen kurzen Einblick in Bryce´ Leben bevor der allesverändernde Überfall auf ihre Wohnung, den wir leider schon durch den Klapptext gespoilert bekommen, alles durcheinanderwirbelt. Diese fast 120 Seiten starke Einleitung ist zugegebenermaßen sehr anstrengend zu lesen, da die Leser hier permanent durch etliche neuen Namen, Orte, Andeutungen, Erklärungen und Personen gefordert werden. Man muss kopftechnisch anwesend sein, mitdenken, fast schon Notizen machen, um mitzukommen, da sich dieser Einstieg in tonnenweisen scheinbar unwichtigen Details verliert. Später wird jedoch belohnt, wer genau gelesen hat. Denn wer zu Beginn noch dachte, Sarah J. Maas sei so begeistert von ihrem Setting gewesen, dass sie es mit dem Worldbuilding etwas übertrieben hat, wird im Laufe der Geschichte bald merken, dass alles Teil eines abgekarteten Verwirrspiels ist und all die kleinen versteckten Details am Ende ihr Comeback im Showdown erhalten.
"Uns hatte er gesagt. Eine Einheit. Ein Team. Ein Zwei-Personen-Rudel. Seine Schwingen bewegten sich leicht in der Brise, die vom Istros heraufwehte. "Wir werden den finden, der hinter dieser ganzen Sache steckt, Bryce. Das verspreche ich dir." Und aus irgendeinem Grund glaubte sie ihm."
Nach einem Zeitsprung von fast zwei Jahren bildet sich dann aus dem Anfangs-Wirr-Warr eine spritzige, spannende Buddy-Ermittlungs-Crime-Story heraus und die Geschichte wird nun aus verschiedenen Perspektiven an verschiedenen Orten erzählt. Neben der Protagonistin Bryce erzählen nun auch der gefürchtete Vollstrecker-Engel Hunt, der nur der "Umbra Mortis", der Todesschatten, genannt wird, und Bryce´ Bruder, der Fae-Prinz Ruhn. Die personale Erzählperspektive macht es möglich, viel vor dem Leser zu verbergen und doch einen Einblick in die Gefühle und Gedanken der Figuren zu erhaschen. Denn trotz des sehr ereignisreichen Mittelteils, in dem das ungleiche Ermittler-Duo Bryce und Hunt durch fast alle Bezirke von Crescent City zieht, verschiedenen Spuren nachgeht und die ein oder andere unliebsame Begegnung mit einem Dämon hat, nehmen die Beziehung, die Gefühle und vor allem die Entwicklung der beiden Hauptprotagonistin einen großen und wichtigen Part ein. Im dritten Teil zieht Sarah J Maas das Erzähltempo dann nochmal ordentlich an. Die Geschehnisse ins Crescent City spitzen sich zu und auch Hunt und Bryce kommen sich unweigerlich näher, bevor im letzten Abschnitt in einem chaotischen, epischen Durcheinander die Welt gerettet werden muss.
"Warum sammelt sie uns überhaupt?", fragte die Koboldin leise. "Bin ich nicht auch eine Person?" Sie zeiget auf das Tattoo an ihrem Handgelenk. "Warum muss das sein?"
"Weil wir in einer Republik leben, die beschlossen hat, dass jede Bedrohung ihrer Ordnung bestraft werden muss, und zwar so drastisch, dass es andere davon abhält, sich ebenfalls aufzulehnen."
So viel zum inhaltlichen Aufbau, der erstmal solide und logisch wirkt. Das eigentliche Genie der Geschichte entfaltete sich im ausgeklügelten Verwirrspiel der Autorin: wie sie den Leser immer wieder auf falsche Fährten lockt und dann überrascht und ein komplett neues Bild zeichnet, ist wirklich genial! Hier spielt Maas geradezu mit falschen Annahmen und tänzelt auf einem schmalen Grat zwischen Verschwiegenheit, Geheimnissen, Lügen und Täuschungen. Würde ich die Geschichte mit meinem jetzigen Wissen nochmals lesen, würden mir viele subtile Andeutungen und wohl platzierte Ausführungen zu später wichtigen Themen auffallen, die ich angesichts der Komplexität der Handlung beim ersten Lesen komplett übersehen habe. So kommen viele Wendungen zwar sehr überraschend, sind aber nach kurzem Nachdenken immer schlüssig und nachzuvollziehen - was die wirkliche Kunst bei Plot-Twists ist.
"Ein Leben. Das waren Fotos von jemandem mit einem Leben, noch dazu mit einem erfüllten. Eine Erinnerung daran, wie es sich angefühlt hatte, ein Zuhause zu haben und jemanden, dem es nicht egal war, ob man lebte oder starb, jemanden, der einem ein Lächeln ins Gesicht zauberte, wenn man nur den Raum betrat. So etwas hatte er noch nie zuvor erlebt. Mit niemandem."
Das gilt jedoch nicht nur für die Handlung, sondern auch für die Protagonisten. Gerade von Bryce hat man zuerst ein völlig falsches Bild, nämlich das eines verzogenen, macht- und respektlosen Partygirls, welches sie selbst vor der Welt noch zu kultivieren scheint und das sich erst im zweiten Drittel der Geschichte langsam aufzulösen beginnt. Dadurch wirkt die Halb-Fae zu Beginn erstmal etwas unsympathisch, was der spätere Eindruck ihrer starken, sturen und sarkastischen Persönlichkeit aber wieder wett macht. Auch der gefallene Engel Hunt (eigentlich Orion) Athalar, der als Auftragsmörder für den Gouverneur Micah arbeitet und deshalb als "Todesschatten" gefürchtet wird, entpuppt sich als anders als zu Beginn erwartet. Dieser "Ich bin ein egomaner Idiot, aber ihr werdet mich in 100 Seiten trotzdem lieben, weil ich dann meinen weichen Kern zeige"-Move wird ja in so vielen Geschichten gebracht, um vermeintliche Bad-Boy-Klischees zu umgehen, sodass er selbst schon wieder zum Klischee geworden ist. Wir kennen sie ja alle: dominante, starke, sexy Protagonisten (ob CEOs, Prinzen, Engel, Vampire oder Fae spielt dabei keine Rolle), mit großem Ego, insgeheim gebrochenen Herzen und starken Eifersuchtsproblemen. Auch Sarah J. Maas wurde in der Vergangenheit oft für ihre dominanten Alpha-Love-Interests kritisiert. Mit Hunt und Bryce findet sie jedoch einen Weg, genau dieses Stereotyp zu parodieren und offen anzusprechen, in dem sich Bryce über das "Alpha-Arschloch-Gehabe" der Männer in ihrem Umfeld ärgert. Dadurch kommt es nicht nur zu unfassbar lustigen Dialogen, sie problematisiert auch indirekt diese Art der Figurendarstellung, auf die wir LeserInnen immer wieder hereinfallen, auf sehr unterhaltsame Art und Weise. Kleine Kostprobe gefällig?
"Ist es nicht furchtbar ermüdend, die ganze Zeit ein Alpha-Arschloch zu sein? Habt ihr Typen vielleicht eine Art Regelbuch dafür? Oder vielleicht geheime Selbsthilfegruppen?"
"Ein was?"
"Ein Alpha-Arschloch. Dominant-aggressiv." Sie deutet mit der Hand auf seinen nackten Oberkörper. "Du weißt schon: Männer wie du, die sich bei der kleinsten Provokation das Hemd vom Leim reißen. Die auf zwanzig verschiedene Arten einen Mord begehen könnten. Bei denen die Frauen sich überschlagen, um sie anzumachen. Und wenn ihr dann tatsächlich endlich eine vögelt, schaltet ihr total auf den Meine-Gefährtin-Modus: Ihr lasst keinen Mann auch nur in ihre Nähe, entscheidet für sie, was und wann sie zu essen hat, was sie tragen soll, wann sie sich mit ihren Freundinnen essen darf."
"Wovon zum Teufel redest du?"
"Eure Lieblingshobbys sind: vor euch hinbrüten, kämpfen und rumbrüllen. Ihr habt die Kunst perfektioniert, auf dreißig verschiedene Arten zu fauchen und zu knurren. Ihr habt eine Clique scharf aussehender Freunde um euch herum. Und sobald einer davon eine Frau zu seiner Gefährtin macht, fallen auch die anderen um wie Dominosteine. Und die Götter mögen euch beistehen, wenn ihr alle den ersten Nachwuchs bekommt..."
Neben der spannenden Machart mit den vielen unvorhergesehenen Wendungen und Entwicklungen sowie den dynamischen Protagonisten lebt die Geschichte auch von den bekannten Stärken der Autorin. Die erste: Worldbuilding. Manche Fantasy-Welten werden einmal aufgebaut und dann spielt sich die Handlung in diesem statischen Bühnenbild ab, doch nicht bei Sarah J. Maas: Ständig verändert sich der Fokus, der Blickwinkel, der Handlungsort der Geschichte, es werden neue Dinge aufgenommen, bestehende ändern sich - eine stetige Entwicklung, die die Geschichte so perfekt und schlüssig erweitert, dass aus dem roten Fanden, ein rotes Band wird. Das ist eine Fähigkeit, für die ich Sarah J. Maas immer bewundern werde: ihre zusammenhängende Darstellung der Welt, die immer komplexer, verschachtelter und geheimnisvoller wird, mit jedem Charakter und Handlungsstrang, der dazukommt. Hier kreiert sie eine spritzige Mischung aus Dystopie, Krimi und Fantasy-Epos und erzählt von einer modernen Welt, die von einer eigentlich unmöglichen Kombination an Fantasy-Wesen bevölkert wird. Denn statt sich für eine Spezies zu entscheiden, mischt sie hier Engel, Fae, Meereswesen, Hexen, Kobolde, Gestaltwandler, Chimären, Sensenmänner, Vampire, Werwölfe, Geister und Co - fehlen nur noch Feen, Zwerge und Riesen und dann hätte sie alles abgedeckt, was das Fantasy-Genre in den letzten Jahrhunderten erfunden hat. Besonders erstaunlich ist, dass diese verrückte Fantasy-Steampunk-Kombination tatsächlich funktioniert und sie nie das Wesentliche aus den Augen verliert oder die Story überlädt. Sie pickt sich einzelne interessante Aspekte gekonnt heraus, welche dann weitergesponnen und vernetzt werden, bis ein umwerfendes, vielseitiges Gesamtergebnis entsteht!
"Bisher war mir das nicht klar", murmelte sie. "Aber du und ich ... wir sind Spiegel." (...)
"Ist das etwas Schlechtes?", fragte er.
Ein mattes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. "Nein. Nein, es ist nichts Schlechtes."
"Du hast kein Problem damit, dass der Umbra Mortis dein emotionaler Zwilling ist?"
Doch ihre Miene wurde wieder ernst. "So nennt man dich zwar, aber das bist du nicht."
"Und wer bin ich?"
"Eine Nervensäge." Ihr Lächeln war strahlender als die untergehende Sonne über dem Fluss. Er lachte, aber sie fügte hinzu: "Du bist mein Freund."
Hier wären wir dann bei der zweiten bekannten Stärke der Autorin angelangt: ihrem außergewöhnlichen Schreibstil. Auch wenn sie hier durchaus modernen schreibt, als in ihren bisherigen Fantasy-Reihen und ich mich erst an die derbe Ausdrucksweise mit den vielen Flüchen und Beleidigungen gewöhnen musste, kann auch der neue Erzählton nichts an ihrem unfassbaren Talent ändern. Wie für all ihre Bücher gibt es ein Wort, das ihr erstaunliches Talent, Worte in Sätzen so zu platzieren, dass sie der Geschichte alleine durch den Schreibstil ein imposantes Auftreten verleihen, super beschreibt: EPISCH. Durch ihre teils sehr außergewöhnliche Wahl der Worte und ihre intensiven Szenenbeschreibungen, fühlt man sich oft, als würde man einem Film zusehen, der vor den eigenen Augen abläuft - Ein wunderbarer Film voller Action, Gefühle und Hintergrund und mit genialen Schauspielern natürlich
"Ist der Engel da?", fragte Juniper verschmitzt.
"Er ist auf ein Bier mit seinen Killer-Kumpels."
"Sie heißen Triarier, Bryce."
Kurz bevor ich zum Ende komme (ja ich weiß, diese Rezension wird lang, aber ich habe auch viel zu sagen😊), muss ich meine Begeisterung noch mal relativieren, bevor sie zu einseitig wird. Ja, die Geschichte ist definitiv ein Jahreshighlight, konnte mich aber alles in allem nicht ganz so überzeugen wie Maas´ andere beiden Reihen (wobei auch deren Auftaktbände noch Verbesserungspotential hatten). Dafür war der Anfang wie oben schon erläutert zu lasch und die Liebesgeschichte zu sexualisiert. Zwar mochte ich die Entwicklung und die Annäherung von Bryce und Hunt sehr, der Sprung von körperlicher Anziehungskraft zu großer Liebe ging mir aber ein bisschen zu flott und außerdem im allgemeinen Handlungsgeschehen unter. Das Ende entschädigt dann jedoch wieder für diese zwei kleinen Mängel. Hier reiht sich eine 180-Grad-Wendung an die nächste und wir bekommen nicht ein, sondern gleich zwei große Showdowns epischen Ausmaßes vorgesetzt. Was hier passiert habe ich sowas von nicht kommen sehen. Trotz dass ich tausend Theorien während der Ermittlungen entwickelt habe, tappte ich komplett im Dunkeln. Und alles, was ich ersinnen konnte, ist lange nicht so spektakulär und durchdacht wie das, was uns Maas als Erklärung vorsetzt.
"Hunt hielt nur Bryce´ Blick. Ich sehe dich, Quinlan, gab er ihr stillschweigend zu verstehen. Und mir gefällt alles, was ich sehe.
Gleichfalls, schien ihr Lächeln anzudeuten."
Ich weiß nicht, wann mich das letzte Mal ein Buch so unter Strom gesetzt hat. Emotionen sind die eine Sache - Spannung und krasse Dramatik die andere. Die letzten Seiten waren so außergewöhnlich mitreißend, überraschend, spannend, actionreich, richtungsändernd und eindrucksvoll, sodass ich es wahrscheinlich nie vergessen werde. Alleine für dieses Finale sollte dieser Reihenauftakt von allen Fantasy-Liebhabern der Welt gelesen werden! Eine Wendung jagt die nächste, man hat eigentlich durchgängig Gänsehaut, Tränenausbrüche und unkontrollierte Zuckungen, sodass ich bestimmt die Gehirnströme einer Epileptikerin hatte, als die letzten Seiten durch mein Hirn jagten. An einigen Stellen konnte ich auch tatsächlich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Spätestens ab dort waren alle objektiven Kritikpunkte vergessen und ich konnte dem actionreichen, dramatischen und unglaublich tragischen Schluss nur gebannt folgen. Das wirkliche Ende ist dann süß, abgeschlossen aber mit genügend offenen Stellen für eine Fortsetzung! Ich bin der Autorin so dankbar, dass sie nicht auf die Idee gekommen ist, ihre Geschichte zu einem früheren Punkt zu unterbrechen und uns mit einem heftigen Cliffhanger zurückzulassen (da gab es einige Stellen, die sich brutal aber bestens dafür angeboten hätten). Nach so einem Cut ein ganzes Jahr (oder sogar länger - Titel und Veröffentlichungstermin von Band 2 sind noch unbekannt) auf die Fortsetzung zu warten hätte ich wohl nicht verwunden...
"Ich hab Angst", flüsterte sie.
Erneut nahm Danika ihre Hand. "Genau darum geht es doch, Bryce. Darum geht es im Leben: zu leben, zu lieben, im Wissen, dass morgen schon alles vorbei sein kann. Dadurch wird jeder Moment so viel kostbarer."
Fazit:
"Crescent City" ist komplex, brutal, schonungslos, herzbrechend, wunderschön, magisch, liebevoll, bildgewaltig, detailreich und wieder einmal einfach nur EPISCH! Zwar braucht man einen langen Atem, um in die Geschichte einzusteigen, die gutdurchdachte Verwirrungstaktik der Autorin, die in einem spektakulären und wendungsreichen Showdown mündet, ganz zu schweigen von den dynamischen Protagonisten und den bekannten Stärken der Autorin wie Schreibstil und Worldbuilding, entschädigen aber großzügig für kleinere Mängel.
Wer schon längere Zeit meinen Blog verfolgt wird nicht überrascht sein zu hören, dass ich dem Erscheinungstermin von "Crescent City" seit der Ankündigung letztes Jahr begeistert entgegengefiebert habe. ...
Wer schon längere Zeit meinen Blog verfolgt wird nicht überrascht sein zu hören, dass ich dem Erscheinungstermin von "Crescent City" seit der Ankündigung letztes Jahr begeistert entgegengefiebert habe. Da der deutsche Verlag mit der Übersetzung wahnsinnig Gas gegeben hat, stand schon seit Mitte September meinem Versuch zu überprüfen, ob die Geschichte wirklich den Hype der englischen Community verdient, nichts mehr im Weg ... außer meinen eigenen Ansprüchen. Wie bei allen langersehnten Neuerscheinungen hatte ich als langjähriger Sarah-J.-Maas-Fan ein wenig Angst, von diesem Genreausflug enttäuscht zu werden. Doch wieder einmal waren diese Sorgen unbegründet: "Crescent City" ist komplex, brutal, schonungslos, herzbrechend, wunderschön, magisch, liebevoll, bildgewaltig, detailreich und wieder einmal einfach nur EPISCH!
"Hunt schaltete sein Handy aus und trat dann durch die Tür hinaus ins Freie. Er war wie ein Schandfleck im Licht, ein Schatten vor der Sonne. Mit einem einzigen kräftigen Schlag seiner Schwingen stieg er in die Luft. Und schaute nicht mehr zurück."
Schon bei der Gestaltung könnte ich stundenlang ins Schwärmen kommen. Dass das detailgetreue Cover mit den vielen liebevoll gestalteten Einzelheiten, den inhaltliche abgestimmten Spielereien, den kontrastreichen Farben und dem fantasievollen Motiv ein Hingucker ist, muss ich denke ich nicht genauer erklären. Positiv überrascht haben mich aber der kunstvolle Buchschnitt, der auch nach dem Lesen immer noch farbenfroh und knitterfrei mit dem Hauptmotiv verzückt, die aufwändig illustrierte Karte, der goldene Sichelmond unter dem Schutzumschlag und die episch-düstere Ausgestaltung der Buchdeckelinnenseiten. Dass bei meiner limitierten Ausgabe außerdem noch ein passendes Tattoo mit der Aufschrift "Through Love All Is Possible" mitgeliefert wurde, setzt dem stimmigen Gesamtkonzept natürlich nochmal ein Sahnehäubchen auf. Dass das Buch trotz der knapp 1000 Seiten und der gebundenen Ausgabe recht dünn ist, wird durch die recht kleine Schrift und das dünne Bibel-Seiten-Papier gewährleistet. Warum die englische Ausgabe trotzdem nur etwa die Hälfte des Umfangs aufweist, ist und bleibt mir ein Rätsel...
"Du kannst es. Wir stehen das zusammen durch."
Es durchstehen - zusammen. Dieses chaotische Leben. Diese chaotische Welt. Bryce schluchzte, aber dieses Mal nicht nur vor Schmerz."
Inhaltlich aufgeteilt ist die Geschichte in vier Teile "Die Senke", "Der Graben", "Der Canyon" und "Die Schlucht", sowie in 97 Kapitel inklusive eines kurzen Epilogs, die dieser langen und komplexen Story eine Struktur verschaffen. Zuerst erhalten wir einen kurzen Einblick in Bryce´ Leben bevor der allesverändernde Überfall auf ihre Wohnung, den wir leider schon durch den Klapptext gespoilert bekommen, alles durcheinanderwirbelt. Diese fast 120 Seiten starke Einleitung ist zugegebenermaßen sehr anstrengend zu lesen, da die Leser hier permanent durch etliche neuen Namen, Orte, Andeutungen, Erklärungen und Personen gefordert werden. Man muss kopftechnisch anwesend sein, mitdenken, fast schon Notizen machen, um mitzukommen, da sich dieser Einstieg in tonnenweisen scheinbar unwichtigen Details verliert. Später wird jedoch belohnt, wer genau gelesen hat. Denn wer zu Beginn noch dachte, Sarah J. Maas sei so begeistert von ihrem Setting gewesen, dass sie es mit dem Worldbuilding etwas übertrieben hat, wird im Laufe der Geschichte bald merken, dass alles Teil eines abgekarteten Verwirrspiels ist und all die kleinen versteckten Details am Ende ihr Comeback im Showdown erhalten.
"Uns hatte er gesagt. Eine Einheit. Ein Team. Ein Zwei-Personen-Rudel. Seine Schwingen bewegten sich leicht in der Brise, die vom Istros heraufwehte. "Wir werden den finden, der hinter dieser ganzen Sache steckt, Bryce. Das verspreche ich dir." Und aus irgendeinem Grund glaubte sie ihm."
Nach einem Zeitsprung von fast zwei Jahren bildet sich dann aus dem Anfangs-Wirr-Warr eine spritzige, spannende Buddy-Ermittlungs-Crime-Story heraus und die Geschichte wird nun aus verschiedenen Perspektiven an verschiedenen Orten erzählt. Neben der Protagonistin Bryce erzählen nun auch der gefürchtete Vollstrecker-Engel Hunt, der nur der "Umbra Mortis", der Todesschatten, genannt wird, und Bryce´ Bruder, der Fae-Prinz Ruhn. Die personale Erzählperspektive macht es möglich, viel vor dem Leser zu verbergen und doch einen Einblick in die Gefühle und Gedanken der Figuren zu erhaschen. Denn trotz des sehr ereignisreichen Mittelteils, in dem das ungleiche Ermittler-Duo Bryce und Hunt durch fast alle Bezirke von Crescent City zieht, verschiedenen Spuren nachgeht und die ein oder andere unliebsame Begegnung mit einem Dämon hat, nehmen die Beziehung, die Gefühle und vor allem die Entwicklung der beiden Hauptprotagonistin einen großen und wichtigen Part ein. Im dritten Teil zieht Sarah J Maas das Erzähltempo dann nochmal ordentlich an. Die Geschehnisse ins Crescent City spitzen sich zu und auch Hunt und Bryce kommen sich unweigerlich näher, bevor im letzten Abschnitt in einem chaotischen, epischen Durcheinander die Welt gerettet werden muss.
"Warum sammelt sie uns überhaupt?", fragte die Koboldin leise. "Bin ich nicht auch eine Person?" Sie zeiget auf das Tattoo an ihrem Handgelenk. "Warum muss das sein?"
"Weil wir in einer Republik leben, die beschlossen hat, dass jede Bedrohung ihrer Ordnung bestraft werden muss, und zwar so drastisch, dass es andere davon abhält, sich ebenfalls aufzulehnen."
So viel zum inhaltlichen Aufbau, der erstmal solide und logisch wirkt. Das eigentliche Genie der Geschichte entfaltete sich im ausgeklügelten Verwirrspiel der Autorin: wie sie den Leser immer wieder auf falsche Fährten lockt und dann überrascht und ein komplett neues Bild zeichnet, ist wirklich genial! Hier spielt Maas geradezu mit falschen Annahmen und tänzelt auf einem schmalen Grat zwischen Verschwiegenheit, Geheimnissen, Lügen und Täuschungen. Würde ich die Geschichte mit meinem jetzigen Wissen nochmals lesen, würden mir viele subtile Andeutungen und wohl platzierte Ausführungen zu später wichtigen Themen auffallen, die ich angesichts der Komplexität der Handlung beim ersten Lesen komplett übersehen habe. So kommen viele Wendungen zwar sehr überraschend, sind aber nach kurzem Nachdenken immer schlüssig und nachzuvollziehen - was die wirkliche Kunst bei Plot-Twists ist.
"Ein Leben. Das waren Fotos von jemandem mit einem Leben, noch dazu mit einem erfüllten. Eine Erinnerung daran, wie es sich angefühlt hatte, ein Zuhause zu haben und jemanden, dem es nicht egal war, ob man lebte oder starb, jemanden, der einem ein Lächeln ins Gesicht zauberte, wenn man nur den Raum betrat. So etwas hatte er noch nie zuvor erlebt. Mit niemandem."
Das gilt jedoch nicht nur für die Handlung, sondern auch für die Protagonisten. Gerade von Bryce hat man zuerst ein völlig falsches Bild, nämlich das eines verzogenen, macht- und respektlosen Partygirls, welches sie selbst vor der Welt noch zu kultivieren scheint und das sich erst im zweiten Drittel der Geschichte langsam aufzulösen beginnt. Dadurch wirkt die Halb-Fae zu Beginn erstmal etwas unsympathisch, was der spätere Eindruck ihrer starken, sturen und sarkastischen Persönlichkeit aber wieder wett macht. Auch der gefallene Engel Hunt (eigentlich Orion) Athalar, der als Auftragsmörder für den Gouverneur Micah arbeitet und deshalb als "Todesschatten" gefürchtet wird, entpuppt sich als anders als zu Beginn erwartet. Dieser "Ich bin ein egomaner Idiot, aber ihr werdet mich in 100 Seiten trotzdem lieben, weil ich dann meinen weichen Kern zeige"-Move wird ja in so vielen Geschichten gebracht, um vermeintliche Bad-Boy-Klischees zu umgehen, sodass er selbst schon wieder zum Klischee geworden ist. Wir kennen sie ja alle: dominante, starke, sexy Protagonisten (ob CEOs, Prinzen, Engel, Vampire oder Fae spielt dabei keine Rolle), mit großem Ego, insgeheim gebrochenen Herzen und starken Eifersuchtsproblemen. Auch Sarah J. Maas wurde in der Vergangenheit oft für ihre dominanten Alpha-Love-Interests kritisiert. Mit Hunt und Bryce findet sie jedoch einen Weg, genau dieses Stereotyp zu parodieren und offen anzusprechen, in dem sich Bryce über das "Alpha-Arschloch-Gehabe" der Männer in ihrem Umfeld ärgert. Dadurch kommt es nicht nur zu unfassbar lustigen Dialogen, sie problematisiert auch indirekt diese Art der Figurendarstellung, auf die wir LeserInnen immer wieder hereinfallen, auf sehr unterhaltsame Art und Weise. Kleine Kostprobe gefällig?
"Ist es nicht furchtbar ermüdend, die ganze Zeit ein Alpha-Arschloch zu sein? Habt ihr Typen vielleicht eine Art Regelbuch dafür? Oder vielleicht geheime Selbsthilfegruppen?"
"Ein was?"
"Ein Alpha-Arschloch. Dominant-aggressiv." Sie deutet mit der Hand auf seinen nackten Oberkörper. "Du weißt schon: Männer wie du, die sich bei der kleinsten Provokation das Hemd vom Leim reißen. Die auf zwanzig verschiedene Arten einen Mord begehen könnten. Bei denen die Frauen sich überschlagen, um sie anzumachen. Und wenn ihr dann tatsächlich endlich eine vögelt, schaltet ihr total auf den Meine-Gefährtin-Modus: Ihr lasst keinen Mann auch nur in ihre Nähe, entscheidet für sie, was und wann sie zu essen hat, was sie tragen soll, wann sie sich mit ihren Freundinnen essen darf."
"Wovon zum Teufel redest du?"
"Eure Lieblingshobbys sind: vor euch hinbrüten, kämpfen und rumbrüllen. Ihr habt die Kunst perfektioniert, auf dreißig verschiedene Arten zu fauchen und zu knurren. Ihr habt eine Clique scharf aussehender Freunde um euch herum. Und sobald einer davon eine Frau zu seiner Gefährtin macht, fallen auch die anderen um wie Dominosteine. Und die Götter mögen euch beistehen, wenn ihr alle den ersten Nachwuchs bekommt..."
Neben der spannenden Machart mit den vielen unvorhergesehenen Wendungen und Entwicklungen sowie den dynamischen Protagonisten lebt die Geschichte auch von den bekannten Stärken der Autorin. Die erste: Worldbuilding. Manche Fantasy-Welten werden einmal aufgebaut und dann spielt sich die Handlung in diesem statischen Bühnenbild ab, doch nicht bei Sarah J. Maas: Ständig verändert sich der Fokus, der Blickwinkel, der Handlungsort der Geschichte, es werden neue Dinge aufgenommen, bestehende ändern sich - eine stetige Entwicklung, die die Geschichte so perfekt und schlüssig erweitert, dass aus dem roten Fanden, ein rotes Band wird. Das ist eine Fähigkeit, für die ich Sarah J. Maas immer bewundern werde: ihre zusammenhängende Darstellung der Welt, die immer komplexer, verschachtelter und geheimnisvoller wird, mit jedem Charakter und Handlungsstrang, der dazukommt. Hier kreiert sie eine spritzige Mischung aus Dystopie, Krimi und Fantasy-Epos und erzählt von einer modernen Welt, die von einer eigentlich unmöglichen Kombination an Fantasy-Wesen bevölkert wird. Denn statt sich für eine Spezies zu entscheiden, mischt sie hier Engel, Fae, Meereswesen, Hexen, Kobolde, Gestaltwandler, Chimären, Sensenmänner, Vampire, Werwölfe, Geister und Co - fehlen nur noch Feen, Zwerge und Riesen und dann hätte sie alles abgedeckt, was das Fantasy-Genre in den letzten Jahrhunderten erfunden hat. Besonders erstaunlich ist, dass diese verrückte Fantasy-Steampunk-Kombination tatsächlich funktioniert und sie nie das Wesentliche aus den Augen verliert oder die Story überlädt. Sie pickt sich einzelne interessante Aspekte gekonnt heraus, welche dann weitergesponnen und vernetzt werden, bis ein umwerfendes, vielseitiges Gesamtergebnis entsteht!
"Bisher war mir das nicht klar", murmelte sie. "Aber du und ich ... wir sind Spiegel." (...)
"Ist das etwas Schlechtes?", fragte er.
Ein mattes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. "Nein. Nein, es ist nichts Schlechtes."
"Du hast kein Problem damit, dass der Umbra Mortis dein emotionaler Zwilling ist?"
Doch ihre Miene wurde wieder ernst. "So nennt man dich zwar, aber das bist du nicht."
"Und wer bin ich?"
"Eine Nervensäge." Ihr Lächeln war strahlender als die untergehende Sonne über dem Fluss. Er lachte, aber sie fügte hinzu: "Du bist mein Freund."
Hier wären wir dann bei der zweiten bekannten Stärke der Autorin angelangt: ihrem außergewöhnlichen Schreibstil. Auch wenn sie hier durchaus modernen schreibt, als in ihren bisherigen Fantasy-Reihen und ich mich erst an die derbe Ausdrucksweise mit den vielen Flüchen und Beleidigungen gewöhnen musste, kann auch der neue Erzählton nichts an ihrem unfassbaren Talent ändern. Wie für all ihre Bücher gibt es ein Wort, das ihr erstaunliches Talent, Worte in Sätzen so zu platzieren, dass sie der Geschichte alleine durch den Schreibstil ein imposantes Auftreten verleihen, super beschreibt: EPISCH. Durch ihre teils sehr außergewöhnliche Wahl der Worte und ihre intensiven Szenenbeschreibungen, fühlt man sich oft, als würde man einem Film zusehen, der vor den eigenen Augen abläuft - Ein wunderbarer Film voller Action, Gefühle und Hintergrund und mit genialen Schauspielern natürlich
"Ist der Engel da?", fragte Juniper verschmitzt.
"Er ist auf ein Bier mit seinen Killer-Kumpels."
"Sie heißen Triarier, Bryce."
Kurz bevor ich zum Ende komme (ja ich weiß, diese Rezension wird lang, aber ich habe auch viel zu sagen😊), muss ich meine Begeisterung noch mal relativieren, bevor sie zu einseitig wird. Ja, die Geschichte ist definitiv ein Jahreshighlight, konnte mich aber alles in allem nicht ganz so überzeugen wie Maas´ andere beiden Reihen (wobei auch deren Auftaktbände noch Verbesserungspotential hatten). Dafür war der Anfang wie oben schon erläutert zu lasch und die Liebesgeschichte zu sexualisiert. Zwar mochte ich die Entwicklung und die Annäherung von Bryce und Hunt sehr, der Sprung von körperlicher Anziehungskraft zu großer Liebe ging mir aber ein bisschen zu flott und außerdem im allgemeinen Handlungsgeschehen unter. Das Ende entschädigt dann jedoch wieder für diese zwei kleinen Mängel. Hier reiht sich eine 180-Grad-Wendung an die nächste und wir bekommen nicht ein, sondern gleich zwei große Showdowns epischen Ausmaßes vorgesetzt. Was hier passiert habe ich sowas von nicht kommen sehen. Trotz dass ich tausend Theorien während der Ermittlungen entwickelt habe, tappte ich komplett im Dunkeln. Und alles, was ich ersinnen konnte, ist lange nicht so spektakulär und durchdacht wie das, was uns Maas als Erklärung vorsetzt.
"Hunt hielt nur Bryce´ Blick. Ich sehe dich, Quinlan, gab er ihr stillschweigend zu verstehen. Und mir gefällt alles, was ich sehe.
Gleichfalls, schien ihr Lächeln anzudeuten."
Ich weiß nicht, wann mich das letzte Mal ein Buch so unter Strom gesetzt hat. Emotionen sind die eine Sache - Spannung und krasse Dramatik die andere. Die letzten Seiten waren so außergewöhnlich mitreißend, überraschend, spannend, actionreich, richtungsändernd und eindrucksvoll, sodass ich es wahrscheinlich nie vergessen werde. Alleine für dieses Finale sollte dieser Reihenauftakt von allen Fantasy-Liebhabern der Welt gelesen werden! Eine Wendung jagt die nächste, man hat eigentlich durchgängig Gänsehaut, Tränenausbrüche und unkontrollierte Zuckungen, sodass ich bestimmt die Gehirnströme einer Epileptikerin hatte, als die letzten Seiten durch mein Hirn jagten. An einigen Stellen konnte ich auch tatsächlich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Spätestens ab dort waren alle objektiven Kritikpunkte vergessen und ich konnte dem actionreichen, dramatischen und unglaublich tragischen Schluss nur gebannt folgen. Das wirkliche Ende ist dann süß, abgeschlossen aber mit genügend offenen Stellen für eine Fortsetzung! Ich bin der Autorin so dankbar, dass sie nicht auf die Idee gekommen ist, ihre Geschichte zu einem früheren Punkt zu unterbrechen und uns mit einem heftigen Cliffhanger zurückzulassen (da gab es einige Stellen, die sich brutal aber bestens dafür angeboten hätten). Nach so einem Cut ein ganzes Jahr (oder sogar länger - Titel und Veröffentlichungstermin von Band 2 sind noch unbekannt) auf die Fortsetzung zu warten hätte ich wohl nicht verwunden...
"Ich hab Angst", flüsterte sie.
Erneut nahm Danika ihre Hand. "Genau darum geht es doch, Bryce. Darum geht es im Leben: zu leben, zu lieben, im Wissen, dass morgen schon alles vorbei sein kann. Dadurch wird jeder Moment so viel kostbarer."
Fazit:
"Crescent City" ist komplex, brutal, schonungslos, herzbrechend, wunderschön, magisch, liebevoll, bildgewaltig, detailreich und wieder einmal einfach nur EPISCH! Zwar braucht man einen langen Atem, um in die Geschichte einzusteigen, die gutdurchdachte Verwirrungstaktik der Autorin, die in einem spektakulären und wendungsreichen Showdown mündet, ganz zu schweigen von den dynamischen Protagonisten und den bekannten Stärken der Autorin wie Schreibstil und Worldbuilding, entschädigen aber großzügig für kleinere Mängel.