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Veröffentlicht am 23.02.2018

Exzentrisch, kunterbunt, ein wenig melancholisch und einfach saukomisch!

Die erstaunliche Familie Telemachus
0

Allgemeines:

Titel: Die erstaunliche Familie Telemachus
Autor: Daryl Gregory
Verlag: Eichborn (23. Februar 2018)
ISBN-10: 3847906380
ISBN-13: 978-3847906384
ASIN: B0774V1GL1
Originaltitel: Spoonbenders
Seitenzahl: ...

Allgemeines:

Titel: Die erstaunliche Familie Telemachus
Autor: Daryl Gregory
Verlag: Eichborn (23. Februar 2018)
ISBN-10: 3847906380
ISBN-13: 978-3847906384
ASIN: B0774V1GL1
Originaltitel: Spoonbenders
Seitenzahl: 544 Seiten
Preis: 16,99€ (Kindle-Edition)
24€ (gebundene Ausgabe)




Inhalt:

Auf den ersten Blick ist Matty Telemachus ein typischer vierzehnjähriger Junge mit den typischen Problemen eines vierzehnjährigen Jungen. Aber Matty ist alles andere als normal und seine Familie ist es schon gar nicht. Als Matty entdeckt, dass er über ungewöhnliche Fähigkeiten verfügt, macht er sich auf die Suche nach dem lange gehegten Familiengeheimnis: Sind seine Verwandten wirklich Medien, beherrschen sie Telepathie, Telekinese und vielleicht noch andere Kräfte?


Bewertung:

Dieses Buch ist ganz unverhofft in meinem Briefkasten gelandet, ohne dass ich mich daran erinnern konnte, es angefragt zu haben, doch vom Klapptext neugierig geworden habe ich mich gleich ans Lesen gemacht. Wie dieses Buch zu mir gefunden hat, ist mir genau wie die ganze Geschichte ein Rätsel. Es war nicht zu 100% mein Fall, die schräge, eigenwillige Geschichte hat jedoch überraschenden Charme und entführt zur erstaunlichsten, exzentrischsten und unkonventionellsten Familie, die die Leserwelt jemals gesehen hat: die erstaunliche Familie Telemachus.


"Für sie gab es keine Grenzen. Nichts konnte sie aufhalten, bis auf eines. Die Zeit."


Schon das Cover (rechts) ist alles andere als langweilig und gewöhnlich. Vor einer grauenhaft orangenen Tropfentapete hängen etliche peinliche Bilder der Familienmitglieder Telemachus. Maureen, Metty, Teddy, Frankie, eventuell Irene und ein Junge der vielleicht Buddy sein könnte - durchaus originell wenn auch nach meinem Geschmack nicht wirklich optisch ansprechend. Der Farbverlauf der Tapete, die nach unten immer heller wird, lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters direkt auf den Titel, der wunderbar zur Geschichte passt. Im Gegensatz dazu ist das amerikanische Original (links) eher schnörkellos und klar. Ebenfalls zusehen sind Familienbilder und eine blaue, gepunktete Tapete, Matty steht aber klar im Mittelpunkt und die ganze Gestaltung ist farblich weniger aufdringlich. Trotzdass mir die Originalgestaltung besser gefällt, finde ich, dass die deutsche Gestaltung von der Atmosphäre gesehen besser zum Buch passt, da der Fokus auf der ganzen Familie liegt.
Den Klapptext finde ich nicht ganz so gelungen, auch wenn er Lust darauf macht, zum Roman zu greifen. Er legt meiner Meinung nach zu viel Wert auf Matty und seiner "Suche" nach dem Familiengeheimnis, welche nach ungefähr 20 Seiten beendet ist. Die eigentliche Handlung des Buches wird nicht erwähnt. Interessant wenn auch ein wenig verwirrend, fand ich die Zeichen, die den Kapiteln untergeordnet sind und den Wechsel der Erzählperspektive ankündigen. Jeder Charakter hat sein Zeichen, den genauen Grund und Zusammenhang davon habe ich aber nicht ganz verstanden.


Erster Satz: "Zum ersten mal verließ Matty Telemachus seinen Körper im Sommer 1995, als er vierzehn Jahre alt war."


Mit einer recht peinlichen wie verwirrenden Szenen für alle Beteiligten beginnt die Geschichte der erstaunlichsten Familie der Geschichte. Der pubertierende Telemachus-Sohn Matty macht eine äußerst verstörende Erfahrung, über die er zunächst mit niemandem reden will: als er heimlich seine zwei Jahre ältere Cousine Mary Alice beobachtet findet er sich plötzlich schwebend an der Zimmerdecke wieder - er hat seine erste außerkörperliche Erfahrung, eine Astralreise. Inmitten einer Familie voller Potential und Begabungen keine außergewöhnliche Neuigkeit. Aber als seltsame Typen von der Regierung auftauchen und auch Drohungen von dubiosen Mafiosi ausgesprochen werden, muss Matty erfahren, dass hinter der Fassade der erstaunlichen Familie Telemachus noch mehr steckt, als ihre besonderen Gaben, mit denen sie es zu Ruhm und Reichtum hätten bringen können, wenn nicht „der sagenhafte Archibald“ ihren Auftritt in der Mike Douglas Show in den siebziger Jahren ruiniert hätte. Dass in allen Telemachusse (oder Telemachi? ) mehr schlummert, als ein unkontrollierter Haufen an Außenseitern, Versagern, Spieler, Singles und Aufschneidern. Denn für alle, die sich ihnen in den Weg stellen wird Irene einen besonderen Satz bereithalten:


"Wir sind die Erstaunliche Familie Telemachus, du Mistkerl. Und du bist am Arsch."


Bevor die verzwickte Geschichte über Gangster-Nicks in zwei verschiedenen Generationen, habgierigen Regierungsagenten und eiskalte Schlägertypen losgeht, werden wir in einem sehr schleichenden Anfang allen Charakteren vorgestellt. Zuerst habe ich mich ein kleines bisschen gelangweilt, denn auch wenn der Roman von Anfang an eine gewisse Sogwirkung auf mich hatte, habe ich vergeblich die Handlung unter all dem kunterbunten Chaos gesucht, welches später kunstvoll undurchsichtig zu einem Ganzen verwoben wird.


"Alles wird großartig." "Für mich muss es gar nicht großartig sein", sagte Loretta. "Für mich musst du nicht großartig sein. Du musst nur da sein."


Vor allem die interessante, wenn auch gewöhnungsbedürftige Erzählweise des Romans hat mir den Einstieg zusätzlich erschwert. Anstatt eine chronologische Reihenfolge der Ereignisse abzuspulen werden hier des Öfteren Szenen scheinbar ohne weiteren Zusammenhang eingeworfen, als Erzählung der anderen Familienmitglieder an den unwissenden Matty, als schmerzhafte oder glückliche Erinnerungen oder als Ausblick, was am nächsten Tag passieren wird: die richtige Reihenfolge scheint hier eher zweitrangig zu sein während vor allem Buddys Szenen Gegenwart mit Vergangenheit und Zukunft wild durchmischen. Manchmal werden auch ganze Szenen und Geschichten mehrere Male aus unterschiedlichen Perspektiven mit unterschiedlichem Fokus erzählt. Bei der Handlungsdarstellung setzt der Autor also genau wie bei seinen Charakteren auf die Summe der Einzelteile. Als sich aus den vielen Bruchstücken endlich ein sinnvolles Bild zusammensetzt, welches viele Fragen aufwirft, konnte ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen.


"Du kannst nicht aufgeben", sagte Frankie. "Du bist ein Telemachus. Wir geben nicht auf!" "Ich weiß, ich weiß." Doch war das Aufhaben nicht das, wofür sie vor allem anderen bekannt waren? Die Erstaunliche Familie Telemachus war von der Bühne in die Mittelmäßigkeit abgetreten. Wir hätten Könige sein können."


Auch wenn Matty im Klapptext als Hauptcharakter angezeigt wird, würde ich sagen, dass hier die ganze Familie im Vordergrund steht. Neben dem jungen Matty, der auf seine Stiefcousine Mary Alice alias Malice steht und sich mitten in einer schwierigen Phase der Pubertät befindet, sind da noch seine Mutter Irene, seine Onkel Frankie und Buddy und der alte Opa Teddy, die aus ihren Perspektiven von ihren Problemen, Ängsten und Hoffnungen erzählen. Opa Teddy ist ein in die Jahre gekommener Taschenspieler, der sein Leben lang vortäuschte, hellseherische Fähigkeiten zu haben. Im Gegensatz zu seiner entzückenden wie mächtigen Frau Maureen ist er jedoch auf seine raffinierten Tricks und flinke Finger angewiesen, wenn er sein Publikum erstaunen will. Nach ihrem frühen Tod musste er seine drei Kinder Irene, Frankie und Buddy alleine großziehen, was ihm mehr schlecht als recht gelungen ist. Nun im Alter liebt er es immer noch, Publikum zu haben und hegt eine Passion für diamantbesetzte Rolex und karierte Anzüge.


„Wie hatte er so die Kontrolle über sein Haus verlieren können? My home is my castle am Arsch. Eher eine Art Flüchtlingslager.“


Auch wenn der Vater anscheinend aus irgendwelchen unbekannten Geschäften reich wurde, leben seine Kinder, die von Maureen alle ein anderes ungewöhnliches Talent geerbt haben, am Existenzminimum. Alle leiden noch immer unter dem Tod Maureens, hadern mit ihrem Schicksal und können ihre übersinnlichen Fähigkeiten nicht sinnvoll oder gar gewinnbringend einsetzen. Als die gescheiterten Persönlichkeiten mit ihrer Familie schließlich alle wieder in ihrem Elternhaus landen, scheint die Situation zu eskalieren.


"Wenn man nicht Teil der Nummer ist, ist man Teil des Publikums."


Das Heft in der Hand hat die geschiedene Irene, die aus Geldsorgen zusammen mit ihrem Sohn Matty wieder in ihr Elternhaus gezogen ist und in einem Chatroom ihre große Liebe zu finden versucht. Als lebender Lügendetektor ist sie nicht nur für Matty eine strenge Mutter, sie hat es auch schwer, eine Beziehung zu ertragen.


"Alles wird gut", sagte das Mächtigste Medium der Welt zu sich selbst. Er muss einfach nur weiter seine Aufgabe erledigen - bis es nicht mehr seine Aufgabe ist."


Buddy wohnt immer noch zu Hause und könnte mit seiner zurückgezogenen, ruhigen Art und den scheinbar sinnlosen Renovierungsprojekten für einen verrückten Nerd gehalten werden, was seine Familie jedoch nicht weiß ist, dass er nach Maureens Tod das neue mächtigste Medium der Welt mit einer unfassbaren Gabe ist: die Zukunft vorherzusehen. Seine Geschichte ist jedoch mehr tragisch als glorreich, seine Gabe mehr ein Fluch. Schon mit fünf Jahren den Tod seiner Mutter voraussehend, macht er sich ständig Vorwürfe, den Lauf der Geschichte nicht genügend geändert zu haben und folgt strikt dem Diktat seiner Erinnerungen. Wenn er sich daran erinnert, dass er am nächsten Tag den Rasen mähen wird, dann tut er das und zwar um genau die Uhrzeit, die er vorausgesehen hat, denn aus Erfahrung weiß er, dass nur ein Detail das ganze Schicksal eines Menschen verändern kann und das kann er absolut nicht gebrauchen, wo doch der ominöse Zap-Day immer näher kommt, der Tag an dem seine vorgezogenen Erinnerungen enden...


"4. September 1995, 12:06 Uhr. Der Moment, in dem die Zukunft endet. Der Tag an dem alles schwarz wird.
Zap."


Frankie hat zwar Arbeit, aufgrund seiner Automatenspiele und einer gescheiterten Geschäftsidee ist er allerdings hoch verschuldet. Als wäre das noch nicht genug schuldet er das Geld auch noch dem übelsten Schurken der ganzen Stadt: Nick Pusateri Senior.


"Mein Sohn, mein Sohn", sagte Teddy. Er packte Frankies Kopf. "Hör auf". Er wusste nicht, was er mit dem Jungen machen sollte. Hatte es nie gewusst. Dies war der Junge, der alles wollte und nicht wusste, wie er es bekam. "Hör einfach auf."


Als wären sie alle noch nicht genug schillernde und grundverschiedenen Charaktere, mischen die elegante Frau von Nick Pusateri Junior, der fast pensionierte Agent Smalls und ein ganzer Haufen verrückter Kinder den laden weiter auf. Eine explosive, abwechslungsreiche und hochinteressante Mischung, bei der jeder Charakter seine eigene, wichtige Rolle in dem Theaterstück spielen darf, ohne besonders gut oder böse, schlecht oder begabt, besonders oder normal sein zu müssen.


"Das Problem beim Älterwerden war, dass jeder Tag sich mit den Tausenden messen musste, die ihm vorausgegangen waren. Wie wunderbar müsste da ein Tag sein, um diesen Schönheitswettbewerb zu gewinnen? Es auch nur in die Finalrunde zu schaffen?"


Wunderbar finde ich auch, dass das Buch nicht davor zurückschreckt, Dinge schonungslos anzusprechen wie sie sind: Gefühle, Gedanken, Peinlichkeiten, Fettnäpfchen, traurige Tatsachen, all das mischt Daryl Gregory auf den 540 Seiten zu einem wunderbaren Mix zusammen, der durch den humorvollen Schreibstil, der sich auf Kosten der Protagonisten über das Leben lustig macht, gleichzeitig aber versucht, Lebensweisheiten zu geben. Dabei wird eine ganz besondere Atmosphäre geschaffen, die zu Herzen geht und uns Leser trotz einer Ungereimtheiten immer wieder dazu bringt, den Charakteren bei ihrem schräg-herzlichen Abenteuer treu zur Seite zu stehen.
Auf den letzten Seiten nimmt die Geschichte dann nochmal richtig Fahrt auf, bis alle Handlungsstränge auslaufen.


"Ich liebte das Fliegen. Du auch? Bestimmt!"



Fazit:

Exzentrisch, kunterbunt, ein wenig melancholisch und einfach saukomisch. Eine schräge Geschichte voller Charme, Herz und Spannung.

Veröffentlicht am 23.02.2018

Exzentrisch, kunterbunt, ein wenig melancholisch und einfach saukomisch.

Die erstaunliche Familie Telemachus
0

Allgemeines:

Titel: Die erstaunliche Familie Telemachus
Autor: Daryl Gregory
Verlag: Eichborn (23. Februar 2018)
ISBN-10: 3847906380
ISBN-13: 978-3847906384
ASIN: B0774V1GL1
Originaltitel: Spoonbenders
Seitenzahl: ...

Allgemeines:

Titel: Die erstaunliche Familie Telemachus
Autor: Daryl Gregory
Verlag: Eichborn (23. Februar 2018)
ISBN-10: 3847906380
ISBN-13: 978-3847906384
ASIN: B0774V1GL1
Originaltitel: Spoonbenders
Seitenzahl: 544 Seiten
Preis: 16,99€ (Kindle-Edition)
24€ (gebundene Ausgabe)




Inhalt:

Auf den ersten Blick ist Matty Telemachus ein typischer vierzehnjähriger Junge mit den typischen Problemen eines vierzehnjährigen Jungen. Aber Matty ist alles andere als normal und seine Familie ist es schon gar nicht. Als Matty entdeckt, dass er über ungewöhnliche Fähigkeiten verfügt, macht er sich auf die Suche nach dem lange gehegten Familiengeheimnis: Sind seine Verwandten wirklich Medien, beherrschen sie Telepathie, Telekinese und vielleicht noch andere Kräfte?


Bewertung:

Dieses Buch ist ganz unverhofft in meinem Briefkasten gelandet, ohne dass ich mich daran erinnern konnte, es angefragt zu haben, doch vom Klapptext neugierig geworden habe ich mich gleich ans Lesen gemacht. Wie dieses Buch zu mir gefunden hat, ist mir genau wie die ganze Geschichte ein Rätsel. Es war nicht zu 100% mein Fall, die schräge, eigenwillige Geschichte hat jedoch überraschenden Charme und entführt zur erstaunlichsten, exzentrischsten und unkonventionellsten Familie, die die Leserwelt jemals gesehen hat: die erstaunliche Familie Telemachus.


"Für sie gab es keine Grenzen. Nichts konnte sie aufhalten, bis auf eines. Die Zeit."


Schon das Cover (rechts) ist alles andere als langweilig und gewöhnlich. Vor einer grauenhaft orangenen Tropfentapete hängen etliche peinliche Bilder der Familienmitglieder Telemachus. Maureen, Metty, Teddy, Frankie, eventuell Irene und ein Junge der vielleicht Buddy sein könnte - durchaus originell wenn auch nach meinem Geschmack nicht wirklich optisch ansprechend. Der Farbverlauf der Tapete, die nach unten immer heller wird, lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters direkt auf den Titel, der wunderbar zur Geschichte passt. Im Gegensatz dazu ist das amerikanische Original (links) eher schnörkellos und klar. Ebenfalls zusehen sind Familienbilder und eine blaue, gepunktete Tapete, Matty steht aber klar im Mittelpunkt und die ganze Gestaltung ist farblich weniger aufdringlich. Trotzdass mir die Originalgestaltung besser gefällt, finde ich, dass die deutsche Gestaltung von der Atmosphäre gesehen besser zum Buch passt, da der Fokus auf der ganzen Familie liegt.
Den Klapptext finde ich nicht ganz so gelungen, auch wenn er Lust darauf macht, zum Roman zu greifen. Er legt meiner Meinung nach zu viel Wert auf Matty und seiner "Suche" nach dem Familiengeheimnis, welche nach ungefähr 20 Seiten beendet ist. Die eigentliche Handlung des Buches wird nicht erwähnt. Interessant wenn auch ein wenig verwirrend, fand ich die Zeichen, die den Kapiteln untergeordnet sind und den Wechsel der Erzählperspektive ankündigen. Jeder Charakter hat sein Zeichen, den genauen Grund und Zusammenhang davon habe ich aber nicht ganz verstanden.


Erster Satz: "Zum ersten mal verließ Matty Telemachus seinen Körper im Sommer 1995, als er vierzehn Jahre alt war."


Mit einer recht peinlichen wie verwirrenden Szenen für alle Beteiligten beginnt die Geschichte der erstaunlichsten Familie der Geschichte. Der pubertierende Telemachus-Sohn Matty macht eine äußerst verstörende Erfahrung, über die er zunächst mit niemandem reden will: als er heimlich seine zwei Jahre ältere Cousine Mary Alice beobachtet findet er sich plötzlich schwebend an der Zimmerdecke wieder - er hat seine erste außerkörperliche Erfahrung, eine Astralreise. Inmitten einer Familie voller Potential und Begabungen keine außergewöhnliche Neuigkeit. Aber als seltsame Typen von der Regierung auftauchen und auch Drohungen von dubiosen Mafiosi ausgesprochen werden, muss Matty erfahren, dass hinter der Fassade der erstaunlichen Familie Telemachus noch mehr steckt, als ihre besonderen Gaben, mit denen sie es zu Ruhm und Reichtum hätten bringen können, wenn nicht „der sagenhafte Archibald“ ihren Auftritt in der Mike Douglas Show in den siebziger Jahren ruiniert hätte. Dass in allen Telemachusse (oder Telemachi? ) mehr schlummert, als ein unkontrollierter Haufen an Außenseitern, Versagern, Spieler, Singles und Aufschneidern. Denn für alle, die sich ihnen in den Weg stellen wird Irene einen besonderen Satz bereithalten:


"Wir sind die Erstaunliche Familie Telemachus, du Mistkerl. Und du bist am Arsch."


Bevor die verzwickte Geschichte über Gangster-Nicks in zwei verschiedenen Generationen, habgierigen Regierungsagenten und eiskalte Schlägertypen losgeht, werden wir in einem sehr schleichenden Anfang allen Charakteren vorgestellt. Zuerst habe ich mich ein kleines bisschen gelangweilt, denn auch wenn der Roman von Anfang an eine gewisse Sogwirkung auf mich hatte, habe ich vergeblich die Handlung unter all dem kunterbunten Chaos gesucht, welches später kunstvoll undurchsichtig zu einem Ganzen verwoben wird.


"Alles wird großartig." "Für mich muss es gar nicht großartig sein", sagte Loretta. "Für mich musst du nicht großartig sein. Du musst nur da sein."


Vor allem die interessante, wenn auch gewöhnungsbedürftige Erzählweise des Romans hat mir den Einstieg zusätzlich erschwert. Anstatt eine chronologische Reihenfolge der Ereignisse abzuspulen werden hier des Öfteren Szenen scheinbar ohne weiteren Zusammenhang eingeworfen, als Erzählung der anderen Familienmitglieder an den unwissenden Matty, als schmerzhafte oder glückliche Erinnerungen oder als Ausblick, was am nächsten Tag passieren wird: die richtige Reihenfolge scheint hier eher zweitrangig zu sein während vor allem Buddys Szenen Gegenwart mit Vergangenheit und Zukunft wild durchmischen. Manchmal werden auch ganze Szenen und Geschichten mehrere Male aus unterschiedlichen Perspektiven mit unterschiedlichem Fokus erzählt. Bei der Handlungsdarstellung setzt der Autor also genau wie bei seinen Charakteren auf die Summe der Einzelteile. Als sich aus den vielen Bruchstücken endlich ein sinnvolles Bild zusammensetzt, welches viele Fragen aufwirft, konnte ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen.


"Du kannst nicht aufgeben", sagte Frankie. "Du bist ein Telemachus. Wir geben nicht auf!" "Ich weiß, ich weiß." Doch war das Aufhaben nicht das, wofür sie vor allem anderen bekannt waren? Die Erstaunliche Familie Telemachus war von der Bühne in die Mittelmäßigkeit abgetreten. Wir hätten Könige sein können."


Auch wenn Matty im Klapptext als Hauptcharakter angezeigt wird, würde ich sagen, dass hier die ganze Familie im Vordergrund steht. Neben dem jungen Matty, der auf seine Stiefcousine Mary Alice alias Malice steht und sich mitten in einer schwierigen Phase der Pubertät befindet, sind da noch seine Mutter Irene, seine Onkel Frankie und Buddy und der alte Opa Teddy, die aus ihren Perspektiven von ihren Problemen, Ängsten und Hoffnungen erzählen. Opa Teddy ist ein in die Jahre gekommener Taschenspieler, der sein Leben lang vortäuschte, hellseherische Fähigkeiten zu haben. Im Gegensatz zu seiner entzückenden wie mächtigen Frau Maureen ist er jedoch auf seine raffinierten Tricks und flinke Finger angewiesen, wenn er sein Publikum erstaunen will. Nach ihrem frühen Tod musste er seine drei Kinder Irene, Frankie und Buddy alleine großziehen, was ihm mehr schlecht als recht gelungen ist. Nun im Alter liebt er es immer noch, Publikum zu haben und hegt eine Passion für diamantbesetzte Rolex und karierte Anzüge.


„Wie hatte er so die Kontrolle über sein Haus verlieren können? My home is my castle am Arsch. Eher eine Art Flüchtlingslager.“


Auch wenn der Vater anscheinend aus irgendwelchen unbekannten Geschäften reich wurde, leben seine Kinder, die von Maureen alle ein anderes ungewöhnliches Talent geerbt haben, am Existenzminimum. Alle leiden noch immer unter dem Tod Maureens, hadern mit ihrem Schicksal und können ihre übersinnlichen Fähigkeiten nicht sinnvoll oder gar gewinnbringend einsetzen. Als die gescheiterten Persönlichkeiten mit ihrer Familie schließlich alle wieder in ihrem Elternhaus landen, scheint die Situation zu eskalieren.


"Wenn man nicht Teil der Nummer ist, ist man Teil des Publikums."


Das Heft in der Hand hat die geschiedene Irene, die aus Geldsorgen zusammen mit ihrem Sohn Matty wieder in ihr Elternhaus gezogen ist und in einem Chatroom ihre große Liebe zu finden versucht. Als lebender Lügendetektor ist sie nicht nur für Matty eine strenge Mutter, sie hat es auch schwer, eine Beziehung zu ertragen.


"Alles wird gut", sagte das Mächtigste Medium der Welt zu sich selbst. Er muss einfach nur weiter seine Aufgabe erledigen - bis es nicht mehr seine Aufgabe ist."


Buddy wohnt immer noch zu Hause und könnte mit seiner zurückgezogenen, ruhigen Art und den scheinbar sinnlosen Renovierungsprojekten für einen verrückten Nerd gehalten werden, was seine Familie jedoch nicht weiß ist, dass er nach Maureens Tod das neue mächtigste Medium der Welt mit einer unfassbaren Gabe ist: die Zukunft vorherzusehen. Seine Geschichte ist jedoch mehr tragisch als glorreich, seine Gabe mehr ein Fluch. Schon mit fünf Jahren den Tod seiner Mutter voraussehend, macht er sich ständig Vorwürfe, den Lauf der Geschichte nicht genügend geändert zu haben und folgt strikt dem Diktat seiner Erinnerungen. Wenn er sich daran erinnert, dass er am nächsten Tag den Rasen mähen wird, dann tut er das und zwar um genau die Uhrzeit, die er vorausgesehen hat, denn aus Erfahrung weiß er, dass nur ein Detail das ganze Schicksal eines Menschen verändern kann und das kann er absolut nicht gebrauchen, wo doch der ominöse Zap-Day immer näher kommt, der Tag an dem seine vorgezogenen Erinnerungen enden...


"4. September 1995, 12:06 Uhr. Der Moment, in dem die Zukunft endet. Der Tag an dem alles schwarz wird.
Zap."


Frankie hat zwar Arbeit, aufgrund seiner Automatenspiele und einer gescheiterten Geschäftsidee ist er allerdings hoch verschuldet. Als wäre das noch nicht genug schuldet er das Geld auch noch dem übelsten Schurken der ganzen Stadt: Nick Pusateri Senior.


"Mein Sohn, mein Sohn", sagte Teddy. Er packte Frankies Kopf. "Hör auf". Er wusste nicht, was er mit dem Jungen machen sollte. Hatte es nie gewusst. Dies war der Junge, der alles wollte und nicht wusste, wie er es bekam. "Hör einfach auf."


Als wären sie alle noch nicht genug schillernde und grundverschiedenen Charaktere, mischen die elegante Frau von Nick Pusateri Junior, der fast pensionierte Agent Smalls und ein ganzer Haufen verrückter Kinder den laden weiter auf. Eine explosive, abwechslungsreiche und hochinteressante Mischung, bei der jeder Charakter seine eigene, wichtige Rolle in dem Theaterstück spielen darf, ohne besonders gut oder böse, schlecht oder begabt, besonders oder normal sein zu müssen.


"Das Problem beim Älterwerden war, dass jeder Tag sich mit den Tausenden messen musste, die ihm vorausgegangen waren. Wie wunderbar müsste da ein Tag sein, um diesen Schönheitswettbewerb zu gewinnen? Es auch nur in die Finalrunde zu schaffen?"


Wunderbar finde ich auch, dass das Buch nicht davor zurückschreckt, Dinge schonungslos anzusprechen wie sie sind: Gefühle, Gedanken, Peinlichkeiten, Fettnäpfchen, traurige Tatsachen, all das mischt Daryl Gregory auf den 540 Seiten zu einem wunderbaren Mix zusammen, der durch den humorvollen Schreibstil, der sich auf Kosten der Protagonisten über das Leben lustig macht, gleichzeitig aber versucht, Lebensweisheiten zu geben. Dabei wird eine ganz besondere Atmosphäre geschaffen, die zu Herzen geht und uns Leser trotz einer Ungereimtheiten immer wieder dazu bringt, den Charakteren bei ihrem schräg-herzlichen Abenteuer treu zur Seite zu stehen.
Auf den letzten Seiten nimmt die Geschichte dann nochmal richtig Fahrt auf, bis alle Handlungsstränge auslaufen.


"Ich liebte das Fliegen. Du auch? Bestimmt!"



Fazit:

Exzentrisch, kunterbunt, ein wenig melancholisch und einfach saukomisch. Eine schräge Geschichte voller Charme, Herz und Spannung.

Veröffentlicht am 11.01.2018

Ein wunderbares Leseerlebnis

Doppelt verlobt hält besser
0

Allgemeines:

Titel: Doppelt verlobt hält besser
Autor: Lia Haycraft
Verlag: Forever (9. Februar 2018)
Genre: Roman
ISBN-10: 3958189490
ISBN-13: 978-3958189492
ASIN: B077YRP1DV
Seitenzahl: 224 Seiten
Preis: ...

Allgemeines:

Titel: Doppelt verlobt hält besser
Autor: Lia Haycraft
Verlag: Forever (9. Februar 2018)
Genre: Roman
ISBN-10: 3958189490
ISBN-13: 978-3958189492
ASIN: B077YRP1DV
Seitenzahl: 224 Seiten
Preis: 3,99€ (Kindle-Edition)
12€ (Taschenbuch)



Inhalt:

-Eine Liebe an der Côte d'Azur-

Isobel Rain liebt ihren Job als Geschäftsführerin der exklusiven Dating-Agentur Diamond Love. Sie liebt auch ihr Leben im französischen Küstenstädtchen Antibes. Doch dann macht ihr ausgerechnet ihr geliebter Onkel einen Strich durch die Rechnung. Und das aus dem Grab heraus: In seinem Testament verfügt er, dass Isobel Diamond Love nur weiterführen darf, wenn Sie innerhalb von sechs Monaten heiratet. Ein Verlobter muss also her. Und dabei hat Isobel zurzeit nicht mal einen Freund. Vielleicht ist es Schicksal, dass sie kurz darauf Jean-Luc trifft und es zwischen den beiden heftig funkt. Nur dass der smarte Immobilienmakler nichts von Isobels Erbe weiß und auch nicht vorhat in nächster Zeit jemandem das Ja-Wort zu geben. Aber dann kommt sowieso alles ganz anders…


Bewertung:

DISCLAIMER: Bevor ich mit der Rezension beginne, möchte ich noch zwei Dinge loswerden.
Erstens: vielen vielen Dank an Lia Haycraft und den Ullstein Verlag, dass wir auch dieses Buch wieder lesen durften!!!
Und Zweitens: Wer die "Die Nacht der Elemente"-Reihe nicht kennt, schaut am besten gleich mal bei meiner Rezension zum ersten Teil "Mondtochter" vorbei und ändert das.


Erster Satz: "Über den leuchtend blauen Himmel zog ein Muster aus fliegenden Schwalben und nicht zum ersten Mal verwandelten sich die fliegenden Pünktchen in Isobels Kopf in einen einzigen Satz: Die Dating Agentur Diamond Love darf nur von einer verheirateten Frau geleitet werden."


Mit diesem Satz beginnt der erste Liebensroman von Lia Haycraft, die mich schon zuvor im Genre Romantasy mit ihrer wunderbaren "Die Nacht der Elemente" - Reihe und zwei Novellen "Feuerküsse" und "Flammenseele" begeistert hat. Auch in diesem neuen Genre konnte sie mich
wieder absolut überzeugen und mit dem herzzerreißenden Hin und Her einer Liebesgeschichte an der Côte d'Azur ein wunderbares Leseerlebnis schaffen: süß und verlockend, wie das Eis, dass Isobel so gerne mag, sprudelnd und lebendig wie der Champagner, den die beiden immer trinken, ein wenig melancholisch wie das Meer bei Nacht.

"Sie klingelte dreimal kurz. Er hatte sie nie gefragt, was das bedeuten sollte, aber möglicherweise heiß es einfach das, was er hoffte. Ich liebe dich."


Das Cover ist wohl der Inbegriff eines locker, leichten Sommerromans - ein azurblauer Himmel über einer verlockend glitzernden Meeresbucht und einem malerischen Städtchen an der Küste. Als wäre das nicht schon genug um eine romantische Stimmung aufkommen zu lassen, umrahmen blühende Zweige die Szenerie einer Frau in einem weißen Kleid, die verträumt in die Ferne blickt. Der Titel "Doppelt verlobt hält besser", der farblich perfekt ins Bild passt, wird bald Programm, als sich Isobel in der Not wiederfindet, einen Bräutigam zu finden, um Chefin ihres Unternehmen bleiben zu können. Etwas seltsam jedoch finde ich die zwei unterschiedlichen Schrifttypen, in denen der Titel gehalten ist, doch ich will nicht so pingelig sein. Insgesamt finde ich das Cover sehr passend gestaltet, in sich stimmig und durchaus ansprechend, leider fallen mir aber auch auf Anhieb zig weitere ein, die im praktisch selben Stil gestaltet sind. Ich halte viel von unkonventionellen Coverbildern, die sich von der Masse abheben und an das man sich auch noch nach Jahren erinnert. Dieses ist einfach nur hübsch, was jedoch eigentlich genügt.


"Jean-Luc verschlug es den Atem. (...) Sie sah aus wie der Frühling persönlich. Und ihr Lächeln berührte irgendetwas tief in seinem Inneren. Vielleicht sollte er sie einladen. Einfach so."


Nach einem schnellen Einstieg, der in wenig Worten die Problematik erklärt, in der sich die junge Geschäftsführerin Isobel befindet. Wenn sie Chefin ihrer exklusiven Dating Agentur "Diamond Love" bleiben will, muss sie die Bedingung im Testament ihres Onkels erfüllen: einen Mann finden und heiraten und das auch noch möglichst bald. Die Lösung des Problems scheint erstmal näher als sie in ihrer Lieblingsbuchhandlung im französischen Küstenstädtchen Antibes den smarten Immobilienmakler Jean-Luc trifft und sie sich rasend schnell näher kommen. Doch will sie sich wirklich aufgrund eines Testaments dazu zwingen lassen, übereilt die wichtigste Entscheidung ihres Lebens treffen? Trotz ihres geschulten Blicks, für ihre Kunden den richtigen Partner zu finden, der perfekt zu dem jeweils anderen passt, weiß sie gar nicht mehr, was sie denken soll. Dass Jean-Luc nichts von Heirat hält während ihre übereifrige Tante Vivienne schon ihre Traumhochzeit plant, macht die Situation auch nicht besser. Bald findet sich Isobel in einem Gefühlschaos wieder und auf einem Weg, der sie beide in unterschiedliche Richtungen zieht...

Die Geschichte wird dem wunderschönen Setting schnell gerecht, die abwechselnd aus den beiden Perspektiven von Jean-Luc und Isobel geschilderte Story trieft gerade nur von abwechslungsreichen Gefühlen, ohne kitschig zu werden. Trotz der romantischen Dinners, Theaterbesuche, nächtlichen Picknicks oder Liebesnächten sorgen die vielen verhexten Schicksalswindungen, die die beiden durch haarsträubende Zufälle, dumme Missverständnisse und überkochende Emotionen immer wieder auseinander bringen dafür, das die Geschichte auf dem Boden bleibt. Die Handlung entwickelt sich also trotz der vielen Wiederholungen, die sich leider finden lassen, stets weiter, so wie es auch die Charaktere tun.


"Sie liebte jede Art von Geschichte, kaufe mal einen Krimi, mal einen aktuellen Roman und manchmal auch Liebesromane. Aber diese stellte sie einfach nur in ihr Buchregal. Sie mochte die Titel, die Schriftarten und die Namen der Hauptfiguren. Lesen wollte sie die Bücher nicht. Liebensgeschichten machten Isobel traurig. Besonders, wenn
sie gut ausgingen. Anders als ihre eigene..."


Isobel ist eine lebensfrohe Frau, die mitten im Leben steht und sich selbst schon gefunden hat. Sie hat einen Job, der sie erfüllt, einen wunderschönen Ort zum Leben, viele gute Freundinnen, die immer für sie da sind und eigentlich ihren Traummann: Jean-Luc. Ihm gefallen ihre Liebe zu Büchern, ihre lockere, selbstbewusste Art und ihr Lächeln, ihr gefallen an ihm seine Art zu gehen, seine charmante Unvoreingenommenheit und seine überlegte Attitüde.
Bei ihrer Begegnung kollidieren zwei Menschen, die eigentlich wie geschaffen füreinander, aber noch nicht ganz bereit für eine wirkliche Beziehung mit Zukunft sind. Im Laufe des Buches, der ganzen Entscheidungen, die sie treffen müssen und vor allem der Erfahrungen, die sie machen, lernen beide, was für sie wirklich wichtig im Leben ist und verändern vielleicht auch langsam ihre Lebenseinstellung.


"Es ist viel zu früh." Bei diesen Worten musste er erneut an Isobel denken. Zu früh, zu spät. Die meisten Dinge waren eins von beidem, stellte Jean-Luc fest. Heute war es für ihn jedenfalls definitiv zu spät."


Durch die abwechselnde Sicht auf beide kann man die ganzen Gefühle wunderbar nachvollziehen und ich konnte mich mit beiden identifizieren, auch wenn ihr Alter und ihre Lebenssituation mit der meinigen absolut nicht übereinstimmen. Schön ist auch, dass beide auch mal über reagieren, gemein sein und Fehler machen dürfen, was ihrem sonst so glatten Charakter eine wunderbare Authentizität verleiht. Gegen Ende habe ich immer mehr mit gefiebert und wollte den beiden am liebsten in den Hintern treten, dass sie sich endlich eingestehen, was sie am liebsten wollen: den jeweils anderen und endlich den entscheidenden Schritt gehen bevor sie wieder eine weitere Verstrickung auseinander reißt.


"Der Wind spielte mit den Ästen und blies die Strähnen aus ihrem Gesicht, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatten. Beinahe wie ein liebevoller Mann. Neue Tränen liefen über Isobels Wangen, und sie wunderte sich, wo all diese Tränen herkommen mochten. Innerlich fühlte sie sich so leer wie lange nicht. Es war vorbei."



Wieder einmal kann ich nur den Schreibstil der Autorin loben. Diesmal beschreibt ihre fließende, bildhafte und romantische Art, Emotionen und Orte auszudrücken, zwar keine Fantasywelt, dennoch erschafft sie eine knisternde, gefühlsgeladene und irgendwie magische Atmosphäre, die schnell mitreißt und ans malerische Meer in die Provence entführt. So wird die Geschichte nicht nur authentisch und mit nötigem Witz erzählt, sie reißt auch durch viele Emotionen mit und lässt uns nachdenken, was wir im Leben noch erreichen wollen: lieber Sicherheit und Geborgenheit oder Abenteuer und Leidenschaft - oder vielleicht sogar beides zusammen...? Einige Metaphern und Anekdoten erzählen dem Leser, was Liebe alles bedeuten kann und inspirieren zum Nachdenken.


"Es war lächerlich sich an Statistiken zu halten, wenn es um die Liebe ging. Und nur weil sich viele Menschen trennten, hieß das ja nicht, dass sie vorher keine glücklichen Jahre gemeinsam verbracht hatten. Was war besser: Sich nie ernsthaft auf jemanden einzulassen, damit man nicht verletzt werden konnte, oder ein paar Monate, Jahre oder sogar Jahrzehnte glücklicher Zweisamkeit?"


Das Ende kommt dann etwas schnell aber mit dem einzigen akzeptablen Ausgang, welcher die Geschichte fürs Herz abrundet.



Fazit:


Ein schöner Sommerroman zum mitfühlen, mitfiebern und komplett abschalten. Lia Haycraft zeichnet das authentische Bild einer zarten Liebe, die trotz vieler Umwege schließlich zum Ziel findet und lässt uns von Sommer, Urlaub, Sonne und Liebe träumen.

Veröffentlicht am 14.12.2017

Über die Bewältigung von Ängsten und die Wichtigkeit der Freundschaft...

Berühre mich. Nicht.
0

Allgemeines:

Titel: Berühre mich. Nicht
Autor: Laura Kneidl
Genre: New Adult
Verlag: LYX (26. Oktober 2017)
ISBN-10: 3736305273
ISBN-13: 978-3736305274
ASIN: B071HLB5FH
Preis: 12,90€ (broschiert)
9,99€ ...

Allgemeines:

Titel: Berühre mich. Nicht
Autor: Laura Kneidl
Genre: New Adult
Verlag: LYX (26. Oktober 2017)
ISBN-10: 3736305273
ISBN-13: 978-3736305274
ASIN: B071HLB5FH
Preis: 12,90€ (broschiert)
9,99€ (Kindle-Edition)
Seitenzahl: 400 Seiten
Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 14 Jahren



Inhalt:

Sie dachte, dass sie niemals lieben könnte. Doch dann traf sie ihn ...

Als Sage in Nevada ankommt, besitzt sie nichts - kein Geld, keine Wohnung, keine Freunde. Nichts außer dem eisernen Willen, neu zu beginnen und das, was zu Hause geschehen ist, zu vergessen. Das ist allerdings schwer, wenn einen die Erinnerungen auf jedem Schritt begleiten und die Angst immer wieder über einen hereinbricht. So auch, als Sage ihren Job in einer Bibliothek antritt und dort auf Luca trifft. Mit seinen stechend grauen Augen und seinen Tätowierungen steht er für alles, wovor Sage sich fürchtet. Doch Luca ist nicht der, der er auf den ersten Blick zu sein scheint, und als es Sage gelingt, hinter seine Fassade zu blicken, lässt dies ihr Herz gefährlich schneller schlagen ...


Bewertung:

DISCLAIMER: Vielen Dank an die Lesejury und den LYX-Verlag für das Bereitstellen eines Rezensionsexemplars!!!

Dieses Buch ist mir in den letzten Monaten schon vor der Veröffentlichung, der Präsentation auf der Messe und dem Verkaufsstart am 26. Oktober 2017 ständig über den Weg gelaufen und hat mich durch das wunderschöne Cover, aber vor allem aufgrund der enormen Kontroverse der Meinungen, die es zu dieser Geschichte gibt, angesprochen. Die einen lieben es, die anderen hassen es, wobei die Liebenden in der Überzahl sind. Natürlich musste ich den Auftakt dieser Dilogie sofort anfragen. Gerade in den kalten, dunklen, nebligen und einfach ekelhaft anstrengenden Winter- und Herbstmonaten, die wir gerade durchstehen müssen, ohne Winterdepressionen zu bekommen, geht doch nichts über einen schön oberflächlichen aber herzergreifenden Liebesroman, oder nicht...?

Das Cover finde ich wie schon erwähnt, einfach wundervoll. Beim ersten Hinsehen fallen zuerst die dicken weißen Balken auf, die sich durch das Bild ziehen und ein Muster ergeben. Diese Balken wirken irgendwie ein wenig stören und aufdringlich, wie sie das wunderbar geblümte Hintergrundbild so eiskalt durchschneiden. Das passt aber eigentlich wunderbar zu der zarten Sage, die innerlich schon zerbrochen und fast zerstört ist. Die zierlichen rosafarbenen Blumen im Hintergrund stehen in einem krassen Gegensatz zu den klaren geometrischen Formen, geben dem Cover aber eine weiche, romantische Ausstrahlung. Besonders gut gefällt mir, dass die Hintergrundfarben in jedem Licht ein wenig anders wirken und den Titel im Mittelpunkt wunderbar zur Geltung bringen. Auch wenn diese Gestaltung wirklich zauberhaft ist, finde ich jetzt schon das Cover des zweiten Teils schöner. Rosa ist trotz allem einfach nicht mein Ding Der Klapptext wirkte auf mich leider wie der eines typischen New Adult Romans und ich meinte den Großteil der Handlung schon von Anfang an zu kennen. Meiner Meinung nach wird er dem Buch auf keinen Fall gerecht. Der Titel hat mir aber wunderbar gefallen. Schon hier wird deutlich, in welch zwiespältigen Gefühlen sich Sage bald wiederfindet.


Erster Satz: "Ich habe keine Angst. Die Angst ist nicht real!"


Die Geschichte beginnt mit Sages Flucht an ihrem 18. Geburtstag, bei der sie alles zurücklässt, was ihr Leben ausgemacht hat: ihr Zuhause, ihre Familie, ihre beste Freundin, ihre Sicherheit und Unterstützung. Alles nur aus einem Grund: um ihm zu entkommen. Im weit entfernten Nevada will sie studieren und die letzten Jahre hinter sich lassen. Mit nichts als ihrem alten VW, in dem sie wohnt und schläft und all ihr weniges Hab und Gut lagert, muss sie sich in einer neuen Gegend zurecht finden, in der sie keiner kennt. Geld hat sie nicht, jedoch ein eiserner Wille, alle Herausforderungen zu meistern, die sich ihrem neuen Leben entgegenstellen. In der aufgeweckten April und deren geheimnisvollen Bruder findet sie zwei neue Freunde, die sie dabei unterstützen. Doch als immer wieder stellen sich ihre Ängste in den Weg, denn Erinnerungen lassen sich nicht durch 3000 Meilen Distanz abschütteln...


"Ich wollte weinen. Nicht seinetwegen und nicht wegen der Dinge, die er mir angetan hatte, sondern um mich. Weil ich nicht das Mädchen sein konnte, das ich sein wollte, und weil ich mich nicht selbst retten konnte. Aber ich weigerte mich auch nur noch eine weitere Träne zu vergießen. Ich war gestern schon einmal schwach geworden, und auch wenn er nie etwas davon erfahren würde, gönnte ich ihm diese Genugtuung nicht. Ja, er hatte Risse in meiner Seele hinterlassen, aber ich war nicht zerbrochen!"


Ich muss zugeben, dass mich dieses Buch überrascht hat. Natürlich entspricht es insofern dem bekannten New-Adult-Stereotyp, dass beide Charaktere von starken Problemen gezeichnet sind und es von Anfang an klar ist, dass sie zusammenkommen werden. Auch die typische Form des Annäherns bis zu einem Hochpunkt gefolgt von einem krassen Tief, lässt sich hier gut verfolgen. Jedoch lässt sich diese Geschichte sehr viel Zeit, ihre Charaktere zu entwickeln. Es geht hier nicht nur um Liebe, sondern in erster Linie um die Bewältigung von Ängsten und der Wichtigkeit von Freundschaft und Bestätigung. Trotzdem hat Laura Kneidl das Genre New Adult hier keinen falls neu erfunden -wer wirklich bahnbrechende, neue Ideen sucht, der wird dies auch in "Berühre mich. Nicht." nicht finden -, jedoch hat das Buch etwas an sich, was es von der Masse ein wenig abheben lässt, auch wenn ich nicht mit allem einverstanden bin.

Der Kern des Buches und dessen Anziehungskraft ist eigentlich basiert auf Sages Entwicklung. Ihr Vertrauen, ihre Hoffnung auf Besserung, ihre Freundschaft, ihr Selbstwertgefühl, ihre Liebe. All das entwickelt sich auf sehr langsame, zarte und auch schmerzvolle Art und Weise. Alle Emotionen kommen dabei realistisch und nachvollziehbar rüber. Was dieses Buch für mich aber auszeichnete, ist dass keine einfachen Lösungen geboten werden, wie sonst in vielen Büchern. Es wird kein "großes Problem" aufgestellt, das dann nach riesigem, aufgebauschtem Drama durch die Liebe geheilt und gelöst wird. Nein, dieser Roman zeichnet den harten, alltäglichen Kampf, den Sage ausfechten muss, die vielen kleinen Schritte, Gesten und die Zeit, die sie braucht, um zu heilen und sich besser zu fühlen. Durch den unglaublich detaillierten und emotionslastigen Schreibstil, schafft Laura Kneidl es, den Roman gleichzeitig spannend, ruhig, aufwühlend, beruhigend, berührend und aufklärend zu erzählen, sodass wir komplett von der Story gefangen genommen werden.


"Mein Innerstes vibrierte nervös, aber ich musste der Sache eine Chance geben. Andernfalls würde meine Angst gewinnen, und ich durfte nicht zulassen, dass meine Vergangenheit meine Zukunft boykottierte."


Die 18jährige Sage ist kein Vorzeigecharakter. Zu sehr ist sie von ihren traumatischen Erinnerungen an ihre Vergangenheit beeinflusst, die in ihr starke Angstzustände und Panikattacken hervorrufen. Trotz ihrer Angst und zerstörten Hoffnung schafft sie es jedoch immer wieder, sich nicht aufzugeben, sondern ihr Leben in die Hand zu nehmen und einen Neuanfang zu starten. Dieser ist nicht leicht, doch sie gibt nicht auf und trifft auf diesem beschwerlichen Weg Freunde die ihr nur zu gerne helfen und ihr auch ohne Erklärung beistehen. Die Autorin schafft es, den Leser an ihren Gefühlen, an ihrem Leid teilhaben zu lassen, ohne dass man sich bedrängt fühlt. Wir gehen auf ihre Probleme ein, lernen ihren Alltag mit der Angst kennen und gehen mit ihr gemeinsam den Weg in eine hoffentlich bessere Zukunft. Immer wieder hat sie Rückfälle, unnachvollziehbare Gedanken, die man aber nicht verstehen muss, da sie ihre Widersprüchlichkeit durch ihre traumatischen Ereignisse erhalten, die sie auf ihrem Weg weit zurück werfen. Wie sie sich immer wieder hochkämpft und schließlich lernt, anderen zu vertrauen ist wirklich eine starke Entwicklung, für die ich sie wirklich bewundert habe. (Kurze Anmerkung: was ist Sage bitteschön für ein Name?)

Diese Entwicklung wird nicht zuletzt durch Luca hervorgerufen, ihrem attraktiven Kollegen und Bruder ihrer besten Freundin. Eigentlich ist er ein wandelndes Klischee, aber ich mochte ihn trotzdem. Dass er ebenfalls ein Problem mit seiner Vergangenheit angedichtet bekommt, finde ich ein wenig unnötig, da ihn dieses zwar beeinflusst, aber eigentlich bloß genutzt wird, um seine zahlreichen, belanglosen Bettgeschichten zu rechtfertigen, durch welche das Macho/Bad-Boy- Klischee aufrechterhalten wird. Sein Charakter wird eigentlich vor allem durch die Fürsorge und Hilfsbereitschaft gekennzeichnet, die er denen gegenüber an den Tag legt, die er liebt. Für die Entwicklung der Geschichte hätte es für mich weder seine Vergangenheit noch sein Macho-Getue gebraucht, welches er sowieso schon bald ablegt und widerlegt. Als ich diese Anfangsschwierigkeiten überwunden hatte, ist er mir mit seiner Ordnungsliebe zu Listen und seinem Respekt für Sages Grenzen sehr ans Herz gewachsen.


"Luca und ich? Niemals. (...) Jemand, der gerade erst anfing, für einen Marathon zu trainieren, rannte auch nicht gleich vierzig Meilen. Zuerst kamen fünf, dann zehn, dann fünfzehn und, wenn man ausdauernd genug war, erreichte man vielleicht irgendwann einmal die vierzig Meilen. Luca war die Fünfzigmeilenmarke."


Außer den beiden und Sages Freundin April kommen eigentlich kaum nennenswerte Charaktere vor, die mehr als 2% der Handlung dominieren. Gerade diese Beschränkung auf die beiden und ihre Geschichte, hat mir aber sehr gut gefallen. Es ist sehr spannend zu sehen, wie sehr die beiden kämpfen müssen, um sich näher kommen zu können, aber nie einfach aufgeben und sich einen einfacheren Weg suchen. Zwar gab es inhaltlich im Plot einiges Wiederholungen, manchmal kamen mir sogar gleich mehrere Szenen fast nutzlos vor, was das Gefühl von Langeweile aufkommen lassen könnte, seltsamerweise hat mich das aber zu keinem Zeitpunkt gestört. Man ist so versunken in die Geschichte, dass auch die wenigen Klischees und Wiederholungen nicht stören. Glaubwürdigkeit und die sich langsam entwickelnden, authentische Beziehungselemente sorgen für eine kribbelnde, angenehme Stimmung, die aufgebauschtes Drama ersetzt.

Für dieses eher ruhigere Tempo ist wohl auch der ernste, tragische Hintergrund verantwortlich. Auf realistische Weise werden die schwierigen und zugleich wichtige Themen familiärer Missbrauch, häusliche Gewalt und Angststörungen angesprochen, wobei zwar keine wirkliche Message rüberkommt, sodass man das Buch wirklich als tiefgründig bezeichnen kann, die Gefühle der betroffenen Figuren aber stets sehr nachvollziehbar geschildert werden und ausgesprochen echt wirken. Zwar werden wir hier noch nicht mit wirklichen Fakten konfrontiert, zwischen den Zeilen schwingt aber noch eine ganze Menge mit, was im zweiten Teil Eskalationspotential hätte.
Des Weiteren wird überdeutlich, wie mächtig Angst sein kann, wenn sie den Blick für die Realität eintrübt, dass Flucht nicht mit Bewältigung gleichgesetzt werden kann.


"Damals hatte ich nur sein anzügliches Grinsen, seine Tätowierungen und seinen muskulösen Körperbau gesehen, mit dem er mir haushoch überlegen war. Aber wenn ich Luca heute betrachtete, sah ich so viel mehr in ihm - unsere Freundschaft und wie sich sein Gesicht aufhellte, wenn er über Bücher sprach. Ich sah einen großen Bruder, der seine Schwester liebte, und einen Freund, der meine gezuckerte Milch hasste, und mich trotzdem bei ihm wohnen ließ. Und ich sah Luca selbst, einen Mann, der vielleicht nicht dasselbe hatte durchstehen müssen wie ich, aber der verstand, wie es sich anfühlte, von einer Person enttäuscht zu werden, die einen eigentlich bedingungslos lieben sollte..."


Warum ich dem Buch nach dem vielen Lob keine 5 Sterne gebe: die letzten 30 Seiten mochte ich absolut nicht. 20 Seiten dieses meiner Meinung nach äußerst fragwürdigen Schlusses wurden eingenommen von der einzigen erotischen Szene des Buches, welche einfach nicht zum Buch, der Handlung, den Charakteren und deren Probleme gepasst hat und somit recht merkwürdig und unglaubwürdig wirkte. Und als man dann dachte, man hätte es endlich hinter sich kam der wirklich üble Bruch: ein absolut rückständiges, klischeehaftes Drama, das in einem ganz miesen, aufgebauschten Problem-Cliffhanger endet. Da ich ja zuvor noch angepriesen hatte, dass dieses wundervolle Buch ohne Drama auskommen würde, war ich wirklich enttäuscht von dieser Wendung, die nicht ganz passt und für mich einfach wie eine leicht missglückte Überleitung erschien, die auf den nächsten Teil Lust machen sollte. Hat bei mir zwar geklappt (ja, ich gebe es zu, ich bin nun wirklich sehr gespannt auf die Fortsetzung), finde das aber doch einfach schade, da das Ende das einfach nicht nötig gehabt hätte.

So schaue ich nun mit leichter Skepsis, latenter Sorge, aber auch mit viel Vorfreude auf den nächsten und abschließenden Teil der Dilogie um Sage und Luca "Verliere mich. Nicht", welcher am 26. Januar 2018 erscheinen wird.


Zum Abschluss noch mein Lieblingszitat:

"Ich sah zu ihm auf.
"Danke."
Er lächelte verlegen, und ich wusste, dass er verstand. Er verstand, dass ich ihm nicht nur für die Pancakes dankte, sondern für all die Worte, die er nicht sagte und all die Fragen, die er nicht stellte."




Fazit:

Bis auf das Ende konnte mich "Berühre mich. Nicht" aufgrund der authentischen Charaktere, der berührenden Gefühle und dem moderaten Erzähltempo, das eine zarte Entwicklung erlaubte, überzeugen. Zwar nichts bahnbrechend Neues, aber dennoch eine wundervolle Geschichte, die ich nur jedem weiterempfehlen kann!

Veröffentlicht am 14.12.2017

Über die Bewältigung von Ängsten und die Wichtigkeit der Freundschaft...

Berühre mich. Nicht.
0

Allgemeines:

Titel: Berühre mich. Nicht
Autor: Laura Kneidl
Genre: New Adult
Verlag: LYX (26. Oktober 2017)
ISBN-10: 3736305273
ISBN-13: 978-3736305274
ASIN: B071HLB5FH
Preis: 12,90€ (broschiert)
9,99€ ...

Allgemeines:

Titel: Berühre mich. Nicht
Autor: Laura Kneidl
Genre: New Adult
Verlag: LYX (26. Oktober 2017)
ISBN-10: 3736305273
ISBN-13: 978-3736305274
ASIN: B071HLB5FH
Preis: 12,90€ (broschiert)
9,99€ (Kindle-Edition)
Seitenzahl: 400 Seiten
Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 14 Jahren



Inhalt:

Sie dachte, dass sie niemals lieben könnte. Doch dann traf sie ihn ...

Als Sage in Nevada ankommt, besitzt sie nichts - kein Geld, keine Wohnung, keine Freunde. Nichts außer dem eisernen Willen, neu zu beginnen und das, was zu Hause geschehen ist, zu vergessen. Das ist allerdings schwer, wenn einen die Erinnerungen auf jedem Schritt begleiten und die Angst immer wieder über einen hereinbricht. So auch, als Sage ihren Job in einer Bibliothek antritt und dort auf Luca trifft. Mit seinen stechend grauen Augen und seinen Tätowierungen steht er für alles, wovor Sage sich fürchtet. Doch Luca ist nicht der, der er auf den ersten Blick zu sein scheint, und als es Sage gelingt, hinter seine Fassade zu blicken, lässt dies ihr Herz gefährlich schneller schlagen ...


Bewertung:

DISCLAIMER: Vielen Dank an die Lesejury und den LYX-Verlag für das Bereitstellen eines Rezensionsexemplars!!!

Dieses Buch ist mir in den letzten Monaten schon vor der Veröffentlichung, der Präsentation auf der Messe und dem Verkaufsstart am 26. Oktober 2017 ständig über den Weg gelaufen und hat mich durch das wunderschöne Cover, aber vor allem aufgrund der enormen Kontroverse der Meinungen, die es zu dieser Geschichte gibt, angesprochen. Die einen lieben es, die anderen hassen es, wobei die Liebenden in der Überzahl sind. Natürlich musste ich den Auftakt dieser Dilogie sofort anfragen. Gerade in den kalten, dunklen, nebligen und einfach ekelhaft anstrengenden Winter- und Herbstmonaten, die wir gerade durchstehen müssen, ohne Winterdepressionen zu bekommen, geht doch nichts über einen schön oberflächlichen aber herzergreifenden Liebesroman, oder nicht...?

Das Cover finde ich wie schon erwähnt, einfach wundervoll. Beim ersten Hinsehen fallen zuerst die dicken weißen Balken auf, die sich durch das Bild ziehen und ein Muster ergeben. Diese Balken wirken irgendwie ein wenig stören und aufdringlich, wie sie das wunderbar geblümte Hintergrundbild so eiskalt durchschneiden. Das passt aber eigentlich wunderbar zu der zarten Sage, die innerlich schon zerbrochen und fast zerstört ist. Die zierlichen rosafarbenen Blumen im Hintergrund stehen in einem krassen Gegensatz zu den klaren geometrischen Formen, geben dem Cover aber eine weiche, romantische Ausstrahlung. Besonders gut gefällt mir, dass die Hintergrundfarben in jedem Licht ein wenig anders wirken und den Titel im Mittelpunkt wunderbar zur Geltung bringen. Auch wenn diese Gestaltung wirklich zauberhaft ist, finde ich jetzt schon das Cover des zweiten Teils schöner. Rosa ist trotz allem einfach nicht mein Ding Der Klapptext wirkte auf mich leider wie der eines typischen New Adult Romans und ich meinte den Großteil der Handlung schon von Anfang an zu kennen. Meiner Meinung nach wird er dem Buch auf keinen Fall gerecht. Der Titel hat mir aber wunderbar gefallen. Schon hier wird deutlich, in welch zwiespältigen Gefühlen sich Sage bald wiederfindet.


Erster Satz: "Ich habe keine Angst. Die Angst ist nicht real!"


Die Geschichte beginnt mit Sages Flucht an ihrem 18. Geburtstag, bei der sie alles zurücklässt, was ihr Leben ausgemacht hat: ihr Zuhause, ihre Familie, ihre beste Freundin, ihre Sicherheit und Unterstützung. Alles nur aus einem Grund: um ihm zu entkommen. Im weit entfernten Nevada will sie studieren und die letzten Jahre hinter sich lassen. Mit nichts als ihrem alten VW, in dem sie wohnt und schläft und all ihr weniges Hab und Gut lagert, muss sie sich in einer neuen Gegend zurecht finden, in der sie keiner kennt. Geld hat sie nicht, jedoch ein eiserner Wille, alle Herausforderungen zu meistern, die sich ihrem neuen Leben entgegenstellen. In der aufgeweckten April und deren geheimnisvollen Bruder findet sie zwei neue Freunde, die sie dabei unterstützen. Doch als immer wieder stellen sich ihre Ängste in den Weg, denn Erinnerungen lassen sich nicht durch 3000 Meilen Distanz abschütteln...


"Ich wollte weinen. Nicht seinetwegen und nicht wegen der Dinge, die er mir angetan hatte, sondern um mich. Weil ich nicht das Mädchen sein konnte, das ich sein wollte, und weil ich mich nicht selbst retten konnte. Aber ich weigerte mich auch nur noch eine weitere Träne zu vergießen. Ich war gestern schon einmal schwach geworden, und auch wenn er nie etwas davon erfahren würde, gönnte ich ihm diese Genugtuung nicht. Ja, er hatte Risse in meiner Seele hinterlassen, aber ich war nicht zerbrochen!"


Ich muss zugeben, dass mich dieses Buch überrascht hat. Natürlich entspricht es insofern dem bekannten New-Adult-Stereotyp, dass beide Charaktere von starken Problemen gezeichnet sind und es von Anfang an klar ist, dass sie zusammenkommen werden. Auch die typische Form des Annäherns bis zu einem Hochpunkt gefolgt von einem krassen Tief, lässt sich hier gut verfolgen. Jedoch lässt sich diese Geschichte sehr viel Zeit, ihre Charaktere zu entwickeln. Es geht hier nicht nur um Liebe, sondern in erster Linie um die Bewältigung von Ängsten und der Wichtigkeit von Freundschaft und Bestätigung. Trotzdem hat Laura Kneidl das Genre New Adult hier keinen falls neu erfunden -wer wirklich bahnbrechende, neue Ideen sucht, der wird dies auch in "Berühre mich. Nicht." nicht finden -, jedoch hat das Buch etwas an sich, was es von der Masse ein wenig abheben lässt, auch wenn ich nicht mit allem einverstanden bin.

Der Kern des Buches und dessen Anziehungskraft ist eigentlich basiert auf Sages Entwicklung. Ihr Vertrauen, ihre Hoffnung auf Besserung, ihre Freundschaft, ihr Selbstwertgefühl, ihre Liebe. All das entwickelt sich auf sehr langsame, zarte und auch schmerzvolle Art und Weise. Alle Emotionen kommen dabei realistisch und nachvollziehbar rüber. Was dieses Buch für mich aber auszeichnete, ist dass keine einfachen Lösungen geboten werden, wie sonst in vielen Büchern. Es wird kein "großes Problem" aufgestellt, das dann nach riesigem, aufgebauschtem Drama durch die Liebe geheilt und gelöst wird. Nein, dieser Roman zeichnet den harten, alltäglichen Kampf, den Sage ausfechten muss, die vielen kleinen Schritte, Gesten und die Zeit, die sie braucht, um zu heilen und sich besser zu fühlen. Durch den unglaublich detaillierten und emotionslastigen Schreibstil, schafft Laura Kneidl es, den Roman gleichzeitig spannend, ruhig, aufwühlend, beruhigend, berührend und aufklärend zu erzählen, sodass wir komplett von der Story gefangen genommen werden.


"Mein Innerstes vibrierte nervös, aber ich musste der Sache eine Chance geben. Andernfalls würde meine Angst gewinnen, und ich durfte nicht zulassen, dass meine Vergangenheit meine Zukunft boykottierte."


Die 18jährige Sage ist kein Vorzeigecharakter. Zu sehr ist sie von ihren traumatischen Erinnerungen an ihre Vergangenheit beeinflusst, die in ihr starke Angstzustände und Panikattacken hervorrufen. Trotz ihrer Angst und zerstörten Hoffnung schafft sie es jedoch immer wieder, sich nicht aufzugeben, sondern ihr Leben in die Hand zu nehmen und einen Neuanfang zu starten. Dieser ist nicht leicht, doch sie gibt nicht auf und trifft auf diesem beschwerlichen Weg Freunde die ihr nur zu gerne helfen und ihr auch ohne Erklärung beistehen. Die Autorin schafft es, den Leser an ihren Gefühlen, an ihrem Leid teilhaben zu lassen, ohne dass man sich bedrängt fühlt. Wir gehen auf ihre Probleme ein, lernen ihren Alltag mit der Angst kennen und gehen mit ihr gemeinsam den Weg in eine hoffentlich bessere Zukunft. Immer wieder hat sie Rückfälle, unnachvollziehbare Gedanken, die man aber nicht verstehen muss, da sie ihre Widersprüchlichkeit durch ihre traumatischen Ereignisse erhalten, die sie auf ihrem Weg weit zurück werfen. Wie sie sich immer wieder hochkämpft und schließlich lernt, anderen zu vertrauen ist wirklich eine starke Entwicklung, für die ich sie wirklich bewundert habe. (Kurze Anmerkung: was ist Sage bitteschön für ein Name?)

Diese Entwicklung wird nicht zuletzt durch Luca hervorgerufen, ihrem attraktiven Kollegen und Bruder ihrer besten Freundin. Eigentlich ist er ein wandelndes Klischee, aber ich mochte ihn trotzdem. Dass er ebenfalls ein Problem mit seiner Vergangenheit angedichtet bekommt, finde ich ein wenig unnötig, da ihn dieses zwar beeinflusst, aber eigentlich bloß genutzt wird, um seine zahlreichen, belanglosen Bettgeschichten zu rechtfertigen, durch welche das Macho/Bad-Boy- Klischee aufrechterhalten wird. Sein Charakter wird eigentlich vor allem durch die Fürsorge und Hilfsbereitschaft gekennzeichnet, die er denen gegenüber an den Tag legt, die er liebt. Für die Entwicklung der Geschichte hätte es für mich weder seine Vergangenheit noch sein Macho-Getue gebraucht, welches er sowieso schon bald ablegt und widerlegt. Als ich diese Anfangsschwierigkeiten überwunden hatte, ist er mir mit seiner Ordnungsliebe zu Listen und seinem Respekt für Sages Grenzen sehr ans Herz gewachsen.


"Luca und ich? Niemals. (...) Jemand, der gerade erst anfing, für einen Marathon zu trainieren, rannte auch nicht gleich vierzig Meilen. Zuerst kamen fünf, dann zehn, dann fünfzehn und, wenn man ausdauernd genug war, erreichte man vielleicht irgendwann einmal die vierzig Meilen. Luca war die Fünfzigmeilenmarke."


Außer den beiden und Sages Freundin April kommen eigentlich kaum nennenswerte Charaktere vor, die mehr als 2% der Handlung dominieren. Gerade diese Beschränkung auf die beiden und ihre Geschichte, hat mir aber sehr gut gefallen. Es ist sehr spannend zu sehen, wie sehr die beiden kämpfen müssen, um sich näher kommen zu können, aber nie einfach aufgeben und sich einen einfacheren Weg suchen. Zwar gab es inhaltlich im Plot einiges Wiederholungen, manchmal kamen mir sogar gleich mehrere Szenen fast nutzlos vor, was das Gefühl von Langeweile aufkommen lassen könnte, seltsamerweise hat mich das aber zu keinem Zeitpunkt gestört. Man ist so versunken in die Geschichte, dass auch die wenigen Klischees und Wiederholungen nicht stören. Glaubwürdigkeit und die sich langsam entwickelnden, authentische Beziehungselemente sorgen für eine kribbelnde, angenehme Stimmung, die aufgebauschtes Drama ersetzt.

Für dieses eher ruhigere Tempo ist wohl auch der ernste, tragische Hintergrund verantwortlich. Auf realistische Weise werden die schwierigen und zugleich wichtige Themen familiärer Missbrauch, häusliche Gewalt und Angststörungen angesprochen, wobei zwar keine wirkliche Message rüberkommt, sodass man das Buch wirklich als tiefgründig bezeichnen kann, die Gefühle der betroffenen Figuren aber stets sehr nachvollziehbar geschildert werden und ausgesprochen echt wirken. Zwar werden wir hier noch nicht mit wirklichen Fakten konfrontiert, zwischen den Zeilen schwingt aber noch eine ganze Menge mit, was im zweiten Teil Eskalationspotential hätte.
Des Weiteren wird überdeutlich, wie mächtig Angst sein kann, wenn sie den Blick für die Realität eintrübt, dass Flucht nicht mit Bewältigung gleichgesetzt werden kann.


"Damals hatte ich nur sein anzügliches Grinsen, seine Tätowierungen und seinen muskulösen Körperbau gesehen, mit dem er mir haushoch überlegen war. Aber wenn ich Luca heute betrachtete, sah ich so viel mehr in ihm - unsere Freundschaft und wie sich sein Gesicht aufhellte, wenn er über Bücher sprach. Ich sah einen großen Bruder, der seine Schwester liebte, und einen Freund, der meine gezuckerte Milch hasste, und mich trotzdem bei ihm wohnen ließ. Und ich sah Luca selbst, einen Mann, der vielleicht nicht dasselbe hatte durchstehen müssen wie ich, aber der verstand, wie es sich anfühlte, von einer Person enttäuscht zu werden, die einen eigentlich bedingungslos lieben sollte..."


Warum ich dem Buch nach dem vielen Lob keine 5 Sterne gebe: die letzten 30 Seiten mochte ich absolut nicht. 20 Seiten dieses meiner Meinung nach äußerst fragwürdigen Schlusses wurden eingenommen von der einzigen erotischen Szene des Buches, welche einfach nicht zum Buch, der Handlung, den Charakteren und deren Probleme gepasst hat und somit recht merkwürdig und unglaubwürdig wirkte. Und als man dann dachte, man hätte es endlich hinter sich kam der wirklich üble Bruch: ein absolut rückständiges, klischeehaftes Drama, das in einem ganz miesen, aufgebauschten Problem-Cliffhanger endet. Da ich ja zuvor noch angepriesen hatte, dass dieses wundervolle Buch ohne Drama auskommen würde, war ich wirklich enttäuscht von dieser Wendung, die nicht ganz passt und für mich einfach wie eine leicht missglückte Überleitung erschien, die auf den nächsten Teil Lust machen sollte. Hat bei mir zwar geklappt (ja, ich gebe es zu, ich bin nun wirklich sehr gespannt auf die Fortsetzung), finde das aber doch einfach schade, da das Ende das einfach nicht nötig gehabt hätte.

So schaue ich nun mit leichter Skepsis, latenter Sorge, aber auch mit viel Vorfreude auf den nächsten und abschließenden Teil der Dilogie um Sage und Luca "Verliere mich. Nicht", welcher am 26. Januar 2018 erscheinen wird.


Zum Abschluss noch mein Lieblingszitat:

"Ich sah zu ihm auf.
"Danke."
Er lächelte verlegen, und ich wusste, dass er verstand. Er verstand, dass ich ihm nicht nur für die Pancakes dankte, sondern für all die Worte, die er nicht sagte und all die Fragen, die er nicht stellte."




Fazit:

Bis auf das Ende konnte mich "Berühre mich. Nicht" aufgrund der authentischen Charaktere, der berührenden Gefühle und dem moderaten Erzähltempo, das eine zarte Entwicklung erlaubte, überzeugen. Zwar nichts bahnbrechend Neues, aber dennoch eine wundervolle Geschichte, die ich nur jedem weiterempfehlen kann!