Ein zuckersüßer Glücksgriff!
Wenn Liebe eine Farbe hätteNachdem Leonie Lastellas Romandebüt "Das Licht von tausend Sternen" eine DIESER Geschichten war - die, die dich beim Lesen alles vergessen lassen, die du in Gedanken den ganzen Tag mit dir herumträgst ...
Nachdem Leonie Lastellas Romandebüt "Das Licht von tausend Sternen" eine DIESER Geschichten war - die, die dich beim Lesen alles vergessen lassen, die du in Gedanken den ganzen Tag mit dir herumträgst und in deine Träume mitnimmst; die, die voller bittersüßer Momente von der ganz undefinierbaren Sorte sind, bei denen du dich nicht genau entscheiden kannst, ob du vom Glück überwältigt oder von der Traurigkeit gerührt sein sollst; genau DIESE Art von Geschichte - und mich im März zu einem absoluten Fan gemacht hat, stand es nicht zur Debatte, dass ich auch ihren zweiten Roman "Wenn Liebe eine Farbe hätte" lesen muss. Und - oh Wunder -, auch diese Geschichte entpuppte sich als zuckersüßer Glücksgriff, auch wenn mich die Story von Everly und Weston nicht ganz so mitreißen konnte wie die von Harper und Ashton.
Weston: "Hass ist im Prinzip das Gleiche wie Liebe. Beide Gefühle sind mächtig, verschlingend. Nicht mein Ding.“
Mit der Gestaltung hat der dtv Verlag mal wieder einen Volltreffer gelandet. Wieder besonders an der Machart ist, dass der Einband aus bedruckter, weicher Pappe besteht und der Titel in silberner Prägung wie eines dieser Metallic-Kratzbilder wirkt, die ich vor einigen Jahren geliebt habe. Statt eines einfachen, schwarzen Hintergrunds wie bei Lastellas Erstling, umfasst hier ein an einen Abendhimmel erinnernden Farbverlauf den schwarzen Fleck, der den Titel umgibt. Warum der Roman ausgerechnet den kunstvollen Titel "Wenn Liebe eine Farbe hätte" trägt, wird erst mit der Zeit klar, entfaltet dann aber nachträglich seine Wirkung. Auf 400 Seiten erzählen Everly und Weston abwechselnd in 61 kurzen Kapiteln ihre Geschichte, die an sich nicht besonders aufregend, neu oder glamourös daherkommt, aber schon nach wenigen Seiten ihre leise, echte Magie entfaltet.
Erster Satz: "Der Geruch nach Alkohol und feiernden Menschen durchdringt die Luft auf Miles´ Party."
Denn Leonie Lastella schreibt hier wieder sehr lebensnah über Themen, die junge Menschen beschäftigen, über Protagonisten, die es wirklich geben könnte und Gefühle, die wir wohl alle kennen. Anstrengendes Studium, schwieriger WG-Alltag, verkorkstes Familienleben, vertrackte Freundschaften, Hetzen zum Nebenjob und unerfüllte Träume sind nur einige der Probleme, mit denen Everly und Weston sich herumschlagen müssen und so ist es nicht verwunderlich, dass die Stimmungsskala eher dunkler gefärbt ist und ich diese Geschichte nicht unbedingt als Wohlfühlroman bezeichnen würde. Auch die Themen Verantwortung, Verlust, Zukunftsangst, Kunst und Selbstverwirklichung halten hier Einzug und werden stimmig zu einer berührenden, echten Geschichte verarbeitet. Und was sorgt mitten in all dem Wahnsinn dafür, dass Everly und Weston nicht die Hoffnung verlieren, weiterkämpfen und ihre Welt bunter wird? Die große Liebe...
Weston:"Everly und du, ihr passt gut zusammen." Olivia wirkte zufrieden. "Sie braucht jemanden, der sie aus ihrem Schneckenhaus holte, und du..." Sie sieht mich lächelnd an. "Du brauchst definitiv einen Anker."
Doch Anker haben die Angewohnheit einen in die Tiefe zu reißen...."
Anders als im typischen New-Adult-Roman geht es hier mal nicht nur um heiße Leidenschaft und anziehende Protagonisten mit sexualisierten Gedanken und großem Lebenstraumata, sondern um zwei Protagonisten die einfach unfassbar süß zusammen passen, auch wenn ihre Welten scheinbar nicht kompatibel sind. Während Everly neben ihrem Medizinstudium durch zwei Nebenjobs hetzt, sich um den Gesundheitszustand ihrer Großmutter sorgt, bei der sie aufgewachsen ist und ihr Leben in trockenen Tüchern scheint, bewegt sich Westons Leben, der als Schulabbrecher ein kleines Diner betreibt, in eine ganz andere Richtung. Als sie durch eine Reihe an Zufällen (oder eher durch sorgfältige Kuppelarbeit von Großmutter Olivia) aufeinandertreffen, um Geld zu sparen zusammenziehen und dadurch gezwungen sind, die Welt des jeweils anderen besser kennenzulernen, merken sie jedoch, dass sie nicht ganz so verschieden sind und sich gegenseitig Halt geben können. Auch wenn ich zwischen den beiden keine große Chemie gespürt habe, hat mir sehr gut gefallen, dass die Autorin ein behutsames und wohlüberlegtes Tempo vorlegt: hier geht es nicht zu schnell, nicht zu langsam, nichts ist unrealistisch, weit hergeholt oder langweilig. Zwar gibt es auch hier einige Missverständnisse, Geheimnisse und das Leben, das sich zwischen die beiden zu drängen versucht, Leonie Lastella kommt aber ohne Klischees, überzogene Dramen oder andere unerfreuliche Stilmittel des Durchschnitts-Liebesromans aus. Dazu kommt, dass der nervige, unvermeidbare Prä-Happy-End-Breakdown hier endlich mal gut konstruiert und aus der Story nachvollziehbar entwickelt wurde.
Weston: "Wenn ich sie berühre, ist das wie ein Beben. Keines, das Katastrophen verursacht, sondern ein gutes. Wenn sie nicht da ist, schlägt mein Herz zu langsam und findet den richtigen Takt erst, sobald sie auftaucht. Ich brauche sie, damit mein Körper funktioniert. So einfach ist das. So biologisch. So eine verfluchte Scheiße."
Auch Leonie Lastellas atmosphärischer Schreibstil, der es ähnlich dessen der "Queen-of-Hearts" (Colleen Hoover) schafft, sämtliche Gefühle mit wenigen Worten und ohne geschwollene Metaphern oder Ausschweifungen auszudrücken und - noch viel wichtiger - lebensecht an den Leser weiter zu transportieren, präsentiert die Geschichte im besten Licht. So wird die recht vorhersehbare Handlung, die durch die beiden ehrlichen Ich-Erzähler keine Geheimnisse, überraschende Lebensumstände oder verborgene Gefühle der beiden Figuren zu bieten hat, trotzdem zu keinem Zeitpunkt langweilig. Dennoch (und hier kommt das große ABER ins Spiel, das dafür gesorgt hat, dass "Wenn Liebe eine Farbe hätte", mich nicht so sehr überzeugen konnte, wie Lastellas Vorgänger) haben mir hier die geballten Emotionen gefehlt, die "Das Licht von tausend Sternen" so mitreißend gemacht hat, der besondere Funke, der auch weit nach dem Beenden der Geschichte das Vergessen unmöglich machte und die außergewöhnliche Grundidee, die einen bleibenden Eindruck hinterließ. Versteht mich nicht falsch, ich mochte die Geschichte wirklich sehr, sie hatte nur einfach nicht genügend Pepp, um ein richtiges Herzensbuch zu werden.
Everly: "Wir sprechen vielleicht nicht immer dieselbe Sprache, unsere Körper hingegen schon. Und das ist eine vollkommen neue Erfahrung für mich. Es passiert einfach. Ich lasse mich fallen. Ich falle. Und Wes fängt mich mit jeder Berührung, jedem Kuss auf."
Das lag auch ein wenig an den Protagonisten. Everly blieb mir ein wenig zu blass. Zwar ist sie sensibel, einfühlsam, schlau und ... nett, was aber im Endeffekt darauf hinausläuft, dass sie einiges mit sich machen lässt. Egal ob Weston, ihre beste Freundin Jules, oder ihre geliebte Großmutter Olivia - neben den starken, polarisierenden und auch mal ambivalenten Persönlichkeiten wirkte sie ein wenig fade und lässt eine klare eigene Stimme vermissen. Weston hat mir da schon besser gefallen was seine persönlichen Konflikte anbelangt (zum Beispiel sein Problem mit seinem Vater oder auch seine Verarbeitung in Form von Kunst) geht aber alles ein wenig schnell und bleibt oberflächlich, da der Hauptfokus der Geschichte an einer anderen Stelle liegt. Auch das ist Meckern auf hohem Niveau und im Grunde mochte ich beide sehr. Wohin ihr Weg am Ende nun genau führt und wie sie ihre Probleme vollends lösen wollen, wird am Schluss natürlich nicht komplett geklärt - das wäre ja auch viel zu unrealistisch. Dadurch dass einiges offengelassen wird, macht die Autorin deutlich, dass es sich hier nicht um ein Ende, sondern erst um einen Anfang handelt. Dass ich diesem wieder beiwohnen durfte hat mich sehr gefreut - das wird auf keinen Fall mein letztes Buch von der Autorin gewesen sein...
Fazit:
"Wenn Liebe eine Farbe hätte" entpuppt sich als zuckersüßer Glücksgriff, auch wenn mich die Story von Everly und Weston nicht ganz so mitreißen konnte wie Leonie Lastellas Vorgänger. Dafür blieben mir die Protagonisten zu blass und es fehlte der gewisse Funke, der diese Geschichte zusammen mit dem atmosphärischen Schreibstil der Autorin, der authentischen Romanze und den lebensnahen Themen zu einem Herzensbuch gemacht hätte.