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Veröffentlicht am 09.11.2024

Ein kurzweiliges, humorvoll-groteskes Abenteuer

Der Bücherdrache
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Um meinen ausgedehnten Streifzug durch das Zamonien-Universum fortsetzen, habe ich mich als achtes Buch von Walter Moers seiner Novelle "Der Bücherdrache" gewidmet. Seitdem ich im Frühjahr 2024 mit "Prinzessin ...

Um meinen ausgedehnten Streifzug durch das Zamonien-Universum fortsetzen, habe ich mich als achtes Buch von Walter Moers seiner Novelle "Der Bücherdrache" gewidmet. Seitdem ich im Frühjahr 2024 mit "Prinzessin Insomnia und der albtraumfarbene Nachtmahr" ins Zamonien-Universum eingestiegen bin, habe ich großen Spaß mit all seinen großen und kleinen Werken, wie man meiner wachsenden Sammlung an (begeisterten) Rezensionen entnehmen kann. Auch wenn "Der Bücherdrache" mit knappen 200 Seiten eher ein Appetithappen ist, der es an Komplexität nicht mit seinen ausgewachsenen Romanen aufnehmen kann, hatte auch diese Geschichte wieder den gewohnten Moers´schen Charme, grotesken Humor und darüber hinaus originelle Spannungsmomente zu bieten!

"Ohne die Bücher wäre es gar nicht auszuhalten. Lektüre: das einzig wahre Schmerzmittel, um das Leben zu ertragen, nicht wahr?"

Bevor ich schildere, was sich der Autor für dieses Büchlein ausgedacht hat, wie immer ein paar kurze Worte des Lobes zur Gestaltung. Das Cover von "Der Bücherdrache" zeigt im Großformat ein ein schuppiger Kopf, der bei genauem Hinsehen aus gemusterten braunen Büchern besteht und aus dem zwei geschlitzte Augen hervorblitzen. Davor ist ein kleiner grüner Buchling zu sehen, der etwas verloren auf einem Bücherberg steht. Mit dem großflächig gemusterten Hintergrund und dem großen gelben Titel ist es mal wieder ein typisches Zamonien-Cover, das wunderbar zu den Gestaltungen der anderen Romane passt. Hervorheben möchte ich auch wieder die Gestaltung Inneren des Buches, die wieder zahlreiche Illustrationen der Umgebung, der Flora und Fauna sowie der handelnden Figuren beinhaltet. Besonders toll sind die illustrierten Initialen der einzelnen Kapitel, sowie die Illustration des Bücherdrachens, die sich über gleich mehrere Seiten erstreckt.

"In bösen, dunklen, kalten Tümpeln
Wo alte Bücher Orm gebären
Die tief in toten Sümpfen dümpeln
Wo Bücherwürmer sich vermehren
Wo alle Fragen Antwort finden
Doch niemand seine Frage kennt
Dort soll sich jener Dämon winden
Den man den Bücherdrachen nennt“
— Ojahnn Golgo van Fontheweg

Soweit so bekannt. Was hier neu ist, sind die in die Handlung integrierten Comic-Seiten, die als erzählerisches Mittel genutzt werden, um in ein Traumgespräch zwischen unserem bekannten Zamonien-Autor Hildegunst von Mythemetz und einem Buchling Hildegunst Zwei hinein und hinaus zu leiten (Letzterer ist deswegen nach dem Lindwurm benannt, da Hildegunst Zwei sämtliche Werke von Mythenmetz auswendig aufsagen kann). Denn anders als seine anderen Geschichten spielt sich die Handlung ausschließlich auf einer Metaebene im Traum ab und es bleibt bis zum Ende offen, ob es sich um ein Produkt von Hildegunsts Fantasie oder eine tatsächliche Erzählung handelt. Doch diese Unsicherheit wird eigentlich schon im Comic durch Hildegunst für nichtig erklärt:

"Alles was wir seh´n und schau´n,
ist nur ein Traum in einem Traum.
Das schreibt Perla La Gadeon in einem seiner Gedichte.
Tja. Was ist der Unterschied zwischen einer Geschichte und einem Traum?
Beides sind nur Hirngespinste, oder?"


Egal ob Traum oder nicht - wir besuchen hier auf 192 Seiten zusammen mit dem Buchling Hildegunst Zwei die Katakomben von Buchhain und erleben ein kompakt erzähltes wie originelles Abenteuer. Zwar lebt das Buch vor allem von Dialogen zwischen den beiden Hildegunsts sowie dem Buchling und dem Bücherdrachen, dennoch passiert auf den wenigen Seiten wirklich einiges. Ausgehend von der Ledernen Grotte wandern wir durch den Kristallgarten an Insekten vorbei bis zum Ormsumpf voller Treibsandbücher, Bücherwürmer und lebender Bücher, in dem auch der Bücherdrache Nathaviel - oder je nach Legende auch Elivathan, Levanthia, Thanaviel oder Ilathevan, haust. Was als Mutprobe des jungen Buchlings beginnt, wird schnell zu einem spannenden Abenteuer, bei dem es um Leben oder Tod geht. Denn der Bücherdrache mag zwar allwissend sein, aber er ist auch riesig, gelangweilt und ziemlich hungrig...

"Wer einmal gelernt hat, in der Melancholie zu Hause zu sein, der kann es selbst in der schlechtesten aller Welten aushalten. Gute Lektüre, schwarzen Humor und gesunde, gut abgehangene Melancholie, mehr braucht man eigentlich nicht. (...) Humor ist wichtig! Es gibt eine feine Grenzlinie zwischen Schwermut und Verzweiflung. Diese Grenze, dieser hauchdünne Schutzwall, der ins vor dem Sturz ins Bodenlose, ins schreckliche Nichts bewahrt: Das ist der Humor. Und je schwärzer dieser Humor ist, desto besser funktioniert er."


Da es sich nicht um einen vollwertigen Roman, sondern eher um den Umfang einer Novelle handelt, schreitet die Handlung dabei eher geradlinig und simpel voran und gerade als es beginnt, besonders spannend zu werden, ist sie schon wieder vorbei. Als anregender Appetithappen, der die Katakomben von Buchhain zum Leben erweckt und Lust auf mehr macht, ist das Büchlein aber sehr empfehlenswert. Generell wird die faszinierende unterirdische Welt von Buchhain hier nur grob angeschnitten, sodass ich nun sehr gespannt bin auf die anderen Buchhain-Bücher allen voran "Die Stadt der träumenden Bücher". Besonders die Buchlinge haben es mir angetan, denn neben Hildegunst Zwei bringen auch der Club der "Ormlinge" bestehend aus Estrakos, Arkaneon, Eliastrotes, Eideprius, Steraphasion und Klosophes (viel Spaß beim Enträtseln der in den Namen versteckten Philosophen...) viel frischen Wind in die Geschichte.

"Wer will das schon? Nur Schriftsteller. Nur Dichter. Außer denen unterhalten sich nur Kinder und Geisteskranke in Gedanken mit Figuren, die sie sich selber ausgedacht haben. Genau das ist es, was Dichter eigentlich tun: Sie drehen durch, ganz langsam und systematisch. Satz für Satz, Seite für Seite, Kapitel für Kapitel, Buch für Buch, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Bis sie endlich aus Papier und Buchstaben ihre ganz eigene Irrenanstalt gebaut haben, in der sie alleine hausen dürfen. Wer will denn so was? Nur Bekloppte! Ich jedenfalls nicht!"

Apropos enträtseln... Fans von Wortspielen (Stichwort: "Ojahnn Golgo van Fontheweg" oder "Perla La Gadeon"), Anspielungen auf Klassikern der Literaturgeschichte und intertextuellen Köstlichkeiten, die Moers´ klassischen Humor ausmachen, werden hier wieder voll auf ihre Kosten kommen. Denn was würde sich besser eignen, um sich über Bücher, Schriftstellerei, Dichtkunst und Inspiration auszulassen als eine Geschichte über einen aus Bücher bestehenden Drachen...?


Fazit


"Der Bücherdrache" ist ein kurzweiliges, humorvoll-groteskes Abenteuer, das mit gewohntem Moers'schen Witz und viel Liebe zum Detail die Katakomben von Buchhain lebendig werden lässt und Lust auf weitere Zamonien-Abenteuer macht.

Veröffentlicht am 08.11.2024

Überzeugt durch lebendige Figuren, charmante Kleinstadtatmosphäre und humorvolle Dialoge

The Long Game – Die große Liebe sucht man nicht, sie findet einen
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Handlung: "The Long Game" ist mein viertes Buch der Romance-Autorin Elena Armas, die mich bisher mit ihrer Debütreihe um "The Spanish Love Deception" und "The American Roommate Experiment" überzeugen konnte. ...

Handlung: "The Long Game" ist mein viertes Buch der Romance-Autorin Elena Armas, die mich bisher mit ihrer Debütreihe um "The Spanish Love Deception" und "The American Roommate Experiment" überzeugen konnte. Als ihre neue Greek-Oak-Reihe mit "The Fiancé Dilemma", für mich leider nicht an den positiven Eindruck anschließen konnte, habe ich schon befürchtet, dass ihre Debütreihe ein Einzelphänomen bleiben würde. Da ich "The Long Game", welches ebenfalls Teil der Greek-Oak-Reihe ist, bereits gekauft hatte, habe ich aber beschlossen, der Autorin und der Reihe trotzdem noch eine Chance zu geben. Dass mir im Nachhinein aufgefallen ist, dass es sich hierbei eigentlich um Band 1 und beim anderen um Band 2 der Dilogie handelt, ist nochmal eine ganz andere Geschichte. Davon abgesehen hat mich "The Long Game" wieder deutlich mehr überzeugen und mit einer Mischung aus gemütlichem Kleinstadt-Setting, atmosphärischen Enemies-to-Lovers-Vibes und sympathischem Witz mitgerissen.

Schreibstil:
Genau wie in ihrer erste Reihe sind die Zutaten des Romans mit einer Vielzahl von Tropes und dem obligatorischen Happy End sehr ähnlich zu einer Vielzahl von romantischen Komödien. Dennoch sind Elena Armas´ Humor sowie ihre Fähigkeit, ihre Handlung durch emotionale Gedankenausflüge, schlagfertigen Kabbeleien und Situationskomik mit den Mädchen der Fußballmannschaft aufzulockern, großartig und machen das Buch zu einer abwechlungsreichen Lektüre. Schön ist auch das Setting in Greek Oak, das hier deutlich lebendiger wird, als in "The Fiancé Dilemma" (was aber auch logisch ist, nun da ich weiß, dass man dieses Buch theoretisch zuerst lesen sollte). Besonders hervorheben möchte ich hier wieder ihre Gabe, Emotionen und zwischenmenschliche Spannung auf den Punkt zu bringen, bis man einfach nur aus der Haut fahren möchte. Die Autorin setzt hier wieder auf eine ultra slow burn Geschichte, die etwa 200 Seiten benötigt, um in Schwung zu kommen, für mich aber anders als in "The Fiancé Dilemma" in großartiger Chemie der Figuren geendet hat.

Figuren:
Adalyn und Cameron sind zwei typische Elena-Armas-Figuren, die neben ihrer Chemie auch mit einer ausreichend glaubwürdigen Persönlichkeit und eigenen Konflikten überzeugen. Auch wenn natürlich manches an der Oberfläche bleibt, entwickeln sich beide spürbar weiter und werden vor allem im Kontrast zueinander zu spannenden Figuren. Während er ein naturverbundener, grummeliger Sportler in Funktionskleidung ist, ist sie eine optimistische, stets schick gekleidete Boss-Lady. Doch egal ob wir die beiden beim Yoga mit Baby-Ziegen, im Fußballtraining oder auf Dorffeste im Mondschein begleiten - es macht großen Spaß. Lustigerweise waren Josie und Matthew, die in Band 2, "The Fiancé Dilemma" die Hauptrolle spielen, schon hier für mich schlecht greifbare Nebenfiguren, die mich nicht besonders interessiert haben. Hätte ich "The Long Game" also tatsächlich zuerst gelesen, hätte ich mir den Folgeband und somit einen Flop wohl erspart...


Die Zitate


"Love is never a problem. Love is simple, just like in the movies. We are the ones who complicate everything."

"Oops. Did I scare you, Miss Adalyn? I’m sorry. Sometimes I’m too loud.”“You’re never too loud, Maria. And you should never apologise for being loud. Whoever makes you feel that way is the one with sensitive ears."

"Love is a funny game, mi amor. There are no rules, and no matter how hard you try to win, one way or another, your heart is always on the line."

"You are all I can see,” he told me, his words falling right on my lips. “Even when I close my eyes, you’re all I see."


Das Urteil


"The Long Game" überzeugt durch lebendige Figuren, charmante Kleinstadtatmosphäre und humorvolle Dialoge, die die besondere Magie von Elena Armas´ Debütreihe wieder aufleben lassen.

Veröffentlicht am 08.11.2024

Eine zeitlose, poetische Einladung zur Reflexion über die Bedingungen kreativer Freiheit

Ein Zimmer für sich allein
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Virginia Woolfs "Ein Zimmer für sich allein" ist nicht nur ein Klassiker der feministischen Literatur, sondern eine Art literarisches Manifest, das bis heute die Debatten um Geschlechtergerechtigkeit und ...

Virginia Woolfs "Ein Zimmer für sich allein" ist nicht nur ein Klassiker der feministischen Literatur, sondern eine Art literarisches Manifest, das bis heute die Debatten um Geschlechtergerechtigkeit und die Bedingungen des kreativen Schaffens prägt. Dementsprechend stand das Buch, das in mehrere Kapitel aufgeteilt zwei ihrer Vorträge beinhaltet, lange Zeit auf meiner Liste. Die beiden Vorträge hielt sie 1928 am Newnham und Girton College hielt – den ersten Frauen-Colleges in Cambridge – und rüttelte damit die Hörsäle wach.

"Aber, werden sie sagen, wir haben sie gebeten über Frauen und Literatur zu sprechen, was hat das mit einem Zimmer zu tun, das man für sich allein hat?.."


Im Kern geht es Virginia Woolf in ihrem Vortrag um die Frage, wieso in der Literaturgeschichte weibliche Shakespeares, Goethes oder Dantes fehlen. Doch um diese Frage zu beantworten, nimmt sie uns zunächst mit auf einen gedanklichen Spaziergang über den Campus im Cambridge der 1920er Jahre und teilt ihre Gedanken in einem Fluss von Reflexionen, Poesie und ironischen Einwürfen mit uns LeserInnen. Zwischen Klassikern in der für Frauen unzugänglichen Bibliothek und dem Lunch in der Mensa entwickelt sie die Argumentation, dass Frauen vor allem eines fehlte: die äußeren und inneren Freiräume zum kreativen Arbeiten. Sie benötigt zwar etwas Zeit, ihre Ideen zu unterbreiten, ihre Formel für weibliches künstlerisches Schaffen ist aber so simpel wie revolutionär: Frauen brauchen „500 Pfund im Jahr und ein Zimmer für sich allein“ – also finanzielle Unabhängigkeit und geistige Freiheit, fernab der Erwartungen und Einschränkungen, die Familie, Ehemann und Gesellschaft auferlegten.

"Frauen haben in all diesen Jahrhunderten als Spiegel gedient, ausgestattet mit der magischen und köstlichen Kraft, die Gestalt des Mannes doppelt so groß wiederzugeben. Deshalb bestehen Napoleon und Mussolini so emphatisch auf der Unterlegenheit der Frauen, denn wären sie nicht unterlegen, würden sie nicht länger vergrößern. Das erklärt zum Teil, warum Frauen für Männer oft so unverzichtbar sind. Und es erklärt, warum ihre Kritik auf Männer so beunruhigend wirkt."


Besonders gut gefällt mir an den beiden Essays auch, dass die Autorin ihre Ideen nicht als dogmatische Forderung, sondern als Einladung zum Nachdenken über das eigene Umfeld und die eigenen Möglichkeiten gestaltet. Auch wenn Virginia Woolf natürlich im Kontext ihrer Zeit spricht, ist ihre Kernaussage heute noch relevant und schafft einen Raum des Dialogs und der Selbstreflexion, der Leserinnen und Lesern nach wie vor neue Perspektiven eröffnen kann. Zwar sind speziell ihre Gedanken zur weiblichen und männlichen Natur, nach denen Frauen generell anders denken und empfinden würden als Männer, heutzutage an unser modernes, diverseres Geschlechterverständnis kaum anschlussfähig, im Kern hat Woolfs Werk aber auch heute noch erstaunliche Aktualität. Die Idee, dass künstlerische Entfaltung und gesellschaftliche Anerkennung von struktureller Förderung abhängig sind, bleibt eine zentrale Erkenntnis – nicht nur im feministischen, sondern auch im allgemein menschlichen Kontext. Mit ihrem Blick auf die strukturellen Hürden, die Frauen daran hinderten, kreativ zu arbeiten und ihr literarische Potenzial nur in ganz wenigen Fällen durchzusetzen, war Virginia Woolf eine Pionierin der feministischen Literaturkritik, die ihrer Zeit voraus war und demnach auch 2024 noch zur Pflichtlektüre gehören sollte. Vor allem, da mich "Ein Zimmer für sich allein" mit Sorge hat hinterfragen lassen, wie viel weiter wir in den letzten 100 Jahren seit diesem Werk tatsächlich gekommen sind...

"Das ganze Ausspielen des einen Geschlechts gegen das andere, der einen Qualität gegen die andere; der ganze Anspruch auf Überlegenheit und das Zuschreiben von Unterlegenheit gehört in die Grundschulphase der menschlichen Existent, wo es "Seiten" gibt und es die eine Seite nötig hat, eine andere Seite zu schlagen und es von allerhöchster Wichtigkeit ist, auf ein Podest zu treten [...]. Werden die Menschen erwachsen, hören sie auf, an Seiten zu glauben, oder an Direktoren oder an hochverzierte Töpfe."



Fazit


Virginia Woolfs "Ein Zimmer für sich allein" ist eine zeitlose, poetische Einladung zur Reflexion über die Bedingungen kreativer Freiheit und erinnert uns daran, wie sehr gesellschaftliche Strukturen künstlerisches Potenzial beeinflussen.

Veröffentlicht am 08.11.2024

Eine zeitlose, poetische Einladung zur Reflexion über die Bedingungen kreativer Freiheit

Ein Zimmer für sich allein
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Virginia Woolfs "Ein Zimmer für sich allein" ist nicht nur ein Klassiker der feministischen Literatur, sondern eine Art literarisches Manifest, das bis heute die Debatten um Geschlechtergerechtigkeit und ...

Virginia Woolfs "Ein Zimmer für sich allein" ist nicht nur ein Klassiker der feministischen Literatur, sondern eine Art literarisches Manifest, das bis heute die Debatten um Geschlechtergerechtigkeit und die Bedingungen des kreativen Schaffens prägt. Dementsprechend stand das Buch, das in mehrere Kapitel aufgeteilt zwei ihrer Vorträge beinhaltet, lange Zeit auf meiner Liste. Die beiden Vorträge hielt sie 1928 am Newnham und Girton College hielt – den ersten Frauen-Colleges in Cambridge – und rüttelte damit die Hörsäle wach.

"Aber, werden sie sagen, wir haben sie gebeten über Frauen und Literatur zu sprechen, was hat das mit einem Zimmer zu tun, das man für sich allein hat?.."


Im Kern geht es Virginia Woolf in ihrem Vortrag um die Frage, wieso in der Literaturgeschichte weibliche Shakespeares, Goethes oder Dantes fehlen. Doch um diese Frage zu beantworten, nimmt sie uns zunächst mit auf einen gedanklichen Spaziergang über den Campus im Cambridge der 1920er Jahre und teilt ihre Gedanken in einem Fluss von Reflexionen, Poesie und ironischen Einwürfen mit uns LeserInnen. Zwischen Klassikern in der für Frauen unzugänglichen Bibliothek und dem Lunch in der Mensa entwickelt sie die Argumentation, dass Frauen vor allem eines fehlte: die äußeren und inneren Freiräume zum kreativen Arbeiten. Sie benötigt zwar etwas Zeit, ihre Ideen zu unterbreiten, ihre Formel für weibliches künstlerisches Schaffen ist aber so simpel wie revolutionär: Frauen brauchen „500 Pfund im Jahr und ein Zimmer für sich allein“ – also finanzielle Unabhängigkeit und geistige Freiheit, fernab der Erwartungen und Einschränkungen, die Familie, Ehemann und Gesellschaft auferlegten.

"Frauen haben in all diesen Jahrhunderten als Spiegel gedient, ausgestattet mit der magischen und köstlichen Kraft, die Gestalt des Mannes doppelt so groß wiederzugeben. Deshalb bestehen Napoleon und Mussolini so emphatisch auf der Unterlegenheit der Frauen, denn wären sie nicht unterlegen, würden sie nicht länger vergrößern. Das erklärt zum Teil, warum Frauen für Männer oft so unverzichtbar sind. Und es erklärt, warum ihre Kritik auf Männer so beunruhigend wirkt."


Besonders gut gefällt mir an den beiden Essays auch, dass die Autorin ihre Ideen nicht als dogmatische Forderung, sondern als Einladung zum Nachdenken über das eigene Umfeld und die eigenen Möglichkeiten gestaltet. Auch wenn Virginia Woolf natürlich im Kontext ihrer Zeit spricht, ist ihre Kernaussage heute noch relevant und schafft einen Raum des Dialogs und der Selbstreflexion, der Leserinnen und Lesern nach wie vor neue Perspektiven eröffnen kann. Zwar sind speziell ihre Gedanken zur weiblichen und männlichen Natur, nach denen Frauen generell anders denken und empfinden würden als Männer, heutzutage an unser modernes, diverseres Geschlechterverständnis kaum anschlussfähig, im Kern hat Woolfs Werk aber auch heute noch erstaunliche Aktualität. Die Idee, dass künstlerische Entfaltung und gesellschaftliche Anerkennung von struktureller Förderung abhängig sind, bleibt eine zentrale Erkenntnis – nicht nur im feministischen, sondern auch im allgemein menschlichen Kontext. Mit ihrem Blick auf die strukturellen Hürden, die Frauen daran hinderten, kreativ zu arbeiten und ihr literarische Potenzial nur in ganz wenigen Fällen durchzusetzen, war Virginia Woolf eine Pionierin der feministischen Literaturkritik, die ihrer Zeit voraus war und demnach auch 2024 noch zur Pflichtlektüre gehören sollte. Vor allem, da mich "Ein Zimmer für sich allein" mit Sorge hat hinterfragen lassen, wie viel weiter wir in den letzten 100 Jahren seit diesem Werk tatsächlich gekommen sind...

"Das ganze Ausspielen des einen Geschlechts gegen das andere, der einen Qualität gegen die andere; der ganze Anspruch auf Überlegenheit und das Zuschreiben von Unterlegenheit gehört in die Grundschulphase der menschlichen Existent, wo es "Seiten" gibt und es die eine Seite nötig hat, eine andere Seite zu schlagen und es von allerhöchster Wichtigkeit ist, auf ein Podest zu treten [...]. Werden die Menschen erwachsen, hören sie auf, an Seiten zu glauben, oder an Direktoren oder an hochverzierte Töpfe."



Fazit


Virginia Woolfs "Ein Zimmer für sich allein" ist eine zeitlose, poetische Einladung zur Reflexion über die Bedingungen kreativer Freiheit und erinnert uns daran, wie sehr gesellschaftliche Strukturen künstlerisches Potenzial beeinflussen.

Veröffentlicht am 08.11.2024

Eine zeitlose, poetische Einladung zur Reflexion über die Bedingungen kreativer Freiheit!

Ein Zimmer für sich allein
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Virginia Woolfs "Ein Zimmer für sich allein" ist nicht nur ein Klassiker der feministischen Literatur, sondern eine Art literarisches Manifest, das bis heute die Debatten um Geschlechtergerechtigkeit und ...

Virginia Woolfs "Ein Zimmer für sich allein" ist nicht nur ein Klassiker der feministischen Literatur, sondern eine Art literarisches Manifest, das bis heute die Debatten um Geschlechtergerechtigkeit und die Bedingungen des kreativen Schaffens prägt. Dementsprechend stand das Buch, das in mehrere Kapitel aufgeteilt zwei ihrer Vorträge beinhaltet, lange Zeit auf meiner Liste. Die beiden Vorträge hielt sie 1928 am Newnham und Girton College hielt – den ersten Frauen-Colleges in Cambridge – und rüttelte damit die Hörsäle wach.

"Aber, werden sie sagen, wir haben sie gebeten über Frauen und Literatur zu sprechen, was hat das mit einem Zimmer zu tun, das man für sich allein hat?.."


Im Kern geht es Virginia Woolf in ihrem Vortrag um die Frage, wieso in der Literaturgeschichte weibliche Shakespeares, Goethes oder Dantes fehlen. Doch um diese Frage zu beantworten, nimmt sie uns zunächst mit auf einen gedanklichen Spaziergang über den Campus im Cambridge der 1920er Jahre und teilt ihre Gedanken in einem Fluss von Reflexionen, Poesie und ironischen Einwürfen mit uns LeserInnen. Zwischen Klassikern in der für Frauen unzugänglichen Bibliothek und dem Lunch in der Mensa entwickelt sie die Argumentation, dass Frauen vor allem eines fehlte: die äußeren und inneren Freiräume zum kreativen Arbeiten. Sie benötigt zwar etwas Zeit, ihre Ideen zu unterbreiten, ihre Formel für weibliches künstlerisches Schaffen ist aber so simpel wie revolutionär: Frauen brauchen „500 Pfund im Jahr und ein Zimmer für sich allein“ – also finanzielle Unabhängigkeit und geistige Freiheit, fernab der Erwartungen und Einschränkungen, die Familie, Ehemann und Gesellschaft auferlegten.

"Frauen haben in all diesen Jahrhunderten als Spiegel gedient, ausgestattet mit der magischen und köstlichen Kraft, die Gestalt des Mannes doppelt so groß wiederzugeben. Deshalb bestehen Napoleon und Mussolini so emphatisch auf der Unterlegenheit der Frauen, denn wären sie nicht unterlegen, würden sie nicht länger vergrößern. Das erklärt zum Teil, warum Frauen für Männer oft so unverzichtbar sind. Und es erklärt, warum ihre Kritik auf Männer so beunruhigend wirkt."


Besonders gut gefällt mir an den beiden Essays auch, dass die Autorin ihre Ideen nicht als dogmatische Forderung, sondern als Einladung zum Nachdenken über das eigene Umfeld und die eigenen Möglichkeiten gestaltet. Auch wenn Virginia Woolf natürlich im Kontext ihrer Zeit spricht, ist ihre Kernaussage heute noch relevant und schafft einen Raum des Dialogs und der Selbstreflexion, der Leserinnen und Lesern nach wie vor neue Perspektiven eröffnen kann. Zwar sind speziell ihre Gedanken zur weiblichen und männlichen Natur, nach denen Frauen generell anders denken und empfinden würden als Männer, heutzutage an unser modernes, diverseres Geschlechterverständnis kaum anschlussfähig, im Kern hat Woolfs Werk aber auch heute noch erstaunliche Aktualität. Die Idee, dass künstlerische Entfaltung und gesellschaftliche Anerkennung von struktureller Förderung abhängig sind, bleibt eine zentrale Erkenntnis – nicht nur im feministischen, sondern auch im allgemein menschlichen Kontext. Mit ihrem Blick auf die strukturellen Hürden, die Frauen daran hinderten, kreativ zu arbeiten und ihr literarische Potenzial nur in ganz wenigen Fällen durchzusetzen, war Virginia Woolf eine Pionierin der feministischen Literaturkritik, die ihrer Zeit voraus war und demnach auch 2024 noch zur Pflichtlektüre gehören sollte. Vor allem, da mich "Ein Zimmer für sich allein" mit Sorge hat hinterfragen lassen, wie viel weiter wir in den letzten 100 Jahren seit diesem Werk tatsächlich gekommen sind...

"Das ganze Ausspielen des einen Geschlechts gegen das andere, der einen Qualität gegen die andere; der ganze Anspruch auf Überlegenheit und das Zuschreiben von Unterlegenheit gehört in die Grundschulphase der menschlichen Existent, wo es "Seiten" gibt und es die eine Seite nötig hat, eine andere Seite zu schlagen und es von allerhöchster Wichtigkeit ist, auf ein Podest zu treten [...]. Werden die Menschen erwachsen, hören sie auf, an Seiten zu glauben, oder an Direktoren oder an hochverzierte Töpfe."



Fazit


Virginia Woolfs "Ein Zimmer für sich allein" ist eine zeitlose, poetische Einladung zur Reflexion über die Bedingungen kreativer Freiheit und erinnert uns daran, wie sehr gesellschaftliche Strukturen künstlerisches Potenzial beeinflussen.