Ein kluger Feel-Good-Roman über Schicksal, Zufall und die Macht der Liebe!
Unter einem guten SternImmer wieder aufs Neue bemerke ich, wie sehr die Erwartung, mit der man an eine Geschichte herangeht, das Lesererlebnis und die Bewertung im Nachhinein beeinflusst. Von diesem Roman habe ich nicht mehr ...
Immer wieder aufs Neue bemerke ich, wie sehr die Erwartung, mit der man an eine Geschichte herangeht, das Lesererlebnis und die Bewertung im Nachhinein beeinflusst. Von diesem Roman habe ich nicht mehr und nicht weniger als eine nette Liebesgeschichte für Zwischendurch erwartet. Bekommen habe ich jedoch einen klugen Feel-Good-Roman, der in filmischer Form wohl eine romantische Komödie wäre. Minnie Darke zaubert mit viel Witz und einem beständigen roten Faden eine charmante Geschichte über Schicksal, Zufall und die Macht der Liebe.
Schon das Cover ist ausgeklügelt, detailreich und verspricht eine verspielte, verträumte Geschichte. Auf blauem Grund, der mit goldenen Sprenkeln und weißen Sternen durchsetzt ist, kommt der goldene Titel in erhabener Glitzerschrift gut zur Geltung. Ein ganz besonderes Plus ist jedoch, dass das Sternbild des Wassermanns, das in der Geschichte eine zentrale Rolle spielt und die weiße Silhouette der jungen Frau, die nach einem goldenen Stern greift, in der Dunkelheit leuchten. Das ist wirklich eine wundervolle Idee, die sowohl zum Thema der Sterne als auch zur Gestaltung im Allgemeinen passt. Auch innerhalb der Buchdeckel fallen viele passende Details auf. Anstatt in Kapitel ist das Buch durch Sternzeichen in Abschnitte aufgeteilt, in denen jeweils die Geschehnisse des passenden Monats erzählt werden. Der Erzählraum der Geschichte erstreckt sich über ein Jahr hinweg - also von "Wassermann" zu "Wassermann". Innerhalb der auf diese Art und Weise aufgeteilten Kapitel trennen passende Sternzeichensymbole den Text in Abschnitte.
Erster Satz: "Nicholas Jordan wurde nicht etwa unter dem sternenklaren Himmel von Edenvale geboren, sondern im Krankenhaus - in einem unscheinbaren Backsteingebäude am Rand eines Städtchens, in dem es vier Pubs gab, keine Bank, ein öffentliches Schwimmbad, sechs Wohltätigkeitsvereine und jeden Sommer zutiefst verhasste Wasserrestriktionen."
Mit diesem Satz beginnen wir unsere Reise durch die Leben von Nicholas Jordan und Justine Carmichael, zwei Sandkastenfreunden, die sich Jahren nach ihrem Wegziehen aus ihrer Heimatstadt wieder treffen. Während die realistische Schützin sofort weiß, dass ihre Gefühle, die sie als Teenager für ihn gehegt hat, so stark wie eh und je sind, ist Nick ein typischer Wassermann: ein Träumer und absolut blind für Justines Liebe. Um seiner Erkenntnis ein wenig auf die Sprünge zu helfen, beschließt die Journalistin beim Abtippen des Horoskops von Astrologie-Legende Leo Thornbury ein wenig zu schummeln, um ihm endlich die Augen zu öffnen und ihn subtil in die richtige Richtung zu weisen. Dabei hat sie aber weder bedacht, dass man ihre Äußerungen auch ganz anders deuten kann, noch dass sich Hunderte Menschen nach genau diesem Horoskop richten...
"Etwas Neues und Beunruhigendes, Herrliches und Erschreckendes, Berauschendes und Eigenartiges tobte in ihr. Es war als sei etwas aufgesprungen, wie das Popcorn auf dem Jahrmarkt. Und sie bezweifelte, dass sie es jemals wieder gut genug verstecken könnte, damit es keiner sah."
Denn statt sich nur auf Nick und Justine zu konzentrieren, weitet sich die Perspektive des Romans auf die Leben der Wassermänner aus, die durch Justines Horoskop-Manipulationen verändert werden. In kurzgeschichtenartigen Episoden erzählt Minnie Darke von den unterschiedlichsten Menschen (und einem Tier), die durch Justines modifiziertes Horoskop ihr Leben auf den Kopf stellen und schwerwiegende Entscheidungen treffen, die wiederum weitreichende Folgen für das Leben anderer Protagonisten haben. Und so beginnt eine verworrene Geschichte aus abstrusen Einzelschicksalen und weitreichenden Ereignisketten, die sich bald als zusammenhängendes Gesamtkunstwerk entpuppt. Immer wieder gibt es Schlüsselszenen, in denen Nebenfiguren aufeinander treffen, auf Justine und Nick rückwirken und in einem wohlüberlegten Durcheinander auf ihr Happy End zu taumeln. Der durchgängige rote Faden kann jedoch nicht verhindern, dass die Geschichte mit fast 600 Seiten deutlich Überlänge hat. Vor allem zu Beginn, wo etliche Handlungsstränge eingeführt werden, kommt die Story eher langsam in Schwung und es dauert seine Zeit, bis zarte Verbindungen zwischen den Einzelgeschichten erkennbar werden.
Trotz dass der Geschichte 100 Seiten weniger deutlich besser gestanden hätten, wird es nie langweilig und es kommen keine Leseflauten auf. Dafür sorgt in erster Linie Minnie Darkes netter, spritziger Schreibstil, der ihrem gut durchdachten Handlungskonstrukt ordentlich Leben einhaucht. Mit viel Charme und Witz zauberte sie mir immer wieder ein Lächeln aufs Gesicht und ihr Talent, ihre Protagonisten in abstruse Situationen zu manövrieren, hat mich einige Male sogar richtig zum Lachen gebracht. Die Autorin kann aber nicht nur lustig schreiben - viele schöne Wortbilder, spannende Zitate und bildreiche Metaphern schaffen auch eine verträumte Grundatmosphäre, in der der Glaube an die Sterne, das Schicksal, Magie und die Liebe ganz leicht fällt. Zur Astrologie bekehren konnte mich die Autorin dadurch zwar nicht (ich halte Horoskope nach wie vor für absoluten Humbug - die Psychologie-Studentin in mir sträubt sich vehement dagegen, Menschen nach dem Sternbild ihrer Geburt Persönlichkeitseigenschaften zuzuschreiben), dennoch werden hier komplexe Zusammenhänge zwischen Menschen, ihren Entscheidungen und der Wahrnehmung dessen, was sie als ihr Schicksal empfinden, auf sehr spannende Art und Weise deutlich gemacht.
"Justine sagte: "Aber Astrologie ist so..."
"Unwissenschaftlich?", half Roma ihr auf die Sprünge.
"Unlogisch?", schlug Alison vor.
"Na ja... ja."
"Womöglich ist es der Wunsch", mutmaßte Alison verträumt, "nach einer anderen Welt. Einer Welt mit anderen Regeln." (…) "Ein großes Mysterium", ergänzte Roma.
"Mit einem kleinen Hauch", sagte Alison, "von Zauber."
Mein einziger wirklicher Kritikpunkt ist, dass durch den Fokus auf einen ganzen Strauß an Figuren, Nick und Justine zwischenzeitlich ein wenig untergehen und die beiden viel oberflächlicher blieben, als bei einer Liebesgeschichte üblich. Auch wenn die beiden genauso liebevoll gezeichnet sind wie all die Nebenprotagonisten auch, konnte ich sie recht schlecht greifen und mich nicht zu hundert Prozent auf ihre Liebesgeschichte einlassen konnte. Auch die Dialoge zwischen Justine und ihrem Hirn empfand ich an manchen Stellen als etwas unpassend und seltsam. Dafür treffen wir auf einen bunten Haufen an Nebenfiguren. Hier tummeln sich eine vermögende Onkologin, ein lebensfreudiger Geburtenhelfer, ein einäugiger Hund, eine arbeitswütige Floristin, die Besitzerin der weltgrößten Sammlung an Diana-und-Charles-Hochzeitsgeschirr, eine junge Shakespeare-Streberin, ein Griesgram im Altersheim, eine ungewollt schwangere Stewardess, eine betrogene Pop-Legende, eine idealistische Grünen-Politikerin, eine alleinerziehende Nachwuchs Astrologin, ein glückloser Obdachloser, ein AC/DC-tätowierter Beamter und einige mehr. Man muss also in gewisser Weise gegeneinander aufwiegen, was einem selber wichtiger ist: abwechslungsreiche Diversität oder Charaktertiefe der Protagonisten? Im besten Falle wird beides erreicht, hier kippt das Verhältnis aber Aufbau-bedingt in Richtung der Vielfalt.
"Für dich gibt es auch noch ein Happy End." (…) "Und es wird kommen. Man weiß nie, was einen gleich um die nächste Ecke erwartet."
Das Ende hat mich noch mal in meinem Urteil bestärkt, dass in dieser Geschichte viel mehr steckt, als ich ihr zu Beginn zugetraut hätte. Minnie Darke zaubert hier nämlich - was in den seltensten Fällen gelingt - ein perfektes Ende für alle kurz angerissenen Parteien und führt alle Handlungsstränge zu einem befriedigenden Ende während der Kitschfaktor sehr niedrig bleibt. Am Ende haben sich alle Einzelstränge zu einem runden Gesamtbild verwoben und es bleibt ein warmes, fröhliches Gefühl der positiven Überraschung zurück!
Fazit:
Ein kluger Feel-Good-Roman, der in filmischer Form wohl eine romantische Komödie wäre. Minnie Darke zaubert mit viel Witz und einem beständigen roten Faden eine charmante Geschichte über Schicksal, Zufall und die Macht der Liebe. Abzug gibt es nur für die Überlänge und die fehlende Tiefe der Hauptprotagonisten, welche jedoch durch einen charmanten, spritzigen Schreibstil und einen bunten Strauß an Nebenprotagonisten erfolgreich kaschiert werden.