Profilbild von Wordworld_Sophia

Wordworld_Sophia

Lesejury Star
offline

Wordworld_Sophia ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Wordworld_Sophia über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.12.2019

Eine dynamische Dreiecksgeschichte mit bittersüßer Grundstimmung...

Bring Down the Stars
0

Seit ich Emma Scotts "The Light In Us" gelesen habe, würde ich mich auf jeden Fall als Fan bezeichnen, weshalb ich mich natürlich sehr über ihre neue Reihe gefreut habe. "Bring Down The Stars" ist jedoch ...

Seit ich Emma Scotts "The Light In Us" gelesen habe, würde ich mich auf jeden Fall als Fan bezeichnen, weshalb ich mich natürlich sehr über ihre neue Reihe gefreut habe. "Bring Down The Stars" ist jedoch eng mit einem privaten Schicksalsschlage der Autorin verknüpft und in einer ganz anderen Zeit und Lebenssituation verfasst wie "The Light In Us" - und das spürt man auch. So fiel die Geschichte ganz anders aus als ich erwartet hätte und ich bin mir noch nicht ganz sicher, wie ich das finden soll.


"Weißt du, warum die Morgendämmerung so schön ist, Autumn?", hatte Dad gefragt. "Weil jeder Tag die Möglichkeit von etwas Wunderbarem birgt. Du musst nur bereit sein dafür."


Das Cover ist ein üblicher LYX-Traum mit dem dominanten Titel in gravierten Großbuchstaben und den glitzernden Lichtpunkten auf dem creme-lila Grund. Auch wenn mir die Farb- und Lichtakzente sehr gut gefallen finde ich es ein wenig zu fröhlich und glamourös für diese teilweise eher schwermütige Geschichte. Versteht mich nicht falsch - die Gestaltung ist wirklich wunderhübsch, auf mich wirkt sie aber ein wenig zu harmlos. Das Cover des zweiten Teils mit dem dunklen Grund und den starken Akzenten, macht in meinen Augen da schon viel mehr her und kann die Dramatik besser einfangen. Geteilt in 6 Teile umfasst die Geschichte 32 Kapitel, die entweder aus Westons oder aus Autumns Sicht erzählt sind. Zu Beginn erklärt die Anmerkung der Autorin einiges zum Entstehungskontext, dann folgt eine kurze Playlist und ein anrührender Prolog über Westons Kindheit. Besonders schön ist jedoch, dass ganz am Ende noch Westons Gedichte in englischer (also Original-)Fassung eingefügt worden sind, die eine ganz andere Magie entfalten als die deutschen Übersetzungen (auch wenn man an jener nichts aussetzen kann). Das war eine wunderbare Idee des Verlags, die einiges hermacht!


Erster Satz: "Ich war sieben Jahre alt, als mein Vater uns verlassen hat."


Der Klapptext impliziert eine Dreiecksgeschichte zwischen Autumn, Connor und dessen Freund Weston, welcher ich eher mit gemischten Gefühlen entgegensah, da ich mit der typischen Dreiecksbeziehung in all den Jahren meiner "Lesekarriere" selten eine gute Erfahrung gemacht habe. Anders als erwartet, steht hier jedoch der Protagonist und Sympathieträger des Lesers schon von der ersten Seite an fest und die Frage, wer Autumns wahre Liebe ist, wird dadurch vorweggenommen, dass der Prolog zu Beginn Nähe und Verständnis zu Weston aufbaut. Obwohl wir nach dem Prolog erstmal in Autumns Leben am Amherst College einsteigen, wo sie zuerst den attraktiven Connor mit dem gewinnenden Lächeln und dann den ebenso gutaussehenden Weston mit seiner beißenden Abwehrhaltung kennenlernt, ist Weston durch den Einschub seiner Geschichte von Beginn an der eigentliche Favorit des Lesers.

Auch im Laufe der Geschichte werden Autumns Gefühle für Connor durch das Wissen um die eigentliche Herkunft der anrührenden, perfekten Textnachrichten, Telefonanrufe, Briefe und Gedichte, die Autumn in Connors Namen erreichen, als Projektion und Täuschung entlarvt. Je näher sich Connor und Autumn kommen, desto mehr wundert sie sich darüber, wie er schriftlich so romantisch und perfekt sein kann, es aber oft nicht funkt, wenn sie sich gegenüber stehen. Auf der anderen Seite ist sie verwirrt von den Gefühlen, die Connors abweisender Freund Weston in ihr auslöst. Wer sich also von dem Ausblick auf eine Dreiecksgeschichte abschrecken lassen würde: wir haben es hier nicht mit einem nervtötenden Hin und Her zu tun sondern erleben ein authentisches, mitreißendes Gefühlsdilemma. Die Konstellation von Autumn, die nach einem enttäuschenden Beziehungsende eigentlich keine neue Liebschaft will, dem Aufreißer Connor, der seinen besten Freund um Ratschläge bittet und dem tiefgründigen Weston, der für die beiden aus Liebe nur das Beste will, hat eine herzzerreißende Dynamik, sodass bald klar wird, dass nicht jede Dreiecksgeschichte ein Reinfall werden muss.


"Ganz langsam. Dir hat gerade jemand das Herz gebrochen, und du kletterst schon wieder auf den Felsvorsprung und überlegst, erneut zu springen. (…) Doch bei jedem Lächeln von Connor, jedem Lachen und jeder beiläufigen Berührung spürte ich diese Anziehung, die mir zuflüsterte, dass ich springen sollte, dass es mich glücklich machen würde. Nur erinnerte ich mich noch allzu gut, wie hart und unnachgiebig der Boden sein konnte."


Ganz anders als gewohnt, lässt sich die Geschichte viel Zeit und konzentriert sich auf das Spannungsgefüge zwischen Connor, Autumn und Weston ohne dass es schnell konkret wird. Brodelnde Leidenschaft sucht man hier also ebenso vergebens wie Lockerheit und Fröhlichkeit. Denn trotz des zuerst eher unproblematischen Hintergrunds kommt der Roman weitaus schwermütiger daher, als erwartet, als überschatte eine dunkle Vorahnung die ersten Gefühle zarter Liebe. Zur Erschaffung dieser bittersüßen Grundstimmung, trägt vor allem Emma Scotts Schreibstil bei. Die Sensibilität, mit der sie dem Leser einen Blick ins Innere ihrer Protagonisten gewährt, die Grausamkeit, mit der sie uns und ihre Geschöpfe konfrontiert und die viele Liebe, mit der sie ihre und unsere Herzen heilt, sind wirklich erstaunlich. Sie erschafft durch die Mischung von drei zerbrechlichen und doch starken Protagonisten, einer wunderschöner und doch hässlicher Stadt und herzzerreißend traurigen und anrührend süßen Momenten einen ambivalenten Mix voller Kontraste, Wahrheit und Tiefgründigkeit.


"Sie haben die Liebe von tausend Herzen zu geben. Tausend Tränen können fallen, wenn ein Herz bricht. Aber weinen Sie nie vor Scham." Er nahm mein Kinn in seine große Hand. "Auch verlorene Liebe ist sinnvoll verschenkt."



Das klingt ja soweit ganz wundervoll, also warum bin ich mir nicht sicher, was ich von der Geschichte halten soll? Hauptsächlich liegt das daran, dass mich Autumn als Protagonisten überhaupt nicht erreichen konnte. Trotz dass ich viele Gemeinsamkeiten mit ihr habe (Ausgehmuffel, Faible für Second-Hand-Chic, Workaholic, Studium mit Stipendium, immer überarbeitet, ehemaliges Landei), konnte ich sie nicht wirklich als Charakter greifen, weshalb mir ihre Seite der Geschichte schwer zugänglich blieb. Auch gegen Connor habe ich bald unabsichtlich eine Aversion entwickelt. Auch wenn er mit seinem strahlenden Lachen, der aufgeschlossenen Art und der Loyalität gegenüber Weston grundsätzlich sympathisch ist, hat mich sein Verhalten Autumn gegenüber oft ziemlich gestört und auch seine Blindheit gegenüber Westons Gefühlen hat ihm viele Minuspunkte eingebracht. So habe ich mich schon bald dabei erwischt, mir einfach nur zu wünschen, er möge doch endlich einfach gehen und Wes das Feld überlassen.

Der große Lichtblick, der die Schwäche der beiden anderen Protagonisten wieder ausbügelt ist Weston Turner, der zu den anbetungswürdigsten Charakteren gehört, von denen ich je gelesen habe. Er besitzt eine poetisch Tiefgründigkeit und gequälte Intensität, die Connor definitiv fehlt und das zeigt sich nicht nur darin, dass er wundervolle Gedichte schreibt. Nein, die Art und Weise, wie er seine Gefühle reflektiert, die Folgen seines Verhaltens auslotet und sein eigenes Glück hinter das der Menschen, die er liebt zurückstellt, ist einfach hinreißend, auch wenn er mich mit seinen masochistischen, aufopferungsvollen Zügen in den Wahnsinn trieb.


"Was ist passiert, dass Sie das Gefühl haben, selbst nichts Gutes zu verdienen?" (…)
"Das Gute fühlt sich unerreichbar an", murmelte ich. "Ich hatte mal etwas Gutes und habe es verloren."
"Und jetzt greifen sie nur nach Dingen, deren Verlust nicht wehtut." (…)
"Es ist zu spät"
"Ist es das? Sie sitzen hier quicklebendig vor mir, durch ihre Adern fließt Blut, ihre Lungen atmen. Für mich sieht das nicht nach zu spät aus."


Dadurch dass man als Leser die ganze Zeit weiß, was Autumn verborgen bleibt und wie sehr Weston unter der Situation leidet, möchte man am liebsten in die Geschichte einsteigen und ihr die Wahrheit ins Gesicht brüllen. So einfach macht es uns die Autorin jedoch nicht und gerade als man denkt, die Geschichte bewege sich endlich in die richtige Richtung, schockiert sie uns mit einem fiesen Bruch. Durch eine im Affekt getroffene Entscheidung geht es plötzlich um weitaus mehr als unerwiderte Liebe. Doch anstatt die plötzliche Wendung zu nutzen um mehr Tiefe in die Geschichte zu bekommen, überspringt die Autorin wichtige Schlüsselszenen einfach durch extrem große Zeitsprünge, weshalb ich endgültig die Verbindung zu Connor und Autumn verloren habe. Etwas enttäuscht war ich auch, dass wir von den vielen Briefen, die Weston im hinteren Teil der Geschichte schreibt nur einen einzigen abgedruckt bekommen und so alles, was zuvor sehr langsam entwickelt wurde plötzlich viel zu schnell vonstattengeht.


"Eine kupferrote Strähne wehte über ihre porzellanweiße Wange. Ihr braunen Augen waren voller Gedanken über die Welt und die Menschen darin. Sie ist zu süß für meine Bitterkeit. Zu freundlich für meine boshafte Ader."


Und dann... dann kommt das Ende mit einem Cliffhanger, der es in sich hat. Anders als in den meisten YA-Büchern kommt kein übertriebenes Schmalz-Happy-End mit Flughafen-Renn-Szene, Heiratsantrag, Kinder oder Haus oder vielleicht ein Cliffhanger der "es gab einen schlimmen Streit, werden wir das je wieder gerade biegen"-Sorte, nein, Emma Scott lässt ihre Protagonisten in einer Szene zurück, bei der ich mich wirklich gefragt habe: "Warum tust du uns das an?". Ein Ende, das gleichzeitig der Anfang einer neuen Geschichte voller Schmerz und Liebe ist … und auf die wir noch bis zum 31. Januar 2020 warten müssen!




Fazit:


Eine dynamische Dreiecksgeschichte mit bittersüßer Grundstimmung, die sich zu Beginn viel Zeit lässt, nur um nach einem fiesen Bruch mit dem heftigsten Cliffhanger aller Zeiten zu enden. Ein sensibler Schreibstil, viel Gefühle und "der anbetungswürdigste Charakter ever" stehen sonst eher mittelmäßigen Protagonisten und einem überhasteten Schlussteil gegenüber, die meine Bewertung leider herunterziehen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.12.2019

Eine dynamische Dreiecksgeschichte mit bittersüßer Grundstimmung...

Bring Down the Stars
0

Seit ich Emma Scotts "The Light In Us" gelesen habe, würde ich mich auf jeden Fall als Fan bezeichnen, weshalb ich mich natürlich sehr über ihre neue Reihe gefreut habe. "Bring Down The Stars" ist jedoch ...

Seit ich Emma Scotts "The Light In Us" gelesen habe, würde ich mich auf jeden Fall als Fan bezeichnen, weshalb ich mich natürlich sehr über ihre neue Reihe gefreut habe. "Bring Down The Stars" ist jedoch eng mit einem privaten Schicksalsschlage der Autorin verknüpft und in einer ganz anderen Zeit und Lebenssituation verfasst wie "The Light In Us" - und das spürt man auch. So fiel die Geschichte ganz anders aus als ich erwartet hätte und ich bin mir noch nicht ganz sicher, wie ich das finden soll.


"Weißt du, warum die Morgendämmerung so schön ist, Autumn?", hatte Dad gefragt. "Weil jeder Tag die Möglichkeit von etwas Wunderbarem birgt. Du musst nur bereit sein dafür."


Das Cover ist ein üblicher LYX-Traum mit dem dominanten Titel in gravierten Großbuchstaben und den glitzernden Lichtpunkten auf dem creme-lila Grund. Auch wenn mir die Farb- und Lichtakzente sehr gut gefallen finde ich es ein wenig zu fröhlich und glamourös für diese teilweise eher schwermütige Geschichte. Versteht mich nicht falsch - die Gestaltung ist wirklich wunderhübsch, auf mich wirkt sie aber ein wenig zu harmlos. Das Cover des zweiten Teils mit dem dunklen Grund und den starken Akzenten, macht in meinen Augen da schon viel mehr her und kann die Dramatik besser einfangen. Geteilt in 6 Teile umfasst die Geschichte 32 Kapitel, die entweder aus Westons oder aus Autumns Sicht erzählt sind. Zu Beginn erklärt die Anmerkung der Autorin einiges zum Entstehungskontext, dann folgt eine kurze Playlist und ein anrührender Prolog über Westons Kindheit. Besonders schön ist jedoch, dass ganz am Ende noch Westons Gedichte in englischer (also Original-)Fassung eingefügt worden sind, die eine ganz andere Magie entfalten als die deutschen Übersetzungen (auch wenn man an jener nichts aussetzen kann). Das war eine wunderbare Idee des Verlags, die einiges hermacht!


Erster Satz: "Ich war sieben Jahre alt, als mein Vater uns verlassen hat."


Der Klapptext impliziert eine Dreiecksgeschichte zwischen Autumn, Connor und dessen Freund Weston, welcher ich eher mit gemischten Gefühlen entgegensah, da ich mit der typischen Dreiecksbeziehung in all den Jahren meiner "Lesekarriere" selten eine gute Erfahrung gemacht habe. Anders als erwartet, steht hier jedoch der Protagonist und Sympathieträger des Lesers schon von der ersten Seite an fest und die Frage, wer Autumns wahre Liebe ist, wird dadurch vorweggenommen, dass der Prolog zu Beginn Nähe und Verständnis zu Weston aufbaut. Obwohl wir nach dem Prolog erstmal in Autumns Leben am Amherst College einsteigen, wo sie zuerst den attraktiven Connor mit dem gewinnenden Lächeln und dann den ebenso gutaussehenden Weston mit seiner beißenden Abwehrhaltung kennenlernt, ist Weston durch den Einschub seiner Geschichte von Beginn an der eigentliche Favorit des Lesers.

Auch im Laufe der Geschichte werden Autumns Gefühle für Connor durch das Wissen um die eigentliche Herkunft der anrührenden, perfekten Textnachrichten, Telefonanrufe, Briefe und Gedichte, die Autumn in Connors Namen erreichen, als Projektion und Täuschung entlarvt. Je näher sich Connor und Autumn kommen, desto mehr wundert sie sich darüber, wie er schriftlich so romantisch und perfekt sein kann, es aber oft nicht funkt, wenn sie sich gegenüber stehen. Auf der anderen Seite ist sie verwirrt von den Gefühlen, die Connors abweisender Freund Weston in ihr auslöst. Wer sich also von dem Ausblick auf eine Dreiecksgeschichte abschrecken lassen würde: wir haben es hier nicht mit einem nervtötenden Hin und Her zu tun sondern erleben ein authentisches, mitreißendes Gefühlsdilemma. Die Konstellation von Autumn, die nach einem enttäuschenden Beziehungsende eigentlich keine neue Liebschaft will, dem Aufreißer Connor, der seinen besten Freund um Ratschläge bittet und dem tiefgründigen Weston, der für die beiden aus Liebe nur das Beste will, hat eine herzzerreißende Dynamik, sodass bald klar wird, dass nicht jede Dreiecksgeschichte ein Reinfall werden muss.


"Ganz langsam. Dir hat gerade jemand das Herz gebrochen, und du kletterst schon wieder auf den Felsvorsprung und überlegst, erneut zu springen. (…) Doch bei jedem Lächeln von Connor, jedem Lachen und jeder beiläufigen Berührung spürte ich diese Anziehung, die mir zuflüsterte, dass ich springen sollte, dass es mich glücklich machen würde. Nur erinnerte ich mich noch allzu gut, wie hart und unnachgiebig der Boden sein konnte."


Ganz anders als gewohnt, lässt sich die Geschichte viel Zeit und konzentriert sich auf das Spannungsgefüge zwischen Connor, Autumn und Weston ohne dass es schnell konkret wird. Brodelnde Leidenschaft sucht man hier also ebenso vergebens wie Lockerheit und Fröhlichkeit. Denn trotz des zuerst eher unproblematischen Hintergrunds kommt der Roman weitaus schwermütiger daher, als erwartet, als überschatte eine dunkle Vorahnung die ersten Gefühle zarter Liebe. Zur Erschaffung dieser bittersüßen Grundstimmung, trägt vor allem Emma Scotts Schreibstil bei. Die Sensibilität, mit der sie dem Leser einen Blick ins Innere ihrer Protagonisten gewährt, die Grausamkeit, mit der sie uns und ihre Geschöpfe konfrontiert und die viele Liebe, mit der sie ihre und unsere Herzen heilt, sind wirklich erstaunlich. Sie erschafft durch die Mischung von drei zerbrechlichen und doch starken Protagonisten, einer wunderschöner und doch hässlicher Stadt und herzzerreißend traurigen und anrührend süßen Momenten einen ambivalenten Mix voller Kontraste, Wahrheit und Tiefgründigkeit.


"Sie haben die Liebe von tausend Herzen zu geben. Tausend Tränen können fallen, wenn ein Herz bricht. Aber weinen Sie nie vor Scham." Er nahm mein Kinn in seine große Hand. "Auch verlorene Liebe ist sinnvoll verschenkt."



Das klingt ja soweit ganz wundervoll, also warum bin ich mir nicht sicher, was ich von der Geschichte halten soll? Hauptsächlich liegt das daran, dass mich Autumn als Protagonisten überhaupt nicht erreichen konnte. Trotz dass ich viele Gemeinsamkeiten mit ihr habe (Ausgehmuffel, Faible für Second-Hand-Chic, Workaholic, Studium mit Stipendium, immer überarbeitet, ehemaliges Landei), konnte ich sie nicht wirklich als Charakter greifen, weshalb mir ihre Seite der Geschichte schwer zugänglich blieb. Auch gegen Connor habe ich bald unabsichtlich eine Aversion entwickelt. Auch wenn er mit seinem strahlenden Lachen, der aufgeschlossenen Art und der Loyalität gegenüber Weston grundsätzlich sympathisch ist, hat mich sein Verhalten Autumn gegenüber oft ziemlich gestört und auch seine Blindheit gegenüber Westons Gefühlen hat ihm viele Minuspunkte eingebracht. So habe ich mich schon bald dabei erwischt, mir einfach nur zu wünschen, er möge doch endlich einfach gehen und Wes das Feld überlassen.

Der große Lichtblick, der die Schwäche der beiden anderen Protagonisten wieder ausbügelt ist Weston Turner, der zu den anbetungswürdigsten Charakteren gehört, von denen ich je gelesen habe. Er besitzt eine poetisch Tiefgründigkeit und gequälte Intensität, die Connor definitiv fehlt und das zeigt sich nicht nur darin, dass er wundervolle Gedichte schreibt. Nein, die Art und Weise, wie er seine Gefühle reflektiert, die Folgen seines Verhaltens auslotet und sein eigenes Glück hinter das der Menschen, die er liebt zurückstellt, ist einfach hinreißend, auch wenn er mich mit seinen masochistischen, aufopferungsvollen Zügen in den Wahnsinn trieb.


"Was ist passiert, dass Sie das Gefühl haben, selbst nichts Gutes zu verdienen?" (…)
"Das Gute fühlt sich unerreichbar an", murmelte ich. "Ich hatte mal etwas Gutes und habe es verloren."
"Und jetzt greifen sie nur nach Dingen, deren Verlust nicht wehtut." (…)
"Es ist zu spät"
"Ist es das? Sie sitzen hier quicklebendig vor mir, durch ihre Adern fließt Blut, ihre Lungen atmen. Für mich sieht das nicht nach zu spät aus."


Dadurch dass man als Leser die ganze Zeit weiß, was Autumn verborgen bleibt und wie sehr Weston unter der Situation leidet, möchte man am liebsten in die Geschichte einsteigen und ihr die Wahrheit ins Gesicht brüllen. So einfach macht es uns die Autorin jedoch nicht und gerade als man denkt, die Geschichte bewege sich endlich in die richtige Richtung, schockiert sie uns mit einem fiesen Bruch. Durch eine im Affekt getroffene Entscheidung geht es plötzlich um weitaus mehr als unerwiderte Liebe. Doch anstatt die plötzliche Wendung zu nutzen um mehr Tiefe in die Geschichte zu bekommen, überspringt die Autorin wichtige Schlüsselszenen einfach durch extrem große Zeitsprünge, weshalb ich endgültig die Verbindung zu Connor und Autumn verloren habe. Etwas enttäuscht war ich auch, dass wir von den vielen Briefen, die Weston im hinteren Teil der Geschichte schreibt nur einen einzigen abgedruckt bekommen und so alles, was zuvor sehr langsam entwickelt wurde plötzlich viel zu schnell vonstattengeht.


"Eine kupferrote Strähne wehte über ihre porzellanweiße Wange. Ihr braunen Augen waren voller Gedanken über die Welt und die Menschen darin. Sie ist zu süß für meine Bitterkeit. Zu freundlich für meine boshafte Ader."


Und dann... dann kommt das Ende mit einem Cliffhanger, der es in sich hat. Anders als in den meisten YA-Büchern kommt kein übertriebenes Schmalz-Happy-End mit Flughafen-Renn-Szene, Heiratsantrag, Kinder oder Haus oder vielleicht ein Cliffhanger der "es gab einen schlimmen Streit, werden wir das je wieder gerade biegen"-Sorte, nein, Emma Scott lässt ihre Protagonisten in einer Szene zurück, bei der ich mich wirklich gefragt habe: "Warum tust du uns das an?". Ein Ende, das gleichzeitig der Anfang einer neuen Geschichte voller Schmerz und Liebe ist … und auf die wir noch bis zum 31. Januar 2020 warten müssen!




Fazit:


Eine dynamische Dreiecksgeschichte mit bittersüßer Grundstimmung, die sich zu Beginn viel Zeit lässt, nur um nach einem fiesen Bruch mit dem heftigsten Cliffhanger aller Zeiten zu enden. Ein sensibler Schreibstil, viel Gefühle und "der anbetungswürdigste Charakter ever" stehen sonst eher mittelmäßigen Protagonisten und einem überhasteten Schlussteil gegenüber, die meine Bewertung leider herunterziehen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.12.2019

Eine dynamische Dreiecksgeschichte mit bittersüßer Grundstimmung...

Bring Down the Stars
0

Seit ich Emma Scotts "The Light In Us" gelesen habe, würde ich mich auf jeden Fall als Fan bezeichnen, weshalb ich mich natürlich sehr über ihre neue Reihe gefreut habe. "Bring Down The Stars" ist jedoch ...

Seit ich Emma Scotts "The Light In Us" gelesen habe, würde ich mich auf jeden Fall als Fan bezeichnen, weshalb ich mich natürlich sehr über ihre neue Reihe gefreut habe. "Bring Down The Stars" ist jedoch eng mit einem privaten Schicksalsschlage der Autorin verknüpft und in einer ganz anderen Zeit und Lebenssituation verfasst wie "The Light In Us" - und das spürt man auch. So fiel die Geschichte ganz anders aus als ich erwartet hätte und ich bin mir noch nicht ganz sicher, wie ich das finden soll.


"Weißt du, warum die Morgendämmerung so schön ist, Autumn?", hatte Dad gefragt. "Weil jeder Tag die Möglichkeit von etwas Wunderbarem birgt. Du musst nur bereit sein dafür."


Das Cover ist ein üblicher LYX-Traum mit dem dominanten Titel in gravierten Großbuchstaben und den glitzernden Lichtpunkten auf dem creme-lila Grund. Auch wenn mir die Farb- und Lichtakzente sehr gut gefallen finde ich es ein wenig zu fröhlich und glamourös für diese teilweise eher schwermütige Geschichte. Versteht mich nicht falsch - die Gestaltung ist wirklich wunderhübsch, auf mich wirkt sie aber ein wenig zu harmlos. Das Cover des zweiten Teils mit dem dunklen Grund und den starken Akzenten, macht in meinen Augen da schon viel mehr her und kann die Dramatik besser einfangen. Geteilt in 6 Teile umfasst die Geschichte 32 Kapitel, die entweder aus Westons oder aus Autumns Sicht erzählt sind. Zu Beginn erklärt die Anmerkung der Autorin einiges zum Entstehungskontext, dann folgt eine kurze Playlist und ein anrührender Prolog über Westons Kindheit. Besonders schön ist jedoch, dass ganz am Ende noch Westons Gedichte in englischer (also Original-)Fassung eingefügt worden sind, die eine ganz andere Magie entfalten als die deutschen Übersetzungen (auch wenn man an jener nichts aussetzen kann). Das war eine wunderbare Idee des Verlags, die einiges hermacht!


Erster Satz: "Ich war sieben Jahre alt, als mein Vater uns verlassen hat."


Der Klapptext impliziert eine Dreiecksgeschichte zwischen Autumn, Connor und dessen Freund Weston, welcher ich eher mit gemischten Gefühlen entgegensah, da ich mit der typischen Dreiecksbeziehung in all den Jahren meiner "Lesekarriere" selten eine gute Erfahrung gemacht habe. Anders als erwartet, steht hier jedoch der Protagonist und Sympathieträger des Lesers schon von der ersten Seite an fest und die Frage, wer Autumns wahre Liebe ist, wird dadurch vorweggenommen, dass der Prolog zu Beginn Nähe und Verständnis zu Weston aufbaut. Obwohl wir nach dem Prolog erstmal in Autumns Leben am Amherst College einsteigen, wo sie zuerst den attraktiven Connor mit dem gewinnenden Lächeln und dann den ebenso gutaussehenden Weston mit seiner beißenden Abwehrhaltung kennenlernt, ist Weston durch den Einschub seiner Geschichte von Beginn an der eigentliche Favorit des Lesers.

Auch im Laufe der Geschichte werden Autumns Gefühle für Connor durch das Wissen um die eigentliche Herkunft der anrührenden, perfekten Textnachrichten, Telefonanrufe, Briefe und Gedichte, die Autumn in Connors Namen erreichen, als Projektion und Täuschung entlarvt. Je näher sich Connor und Autumn kommen, desto mehr wundert sie sich darüber, wie er schriftlich so romantisch und perfekt sein kann, es aber oft nicht funkt, wenn sie sich gegenüber stehen. Auf der anderen Seite ist sie verwirrt von den Gefühlen, die Connors abweisender Freund Weston in ihr auslöst. Wer sich also von dem Ausblick auf eine Dreiecksgeschichte abschrecken lassen würde: wir haben es hier nicht mit einem nervtötenden Hin und Her zu tun sondern erleben ein authentisches, mitreißendes Gefühlsdilemma. Die Konstellation von Autumn, die nach einem enttäuschenden Beziehungsende eigentlich keine neue Liebschaft will, dem Aufreißer Connor, der seinen besten Freund um Ratschläge bittet und dem tiefgründigen Weston, der für die beiden aus Liebe nur das Beste will, hat eine herzzerreißende Dynamik, sodass bald klar wird, dass nicht jede Dreiecksgeschichte ein Reinfall werden muss.


"Ganz langsam. Dir hat gerade jemand das Herz gebrochen, und du kletterst schon wieder auf den Felsvorsprung und überlegst, erneut zu springen. (…) Doch bei jedem Lächeln von Connor, jedem Lachen und jeder beiläufigen Berührung spürte ich diese Anziehung, die mir zuflüsterte, dass ich springen sollte, dass es mich glücklich machen würde. Nur erinnerte ich mich noch allzu gut, wie hart und unnachgiebig der Boden sein konnte."


Ganz anders als gewohnt, lässt sich die Geschichte viel Zeit und konzentriert sich auf das Spannungsgefüge zwischen Connor, Autumn und Weston ohne dass es schnell konkret wird. Brodelnde Leidenschaft sucht man hier also ebenso vergebens wie Lockerheit und Fröhlichkeit. Denn trotz des zuerst eher unproblematischen Hintergrunds kommt der Roman weitaus schwermütiger daher, als erwartet, als überschatte eine dunkle Vorahnung die ersten Gefühle zarter Liebe. Zur Erschaffung dieser bittersüßen Grundstimmung, trägt vor allem Emma Scotts Schreibstil bei. Die Sensibilität, mit der sie dem Leser einen Blick ins Innere ihrer Protagonisten gewährt, die Grausamkeit, mit der sie uns und ihre Geschöpfe konfrontiert und die viele Liebe, mit der sie ihre und unsere Herzen heilt, sind wirklich erstaunlich. Sie erschafft durch die Mischung von drei zerbrechlichen und doch starken Protagonisten, einer wunderschöner und doch hässlicher Stadt und herzzerreißend traurigen und anrührend süßen Momenten einen ambivalenten Mix voller Kontraste, Wahrheit und Tiefgründigkeit.


"Sie haben die Liebe von tausend Herzen zu geben. Tausend Tränen können fallen, wenn ein Herz bricht. Aber weinen Sie nie vor Scham." Er nahm mein Kinn in seine große Hand. "Auch verlorene Liebe ist sinnvoll verschenkt."



Das klingt ja soweit ganz wundervoll, also warum bin ich mir nicht sicher, was ich von der Geschichte halten soll? Hauptsächlich liegt das daran, dass mich Autumn als Protagonisten überhaupt nicht erreichen konnte. Trotz dass ich viele Gemeinsamkeiten mit ihr habe (Ausgehmuffel, Faible für Second-Hand-Chic, Workaholic, Studium mit Stipendium, immer überarbeitet, ehemaliges Landei), konnte ich sie nicht wirklich als Charakter greifen, weshalb mir ihre Seite der Geschichte schwer zugänglich blieb. Auch gegen Connor habe ich bald unabsichtlich eine Aversion entwickelt. Auch wenn er mit seinem strahlenden Lachen, der aufgeschlossenen Art und der Loyalität gegenüber Weston grundsätzlich sympathisch ist, hat mich sein Verhalten Autumn gegenüber oft ziemlich gestört und auch seine Blindheit gegenüber Westons Gefühlen hat ihm viele Minuspunkte eingebracht. So habe ich mich schon bald dabei erwischt, mir einfach nur zu wünschen, er möge doch endlich einfach gehen und Wes das Feld überlassen.

Der große Lichtblick, der die Schwäche der beiden anderen Protagonisten wieder ausbügelt ist Weston Turner, der zu den anbetungswürdigsten Charakteren gehört, von denen ich je gelesen habe. Er besitzt eine poetisch Tiefgründigkeit und gequälte Intensität, die Connor definitiv fehlt und das zeigt sich nicht nur darin, dass er wundervolle Gedichte schreibt. Nein, die Art und Weise, wie er seine Gefühle reflektiert, die Folgen seines Verhaltens auslotet und sein eigenes Glück hinter das der Menschen, die er liebt zurückstellt, ist einfach hinreißend, auch wenn er mich mit seinen masochistischen, aufopferungsvollen Zügen in den Wahnsinn trieb.


"Was ist passiert, dass Sie das Gefühl haben, selbst nichts Gutes zu verdienen?" (…)
"Das Gute fühlt sich unerreichbar an", murmelte ich. "Ich hatte mal etwas Gutes und habe es verloren."
"Und jetzt greifen sie nur nach Dingen, deren Verlust nicht wehtut." (…)
"Es ist zu spät"
"Ist es das? Sie sitzen hier quicklebendig vor mir, durch ihre Adern fließt Blut, ihre Lungen atmen. Für mich sieht das nicht nach zu spät aus."


Dadurch dass man als Leser die ganze Zeit weiß, was Autumn verborgen bleibt und wie sehr Weston unter der Situation leidet, möchte man am liebsten in die Geschichte einsteigen und ihr die Wahrheit ins Gesicht brüllen. So einfach macht es uns die Autorin jedoch nicht und gerade als man denkt, die Geschichte bewege sich endlich in die richtige Richtung, schockiert sie uns mit einem fiesen Bruch. Durch eine im Affekt getroffene Entscheidung geht es plötzlich um weitaus mehr als unerwiderte Liebe. Doch anstatt die plötzliche Wendung zu nutzen um mehr Tiefe in die Geschichte zu bekommen, überspringt die Autorin wichtige Schlüsselszenen einfach durch extrem große Zeitsprünge, weshalb ich endgültig die Verbindung zu Connor und Autumn verloren habe. Etwas enttäuscht war ich auch, dass wir von den vielen Briefen, die Weston im hinteren Teil der Geschichte schreibt nur einen einzigen abgedruckt bekommen und so alles, was zuvor sehr langsam entwickelt wurde plötzlich viel zu schnell vonstattengeht.


"Eine kupferrote Strähne wehte über ihre porzellanweiße Wange. Ihr braunen Augen waren voller Gedanken über die Welt und die Menschen darin. Sie ist zu süß für meine Bitterkeit. Zu freundlich für meine boshafte Ader."


Und dann... dann kommt das Ende mit einem Cliffhanger, der es in sich hat. Anders als in den meisten YA-Büchern kommt kein übertriebenes Schmalz-Happy-End mit Flughafen-Renn-Szene, Heiratsantrag, Kinder oder Haus oder vielleicht ein Cliffhanger der "es gab einen schlimmen Streit, werden wir das je wieder gerade biegen"-Sorte, nein, Emma Scott lässt ihre Protagonisten in einer Szene zurück, bei der ich mich wirklich gefragt habe: "Warum tust du uns das an?". Ein Ende, das gleichzeitig der Anfang einer neuen Geschichte voller Schmerz und Liebe ist … und auf die wir noch bis zum 31. Januar 2020 warten müssen!




Fazit:


Eine dynamische Dreiecksgeschichte mit bittersüßer Grundstimmung, die sich zu Beginn viel Zeit lässt, nur um nach einem fiesen Bruch mit dem heftigsten Cliffhanger aller Zeiten zu enden. Ein sensibler Schreibstil, viel Gefühle und "der anbetungswürdigste Charakter ever" stehen sonst eher mittelmäßigen Protagonisten und einem überhasteten Schlussteil gegenüber, die meine Bewertung leider herunterziehen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.12.2019

Voller kindlicher Weisheit, emotionaler Wärme und geschmeidigem Witz!

Die Wahrheit, wie Delly sie sieht
0

Kennt ihr diese Bücher, über die ihr gerne so viel sagen würdet, aber Angst habt, dass eure Beschreibung der Geschichte nicht gerecht wird? So ist es bei mir mit "Die Wahrheit, wie Delly sie sieht". Dieses ...

Kennt ihr diese Bücher, über die ihr gerne so viel sagen würdet, aber Angst habt, dass eure Beschreibung der Geschichte nicht gerecht wird? So ist es bei mir mit "Die Wahrheit, wie Delly sie sieht". Dieses besonders Buch über Vertrauen, Freundschaft und Mut hat mich wirklich beeindruckt


"Sie ist meine beste Freundin", erklärte er. "Du aber bist mein Bestes-Überhaupt." Dellys Herz saß in ihrem Hals, deshalb konnte sie nicht sprechen und nickte nur. "Und du meines"; flüsterte sie."



Das Cover meiner Ausgabe (die ältere aus dem Hanser-Verlag) gefällt mir viel besser als das neue (dtv-Verlag) und sogar - oh Wunder, dass ich das jemals sage - als das Originalcover. Ein strahlend blauer Himmel, ein unbeschwertes Mädchen, das abenteuerlustig von einem Ast baumelt, die Sonne, die warm durch das Geäst scheint - all das erweckt in mir den Anschein eines lockeren Sommers voller Abenteuer und Freundschaft. Auch der Titel ist passend und ein Alleinstellungsmerkmal. Warum es nun ausgerechnet um die "Wahrheit" geht (auch im Originaltitel), ist mir nicht ganz klar. Ich hätte die Geschichte wohl eher mit "Die Welt, wie Delly sie sieht" betitelt. Auffällig ist, dass die 280 Seiten in 74 sehr kurze Kapitel aufgeteilt sind und dass ein "Dellexikon" am Ende uns einen Überblick über Dellys kreative Wortneuschöpfungen ermöglicht.



"Delly Pattison, das bedeutet ärGER: kleiner ärger, der sich anschickte, GROSSER ÄRGER zu werden, und der seinem Ziel täglich näher kam."


Dieses Mal will ich nicht mit dem ersten, sondern mit dem dritten Satz der Geschichte einsteigen - einfach weil er den Nagel auf den Kopf trifft. Delly Pattinson wird geradezu verfolgt vom Ärger und erinnert mit ihren verrückten Aktionen, die sich gerne mal als "Katastrofehler" herausstellen und mit einer "Dellystrafung" enden, an typische Wirbelwinde der Kinderliteratur wie "Pippi Langstrumpf" oder den "Michel aus Lönneberga". Dabei will sie eigentlich gar keinen Ärger verursachen und nur ihre Mutter Clarice stolz machen. Doch sobald sie der "dammdusslige" Danny Novelos auf dem Pausenhof mal wieder ärgert, ein "Adellteuer" winkt oder sie Lust auf "dellykate" Schokodonuts bekommt, denkt sie nicht mehr an ihre Mutter, ihre Vorsätze oder die drohende "Dellyquentenfahrt" im Streifenwagen von Wachtmeister Tibbetts, sondern sie handelt einfach. Als sie eines morgens mit der Vorahnung auf ein "Überraschenk" aufwacht, ahnt sie noch nicht, dass die eher enttäuschende Enthüllung - eine Neue in der Klasse - ihr Leben verändert wird und sie durch eine "wunderherrliche" Freundschaft endlich dem Ärger Lebewohl sagen kann...


"Ferris Boys?" Ihre Freundin sah sie an. "Du bist mein bestes Überraschenk überhaupt", flüsterte sie. Ferris Boyd schloss die Augen, als verwahre sie die Worte an einem Ort tief in ihrem Inneren. Als sie sich wieder öffneten, stellten sie eine Frage: Wird alles gut werden? Ferris Boyds Blick war so voller Hoffen, Sehnen und Flehen, dass Delly unwillkürlich nickte. Auch sie hoffte, sehnte und flehte."


Wir steigen mit viel Karacho, Tempo und Witz in die bunte Welt von Delly ein, die es ihrer Umwelt mit ihrer impulsiven Art nicht gerade leicht macht, die aber noch viel mehr Gutes als Schaden anrichtet. Auf der Basis der warmherzigen, spritzigen Atmosphäre, die entsteht, entwickelt Katherine Hannigan eine traurige, ernste Hintergrundgeschichte. So wird das sensible Thema "Kindesmissbrauch" eingebettet in die authentische, humorvolle Rahmenhandlung auch Kindern zugänglich gemacht, ohne dass irgendetwas verharmlost wird. Neben den kreativen Neologismen und Dellys "Missgeschichten" sorgt auch der Schreibstil der Autorin für die genau richtige Balance zwischen Witz und Ernst. Ihre Art zu schreiben erscheint zunächst schlicht und einfach - dem jungen Publikum angemessen - und hält sich nicht mit großen Worten und Beschreibungen auf, geht aber trotzdem immer wieder unter die Haut und schafft eine berührende, heimelige Atmosphäre von Kindheit und Geborgenheit, die auch jeden Erwachsenen daran erinnert, wie kompliziert und einfach zugleich es war, ein Kind zu sein. Klug, unterhaltsam und berührend - diese Geschichte schafft es, alles drei zugleich zu sein, sodass es nicht nur Kinder sondern auch Erwachsene mitreißen, berühren und bereichern kann.


"RB", krächzte sie. Nicht, um ihm etwas zu verbieten, sondern um ihn wissen zu lassen, dass sie im Unrecht gewesen war. Denn Ferris Boyd hatte Delly eine Welt fern von allem Ärger gezeigt, und sie liebte diese Welt. Sie hatte gedacht, RB würde alles kaputt machen. Aber stattdessen hatte er sie noch besser gemacht. Er hatte sie mit warmer Weichheit gefüllt, sodass der Verschlupf sich jetzt wie der glücklichste Ort überhaupt anfühlte. RB blinzelte zu seiner Schwester hinauf. Sie nickte. Ohne Worte sagte sie ihm: Ich bin froh, dass du da bist. RB lächelte, dass man sämtliche Zähne sah. Und Delly musste sich abwenden, sonst wäre ihr Herz womöglich geplatzt."


Ganz toll sind auch die liebenswerten, authentischen, wunderbar lebensnahen Protagonisten. Den Großteil der Geschichte bekommen wir aus Dellys Perspektive erzählt und - man muss diesen kleinen Wirbelwind mit dem Herz am richtigen Fleck einfach mögen. Sie ist verrückt und impulsiv, aber auch sehr feinfühlig und hat ein hohes Bedürfnis an Liebe und Bestätigung, weshalb sie der viele Ärger, den sie aus Versehen auslöst, sehr bedrückt. Eine erste Strategie gegen ihren Ärger erhält sie von ihrem kleinen Bruder RB, der seine große Schwester über alles liebt und für ein gemeinsames "Adellteuer" fast alles tun würde. Er rät ihr, einfach zu zählen, wenn sie das Bedürfnis verspürt, sich wieder zu prügeln, zu spucken oder anderweitig Ärger zu verursachen. Das klappt aber eher mäßig - wirklich in den Griff bekommt sie ihre Impulsivität erst durch die sanftmütige, geheimnisvolle Ferris Boyd, die nicht spricht, nicht berührt werden will und dabei doch so viel zu sagen hat und so viele Herzen berührt. Durch die langsam entwickelnde Freundschaft lernt sie, anderen Menschen erstmal Fragen zu stellen, bevor sie ihnen ins Gesicht schlägt und kann so überraschenderweise vielen Konfrontationen aus dem Weg gehen. Weitere eindrückliche Nebenprotagonisten sind der freche, gemeine Danny Novelos, der Delly nur mobbt, weil er heimlich in sie verliebt ist und nicht weiß, wie er seine Zuneigung anders ausdrücken soll, der stotternde Brud Kinney, der in dem neuen, stillen Mädchen einen Basketball-Kumpel findet, mit dem er auch ohne Worte kommunizieren kann und die liebevolle aber etwas überforderte Mutter Clarice, die sich für ihre Kinder nur das Beste wünscht. Man muss sie alle einfach ins Herz schließen und bis zum Ende mit ihnen mitfiebern.


"Wer war das?", wollte sie wissen. Sein Mund zuckte und verzog sich, während Liebe und Bosheit miteinander um seine Seele rangen. Schließlich murmelte er: "Niemand." Die Liebe hatte gesiegt."



Das einzige Manko weshalb es nicht volle 5 sondern nur 4,5 Sterne geworden sind, ist das Ende, das mir für meinen Geschmack viel zu offen bleibt. Es bleibt vieles unausgesprochen und die große Problematik unabgeschlossen, sodass einige Enden der Handlung ein wenig unfertig in der Luft hängen. Gerade in einem Kinderbuch wäre es meiner Meinung nach unbedingt notwendig gewesen, die Problematik abzuschließen und eine Lösungsmöglichkeit auszuarbeiten.



Fazit:

Klug, unterhaltsam und berührend - diese Geschichte schafft es, alles drei zugleich zu sein, sodass es nicht nur Kinder sondern auch Erwachsene mitreißen, berühren und bereichern kann.
Voller kindlicher Weisheit, emotionaler Wärme und geschmeidigem Witz!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.12.2019

Voller kindlicher Weisheit, emotionaler Wärme und geschmeidigem Witz!

Die Wahrheit, wie Delly sie sieht
0

Kennt ihr diese Bücher, über die ihr gerne so viel sagen würdet, aber Angst habt, dass eure Beschreibung der Geschichte nicht gerecht wird? So ist es bei mir mit "Die Wahrheit, wie Delly sie sieht". Dieses ...

Kennt ihr diese Bücher, über die ihr gerne so viel sagen würdet, aber Angst habt, dass eure Beschreibung der Geschichte nicht gerecht wird? So ist es bei mir mit "Die Wahrheit, wie Delly sie sieht". Dieses besonders Buch über Vertrauen, Freundschaft und Mut hat mich wirklich beeindruckt


"Sie ist meine beste Freundin", erklärte er. "Du aber bist mein Bestes-Überhaupt." Dellys Herz saß in ihrem Hals, deshalb konnte sie nicht sprechen und nickte nur. "Und du meines"; flüsterte sie."



Das Cover meiner Ausgabe (die ältere aus dem Hanser-Verlag) gefällt mir viel besser als das neue (dtv-Verlag) und sogar - oh Wunder, dass ich das jemals sage - als das Originalcover. Ein strahlend blauer Himmel, ein unbeschwertes Mädchen, das abenteuerlustig von einem Ast baumelt, die Sonne, die warm durch das Geäst scheint - all das erweckt in mir den Anschein eines lockeren Sommers voller Abenteuer und Freundschaft. Auch der Titel ist passend und ein Alleinstellungsmerkmal. Warum es nun ausgerechnet um die "Wahrheit" geht (auch im Originaltitel), ist mir nicht ganz klar. Ich hätte die Geschichte wohl eher mit "Die Welt, wie Delly sie sieht" betitelt. Auffällig ist, dass die 280 Seiten in 74 sehr kurze Kapitel aufgeteilt sind und dass ein "Dellexikon" am Ende uns einen Überblick über Dellys kreative Wortneuschöpfungen ermöglicht.



"Delly Pattison, das bedeutet ärGER: kleiner ärger, der sich anschickte, GROSSER ÄRGER zu werden, und der seinem Ziel täglich näher kam."


Dieses Mal will ich nicht mit dem ersten, sondern mit dem dritten Satz der Geschichte einsteigen - einfach weil er den Nagel auf den Kopf trifft. Delly Pattinson wird geradezu verfolgt vom Ärger und erinnert mit ihren verrückten Aktionen, die sich gerne mal als "Katastrofehler" herausstellen und mit einer "Dellystrafung" enden, an typische Wirbelwinde der Kinderliteratur wie "Pippi Langstrumpf" oder den "Michel aus Lönneberga". Dabei will sie eigentlich gar keinen Ärger verursachen und nur ihre Mutter Clarice stolz machen. Doch sobald sie der "dammdusslige" Danny Novelos auf dem Pausenhof mal wieder ärgert, ein "Adellteuer" winkt oder sie Lust auf "dellykate" Schokodonuts bekommt, denkt sie nicht mehr an ihre Mutter, ihre Vorsätze oder die drohende "Dellyquentenfahrt" im Streifenwagen von Wachtmeister Tibbetts, sondern sie handelt einfach. Als sie eines morgens mit der Vorahnung auf ein "Überraschenk" aufwacht, ahnt sie noch nicht, dass die eher enttäuschende Enthüllung - eine Neue in der Klasse - ihr Leben verändert wird und sie durch eine "wunderherrliche" Freundschaft endlich dem Ärger Lebewohl sagen kann...


"Ferris Boys?" Ihre Freundin sah sie an. "Du bist mein bestes Überraschenk überhaupt", flüsterte sie. Ferris Boyd schloss die Augen, als verwahre sie die Worte an einem Ort tief in ihrem Inneren. Als sie sich wieder öffneten, stellten sie eine Frage: Wird alles gut werden? Ferris Boyds Blick war so voller Hoffen, Sehnen und Flehen, dass Delly unwillkürlich nickte. Auch sie hoffte, sehnte und flehte."


Wir steigen mit viel Karacho, Tempo und Witz in die bunte Welt von Delly ein, die es ihrer Umwelt mit ihrer impulsiven Art nicht gerade leicht macht, die aber noch viel mehr Gutes als Schaden anrichtet. Auf der Basis der warmherzigen, spritzigen Atmosphäre, die entsteht, entwickelt Katherine Hannigan eine traurige, ernste Hintergrundgeschichte. So wird das sensible Thema "Kindesmissbrauch" eingebettet in die authentische, humorvolle Rahmenhandlung auch Kindern zugänglich gemacht, ohne dass irgendetwas verharmlost wird. Neben den kreativen Neologismen und Dellys "Missgeschichten" sorgt auch der Schreibstil der Autorin für die genau richtige Balance zwischen Witz und Ernst. Ihre Art zu schreiben erscheint zunächst schlicht und einfach - dem jungen Publikum angemessen - und hält sich nicht mit großen Worten und Beschreibungen auf, geht aber trotzdem immer wieder unter die Haut und schafft eine berührende, heimelige Atmosphäre von Kindheit und Geborgenheit, die auch jeden Erwachsenen daran erinnert, wie kompliziert und einfach zugleich es war, ein Kind zu sein. Klug, unterhaltsam und berührend - diese Geschichte schafft es, alles drei zugleich zu sein, sodass es nicht nur Kinder sondern auch Erwachsene mitreißen, berühren und bereichern kann.


"RB", krächzte sie. Nicht, um ihm etwas zu verbieten, sondern um ihn wissen zu lassen, dass sie im Unrecht gewesen war. Denn Ferris Boyd hatte Delly eine Welt fern von allem Ärger gezeigt, und sie liebte diese Welt. Sie hatte gedacht, RB würde alles kaputt machen. Aber stattdessen hatte er sie noch besser gemacht. Er hatte sie mit warmer Weichheit gefüllt, sodass der Verschlupf sich jetzt wie der glücklichste Ort überhaupt anfühlte. RB blinzelte zu seiner Schwester hinauf. Sie nickte. Ohne Worte sagte sie ihm: Ich bin froh, dass du da bist. RB lächelte, dass man sämtliche Zähne sah. Und Delly musste sich abwenden, sonst wäre ihr Herz womöglich geplatzt."


Ganz toll sind auch die liebenswerten, authentischen, wunderbar lebensnahen Protagonisten. Den Großteil der Geschichte bekommen wir aus Dellys Perspektive erzählt und - man muss diesen kleinen Wirbelwind mit dem Herz am richtigen Fleck einfach mögen. Sie ist verrückt und impulsiv, aber auch sehr feinfühlig und hat ein hohes Bedürfnis an Liebe und Bestätigung, weshalb sie der viele Ärger, den sie aus Versehen auslöst, sehr bedrückt. Eine erste Strategie gegen ihren Ärger erhält sie von ihrem kleinen Bruder RB, der seine große Schwester über alles liebt und für ein gemeinsames "Adellteuer" fast alles tun würde. Er rät ihr, einfach zu zählen, wenn sie das Bedürfnis verspürt, sich wieder zu prügeln, zu spucken oder anderweitig Ärger zu verursachen. Das klappt aber eher mäßig - wirklich in den Griff bekommt sie ihre Impulsivität erst durch die sanftmütige, geheimnisvolle Ferris Boyd, die nicht spricht, nicht berührt werden will und dabei doch so viel zu sagen hat und so viele Herzen berührt. Durch die langsam entwickelnde Freundschaft lernt sie, anderen Menschen erstmal Fragen zu stellen, bevor sie ihnen ins Gesicht schlägt und kann so überraschenderweise vielen Konfrontationen aus dem Weg gehen. Weitere eindrückliche Nebenprotagonisten sind der freche, gemeine Danny Novelos, der Delly nur mobbt, weil er heimlich in sie verliebt ist und nicht weiß, wie er seine Zuneigung anders ausdrücken soll, der stotternde Brud Kinney, der in dem neuen, stillen Mädchen einen Basketball-Kumpel findet, mit dem er auch ohne Worte kommunizieren kann und die liebevolle aber etwas überforderte Mutter Clarice, die sich für ihre Kinder nur das Beste wünscht. Man muss sie alle einfach ins Herz schließen und bis zum Ende mit ihnen mitfiebern.


"Wer war das?", wollte sie wissen. Sein Mund zuckte und verzog sich, während Liebe und Bosheit miteinander um seine Seele rangen. Schließlich murmelte er: "Niemand." Die Liebe hatte gesiegt."



Das einzige Manko weshalb es nicht volle 5 sondern nur 4,5 Sterne geworden sind, ist das Ende, das mir für meinen Geschmack viel zu offen bleibt. Es bleibt vieles unausgesprochen und die große Problematik unabgeschlossen, sodass einige Enden der Handlung ein wenig unfertig in der Luft hängen. Gerade in einem Kinderbuch wäre es meiner Meinung nach unbedingt notwendig gewesen, die Problematik abzuschließen und eine Lösungsmöglichkeit auszuarbeiten.



Fazit:

Klug, unterhaltsam und berührend - diese Geschichte schafft es, alles drei zugleich zu sein, sodass es nicht nur Kinder sondern auch Erwachsene mitreißen, berühren und bereichern kann.
Voller kindlicher Weisheit, emotionaler Wärme und geschmeidigem Witz!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere