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Veröffentlicht am 15.10.2019

Der ungewöhnliche Finalband einer innovativen Fantasy Trilogie!

Grischa 3: Lodernde Schwingen
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Nachdem mich "Grisha - Goldene Flammen" und "Grisha - Eisige Wellen" schon angefixt hatten, war ich heilfroh, gleich den dritten und letzten Band zur Hand zu haben. Wenn man bedenkt, dass ich diese komplette ...

Nachdem mich "Grisha - Goldene Flammen" und "Grisha - Eisige Wellen" schon angefixt hatten, war ich heilfroh, gleich den dritten und letzten Band zur Hand zu haben. Wenn man bedenkt, dass ich diese komplette Reihe in fünf Tagen gelesen habe, ist es nicht verwunderlich, dass ich auch über diesen Finalband fast ausschließlich Positives zu berichten habe. Denn mit dem opulenten Märchensetting, den vielschichtig entwickelten Protagonisten und dem Spannungsbogen voller sensationeller Überraschungen ist "Grisha - Lodernde Schwingen" trotz abermaliger Längen das beste Buch der Reihe.


"Genau das verband den Dunklen und mich am tiefsten miteinander - nicht unsere Macht oder deren Absonderlichkeit, nicht die Tatsache, dass wir beide Irrtümer oder gar Abnormitäten der Natur waren, sondern unser Wissen um das Verbotene und unser Verlangen nach mehr."



Die Gestaltung ist wieder ein Traum und passt wunderbar zu der von Band 1 und 2. Erst vor einigen Tagen hat der Knaur Verlag, der schon "King of Scars" und der "Krähen"-Reihe Geburtshilfe geleistet hat, eine neue Auflage der vormals im Carlsen-Verlag erschienenen Grisha-Reihe in einem praktischen Schuber herausgebracht. Neu übersetzt, mit wunderschöner Karte und den hinreißenden Originalcover ausgestattet kann ich jedem Grisha-Fan die neue Ausgabe wirklich nur ans Herz legen. Wie auf dem Originalcover ist auf schwarzem Grund die Silhouette eines majestätischen Vogels mit ausgebreiteten Schwingen in warmen Orange-, Rot- und Goldtönen zu sehen, von dem einige Funken den dunklen Hintergrund erhellen. Damit wird nach dem Hirsch des ersten und der Meeresgeißel des zweiten Teils der dritte von Morozovas Kräftemehrern aufgegriffen, welcher in diesem Finale die Schlacht um Ravka entscheiden wird. Der goldene Titel, Autorenname und die orangenen Verzierungen in den Ecken runden die Gestaltung gelungen ab.

Auch innerhalb der Buchdeckel bleibt sich die Autorin treu und umschließt ihre Geschichte mit einem kurzen "davor" und "danach" aus der dritten Person. Anscheinend hat sich Leigh Bardugo die Kritik über ihre verwirrenden Ortsbezeichnungen zu Herzen genommen, denn auch dieses Finale startet mit einer geschickten Wiederholung der Ereignisse des vorhergegangenen Teils, die schwierigen Orts-, und Personennamen werden beiläufig erklärt und am Ende des Buches wartet ein hilfreiches Glossar auf uns. Die Karte zu Beginn und die Übersicht über die verschiedenen Grisha-Orden helfen ebenfalls dabei, den Überblick zu behalten und schnell in die Geschichte einzusteigen falls die Lektüre der anderen Bände länger zurückliegen sollte.


Erster Satz: "Das Ungeheuer hieß Izumrud, und manche sagten, es habe die Gänge unterhalb von Ravka geschaffen."


Nach dem kurzen Prolog, der die Ausgangssituation nach der verheerenden Niederlage gegen den Dunklen am Ende von "Grisha - Eisige Wellen" schildert, starten wir wieder in 18 kurze Kapitel, in denen wieder Alina aus der Ich-Perspektive von ihren Erlebnissen und Abenteuern erzählt. Knapp vor der Invasion des Dunklen gerettet, landen Alina und Mal sowie die kläglichen Reste der ehemals mächtigen zweiten Armee der Grisha in der Obhut des Asketen. Was aber zunächst wie ein Versteck vor dem Dunklen erscheint, erweist sich bald als Käfig. Denn während der Dunkle die Macht über Ravka an sich gerissen hat, nutzt der Asket die Macht die er durch Alinas Anwesenheit erhalten hat und sammelt die Streitkräfte der Sonnenkrieger und Pilger unter der Erde. In den Engen der Weißen Kathedrale kann Alina das Sonnenlicht nicht aufrufen und so müssen die Freunde feststellen, dass sie aus den Fängen eines rücksichtslosen Fanatikers in die Hände eines anderen gelaufen sind. Hoffnung spenden die Gerüchte über einen Prinzen, der sich mit fliegenden Luftschiffen der Gewalt des Dunklen entzieht. Doch können Alina und Mal rechtzeitig dem Asketen entkommen, sodass sie den dritten und letzten Kräftemehrer finden und Nikolai in seinem Kampf zur Hilfe eilen könne, bevor der Dunkle die Schattenflur abermals als Waffe einsetzt?


"Sie wünschte sich eine Zarin aus den Reihen der Grisha. Mal wollte eine Zarin aus den Reihen der einfachen Leute. Und ich? Ich wünschte mir Friede für Ravka. Die Möglichkeit, ruhig und ohne Angst in meinem Bett zu schlafen. Schluss mit den Schuldgefühlen und dunklen Vorahnungen, mit denen ich jeden Morgen erwachte. Ich wollte nicht um meiner Macht, sondern um meiner selbst willen geliebt werden; ich wollte in den Armen eines Jungen auf einer Wiese liegen und die Wolken im Wind beobachten. Aber das waren die Träume eines Mädchens, nicht die einer Sonnenkriegerin oder Heiligen."



Zu Beginn liegt nicht viel "Finalstimmung" in der Luft. Anstatt sich in Vorbereitungen für den finalen Kampf zu stürzen, muss sich Alina noch von den schwerwiegenden Folgen ihres Kampfes gegen den Dunklen erholen und hat mit dem Verlust ihrer Macht zu kämpfen. Dass sie von Menschen umgeben ist, die sie anbeten und große Taten von ihr erwarten, sie sich von Mal entfremdet hat und von all ihren Freunden abgeschnitten wurde, trägt ebenfalls nicht zu ihrer guten Stimmung bei, sodass wir uns mit düsteren, verzweifelten Tagen unter der Erde konfrontiert sehen. Auch nach der gemächlichen Einleitung, bleibt das Erzähltempo gemäßigt und die Handlung plätschert erstmal nach bekanntem Muster vor sich hin: sie flüchten, suchen irgendwo Unterschlupf, der Dunkle findet sie, sie flüchten wieder, sie suchen einen weiteren Kräftemehrer und bereiten sich auf eine Schlacht vor. Soweit ist alles aus den beiden vorherigen Teilen bekannt, sodass die Handlung immer wieder kurze Längen aufweist, die vor allem aus den vielen Reisen, Monologen aus Ängsten und Hoffnungen Alinas und den Wiederholungen bekannter Handlungsmuster resultieren. Getragen wird die erste Hälfte des Finalbands durch viele kurze Höhepunkte, die gerne etwas ausführlicher hätten sein können und vor allem durch den Ausbau ihres Settings durch den ständigen Wechsel der Schauplätze. So verhindern regelmäßige Spannungsspitzen und geschickt eingestreute neue Ideen, dass dem Leser bewusst wird, wie sehr die Protagonisten auf der Stelle treten.


"Ich bin uralt, Alina. Du ahnst nicht, wie gut mir alle Schliche der Macht bekannt sind." (…)
"Ja es stimmt", flüsterte ich. "Du bist stärker, weiser und unendlich viel erfahrener." Ich beugte mich so dicht zu ihm, dass meine Lippen sein Ohr streiften. "Aber ich bin eine gelehrige Schülerin."


In der zweiten Hälfte wird das Tempo dann deutlich angezogen und die Autorin raubt uns immer wieder mit sensationellen Enthüllungen den Atem. Die Verstrickung der inneren Zusammenhänge der verschiedenen Fäden der Handlung rückt nun in den Vordergrund und mich hat die eine oder andere überraschende Wendung hinsichtlich des Feuervogels fassungslos zurückgelassen. Außerdem erfahren wir endlich mehr über Alinas und Mals Vergangenheit, ergründen die Wahrheit hinter seiner Gabe als Fährtensucher und dürfen auch Baghras unglaublicher Geschichte lauschen. So schließt sich plötzlich und auf geniale Art und Weise der Kreis um Ilya Morozova, Baghra, den Dunklen, Mal, Alina und die Kräftemehrer, sodass alle rätselhaften Anspielungen und Bruchstücke von Geschichten einen Sinn bekommen, den ich nicht erwartet hätte.


"Du hast mir einmal erzählt, Merzost sei anders als die Kleinen Künste, denn er habe einen hohen Preis." Ich nickte. "Wie hoch ist dieser Preis, Alina?"
Ich dachte an ein Mädchen mit verrutschter Schutzbrille, zerschmettert von einer Spiegelschüssel; an Marie, die mit aufgeschlitztem Oberkörper in Sergeis Armen lag; an Genya, die sich hinter ihrem Tuch verbarg. Ich dachte an Kirchenwände, die aussahen wie blutiges Pergament, bedeckt von den Namen der Toten. (…)
"Das spielt keine Rolle", sagte ich entschlossen. "Ich werde ihn bezahlen."


Auch wie sehr sich die Protagonisten in diesem letzten Teil nochmal weiterentwickeln würden, hätte ich nicht erwartet. In dieser Hinsicht ist das gemäßigte Erzähltempo durchaus als Chance zu verstehen, diesen dritten Teil vom actiongeladenen Kampfspirit des typischen Finalbands abzuheben. Insbesondere Alina kämpft sich wieder zurück in die Leserherzen und schafft es auf beeindruckende, berührende Art und Weise, über sich hinauszuwachsen. Vormals unscheinbar, völlig durchschnittlich - kurz: ein unsichtbarer Niemand -, muss sie mit der Macht zweier Kräftemehrer leben und gleichzeitig mit der Verantwortung für die Rettung von ganz Ravka zu Recht kommen. Der Kult der Sonnenkriegerin, der Alina als Heilige verehrt setzt weitere Hoffnungen auf sie und schürt riesige Erwartungen, die sie gar nicht erfüllen kann oder will. Am allermeisten ängstigt sie jedoch nicht, was der Dunkle, der Zar, der Asket oder die Bevölkerung Ravkas von ihr wollen, sondern vor allem, nach was es sie selbst verlangt. Denn im zweiten Teil hat sie nicht nur entdeckt, dass die Verlockungen der Macht und des Merzost sie nicht so kalt lassen, wie sie es gerne hätte, sondern auch dass ihre Verbindung zum Dunklen tiefer ist, als gedacht. Auch in diesem dritten Teil quälen sie der Durst nach mehr und der Teil von ihr, der sich nach dem Dunklen verzehrt, sodass ist sie deutlich reizbarer, wankelmütiger und arroganter ist. Im Gegensatz zum zweiten Teil, schafft sie es jedoch - vor allem auch durch Mals Hilfe - ihr Stimmungstief zu überwinden und sich ihren Ängsten zu stellen. Mit ihrem Mut, ihrer Selbstreflexion, ihrer Liebe und ihrem Kampfesgeist hat sie sich zurück in mein Herz geschlichen während ihre dunklen Wesenszüge gleichzeitig verhindern, dass sie zu einer mächtigen, heiligen, perfekten Überheldin wird, wie das leider oft in Fantasy-Bücher passiert. Leigh Bardugo hat bei ihrer Entwicklung schlussendlich also nochmal die Kurve gekriegt und mit der Balance zwischen Sympathieträgerin und ambivalenter Figur alles richtig gemacht.


"Mit diesem Land stimmt etwas nicht. Wir besitzen kein Ackerland. Nicht einmal unser Leben gehört uns. Wir haben nur Uniform und Waffe. So habe ich früher auch gedacht."
"Was hat sich verändert?"
"Du. (…) Es war dir bestimmt so zu werden."
"So machthungrig? So erbarmungslos?"
"So stark." Er wandte den Blick ab "Strahlend. Ja vielleicht auch etwas erbarmungslos. Aber so muss es sein, wenn man herrschen will. Ravka liegt am Boden, Alina. Wahrscheinlich schon seit eh und je. Das Mädchen, das ich in der Kapelle erlebt habe, könnte das ändern."




Auch dass Mal und Alina nach ihren (zum Teil etwas schlecht nachvollziehbaren) Differenzen endlich wieder zueinander finden ist sehr schön. Ihre Beziehung, die sich vielmals gedreht hat, bekommt endlich eine gesunde Farbe. In Teil 1 war er bloß der typisch treue, gutaussehende Freund und Schwarm, neben dem sie immer schlecht dastand - bis sie ihn durch ihre Macht in den Schatten stellt und sich ihr Verhältnis komplett gedreht, sodass er ist das blasse, machtlose Anhängsel, das nicht so ganz in Alinas Welt im "kleinen Palast" passen will. Nun können sie sich können sich endlich auf Augenhöhe begegnet und ihren letzten Kampf vereint angehen. Dass die Autorin der sich anbahnenden Vierecksgeschichte zwischen Alina, Mal, dem Dunklen und Nikolai schnell ein Ende setzt, erspart dem Leser zwar viel unangenehmes Hin und Her, wird aber bestimmt so manchen Leser unbefriedigt zurücklassen. Denn ich kann durchaus verstehen, dass sowohl eine Zukunft als Zarin an Nikolais Seite als auch eine dunkle Regentschaft mit ihrem bösen Aleksander seinen Reiz hätte und Mal als treuer Gutmensch ein wenig zwischen dem charmanten Freibeuter-Prinz und dem leidenden Herrscher über die Dunkelheit verblasst.

Der eben genannte Freibeuter Sturmhond, den wir mittlerweile als Kronprinz und zukümftiger Zar Nikolai Lantsov kennen, hat hier zwar weniger Auftritte als in Band 2, ist aber dennoch meine Lieblingsfigur geblieben. Mit seinem überschäumenden Selbstbewusstsein, seinem charmanten Witz und dem lockeren Abenteuergeist bringt er Schwung in die depressive Stimmung und lockert die Düsternis immer wieder mit flotten Sprüchen auf. Gleichzeitig hat er aber auch mit seinen persönlichen Schatten zu kämpfen (im Wahrsten Sinne des Wortes), was in "King of Scars" weitergeführt wird.
Mein zweiter Lieblingscharakter wurde doch tatsächlich der Dunkle, der zu Beginn schwer einzuschätzen war, wenn ihn sowohl Worte, Taten als auch sein Name als "Bösewicht" der Geschichte entlarvten. Auf eine riesige Wendung dürfen wir auch hier nicht mehr hoffen, er offenbart offenbart in seiner Rolle als Eroberer und Zerstörer aber nicht bloß Abgründe sondern darf auch viel mehr menschliche Seiten zeigen, als ich ihm zugetraut hätte. Durch Alinas wachsende Macht und die damit einhergehenden Probleme beginnen wir zu verstehen, dass er eigentlich recht edle Ziele für Ravka verfolgt, sein Land innigst liebt und erkennen seinen Schmerz, seine Einsamkeit und seine Verlorenheit. So schlich er sich auf leisen Sohlen doch noch in mein Herz.


"Noch einmal", sagte er. "Nenne noch einmal meinen Namen." Ich wusste, dass er uralt war. Doch in diesem Augenblick war er nur ein Junge - hochbegabt und mit zu viel Macht gesegnet, die Last der Ewigkeit auf den Schultern."


Ihr seht also: was die Protagonisten angeht, lässt dieser Finalband die zwei Vorgänger recht alt aussehen und überzeugt auf voller Linie. Auch die Nebenfiguren werden weiter entwickelt, was ebenfalls für einen Abschlussband eher ungewöhnlich ist. In den letzten Bänden hat Alina eine starke Truppe angesammelt, auf die sie blind vertrauen kann und die mit ihr durch dick und dünn gehen. Die treuen Entherzerzwillinge Tamar und Tolya, die sich nicht nur für Waffen sondern auch für gutes Essen und poetische Verse begeistern lassen; die ehemals wunderschöne Genya, die ihren Verrat am Dunklen sie teuer bezahlen musste; der nerdige Fabrikator David, dessen Ideen Gold wert sind (und dessen Liebensgeständnisse so schön wie schräg sind, siehe unten); die eiskalte, harsche Zoya, die jedoch immer wieder hinter ihre Fassade blicken lässt; der verrückte, vom Feuer bessessene Inferni Harshaw, der mit seiner Katze Onkat redet; die Stürmer-Geschwister Nadia und Adrik, die sich von nichts aufhalten lassen und der kleine Mischa, der zu Baghras Augen geworden ist und bei der ruppigen Hexe ein Zuhause findet - all diese ständigen Begleiter und Unterstützer sind mir immer mehr ans Herz gewachsen, sodass auch sie den Abschied vom Grisha-Universum erschwert haben.


"David runzelte die Stirn. "Ich... ich verstehe nicht einmal die Hälfte dessen, was um mich herum vorgeht. Ich habe kein Verständnis für Witze oder schöne Sonnenuntergänge oder Gedichte, aber ich kenne mich mit Metall aus." Seine Dinger zuckten, als würden sie nach Worten suchen. "Deine Schönheit war deine Rüstung. Sie war zerbrechlich, sie war Fassade. Aber was in deinem Inneren steckt? Das ist Stahl. Beständig und unzerbrechlich. Und es muss nicht repariert werden."



Trotz dass dieser Teil mit 384 Seiten nach Fantasy-Maßstäben sehr kurz geraten ist, gelingt es der Autorin, uns nochmal durch ganz Ravka zu führen. Von der einer unterirdischen Grotte aus Alabasterquarz geht es durch ein unendliches Tunnelsystem in einen Kampf gegen die zersplitterten Milizen in ein Wolkenschloss namens Spinnrad, danach zu den Feuerfällen im Sikurzoi-Gebirge und über die Schattenflur wieder zurück nach Keramzin wo unsere Geschichte begann. All dies wird durch die düstere, erwachsenere, dichtere Atmosphäre, die durch Leigh Bardugos gereiften, sichereren Stil geschaffen wird, umrahmt und lebendig gemacht. Wo die Autorin zuvor noch auf vorsichtige Skizzen gesetzt hat, holt sie hier den Farbpinsel hervor und gibt so nicht nur ihrem Setting sondern auch ihren Protagonisten mehr Farbe und Kontur. Düster, magisch und spannend webt sie ihre Geschichte, nimmt uns mit an schillernde Schauplätze und schockt uns mit Überraschungen. Dabei tragen nie Kämpfe, Intrigen, Brutalität und Irrglaube den Sieg davon, sondern immer Mitgefühl, Freundschaft und Liebe, sodass sich wir nie vergessen, dass wir es hier im Grund mit einem kunterbunten Märchen zu tun haben. Ein Märchen voller fliegender Schiffe, unterirdischer Burgen, Ungeheuer, die Erde fressen, Vögel mit feurigen Schwingen, brennender Wasserfälle, gekappter Bergspitzen und Eisschlössern über den Wolken - die slawische Fantasywelt voller uralter Wesen, schwarzer Magie und Wunder hält viel zum Entdecken bereit, sodass die Autorin eine einnehmende Welt abseits der sonst so präsenten Vampir-/ Werwolf-/ Zauberer-/ Feen-/ Elfen-/ Zwergen-/ Fae-/ Drachen-/ Nixen-Fantasy erschafft.


"Vielleicht war die Liebe nur ein Aberglaube, ein Gebet, durch das wir die Einsamkeit in Schach hielten. Ich legte den Kopf in den Nacken. Die Sterne schienen dicht beieinanderzustehen, obwohl sie Millionen von Meilen voneinander entfernt waren. Gut möglich, dass die Liebe letztendlich nur die Sehnsucht nach einem Glanz war, den man nie erreichen konnte."


Der finale Kampf am Ende hätte zwar dem kleinen Seitenumfang geschuldet noch ausführlicher und epischer sein können, überzeugt aber durch grausames Feingefühl und unvorhersehbare Skrupellosigkeit. Irgendwann war ich an einem Punkt angelangt, an dem ich es der Autorin auch zugetraut hätte, alle Protagonisten umzubringen und den Dunklen siegen zu lassen und habe mich immer wieder bei dem Gedanken erwischt, dass ein tragisches Ende besser zur Geschichte gepasst hätte. Als dann das ersehnte Happy End kommt war ich entsetzt über meine eigenen Gedanken und sehr erleichtert, dass die Autorin ganz ohne Kitsch die perfekte Lösung für diese verfahrene Situation gefunden hat. Im Anschluss folgt ein toller Epilog, der jedes Leserherz erweichen wird und den Abschied von Ravka deutlich erschwert, auch wenn er dank der "Krähen"-Reihe und dem nächsten "King of Scars"-Teil nur von kurzer Dauer sein wird.




Fazit:


Das opulente Märchensetting, die vielschichtig entwickelten Protagonisten und der Spannungsbogen voller sensationeller Überraschungen machen diesen ungewöhnlichen Finalband trotz abermaliger Längen zum besten Buch der Reihe.
Insgesamt eine innovative Fantasy-Trilogie über Freundschaft, Schönheit, Selbstwahrnehmung, Dazugehören, unerwiderte Liebe, Manipulation, Verrat, Dunkelheit und Licht, die ich von Herzen weiterempfehlen kann!
Der ungewöhnliche Finalband einer innovativen Fantasy Trilogie!

Veröffentlicht am 13.10.2019

Eine atmosphärisch dichte, spannende Überleitung zwischen Auftakt- und Finalband

Eisige Wellen
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"Der Ochse spürt sein Joch", sagt sie, "aber spürt der Vogel das Gewicht seiner Flügel?"

Nach "King of Scars" und "Wonder Woman - Kriegerin der Amazonen"" ist die Grisha-Trilogie nun mein drittes Projekt ...

"Der Ochse spürt sein Joch", sagt sie, "aber spürt der Vogel das Gewicht seiner Flügel?"

Nach "King of Scars" und "Wonder Woman - Kriegerin der Amazonen"" ist die Grisha-Trilogie nun mein drittes Projekt von Leigh Bardugo. Wo "Grisha - Goldene Flammen" inhaltlich als auch sprachlich nur an der Oberfläche kratzte, lässt uns der zweite Teil, "Grisha - Eisige Wellen" schon mehr vom eigentlichen Talent der Autorin sehen. Mit viel Elan, neuen Ideen und interessanten Entwicklungen starten wir in die Fortsetzung und bekommen trotz einiger Schwächen eine atmosphärisch dichte, spannende Überleitung zwischen Auftakt- und Finalband.

Die Gestaltung ist wieder ein Traum und passt wunderbar zu der von Band 1. Erst vor einigen Tagen hat der Knaur Verlag, der schon "King of Scars" und der "Krähen"-Reihe Geburtshilfe geleistet hat, eine neue Auflage der vormals im Carlsen-Verlag erschienenen Grisha-Reihe in einem praktischen Schuber herausgebracht. Neu übersetzt, mit wunderschöner Karte und den hinreißenden Originalcover ausgestattet kann ich jedem Grisha-Fan die neue Ausgabe wirklich nur ans Herz legen. Wie auf dem Originalcover ist auf dunklem Grund die Silhouette eines majestätischen Drachen in hellem Türkis mit goldenen Schlieren zu sehen, wodurch nach dem Hirsch von Band 1 der zweite von Morozovas Kräftemehrern aufgegriffen wird, der in diesem Mittelteil eine wichtige Rolle spielt. Der goldene Titel, Autorenname und die türkisenen Verzierungen in den Ecken runden die Gestaltung gelungen ab.


Erster Satz: "Früher, lange bevor sie die Wahre See befuhren, hatten der Junge und das Mädchen immer wieder von Schiffen geträumt: Schiffe, randvoll mit Geschichten, verzauberte Schiffe mit Masten aus wohlriechendem Zedernholz und mit Segeln aus purem Gold, von Jungfrauen gesponnen."


Auch innerhalb der Buchdeckel bleibt sich die Autorin treu und umschließt ihre Geschichte mit einem kurzen "davor" und "danach" aus der dritten Person. Anscheinend hat sich Leigh Bardugo die Kritik zu ihrem Auftaktband zu Herzen genommen, denn der zweite Band startet mit einer geschickten Wiederholung der Ereignisse des ersten Teils, die schwierigen Orts-, und Personennamen werden beiläufig erklärt und am Ende des Buches wartet ein hilfreiches Glossar auf uns. Die Karte zu Beginn und die Übersicht über die verschiedenen Grisha-Orden helfen dabei, den Überblick zu behalten. Die grundlegenden Konzepte von Bardugos magischer Welt erschließen sich zumeist aus dem Zusammenhang und dem Wortlaut. So haben die Korporalki (Entherzer, Heiler, Bildner) Macht über den menschlichen Körper, Ätheralki sind Beschwörer, die durch gekonnte Manipulation ihre Umwelt kontrollieren können (Feuer = Inferni, Winde = Stürmer und Wasser =Fluter), und Materialki haben sich auf die Beeinflussung von Metallen (Durasten) oder Gifte (Alkemi) spezialisiert.


"Warum kann ein Grisha nur einen Kräftemehrer besitzen? Ich will stattdessen folgende Frage beantworten: Was ist unendlich? Das Universum und die Gier des Menschen."


Neben der magischen Welt der Grisha, die im sogenannten "kleinen Palast" in Ravkas Hauptstadt Os Alta leben, lernen und arbeiten, gibt es auch eine politische Sphäre mit einem Zar und einer Zarin, die im "großen Palast" leben. Und auch abseits der Hauptstadt hält die slawische Fantasywelt voller uralter Wesen, schwarzer Magie und Wunder viel zum Entdecken bereit. Ob mächtige Kräftemehrer aus vergangenen Zeitaltern, die geheimnisvolle Schattenflur voller alptraumhafter Kreaturen oder die kalte Wildheit der Wälder Ravkas - die Autorin erschafft eine einnehmende Welt abseits der sonst so präsenten Vampir-/ Werwolf-/ Zauberer-/ Feen-/ Elfen-/ Zwergen-/ Fae-/ Drachen-/ Nixen-Fantasy.


"Sie dich vor, Nikolai"; sagte Mal leise. "Prinzen bluten genauso wie andere Menschen auch." Nikolai zupfte eine unsichtbare Staubfluse von einem Ärmel. "Ja", sagte er, "aber sie bluten in besserer Kleidung."


Nach dem kurzen Prolog treffen wir in Novyi Zem wieder auf Alina und Mal, die nach dem Kampf auf der Schattenflur gegen den Dunklen abermals auf der Flucht sind. Alina plagen Schuldgefühle und sie weiß nicht, ob sie einfach vor ihrem Schicksal davonlaufen kann. Die Entscheidung, nach Ravka zurückzukehren wird ihr aber schlussendlich vom Dunklen abgenommen, der wider Erwarten überlebt hat und nun Jagd auf seine wertvollste Trophäe macht. Alina und Mal müssen sich entscheiden: wollen sie weiter davonlaufen oder stellen sie sich ihrer Verantwortung und bereiten sich auf den alles entscheidenden Kampf vor, um Ravka vor der Macht des Dunklen zu retten...?


"Die Nichtwesen. Ich erschauderte, als ich mich an ihr Surren und Scharren und ihre gähnenden Mäuler erinnerte. Meine Schulter pochte schmerzhaft.
"Was sind sie?"
(…) Er legte mir eine Hand auf die Wange, und als er sprach, klang er beinahe zärtlich.
"Sie sind nur der Anfang"


Mit dieser Frage beschäftigen sich die 23 kurzen Kapitel, in denen wieder Alina aus der Ich-Perspektive von ihren Erlebnissen und Abenteuern erzählt. Dabei ist die Geschichte nicht so homogen wie der erste Teil aufgebaut sondern lässt drei größere Teile erkennen. Zu Beginn steigen wir mit einer großen Portion Action und mit hohem Tempo in die Geschichte ein. Ganz so als wolle die Autorin alle wichtigen Handlungspunkte schon auf den ersten hundert Seiten abhaken ist das erste Drittel voll mit spannenden und prägenden Szenen. Die Flucht vor dem Dunklen, die Konfrontation mit seiner gesteigerten Macht, die Reise auf einem Walfänger, die Jagd auf den zweiten Kräftemehrer, der Kampf mit einem Eisdrachen, eine blutige Meuterei, eine spektakuläre Flucht mit einem fliegenden Boot, ein weiterer Kampf auf der Schattenflur - all dies passiert auf weniger als hundert Seiten.


"Die Welt verändert sich", sagte Nikolai, und der harte Ton schlich sich in seine Stimme. "Entweder wir verändern uns auch, oder nur der Staub wird sich an uns erinnern."


Und das wäre auch vollkommen in Ordnung so, wenn auf den temporeichen Beginn nicht das lange, sich ziehende Nichts folgende würde, das sich Mittelteil nennt. Denn sobald sich Alina dazu entscheidet, in den Kleinen Palast nach Os Alta zurückzukehren, endet die verrückte Reise durch das fremde, schillernde Ravka wieder und wir fokussieren uns stattdessen auf das Innenleben unserer Protagonistin und ihre Bemühungen, die Zweite Armee zu leiten. Was zuvor auf wenigen Seiten passierte, zieht sich nun in ewigen Wiederholungen hin. Lange Ratssitzungen, trockene Strategiebesprechungen gepaart mit unnötigem Beziehungsstress, alltäglichen Selbstzweifel und ziellose Grübeleien sind ein hundertprozentiger Killer für jegliche aufkommende Spannung. Versteht mich nicht falsch - gegen düstere Stimmung, tiefere Charakterentwicklung, Politik, Intrigen und Beziehungskrisen ist natürlich nichts einzuwenden. Doch leider geht über der Mischung aus all diesen Aspekten die Vorbereitung auf den Kampf gegen den Dunklen zusammen mit der Spannung unter und so dümpelt die Handlung vor sich hin, bis urplötzlich der fulminante Showdown beginnt.


"Glaubst du, ich bin wie der Dunkle?" Ich musterte ihn - die goldblonden Haare, die schneidige Uniform, die etwas zu gerissen dreinblickenden braungrünen Augen. "Nein", sagte ich gedehnt. "Glaube ich nicht. Aber ich habe mich schon einmal geirrt."


Über den plötzlichen Stillstand im Mittelteil, Alinas und die angeknackste Beziehung zwischen Mal und Alina schafft es nur eine einzige Person hinwegzutäuschen, die sich direkt nach ihrer Einführung zu meinem Lieblingsprotagonisten gemausert hat: der Freibeuter Sturmhond, der mit seinem überschäumenden Selbstbewusstsein, seinem charmanten Witz und dem lockeren Abenteuergeist Schwung in die depressive Stimmung bringt. Außerdem ist auch er nicht ganz, was er zu sein scheint und auch wenn für mich die Wendung dank "King of Scars" leider vorhersehbar war, ist sein Auftritt eine herrlich überraschende Bereicherung für die Geschichte, die viel düsterer und erwachsener wirkt als Band 1.


"Der Dunkle wird dich für den Rest deiner Tage jagen."
"Dann hätten wir etwas gemeinsam, nicht wahr? Außerdem habe ich gerne mächtige Feinde. Gibt mir das Gefühl, wichtig zu sein."
Mal verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete den Freibeuter. "Bist du verrückt oder einfach nur dumm?"
"Schwer zu sagen", erwiderte Sturmhond, "ich habe so viele gute Eigenschaften."



Das hat hauptsächlich damit zu tun, dass Alina sich immens verändert. Vormals unscheinbar, völlig durchschnittlich - kurz: ein unsichtbarer Niemand - gewesen, muss sie jetzt mit der Macht zweier Kräftemehrer leben. Doch nicht nur ihre Macht, die sie immer noch nicht vollkommen versteht, belastet sie sondern auch die Verantwortung für die Rettung von ganz Ravka, die seit der Zerstörung von Novokribirsk durch den Dunklen auf ihren Schultern ruht. Als wäre das noch nicht genug, hat der Asket den Kult der Sonnenkriegerin ins Leben gerufen und schart nun eine Armee aus Pilgern um sich, die Alina als Heilige verehren. Am allermeisten ängstigt sie jedoch nicht, was der Dunkle, der Zar, der Asket oder die Bevölkerung Ravkas von ihr wollen, sondern vor allem, nach was es sie selbst verlangt.


"Ich sah zu den Sternen auf. Der Himmel war wie schwarzer Samt, übersäht von Edelsteinen. Auf einmal wurde ich von einem unstillbaren Verlangen erfüllt. Ich will es, dachte ich. All das Licht, die ganze Macht. Ich will alles."


Denn auch wenn sie es nicht wahrhaben will, beginnt ihr die Macht zu gefallen und sie sehnt sich insgeheim nach mehr. Sie hat Angst vor dem wahren Grund, weshalb sie den dritten von Morozovas Kräftemehrern, den Feuervogel, unbedingt finden muss, vor der dunklen Verlockung der Macht und vor der Wahrheit, wie tief das Band zum Dunklen wirklich ist, der ihr immer wieder erscheint. Wird sie verrückt, hat sie Halluzinationen oder sind die beiden tiefer verbunden als sie es ahnt...? All diese Ängste, Erwartungen und Sehnsüchte machen ihr sehr zu schaffen und so ist sie deutlich reizbarer, wankelmütig und verhält sich zunehmend unverständlich. Dies und auch die unterschiedliche Stellung am "kleinen Palast" treibt langsam einen Keil zwischen Mal und sie und schadet auch ihrer Beziehung zum Leser. Denn dass sie dem Weg des leichtesten Widerstands folgend Problemen aus dem Weg geht und Ignoranz, Arroganz und Machtgier die herrlich normale Identifikationsfigur überlagern, macht sie zu keiner wirklichen Sympathieträgerin mehr. Auf der einen Seite verleiht ihr das eine neue Tiefe und ich kann nur begrüßen, dass sie nicht zur mächtigen, heiligen, perfekten Überheldin wird wie das leider oft in Fantasy-Bücher passiert. Auf der anderen Seite sind ihre ständigen Selbstzweifel, ihre ziellosen Grübeleien über ihr Verhältnis zu Mal, dem Dunklen, oder -ganz neu - zu Nikolai sowie ihre Machtgier wirklich anstrengend.


"Ich hatte zu Mal gesagt, dass es das Mädchen nicht mehr gab, das ich einst gewesen war. Und er verschwand besser, bevor er merkte, wie wahr diese Worte waren. (…)
"Weißt du, wie es Helden und Heiligen ergeht, Nikolai?", fragte ich, klappte das Buch zu und ging zur Tür. "Am Ende finden sie alle den Tod."


Auch Mal bekommt im Mittelteil Zeit, sich zu verändern. Zuvor war er bloß der typisch treue, gutaussehende Freund und Schwarm, neben dem sie immer schlecht dastand - bis sie ihn durch ihre Macht in den Schatten stellt und ihn dazu zwingt, etwas anderes in ihr zu sehen, als seine beste Freundin. Nun hat sich ihr Verhältnis komplett gedreht und er ist das blasse, machtlose Anhängsel, das nicht so ganz in Alinas Welt im "kleinen Palast" passen will. Trotz dass mein Bild von ihm durch Eifersucht, Prügeleien und den Griff zur Flasche etwas verfremdet wird, gefiel mir gut, dass er mehr Farbe erhält und sich nicht in die langweilige "perfekter Freund und Unterstützer"-Ecke drängen lässt.


"Dein Freund amüsiert sich offenbar köstlich." Ich zuckte mit den Schultern. "Das ist typisch Mal. Wenn du ihn unter Meuchelmörder der Fjerdan absetzten würdest, würden sie ihn bald darauf auf den Schultern tragen. Er blüht an jedem Ort auf, an den man ihn stellt."
"Und du?"
"Ich bin eher ein Unkraut", antwortete ich trocken.
Tamar grinste. "Ich mag Unkräuter", sagte sie und glitt von der Reling um die herumliegenden Taue aufzusammeln. "Sie sind Überlebenskünstler."



Sehr schön sind auch wieder die Nebenfiguren die auch zum Teil weiter entwickelt werden. Wir sehen hier einige bekannte Figuren wie die eigenwillige, geheimnisvolle Baghra, die wie eine Märchenhexe erscheint aber ein weiches Herz hat wieder, treffen die wunderschöne Genya, die ihr Herz an einen nerdigen Fabrikator verloren hat oder den erbarmungslose Botkin mit dem Meister-Yoda-ähnlichen Shu-Akzent wieder, bekommen mit Sturmhonds Crew und insbesondere auch den beiden Entherzern Tamar und Tolya spannende neue Nebenprotagonisten.
. Eine sehr spannende Figur ist außerdem immer noch der Dunkle (Symbol siehe rechts), der zu Beginn schwer einzuschätzen war, auch wenn ihn sein Name schon als "Bösewicht" der Geschichte entlarvte. Alle, die hinsichtlich seiner Ziele noch auf eine Wendung gehofft hatten, muss ich leider enttäuschen: der Dunkle bleibt leider der Böse und offenbart in seiner Rolle als Eroberer und Zerstörer immer mehr Abgründe.


"Einen Lidschlag stand sie in der Luft: mit durchscheinenden, schwingenartigen Flossen, schimmernden Schuppen, zornigen roten Augen. Wassertropfen flogen von ihrer Mähne, und als sie die gewaltigen Kiefer aufriss, zeigten sich eine rosafarbene Zunge und Reihen glitzernder Zähne. (…) Eine zweite Harpune traf ihr Ziel, und die Meeresgeißel setzte zu einem Gesang an, schöner als alles, was ich jemals gehört hatte - wie ein vielstimmiger Chor, der ein wortloses Klagelied intonierte. Nein, wurde mir bewusst, kein Lie. Die Meeresgeißel schrie, während sie sich in den Fluten wand und krümmte und die Widerhaken der Harpunen abzuschütteln versuchte.
Du musst kämpfen, flehte ich im Stillen.
Wenn er dich einmal in den Fängen hat, lässt er dich nie wieder los."



Was die Handlungsschwäche im Mittelteil aber eindeutig wett macht, ist die düstere, erwachsenere, dichtere Atmosphäre, die durch Leigh Bardugos gereiften, sichereren Stil geschaffen wird. Wo die Autorin zuvor noch auf vorsichtige Skizzen gesetzt hat, holt sie hier den Farbpinsel hervor und gibt so nicht nur ihrem Setting sondern auch ihren Protagonisten mehr Farbe und Kontur. Düster, magisch und spannend webt sie ihre Geschichte, nimmt uns mit an schillernde Schauplätze und schockt uns mit Überraschungen. Dabei tragen nie Kämpfe, Intrigen, Brutalität und Irrglaube den Sieg davon, sondern immer Mitgefühl, Freundschaft und Liebe, sodass sich die Geschichte liest wie ein Märchen: mal düster und bedrohlich, mal leuchtend bunt und immer wunderschön! Zwar ist der Umfang mit 448 Seiten immer noch im unteren Bereich für ein Fantasy-Roman und hie und da blitzt noch das Potential für mehr Epos und Detailreichtum hervor, sie reicht hier aber schon viel näher an die intensiven Gefühle, die imposante Bildgewalt und die drängende Bedeutung, die ich aus ihren anderen Werken kenne. Durch die schnell wechselnden Schauplätze und Situationen ist die Geschichte herrlich komplex und wir können weitere Teile des Grisha-Verse kennenlernen.

Ich freue mich nun sehr auf den letzten abschließenden Teil und hoffe, dass Alina, Mal, Genya, Nikolai und all die anderen den Dunklen ein für alle mal besiegen können.

"Ich blickte zur Sonne auf, spürte die Meeresbrise auf meiner Haut und sagte: "Ich will unbedingt frei sein."
"Solange der Dunkle lebt, bist du nicht frei. Genauso wenig wie dein Land. Und das weißt du."




Fazit:


Mit viel Elan, neuen Ideen und interessanten Entwicklungen starten wir in die Fortsetzung und bekommen trotz einiger Schwächen eine atmosphärisch dichte, spannende Überleitung zwischen Auftakt- und Finalband.
Eine magische Geschichte über Freundschaft, Schönheit, Selbstwahrnehmung, Dazugehören, unerwiderte Liebe, Manipulation, Verrat, Dunkelheit und Licht!

Veröffentlicht am 13.10.2019

Eine atmosphärisch dichte, spannende Überleitung zwischen Auftakt- und Finalband

Eisige Wellen
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"Der Ochse spürt sein Joch", sagt sie, "aber spürt der Vogel das Gewicht seiner Flügel?"

Nach "King of Scars" und "Wonder Woman - Kriegerin der Amazonen"" ist die Grisha-Trilogie nun mein drittes Projekt ...

"Der Ochse spürt sein Joch", sagt sie, "aber spürt der Vogel das Gewicht seiner Flügel?"

Nach "King of Scars" und "Wonder Woman - Kriegerin der Amazonen"" ist die Grisha-Trilogie nun mein drittes Projekt von Leigh Bardugo. Wo "Grisha - Goldene Flammen" inhaltlich als auch sprachlich nur an der Oberfläche kratzte, lässt uns der zweite Teil, "Grisha - Eisige Wellen" schon mehr vom eigentlichen Talent der Autorin sehen. Mit viel Elan, neuen Ideen und interessanten Entwicklungen starten wir in die Fortsetzung und bekommen trotz einiger Schwächen eine atmosphärisch dichte, spannende Überleitung zwischen Auftakt- und Finalband.

Die Gestaltung ist wieder ein Traum und passt wunderbar zu der von Band 1. Erst vor einigen Tagen hat der Knaur Verlag, der schon "King of Scars" und der "Krähen"-Reihe Geburtshilfe geleistet hat, eine neue Auflage der vormals im Carlsen-Verlag erschienenen Grisha-Reihe in einem praktischen Schuber herausgebracht. Neu übersetzt, mit wunderschöner Karte und den hinreißenden Originalcover ausgestattet kann ich jedem Grisha-Fan die neue Ausgabe wirklich nur ans Herz legen. Wie auf dem Originalcover ist auf dunklem Grund die Silhouette eines majestätischen Drachen in hellem Türkis mit goldenen Schlieren zu sehen, wodurch nach dem Hirsch von Band 1 der zweite von Morozovas Kräftemehrern aufgegriffen wird, der in diesem Mittelteil eine wichtige Rolle spielt. Der goldene Titel, Autorenname und die türkisenen Verzierungen in den Ecken runden die Gestaltung gelungen ab.


Erster Satz: "Früher, lange bevor sie die Wahre See befuhren, hatten der Junge und das Mädchen immer wieder von Schiffen geträumt: Schiffe, randvoll mit Geschichten, verzauberte Schiffe mit Masten aus wohlriechendem Zedernholz und mit Segeln aus purem Gold, von Jungfrauen gesponnen."


Auch innerhalb der Buchdeckel bleibt sich die Autorin treu und umschließt ihre Geschichte mit einem kurzen "davor" und "danach" aus der dritten Person. Anscheinend hat sich Leigh Bardugo die Kritik zu ihrem Auftaktband zu Herzen genommen, denn der zweite Band startet mit einer geschickten Wiederholung der Ereignisse des ersten Teils, die schwierigen Orts-, und Personennamen werden beiläufig erklärt und am Ende des Buches wartet ein hilfreiches Glossar auf uns. Die Karte zu Beginn und die Übersicht über die verschiedenen Grisha-Orden helfen dabei, den Überblick zu behalten. Die grundlegenden Konzepte von Bardugos magischer Welt erschließen sich zumeist aus dem Zusammenhang und dem Wortlaut. So haben die Korporalki (Entherzer, Heiler, Bildner) Macht über den menschlichen Körper, Ätheralki sind Beschwörer, die durch gekonnte Manipulation ihre Umwelt kontrollieren können (Feuer = Inferni, Winde = Stürmer und Wasser =Fluter), und Materialki haben sich auf die Beeinflussung von Metallen (Durasten) oder Gifte (Alkemi) spezialisiert.


"Warum kann ein Grisha nur einen Kräftemehrer besitzen? Ich will stattdessen folgende Frage beantworten: Was ist unendlich? Das Universum und die Gier des Menschen."


Neben der magischen Welt der Grisha, die im sogenannten "kleinen Palast" in Ravkas Hauptstadt Os Alta leben, lernen und arbeiten, gibt es auch eine politische Sphäre mit einem Zar und einer Zarin, die im "großen Palast" leben. Und auch abseits der Hauptstadt hält die slawische Fantasywelt voller uralter Wesen, schwarzer Magie und Wunder viel zum Entdecken bereit. Ob mächtige Kräftemehrer aus vergangenen Zeitaltern, die geheimnisvolle Schattenflur voller alptraumhafter Kreaturen oder die kalte Wildheit der Wälder Ravkas - die Autorin erschafft eine einnehmende Welt abseits der sonst so präsenten Vampir-/ Werwolf-/ Zauberer-/ Feen-/ Elfen-/ Zwergen-/ Fae-/ Drachen-/ Nixen-Fantasy.


"Sie dich vor, Nikolai"; sagte Mal leise. "Prinzen bluten genauso wie andere Menschen auch." Nikolai zupfte eine unsichtbare Staubfluse von einem Ärmel. "Ja", sagte er, "aber sie bluten in besserer Kleidung."


Nach dem kurzen Prolog treffen wir in Novyi Zem wieder auf Alina und Mal, die nach dem Kampf auf der Schattenflur gegen den Dunklen abermals auf der Flucht sind. Alina plagen Schuldgefühle und sie weiß nicht, ob sie einfach vor ihrem Schicksal davonlaufen kann. Die Entscheidung, nach Ravka zurückzukehren wird ihr aber schlussendlich vom Dunklen abgenommen, der wider Erwarten überlebt hat und nun Jagd auf seine wertvollste Trophäe macht. Alina und Mal müssen sich entscheiden: wollen sie weiter davonlaufen oder stellen sie sich ihrer Verantwortung und bereiten sich auf den alles entscheidenden Kampf vor, um Ravka vor der Macht des Dunklen zu retten...?


"Die Nichtwesen. Ich erschauderte, als ich mich an ihr Surren und Scharren und ihre gähnenden Mäuler erinnerte. Meine Schulter pochte schmerzhaft.
"Was sind sie?"
(…) Er legte mir eine Hand auf die Wange, und als er sprach, klang er beinahe zärtlich.
"Sie sind nur der Anfang"


Mit dieser Frage beschäftigen sich die 23 kurzen Kapitel, in denen wieder Alina aus der Ich-Perspektive von ihren Erlebnissen und Abenteuern erzählt. Dabei ist die Geschichte nicht so homogen wie der erste Teil aufgebaut sondern lässt drei größere Teile erkennen. Zu Beginn steigen wir mit einer großen Portion Action und mit hohem Tempo in die Geschichte ein. Ganz so als wolle die Autorin alle wichtigen Handlungspunkte schon auf den ersten hundert Seiten abhaken ist das erste Drittel voll mit spannenden und prägenden Szenen. Die Flucht vor dem Dunklen, die Konfrontation mit seiner gesteigerten Macht, die Reise auf einem Walfänger, die Jagd auf den zweiten Kräftemehrer, der Kampf mit einem Eisdrachen, eine blutige Meuterei, eine spektakuläre Flucht mit einem fliegenden Boot, ein weiterer Kampf auf der Schattenflur - all dies passiert auf weniger als hundert Seiten.


"Die Welt verändert sich", sagte Nikolai, und der harte Ton schlich sich in seine Stimme. "Entweder wir verändern uns auch, oder nur der Staub wird sich an uns erinnern."


Und das wäre auch vollkommen in Ordnung so, wenn auf den temporeichen Beginn nicht das lange, sich ziehende Nichts folgende würde, das sich Mittelteil nennt. Denn sobald sich Alina dazu entscheidet, in den Kleinen Palast nach Os Alta zurückzukehren, endet die verrückte Reise durch das fremde, schillernde Ravka wieder und wir fokussieren uns stattdessen auf das Innenleben unserer Protagonistin und ihre Bemühungen, die Zweite Armee zu leiten. Was zuvor auf wenigen Seiten passierte, zieht sich nun in ewigen Wiederholungen hin. Lange Ratssitzungen, trockene Strategiebesprechungen gepaart mit unnötigem Beziehungsstress, alltäglichen Selbstzweifel und ziellose Grübeleien sind ein hundertprozentiger Killer für jegliche aufkommende Spannung. Versteht mich nicht falsch - gegen düstere Stimmung, tiefere Charakterentwicklung, Politik, Intrigen und Beziehungskrisen ist natürlich nichts einzuwenden. Doch leider geht über der Mischung aus all diesen Aspekten die Vorbereitung auf den Kampf gegen den Dunklen zusammen mit der Spannung unter und so dümpelt die Handlung vor sich hin, bis urplötzlich der fulminante Showdown beginnt.


"Glaubst du, ich bin wie der Dunkle?" Ich musterte ihn - die goldblonden Haare, die schneidige Uniform, die etwas zu gerissen dreinblickenden braungrünen Augen. "Nein", sagte ich gedehnt. "Glaube ich nicht. Aber ich habe mich schon einmal geirrt."


Über den plötzlichen Stillstand im Mittelteil, Alinas und die angeknackste Beziehung zwischen Mal und Alina schafft es nur eine einzige Person hinwegzutäuschen, die sich direkt nach ihrer Einführung zu meinem Lieblingsprotagonisten gemausert hat: der Freibeuter Sturmhond, der mit seinem überschäumenden Selbstbewusstsein, seinem charmanten Witz und dem lockeren Abenteuergeist Schwung in die depressive Stimmung bringt. Außerdem ist auch er nicht ganz, was er zu sein scheint und auch wenn für mich die Wendung dank "King of Scars" leider vorhersehbar war, ist sein Auftritt eine herrlich überraschende Bereicherung für die Geschichte, die viel düsterer und erwachsener wirkt als Band 1.


"Der Dunkle wird dich für den Rest deiner Tage jagen."
"Dann hätten wir etwas gemeinsam, nicht wahr? Außerdem habe ich gerne mächtige Feinde. Gibt mir das Gefühl, wichtig zu sein."
Mal verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete den Freibeuter. "Bist du verrückt oder einfach nur dumm?"
"Schwer zu sagen", erwiderte Sturmhond, "ich habe so viele gute Eigenschaften."



Das hat hauptsächlich damit zu tun, dass Alina sich immens verändert. Vormals unscheinbar, völlig durchschnittlich - kurz: ein unsichtbarer Niemand - gewesen, muss sie jetzt mit der Macht zweier Kräftemehrer leben. Doch nicht nur ihre Macht, die sie immer noch nicht vollkommen versteht, belastet sie sondern auch die Verantwortung für die Rettung von ganz Ravka, die seit der Zerstörung von Novokribirsk durch den Dunklen auf ihren Schultern ruht. Als wäre das noch nicht genug, hat der Asket den Kult der Sonnenkriegerin ins Leben gerufen und schart nun eine Armee aus Pilgern um sich, die Alina als Heilige verehren. Am allermeisten ängstigt sie jedoch nicht, was der Dunkle, der Zar, der Asket oder die Bevölkerung Ravkas von ihr wollen, sondern vor allem, nach was es sie selbst verlangt.


"Ich sah zu den Sternen auf. Der Himmel war wie schwarzer Samt, übersäht von Edelsteinen. Auf einmal wurde ich von einem unstillbaren Verlangen erfüllt. Ich will es, dachte ich. All das Licht, die ganze Macht. Ich will alles."


Denn auch wenn sie es nicht wahrhaben will, beginnt ihr die Macht zu gefallen und sie sehnt sich insgeheim nach mehr. Sie hat Angst vor dem wahren Grund, weshalb sie den dritten von Morozovas Kräftemehrern, den Feuervogel, unbedingt finden muss, vor der dunklen Verlockung der Macht und vor der Wahrheit, wie tief das Band zum Dunklen wirklich ist, der ihr immer wieder erscheint. Wird sie verrückt, hat sie Halluzinationen oder sind die beiden tiefer verbunden als sie es ahnt...? All diese Ängste, Erwartungen und Sehnsüchte machen ihr sehr zu schaffen und so ist sie deutlich reizbarer, wankelmütig und verhält sich zunehmend unverständlich. Dies und auch die unterschiedliche Stellung am "kleinen Palast" treibt langsam einen Keil zwischen Mal und sie und schadet auch ihrer Beziehung zum Leser. Denn dass sie dem Weg des leichtesten Widerstands folgend Problemen aus dem Weg geht und Ignoranz, Arroganz und Machtgier die herrlich normale Identifikationsfigur überlagern, macht sie zu keiner wirklichen Sympathieträgerin mehr. Auf der einen Seite verleiht ihr das eine neue Tiefe und ich kann nur begrüßen, dass sie nicht zur mächtigen, heiligen, perfekten Überheldin wird wie das leider oft in Fantasy-Bücher passiert. Auf der anderen Seite sind ihre ständigen Selbstzweifel, ihre ziellosen Grübeleien über ihr Verhältnis zu Mal, dem Dunklen, oder -ganz neu - zu Nikolai sowie ihre Machtgier wirklich anstrengend.


"Ich hatte zu Mal gesagt, dass es das Mädchen nicht mehr gab, das ich einst gewesen war. Und er verschwand besser, bevor er merkte, wie wahr diese Worte waren. (…)
"Weißt du, wie es Helden und Heiligen ergeht, Nikolai?", fragte ich, klappte das Buch zu und ging zur Tür. "Am Ende finden sie alle den Tod."


Auch Mal bekommt im Mittelteil Zeit, sich zu verändern. Zuvor war er bloß der typisch treue, gutaussehende Freund und Schwarm, neben dem sie immer schlecht dastand - bis sie ihn durch ihre Macht in den Schatten stellt und ihn dazu zwingt, etwas anderes in ihr zu sehen, als seine beste Freundin. Nun hat sich ihr Verhältnis komplett gedreht und er ist das blasse, machtlose Anhängsel, das nicht so ganz in Alinas Welt im "kleinen Palast" passen will. Trotz dass mein Bild von ihm durch Eifersucht, Prügeleien und den Griff zur Flasche etwas verfremdet wird, gefiel mir gut, dass er mehr Farbe erhält und sich nicht in die langweilige "perfekter Freund und Unterstützer"-Ecke drängen lässt.


"Dein Freund amüsiert sich offenbar köstlich." Ich zuckte mit den Schultern. "Das ist typisch Mal. Wenn du ihn unter Meuchelmörder der Fjerdan absetzten würdest, würden sie ihn bald darauf auf den Schultern tragen. Er blüht an jedem Ort auf, an den man ihn stellt."
"Und du?"
"Ich bin eher ein Unkraut", antwortete ich trocken.
Tamar grinste. "Ich mag Unkräuter", sagte sie und glitt von der Reling um die herumliegenden Taue aufzusammeln. "Sie sind Überlebenskünstler."



Sehr schön sind auch wieder die Nebenfiguren die auch zum Teil weiter entwickelt werden. Wir sehen hier einige bekannte Figuren wie die eigenwillige, geheimnisvolle Baghra, die wie eine Märchenhexe erscheint aber ein weiches Herz hat wieder, treffen die wunderschöne Genya, die ihr Herz an einen nerdigen Fabrikator verloren hat oder den erbarmungslose Botkin mit dem Meister-Yoda-ähnlichen Shu-Akzent wieder, bekommen mit Sturmhonds Crew und insbesondere auch den beiden Entherzern Tamar und Tolya spannende neue Nebenprotagonisten.
. Eine sehr spannende Figur ist außerdem immer noch der Dunkle (Symbol siehe rechts), der zu Beginn schwer einzuschätzen war, auch wenn ihn sein Name schon als "Bösewicht" der Geschichte entlarvte. Alle, die hinsichtlich seiner Ziele noch auf eine Wendung gehofft hatten, muss ich leider enttäuschen: der Dunkle bleibt leider der Böse und offenbart in seiner Rolle als Eroberer und Zerstörer immer mehr Abgründe.


"Einen Lidschlag stand sie in der Luft: mit durchscheinenden, schwingenartigen Flossen, schimmernden Schuppen, zornigen roten Augen. Wassertropfen flogen von ihrer Mähne, und als sie die gewaltigen Kiefer aufriss, zeigten sich eine rosafarbene Zunge und Reihen glitzernder Zähne. (…) Eine zweite Harpune traf ihr Ziel, und die Meeresgeißel setzte zu einem Gesang an, schöner als alles, was ich jemals gehört hatte - wie ein vielstimmiger Chor, der ein wortloses Klagelied intonierte. Nein, wurde mir bewusst, kein Lie. Die Meeresgeißel schrie, während sie sich in den Fluten wand und krümmte und die Widerhaken der Harpunen abzuschütteln versuchte.
Du musst kämpfen, flehte ich im Stillen.
Wenn er dich einmal in den Fängen hat, lässt er dich nie wieder los."



Was die Handlungsschwäche im Mittelteil aber eindeutig wett macht, ist die düstere, erwachsenere, dichtere Atmosphäre, die durch Leigh Bardugos gereiften, sichereren Stil geschaffen wird. Wo die Autorin zuvor noch auf vorsichtige Skizzen gesetzt hat, holt sie hier den Farbpinsel hervor und gibt so nicht nur ihrem Setting sondern auch ihren Protagonisten mehr Farbe und Kontur. Düster, magisch und spannend webt sie ihre Geschichte, nimmt uns mit an schillernde Schauplätze und schockt uns mit Überraschungen. Dabei tragen nie Kämpfe, Intrigen, Brutalität und Irrglaube den Sieg davon, sondern immer Mitgefühl, Freundschaft und Liebe, sodass sich die Geschichte liest wie ein Märchen: mal düster und bedrohlich, mal leuchtend bunt und immer wunderschön! Zwar ist der Umfang mit 448 Seiten immer noch im unteren Bereich für ein Fantasy-Roman und hie und da blitzt noch das Potential für mehr Epos und Detailreichtum hervor, sie reicht hier aber schon viel näher an die intensiven Gefühle, die imposante Bildgewalt und die drängende Bedeutung, die ich aus ihren anderen Werken kenne. Durch die schnell wechselnden Schauplätze und Situationen ist die Geschichte herrlich komplex und wir können weitere Teile des Grisha-Verse kennenlernen.

Ich freue mich nun sehr auf den letzten abschließenden Teil und hoffe, dass Alina, Mal, Genya, Nikolai und all die anderen den Dunklen ein für alle mal besiegen können.

"Ich blickte zur Sonne auf, spürte die Meeresbrise auf meiner Haut und sagte: "Ich will unbedingt frei sein."
"Solange der Dunkle lebt, bist du nicht frei. Genauso wenig wie dein Land. Und das weißt du."




Fazit:


Mit viel Elan, neuen Ideen und interessanten Entwicklungen starten wir in die Fortsetzung und bekommen trotz einiger Schwächen eine atmosphärisch dichte, spannende Überleitung zwischen Auftakt- und Finalband.
Eine magische Geschichte über Freundschaft, Schönheit, Selbstwahrnehmung, Dazugehören, unerwiderte Liebe, Manipulation, Verrat, Dunkelheit und Licht!

Veröffentlicht am 13.10.2019

Eine atmosphärisch dichte, spannende Überleitung zwischen Auftakt- und Finalband.

Grischa 2: Eisige Wellen
0

"Der Ochse spürt sein Joch", sagt sie, "aber spürt der Vogel das Gewicht seiner Flügel?"

Nach "King of Scars" und "Wonder Woman - Kriegerin der Amazonen"" ist die Grisha-Trilogie nun mein drittes Projekt ...

"Der Ochse spürt sein Joch", sagt sie, "aber spürt der Vogel das Gewicht seiner Flügel?"

Nach "King of Scars" und "Wonder Woman - Kriegerin der Amazonen"" ist die Grisha-Trilogie nun mein drittes Projekt von Leigh Bardugo. Wo "Grisha - Goldene Flammen" inhaltlich als auch sprachlich nur an der Oberfläche kratzte, lässt uns der zweite Teil, "Grisha - Eisige Wellen" schon mehr vom eigentlichen Talent der Autorin sehen. Mit viel Elan, neuen Ideen und interessanten Entwicklungen starten wir in die Fortsetzung und bekommen trotz einiger Schwächen eine atmosphärisch dichte, spannende Überleitung zwischen Auftakt- und Finalband.


Erster Satz: "Früher, lange bevor sie die Wahre See befuhren, hatten der Junge und das Mädchen immer wieder von Schiffen geträumt: Schiffe, randvoll mit Geschichten, verzauberte Schiffe mit Masten aus wohlriechendem Zedernholz und mit Segeln aus purem Gold, von Jungfrauen gesponnen."


Auch innerhalb der Buchdeckel bleibt sich die Autorin treu und umschließt ihre Geschichte mit einem kurzen "davor" und "danach" aus der dritten Person. Anscheinend hat sich Leigh Bardugo die Kritik zu ihrem Auftaktband zu Herzen genommen, denn der zweite Band startet mit einer geschickten Wiederholung der Ereignisse des ersten Teils, die schwierigen Orts-, und Personennamen werden beiläufig erklärt und am Ende des Buches wartet ein hilfreiches Glossar auf uns. Die Karte zu Beginn und die Übersicht über die verschiedenen Grisha-Orden helfen dabei, den Überblick zu behalten. Die grundlegenden Konzepte von Bardugos magischer Welt erschließen sich zumeist aus dem Zusammenhang und dem Wortlaut. So haben die Korporalki (Entherzer, Heiler, Bildner) Macht über den menschlichen Körper, Ätheralki sind Beschwörer, die durch gekonnte Manipulation ihre Umwelt kontrollieren können (Feuer = Inferni, Winde = Stürmer und Wasser =Fluter), und Materialki haben sich auf die Beeinflussung von Metallen (Durasten) oder Gifte (Alkemi) spezialisiert.


"Warum kann ein Grisha nur einen Kräftemehrer besitzen? Ich will stattdessen folgende Frage beantworten: Was ist unendlich? Das Universum und die Gier des Menschen."


Neben der magischen Welt der Grisha, die im sogenannten "kleinen Palast" in Ravkas Hauptstadt Os Alta leben, lernen und arbeiten, gibt es auch eine politische Sphäre mit einem Zar und einer Zarin, die im "großen Palast" leben. Und auch abseits der Hauptstadt hält die slawische Fantasywelt voller uralter Wesen, schwarzer Magie und Wunder viel zum Entdecken bereit. Ob mächtige Kräftemehrer aus vergangenen Zeitaltern, die geheimnisvolle Schattenflur voller alptraumhafter Kreaturen oder die kalte Wildheit der Wälder Ravkas - die Autorin erschafft eine einnehmende Welt abseits der sonst so präsenten Vampir-/ Werwolf-/ Zauberer-/ Feen-/ Elfen-/ Zwergen-/ Fae-/ Drachen-/ Nixen-Fantasy.


"Sie dich vor, Nikolai"; sagte Mal leise. "Prinzen bluten genauso wie andere Menschen auch." Nikolai zupfte eine unsichtbare Staubfluse von einem Ärmel. "Ja", sagte er, "aber sie bluten in besserer Kleidung."


Nach dem kurzen Prolog treffen wir in Novyi Zem wieder auf Alina und Mal, die nach dem Kampf auf der Schattenflur gegen den Dunklen abermals auf der Flucht sind. Alina plagen Schuldgefühle und sie weiß nicht, ob sie einfach vor ihrem Schicksal davonlaufen kann. Die Entscheidung, nach Ravka zurückzukehren wird ihr aber schlussendlich vom Dunklen abgenommen, der wider Erwarten überlebt hat und nun Jagd auf seine wertvollste Trophäe macht. Alina und Mal müssen sich entscheiden: wollen sie weiter davonlaufen oder stellen sie sich ihrer Verantwortung und bereiten sich auf den alles entscheidenden Kampf vor, um Ravka vor der Macht des Dunklen zu retten...?


"Die Nichtwesen. Ich erschauderte, als ich mich an ihr Surren und Scharren und ihre gähnenden Mäuler erinnerte. Meine Schulter pochte schmerzhaft.
"Was sind sie?"
(…) Er legte mir eine Hand auf die Wange, und als er sprach, klang er beinahe zärtlich.
"Sie sind nur der Anfang"


Mit dieser Frage beschäftigen sich die 23 kurzen Kapitel, in denen wieder Alina aus der Ich-Perspektive von ihren Erlebnissen und Abenteuern erzählt. Dabei ist die Geschichte nicht so homogen wie der erste Teil aufgebaut sondern lässt drei größere Teile erkennen. Zu Beginn steigen wir mit einer großen Portion Action und mit hohem Tempo in die Geschichte ein. Ganz so als wolle die Autorin alle wichtigen Handlungspunkte schon auf den ersten hundert Seiten abhaken ist das erste Drittel voll mit spannenden und prägenden Szenen. Die Flucht vor dem Dunklen, die Konfrontation mit seiner gesteigerten Macht, die Reise auf einem Walfänger, die Jagd auf den zweiten Kräftemehrer, der Kampf mit einem Eisdrachen, eine blutige Meuterei, eine spektakuläre Flucht mit einem fliegenden Boot, ein weiterer Kampf auf der Schattenflur - all dies passiert auf weniger als hundert Seiten.


"Die Welt verändert sich", sagte Nikolai, und der harte Ton schlich sich in seine Stimme. "Entweder wir verändern uns auch, oder nur der Staub wird sich an uns erinnern."


Und das wäre auch vollkommen in Ordnung so, wenn auf den temporeichen Beginn nicht das lange, sich ziehende Nichts folgende würde, das sich Mittelteil nennt. Denn sobald sich Alina dazu entscheidet, in den Kleinen Palast nach Os Alta zurückzukehren, endet die verrückte Reise durch das fremde, schillernde Ravka wieder und wir fokussieren uns stattdessen auf das Innenleben unserer Protagonistin und ihre Bemühungen, die Zweite Armee zu leiten. Was zuvor auf wenigen Seiten passierte, zieht sich nun in ewigen Wiederholungen hin. Lange Ratssitzungen, trockene Strategiebesprechungen gepaart mit unnötigem Beziehungsstress, alltäglichen Selbstzweifel und ziellose Grübeleien sind ein hundertprozentiger Killer für jegliche aufkommende Spannung. Versteht mich nicht falsch - gegen düstere Stimmung, tiefere Charakterentwicklung, Politik, Intrigen und Beziehungskrisen ist natürlich nichts einzuwenden. Doch leider geht über der Mischung aus all diesen Aspekten die Vorbereitung auf den Kampf gegen den Dunklen zusammen mit der Spannung unter und so dümpelt die Handlung vor sich hin, bis urplötzlich der fulminante Showdown beginnt.


"Glaubst du, ich bin wie der Dunkle?" Ich musterte ihn - die goldblonden Haare, die schneidige Uniform, die etwas zu gerissen dreinblickenden braungrünen Augen. "Nein", sagte ich gedehnt. "Glaube ich nicht. Aber ich habe mich schon einmal geirrt."


Über den plötzlichen Stillstand im Mittelteil, Alinas und die angeknackste Beziehung zwischen Mal und Alina schafft es nur eine einzige Person hinwegzutäuschen, die sich direkt nach ihrer Einführung zu meinem Lieblingsprotagonisten gemausert hat: der Freibeuter Sturmhond, der mit seinem überschäumenden Selbstbewusstsein, seinem charmanten Witz und dem lockeren Abenteuergeist Schwung in die depressive Stimmung bringt. Außerdem ist auch er nicht ganz, was er zu sein scheint und auch wenn für mich die Wendung dank "King of Scars" leider vorhersehbar war, ist sein Auftritt eine herrlich überraschende Bereicherung für die Geschichte, die viel düsterer und erwachsener wirkt als Band 1.


"Der Dunkle wird dich für den Rest deiner Tage jagen."
"Dann hätten wir etwas gemeinsam, nicht wahr? Außerdem habe ich gerne mächtige Feinde. Gibt mir das Gefühl, wichtig zu sein."
Mal verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete den Freibeuter. "Bist du verrückt oder einfach nur dumm?"
"Schwer zu sagen", erwiderte Sturmhond, "ich habe so viele gute Eigenschaften."



Das hat hauptsächlich damit zu tun, dass Alina sich immens verändert. Vormals unscheinbar, völlig durchschnittlich - kurz: ein unsichtbarer Niemand - gewesen, muss sie jetzt mit der Macht zweier Kräftemehrer leben. Doch nicht nur ihre Macht, die sie immer noch nicht vollkommen versteht, belastet sie sondern auch die Verantwortung für die Rettung von ganz Ravka, die seit der Zerstörung von Novokribirsk durch den Dunklen auf ihren Schultern ruht. Als wäre das noch nicht genug, hat der Asket den Kult der Sonnenkriegerin ins Leben gerufen und schart nun eine Armee aus Pilgern um sich, die Alina als Heilige verehren. Am allermeisten ängstigt sie jedoch nicht, was der Dunkle, der Zar, der Asket oder die Bevölkerung Ravkas von ihr wollen, sondern vor allem, nach was es sie selbst verlangt.


"Ich sah zu den Sternen auf. Der Himmel war wie schwarzer Samt, übersäht von Edelsteinen. Auf einmal wurde ich von einem unstillbaren Verlangen erfüllt. Ich will es, dachte ich. All das Licht, die ganze Macht. Ich will alles."


Denn auch wenn sie es nicht wahrhaben will, beginnt ihr die Macht zu gefallen und sie sehnt sich insgeheim nach mehr. Sie hat Angst vor dem wahren Grund, weshalb sie den dritten von Morozovas Kräftemehrern, den Feuervogel, unbedingt finden muss, vor der dunklen Verlockung der Macht und vor der Wahrheit, wie tief das Band zum Dunklen wirklich ist, der ihr immer wieder erscheint. Wird sie verrückt, hat sie Halluzinationen oder sind die beiden tiefer verbunden als sie es ahnt...? All diese Ängste, Erwartungen und Sehnsüchte machen ihr sehr zu schaffen und so ist sie deutlich reizbarer, wankelmütig und verhält sich zunehmend unverständlich. Dies und auch die unterschiedliche Stellung am "kleinen Palast" treibt langsam einen Keil zwischen Mal und sie und schadet auch ihrer Beziehung zum Leser. Denn dass sie dem Weg des leichtesten Widerstands folgend Problemen aus dem Weg geht und Ignoranz, Arroganz und Machtgier die herrlich normale Identifikationsfigur überlagern, macht sie zu keiner wirklichen Sympathieträgerin mehr. Auf der einen Seite verleiht ihr das eine neue Tiefe und ich kann nur begrüßen, dass sie nicht zur mächtigen, heiligen, perfekten Überheldin wird wie das leider oft in Fantasy-Bücher passiert. Auf der anderen Seite sind ihre ständigen Selbstzweifel, ihre ziellosen Grübeleien über ihr Verhältnis zu Mal, dem Dunklen, oder -ganz neu - zu Nikolai sowie ihre Machtgier wirklich anstrengend.


"Ich hatte zu Mal gesagt, dass es das Mädchen nicht mehr gab, das ich einst gewesen war. Und er verschwand besser, bevor er merkte, wie wahr diese Worte waren. (…)
"Weißt du, wie es Helden und Heiligen ergeht, Nikolai?", fragte ich, klappte das Buch zu und ging zur Tür. "Am Ende finden sie alle den Tod."


Auch Mal bekommt im Mittelteil Zeit, sich zu verändern. Zuvor war er bloß der typisch treue, gutaussehende Freund und Schwarm, neben dem sie immer schlecht dastand - bis sie ihn durch ihre Macht in den Schatten stellt und ihn dazu zwingt, etwas anderes in ihr zu sehen, als seine beste Freundin. Nun hat sich ihr Verhältnis komplett gedreht und er ist das blasse, machtlose Anhängsel, das nicht so ganz in Alinas Welt im "kleinen Palast" passen will. Trotz dass mein Bild von ihm durch Eifersucht, Prügeleien und den Griff zur Flasche etwas verfremdet wird, gefiel mir gut, dass er mehr Farbe erhält und sich nicht in die langweilige "perfekter Freund und Unterstützer"-Ecke drängen lässt.


"Dein Freund amüsiert sich offenbar köstlich." Ich zuckte mit den Schultern. "Das ist typisch Mal. Wenn du ihn unter Meuchelmörder der Fjerdan absetzten würdest, würden sie ihn bald darauf auf den Schultern tragen. Er blüht an jedem Ort auf, an den man ihn stellt."
"Und du?"
"Ich bin eher ein Unkraut", antwortete ich trocken.
Tamar grinste. "Ich mag Unkräuter", sagte sie und glitt von der Reling um die herumliegenden Taue aufzusammeln. "Sie sind Überlebenskünstler."



Sehr schön sind auch wieder die Nebenfiguren die auch zum Teil weiter entwickelt werden. Wir sehen hier einige bekannte Figuren wie die eigenwillige, geheimnisvolle Baghra, die wie eine Märchenhexe erscheint aber ein weiches Herz hat wieder, treffen die wunderschöne Genya, die ihr Herz an einen nerdigen Fabrikator verloren hat oder den erbarmungslose Botkin mit dem Meister-Yoda-ähnlichen Shu-Akzent wieder, bekommen mit Sturmhonds Crew und insbesondere auch den beiden Entherzern Tamar und Tolya spannende neue Nebenprotagonisten.
. Eine sehr spannende Figur ist außerdem immer noch der Dunkle (Symbol siehe rechts), der zu Beginn schwer einzuschätzen war, auch wenn ihn sein Name schon als "Bösewicht" der Geschichte entlarvte. Alle, die hinsichtlich seiner Ziele noch auf eine Wendung gehofft hatten, muss ich leider enttäuschen: der Dunkle bleibt leider der Böse und offenbart in seiner Rolle als Eroberer und Zerstörer immer mehr Abgründe.


"Einen Lidschlag stand sie in der Luft: mit durchscheinenden, schwingenartigen Flossen, schimmernden Schuppen, zornigen roten Augen. Wassertropfen flogen von ihrer Mähne, und als sie die gewaltigen Kiefer aufriss, zeigten sich eine rosafarbene Zunge und Reihen glitzernder Zähne. (…) Eine zweite Harpune traf ihr Ziel, und die Meeresgeißel setzte zu einem Gesang an, schöner als alles, was ich jemals gehört hatte - wie ein vielstimmiger Chor, der ein wortloses Klagelied intonierte. Nein, wurde mir bewusst, kein Lie. Die Meeresgeißel schrie, während sie sich in den Fluten wand und krümmte und die Widerhaken der Harpunen abzuschütteln versuchte.
Du musst kämpfen, flehte ich im Stillen.
Wenn er dich einmal in den Fängen hat, lässt er dich nie wieder los."



Was die Handlungsschwäche im Mittelteil aber eindeutig wett macht, ist die düstere, erwachsenere, dichtere Atmosphäre, die durch Leigh Bardugos gereiften, sichereren Stil geschaffen wird. Wo die Autorin zuvor noch auf vorsichtige Skizzen gesetzt hat, holt sie hier den Farbpinsel hervor und gibt so nicht nur ihrem Setting sondern auch ihren Protagonisten mehr Farbe und Kontur. Düster, magisch und spannend webt sie ihre Geschichte, nimmt uns mit an schillernde Schauplätze und schockt uns mit Überraschungen. Dabei tragen nie Kämpfe, Intrigen, Brutalität und Irrglaube den Sieg davon, sondern immer Mitgefühl, Freundschaft und Liebe, sodass sich die Geschichte liest wie ein Märchen: mal düster und bedrohlich, mal leuchtend bunt und immer wunderschön! Zwar ist der Umfang mit 448 Seiten immer noch im unteren Bereich für ein Fantasy-Roman und hie und da blitzt noch das Potential für mehr Epos und Detailreichtum hervor, sie reicht hier aber schon viel näher an die intensiven Gefühle, die imposante Bildgewalt und die drängende Bedeutung, die ich aus ihren anderen Werken kenne. Durch die schnell wechselnden Schauplätze und Situationen ist die Geschichte herrlich komplex und wir können weitere Teile des Grisha-Verse kennenlernen.

Ich freue mich nun sehr auf den letzten abschließenden Teil und hoffe, dass Alina, Mal, Genya, Nikolai und all die anderen den Dunklen ein für alle mal besiegen können.

"Ich blickte zur Sonne auf, spürte die Meeresbrise auf meiner Haut und sagte: "Ich will unbedingt frei sein."
"Solange der Dunkle lebt, bist du nicht frei. Genauso wenig wie dein Land. Und das weißt du."




Fazit:


Mit viel Elan, neuen Ideen und interessanten Entwicklungen starten wir in die Fortsetzung und bekommen trotz einiger Schwächen eine atmosphärisch dichte, spannende Überleitung zwischen Auftakt- und Finalband.
Eine magische Geschichte über Freundschaft, Schönheit, Selbstwahrnehmung, Dazugehören, unerwiderte Liebe, Manipulation, Verrat, Dunkelheit und Licht!

Veröffentlicht am 13.10.2019

Eine atmosphärisch dichte, spannende Überleitung zwischen Auftakt- und Finalband.

Grischa: Eisige Wellen
0

"Der Ochse spürt sein Joch", sagt sie, "aber spürt der Vogel das Gewicht seiner Flügel?"

Nach "King of Scars" und "Wonder Woman - Kriegerin der Amazonen"" ist die Grisha-Trilogie nun mein drittes Projekt ...

"Der Ochse spürt sein Joch", sagt sie, "aber spürt der Vogel das Gewicht seiner Flügel?"

Nach "King of Scars" und "Wonder Woman - Kriegerin der Amazonen"" ist die Grisha-Trilogie nun mein drittes Projekt von Leigh Bardugo. Wo "Grisha - Goldene Flammen" inhaltlich als auch sprachlich nur an der Oberfläche kratzte, lässt uns der zweite Teil, "Grisha - Eisige Wellen" schon mehr vom eigentlichen Talent der Autorin sehen. Mit viel Elan, neuen Ideen und interessanten Entwicklungen starten wir in die Fortsetzung und bekommen trotz einiger Schwächen eine atmosphärisch dichte, spannende Überleitung zwischen Auftakt- und Finalband.


Erster Satz: "Früher, lange bevor sie die Wahre See befuhren, hatten der Junge und das Mädchen immer wieder von Schiffen geträumt: Schiffe, randvoll mit Geschichten, verzauberte Schiffe mit Masten aus wohlriechendem Zedernholz und mit Segeln aus purem Gold, von Jungfrauen gesponnen."


Auch innerhalb der Buchdeckel bleibt sich die Autorin treu und umschließt ihre Geschichte mit einem kurzen "davor" und "danach" aus der dritten Person. Anscheinend hat sich Leigh Bardugo die Kritik zu ihrem Auftaktband zu Herzen genommen, denn der zweite Band startet mit einer geschickten Wiederholung der Ereignisse des ersten Teils, die schwierigen Orts-, und Personennamen werden beiläufig erklärt und am Ende des Buches wartet ein hilfreiches Glossar auf uns. Die Karte zu Beginn und die Übersicht über die verschiedenen Grisha-Orden helfen dabei, den Überblick zu behalten. Die grundlegenden Konzepte von Bardugos magischer Welt erschließen sich zumeist aus dem Zusammenhang und dem Wortlaut. So haben die Korporalki (Entherzer, Heiler, Bildner) Macht über den menschlichen Körper, Ätheralki sind Beschwörer, die durch gekonnte Manipulation ihre Umwelt kontrollieren können (Feuer = Inferni, Winde = Stürmer und Wasser =Fluter), und Materialki haben sich auf die Beeinflussung von Metallen (Durasten) oder Gifte (Alkemi) spezialisiert.


"Warum kann ein Grisha nur einen Kräftemehrer besitzen? Ich will stattdessen folgende Frage beantworten: Was ist unendlich? Das Universum und die Gier des Menschen."


Neben der magischen Welt der Grisha, die im sogenannten "kleinen Palast" in Ravkas Hauptstadt Os Alta leben, lernen und arbeiten, gibt es auch eine politische Sphäre mit einem Zar und einer Zarin, die im "großen Palast" leben. Und auch abseits der Hauptstadt hält die slawische Fantasywelt voller uralter Wesen, schwarzer Magie und Wunder viel zum Entdecken bereit. Ob mächtige Kräftemehrer aus vergangenen Zeitaltern, die geheimnisvolle Schattenflur voller alptraumhafter Kreaturen oder die kalte Wildheit der Wälder Ravkas - die Autorin erschafft eine einnehmende Welt abseits der sonst so präsenten Vampir-/ Werwolf-/ Zauberer-/ Feen-/ Elfen-/ Zwergen-/ Fae-/ Drachen-/ Nixen-Fantasy.


"Sie dich vor, Nikolai"; sagte Mal leise. "Prinzen bluten genauso wie andere Menschen auch." Nikolai zupfte eine unsichtbare Staubfluse von einem Ärmel. "Ja", sagte er, "aber sie bluten in besserer Kleidung."


Nach dem kurzen Prolog treffen wir in Novyi Zem wieder auf Alina und Mal, die nach dem Kampf auf der Schattenflur gegen den Dunklen abermals auf der Flucht sind. Alina plagen Schuldgefühle und sie weiß nicht, ob sie einfach vor ihrem Schicksal davonlaufen kann. Die Entscheidung, nach Ravka zurückzukehren wird ihr aber schlussendlich vom Dunklen abgenommen, der wider Erwarten überlebt hat und nun Jagd auf seine wertvollste Trophäe macht. Alina und Mal müssen sich entscheiden: wollen sie weiter davonlaufen oder stellen sie sich ihrer Verantwortung und bereiten sich auf den alles entscheidenden Kampf vor, um Ravka vor der Macht des Dunklen zu retten...?


"Die Nichtwesen. Ich erschauderte, als ich mich an ihr Surren und Scharren und ihre gähnenden Mäuler erinnerte. Meine Schulter pochte schmerzhaft.
"Was sind sie?"
(…) Er legte mir eine Hand auf die Wange, und als er sprach, klang er beinahe zärtlich.
"Sie sind nur der Anfang"


Mit dieser Frage beschäftigen sich die 23 kurzen Kapitel, in denen wieder Alina aus der Ich-Perspektive von ihren Erlebnissen und Abenteuern erzählt. Dabei ist die Geschichte nicht so homogen wie der erste Teil aufgebaut sondern lässt drei größere Teile erkennen. Zu Beginn steigen wir mit einer großen Portion Action und mit hohem Tempo in die Geschichte ein. Ganz so als wolle die Autorin alle wichtigen Handlungspunkte schon auf den ersten hundert Seiten abhaken ist das erste Drittel voll mit spannenden und prägenden Szenen. Die Flucht vor dem Dunklen, die Konfrontation mit seiner gesteigerten Macht, die Reise auf einem Walfänger, die Jagd auf den zweiten Kräftemehrer, der Kampf mit einem Eisdrachen, eine blutige Meuterei, eine spektakuläre Flucht mit einem fliegenden Boot, ein weiterer Kampf auf der Schattenflur - all dies passiert auf weniger als hundert Seiten.


"Die Welt verändert sich", sagte Nikolai, und der harte Ton schlich sich in seine Stimme. "Entweder wir verändern uns auch, oder nur der Staub wird sich an uns erinnern."


Und das wäre auch vollkommen in Ordnung so, wenn auf den temporeichen Beginn nicht das lange, sich ziehende Nichts folgende würde, das sich Mittelteil nennt. Denn sobald sich Alina dazu entscheidet, in den Kleinen Palast nach Os Alta zurückzukehren, endet die verrückte Reise durch das fremde, schillernde Ravka wieder und wir fokussieren uns stattdessen auf das Innenleben unserer Protagonistin und ihre Bemühungen, die Zweite Armee zu leiten. Was zuvor auf wenigen Seiten passierte, zieht sich nun in ewigen Wiederholungen hin. Lange Ratssitzungen, trockene Strategiebesprechungen gepaart mit unnötigem Beziehungsstress, alltäglichen Selbstzweifel und ziellose Grübeleien sind ein hundertprozentiger Killer für jegliche aufkommende Spannung. Versteht mich nicht falsch - gegen düstere Stimmung, tiefere Charakterentwicklung, Politik, Intrigen und Beziehungskrisen ist natürlich nichts einzuwenden. Doch leider geht über der Mischung aus all diesen Aspekten die Vorbereitung auf den Kampf gegen den Dunklen zusammen mit der Spannung unter und so dümpelt die Handlung vor sich hin, bis urplötzlich der fulminante Showdown beginnt.


"Glaubst du, ich bin wie der Dunkle?" Ich musterte ihn - die goldblonden Haare, die schneidige Uniform, die etwas zu gerissen dreinblickenden braungrünen Augen. "Nein", sagte ich gedehnt. "Glaube ich nicht. Aber ich habe mich schon einmal geirrt."


Über den plötzlichen Stillstand im Mittelteil, Alinas und die angeknackste Beziehung zwischen Mal und Alina schafft es nur eine einzige Person hinwegzutäuschen, die sich direkt nach ihrer Einführung zu meinem Lieblingsprotagonisten gemausert hat: der Freibeuter Sturmhond, der mit seinem überschäumenden Selbstbewusstsein, seinem charmanten Witz und dem lockeren Abenteuergeist Schwung in die depressive Stimmung bringt. Außerdem ist auch er nicht ganz, was er zu sein scheint und auch wenn für mich die Wendung dank "King of Scars" leider vorhersehbar war, ist sein Auftritt eine herrlich überraschende Bereicherung für die Geschichte, die viel düsterer und erwachsener wirkt als Band 1.


"Der Dunkle wird dich für den Rest deiner Tage jagen."
"Dann hätten wir etwas gemeinsam, nicht wahr? Außerdem habe ich gerne mächtige Feinde. Gibt mir das Gefühl, wichtig zu sein."
Mal verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete den Freibeuter. "Bist du verrückt oder einfach nur dumm?"
"Schwer zu sagen", erwiderte Sturmhond, "ich habe so viele gute Eigenschaften."



Das hat hauptsächlich damit zu tun, dass Alina sich immens verändert. Vormals unscheinbar, völlig durchschnittlich - kurz: ein unsichtbarer Niemand - gewesen, muss sie jetzt mit der Macht zweier Kräftemehrer leben. Doch nicht nur ihre Macht, die sie immer noch nicht vollkommen versteht, belastet sie sondern auch die Verantwortung für die Rettung von ganz Ravka, die seit der Zerstörung von Novokribirsk durch den Dunklen auf ihren Schultern ruht. Als wäre das noch nicht genug, hat der Asket den Kult der Sonnenkriegerin ins Leben gerufen und schart nun eine Armee aus Pilgern um sich, die Alina als Heilige verehren. Am allermeisten ängstigt sie jedoch nicht, was der Dunkle, der Zar, der Asket oder die Bevölkerung Ravkas von ihr wollen, sondern vor allem, nach was es sie selbst verlangt.


"Ich sah zu den Sternen auf. Der Himmel war wie schwarzer Samt, übersäht von Edelsteinen. Auf einmal wurde ich von einem unstillbaren Verlangen erfüllt. Ich will es, dachte ich. All das Licht, die ganze Macht. Ich will alles."


Denn auch wenn sie es nicht wahrhaben will, beginnt ihr die Macht zu gefallen und sie sehnt sich insgeheim nach mehr. Sie hat Angst vor dem wahren Grund, weshalb sie den dritten von Morozovas Kräftemehrern, den Feuervogel, unbedingt finden muss, vor der dunklen Verlockung der Macht und vor der Wahrheit, wie tief das Band zum Dunklen wirklich ist, der ihr immer wieder erscheint. Wird sie verrückt, hat sie Halluzinationen oder sind die beiden tiefer verbunden als sie es ahnt...? All diese Ängste, Erwartungen und Sehnsüchte machen ihr sehr zu schaffen und so ist sie deutlich reizbarer, wankelmütig und verhält sich zunehmend unverständlich. Dies und auch die unterschiedliche Stellung am "kleinen Palast" treibt langsam einen Keil zwischen Mal und sie und schadet auch ihrer Beziehung zum Leser. Denn dass sie dem Weg des leichtesten Widerstands folgend Problemen aus dem Weg geht und Ignoranz, Arroganz und Machtgier die herrlich normale Identifikationsfigur überlagern, macht sie zu keiner wirklichen Sympathieträgerin mehr. Auf der einen Seite verleiht ihr das eine neue Tiefe und ich kann nur begrüßen, dass sie nicht zur mächtigen, heiligen, perfekten Überheldin wird wie das leider oft in Fantasy-Bücher passiert. Auf der anderen Seite sind ihre ständigen Selbstzweifel, ihre ziellosen Grübeleien über ihr Verhältnis zu Mal, dem Dunklen, oder -ganz neu - zu Nikolai sowie ihre Machtgier wirklich anstrengend.


"Ich hatte zu Mal gesagt, dass es das Mädchen nicht mehr gab, das ich einst gewesen war. Und er verschwand besser, bevor er merkte, wie wahr diese Worte waren. (…)
"Weißt du, wie es Helden und Heiligen ergeht, Nikolai?", fragte ich, klappte das Buch zu und ging zur Tür. "Am Ende finden sie alle den Tod."


Auch Mal bekommt im Mittelteil Zeit, sich zu verändern. Zuvor war er bloß der typisch treue, gutaussehende Freund und Schwarm, neben dem sie immer schlecht dastand - bis sie ihn durch ihre Macht in den Schatten stellt und ihn dazu zwingt, etwas anderes in ihr zu sehen, als seine beste Freundin. Nun hat sich ihr Verhältnis komplett gedreht und er ist das blasse, machtlose Anhängsel, das nicht so ganz in Alinas Welt im "kleinen Palast" passen will. Trotz dass mein Bild von ihm durch Eifersucht, Prügeleien und den Griff zur Flasche etwas verfremdet wird, gefiel mir gut, dass er mehr Farbe erhält und sich nicht in die langweilige "perfekter Freund und Unterstützer"-Ecke drängen lässt.


"Dein Freund amüsiert sich offenbar köstlich." Ich zuckte mit den Schultern. "Das ist typisch Mal. Wenn du ihn unter Meuchelmörder der Fjerdan absetzten würdest, würden sie ihn bald darauf auf den Schultern tragen. Er blüht an jedem Ort auf, an den man ihn stellt."
"Und du?"
"Ich bin eher ein Unkraut", antwortete ich trocken.
Tamar grinste. "Ich mag Unkräuter", sagte sie und glitt von der Reling um die herumliegenden Taue aufzusammeln. "Sie sind Überlebenskünstler."



Sehr schön sind auch wieder die Nebenfiguren die auch zum Teil weiter entwickelt werden. Wir sehen hier einige bekannte Figuren wie die eigenwillige, geheimnisvolle Baghra, die wie eine Märchenhexe erscheint aber ein weiches Herz hat wieder, treffen die wunderschöne Genya, die ihr Herz an einen nerdigen Fabrikator verloren hat oder den erbarmungslose Botkin mit dem Meister-Yoda-ähnlichen Shu-Akzent wieder, bekommen mit Sturmhonds Crew und insbesondere auch den beiden Entherzern Tamar und Tolya spannende neue Nebenprotagonisten.
. Eine sehr spannende Figur ist außerdem immer noch der Dunkle (Symbol siehe rechts), der zu Beginn schwer einzuschätzen war, auch wenn ihn sein Name schon als "Bösewicht" der Geschichte entlarvte. Alle, die hinsichtlich seiner Ziele noch auf eine Wendung gehofft hatten, muss ich leider enttäuschen: der Dunkle bleibt leider der Böse und offenbart in seiner Rolle als Eroberer und Zerstörer immer mehr Abgründe.


"Einen Lidschlag stand sie in der Luft: mit durchscheinenden, schwingenartigen Flossen, schimmernden Schuppen, zornigen roten Augen. Wassertropfen flogen von ihrer Mähne, und als sie die gewaltigen Kiefer aufriss, zeigten sich eine rosafarbene Zunge und Reihen glitzernder Zähne. (…) Eine zweite Harpune traf ihr Ziel, und die Meeresgeißel setzte zu einem Gesang an, schöner als alles, was ich jemals gehört hatte - wie ein vielstimmiger Chor, der ein wortloses Klagelied intonierte. Nein, wurde mir bewusst, kein Lie. Die Meeresgeißel schrie, während sie sich in den Fluten wand und krümmte und die Widerhaken der Harpunen abzuschütteln versuchte.
Du musst kämpfen, flehte ich im Stillen.
Wenn er dich einmal in den Fängen hat, lässt er dich nie wieder los."



Was die Handlungsschwäche im Mittelteil aber eindeutig wett macht, ist die düstere, erwachsenere, dichtere Atmosphäre, die durch Leigh Bardugos gereiften, sichereren Stil geschaffen wird. Wo die Autorin zuvor noch auf vorsichtige Skizzen gesetzt hat, holt sie hier den Farbpinsel hervor und gibt so nicht nur ihrem Setting sondern auch ihren Protagonisten mehr Farbe und Kontur. Düster, magisch und spannend webt sie ihre Geschichte, nimmt uns mit an schillernde Schauplätze und schockt uns mit Überraschungen. Dabei tragen nie Kämpfe, Intrigen, Brutalität und Irrglaube den Sieg davon, sondern immer Mitgefühl, Freundschaft und Liebe, sodass sich die Geschichte liest wie ein Märchen: mal düster und bedrohlich, mal leuchtend bunt und immer wunderschön! Zwar ist der Umfang mit 448 Seiten immer noch im unteren Bereich für ein Fantasy-Roman und hie und da blitzt noch das Potential für mehr Epos und Detailreichtum hervor, sie reicht hier aber schon viel näher an die intensiven Gefühle, die imposante Bildgewalt und die drängende Bedeutung, die ich aus ihren anderen Werken kenne. Durch die schnell wechselnden Schauplätze und Situationen ist die Geschichte herrlich komplex und wir können weitere Teile des Grisha-Verse kennenlernen.

Ich freue mich nun sehr auf den letzten abschließenden Teil und hoffe, dass Alina, Mal, Genya, Nikolai und all die anderen den Dunklen ein für alle mal besiegen können.

"Ich blickte zur Sonne auf, spürte die Meeresbrise auf meiner Haut und sagte: "Ich will unbedingt frei sein."
"Solange der Dunkle lebt, bist du nicht frei. Genauso wenig wie dein Land. Und das weißt du."




Fazit:


Mit viel Elan, neuen Ideen und interessanten Entwicklungen starten wir in die Fortsetzung und bekommen trotz einiger Schwächen eine atmosphärisch dichte, spannende Überleitung zwischen Auftakt- und Finalband.
Eine magische Geschichte über Freundschaft, Schönheit, Selbstwahrnehmung, Dazugehören, unerwiderte Liebe, Manipulation, Verrat, Dunkelheit und Licht!