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Veröffentlicht am 07.04.2019

Eine prickelnde Mischung aus Sagen der Antike und Urban Romantasy

Gold und Schatten
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Nicht nur das wunderschöne Cover und der spannend klingende Klapptext konnten mich sofort überzeugen, diesen Dilogie-Auftakt zu bestellen sondern auch das Thema. Spätestens seit Rick Riordan liebe ich ...

Nicht nur das wunderschöne Cover und der spannend klingende Klapptext konnten mich sofort überzeugen, diesen Dilogie-Auftakt zu bestellen sondern auch das Thema. Spätestens seit Rick Riordan liebe ich Geschichten über griechische Mythologie über alles und auch Kira Licht hat es meisterhaft geschafft, die vielseitige, spannende Grundlage auf neue Art in Szene zu setzen und in einer rasanten, humorvollen, spritzigen Geschichte zu verarbeiten.


“Pflanzen sprechen zu mir. Und was sagen sie dir? Prophezeien sie den Weltuntergang? […] Nein, die meisten beschweren sich über irgendwas. Der Rest will, dass ich sie gieße."


Schon die Gestaltung ist einfach traumhaft und bringt mich als absoluten Cover-Kritiker immer wieder zum Schwärmen. Nicht nur dass die Glanzoptik der goldenen Lichtpunkte einen wundervollen Kontrapunkt zu den marmorierten Schatten bieten und die ganze Gestaltung dynamisch machen - die starken Kontraste zwischen hellem, weichen Gold und dunklen, schwarzen Schatten passen auch wunderbar zum Thema. Der sanfte Anriss eines Mädchens mit blonden Haaren gibt nur eine zarte Idee von der Protagonistin Livia und nimmt nicht zu viel vorweg. Zusammen mit dem Titel, der durch einen gegensätzlichen Farbverlauf hervorgehoben wird und dem dunklen Lesebändchen wird das Buch zu einem Gesamtkunstwerk.


Erster Satz: "Wasser … bitte!"


Diese Bitte, mit der sich Livia ein paar Wochen nach ihrem Umzug von Seoul nach Paris auf offener Straße konfrontiert wird, scheint auf den ersten Blick nicht ungewöhnlich zu sein. Doch anstatt von einem der Obdachlosen zu kommen, stammt diese Bitte von einem kleinen, halbvertrockneten Löwenzahn zu ihren Füßen. Eigentlich sind für Livia als Diplomatentochter regelmäßige Umzüge nichts besonderes, doch als sie sich dieses Mal mit der Stadt vertraut macht, fallen ihr immer mehr Dinge auf, die sie an ihrem Verstand zweifeln lassen. Nicht nur das sie seit kurzem auf einmal die Pflanzen in ihrer Umgebung hören und mit ihnen kommunizieren kann, sie wird auch ständig von düsteren Prophezeiungen überrumpelt und sieht Dinge, die eigentlich nicht da sein können. Als sie dann auch noch auf den mysteriösen Maél trifft, beginnt sie Paris endgültig mit anderen Augen zu sehen und entdeckt eine Welt, von deren Existenz sie niemals etwas geahnt hätte: eine Welt der Götter, Halbgötter, magischen Kreaturen und des Schicksals - und sie ist ein Teil davon...


"Jetzt, als der rosarote Nebel sich hob und das Sinne verwirrende Adrenalin in meinem Blut verpuffte, wurde mir eiskalt. Ich zog Maéls Strickjacke enger um meinen Körper. Es war das Gefühl einer dunklen Vorahnung, einer schwarzen Flut, die auf mich zurollte. Ich fröstelte. Eine Flut, die mich einholen würde, egal wie schnell ich davonlief."


Wir steigen relativ ruhig in das Leben der 16jährigen Livia ein, die versucht, sich in ihrem neuen Zuhause zurecht zu finden. Sie besucht die internationale Schule, findet neue Freunde und macht sich mit der Stadt vertraut. Insgesamt ist sie also vor allem mit den ganz normalen Teenager-Problemen konfrontiert - strenge Eltern, "die Neue" sein, selbstständig werden... Als sie sich jedoch die berühmt-berüchtigten Katakomben ansehen will, trifft sie den geheimnisvollen Maél, der sie auf eine geheime Sonderführung durch die abgesperrten Teile der Unterwelt mitnimmt und zudem sie sich sofort hingezogen fühlt. Die Chemie zwischen den beiden stimmt unzweifelhaft, doch je näher sie sich kommen, desto seltsamer benimmt er sich und geht immer wieder auf Abstand. Erst als sie ihn vor ein Ultimatum stellt, rückt er mit der Wahrheit über sich heraus, die Livias Welt auf den Kopf stellt. Er ein Sohn des Unterweltgottes Hades, der seit mehreren Tausend Jahren versucht, die vergoldeten Teile seiner Schwester Agada zu finden und sie wieder aufzuwecken. Um die letzten Teile zu finden braucht er dringend eine Nymphe, die das verfluchte Gold anfassen kann. Was für ein Zufall: Livia ist genau eine der wenigen verbliebenen Wiesennymphen, die ihm bei dieser Aufgabe helfen kann. Da stellt sich nur die Frage: Ist sie nur ein Mittel zum Zweck in seinem jahrtausendalten Plan oder ist da mehr zwischen ihnen? Um mehr über die neue, verborgene Welt und ihre Rolle und Aufgabe als Nymphe herauszufinden, beschließt sie, ihm bei seiner Suche zu helfen und taucht dabei tief in die Welt der Götter ein.


"Eine gewisse Dunkelheit ist nötig, um die Sterne sehen zu können. (…) Für mich war Maél die Dunkelheit, derjenige, neben dem ich einen Blick auf eine komplett neue Welt gewonnen hatte. Ohne den ich vermutlich niemals meine Nymphenkräfte erkannt und genutzt hätte. Ohne den ich niemals nach den Sternen gegriffen hätte."


Die Idee, dass die Götter aus Langeweile ihren Hauptsitz alle paar Jahrhunderte von einer Großstadt zur nächsten verlegen und zur Zeit alle in Paris wohnen, hat mir sehr gut gefallen da wir diese sowieso magische Stadt in einem ganz besonderen Licht dargestellt bekommen. Zusammen mit Livia und Maél besuchen wir die berühmten Sehenswürdigkeiten der Stadt, schlendern durch die romantischen Parks und über die weitläufigen Plätze, sitzen in süßen Cafés und erkunden Museen, wir lernen jedoch auch die Katakomben näher kennen und machen Ausflüge in heruntergekommenere Distrikte der Stadt. So bekommen wir ein wundervoll facettenreiches Porträt der Stadt der Liebe, welches ein spannendes und funkelndes Setting für die Geschichte bildet.


"Die Unvernunft liegt mir im Blut. Das Risiko, das Wagnis und die Gefahr sind alte Freunde. Freunde, die mich zu sich rufen und locken - immerzu. Aber sie sind mein Untergang, und ich bin ein dummer Trottel, weil ich sie immer wieder zu mir einlade."


Dass wir nebenbei noch die Götter, Helden und Sagengestalten der griechischen Mythologie kennenlernen ist dabei natürlich auch ein nettes Plus. Wir treffen Götter wie den Strass-liebenden, immer gestressten Götterboten Hermes, welcher als Chef einer PR-Argentur neben seiner Aufgabe als Pate für verschiedene Halbgötter und als ewiger Streitschlichter zwischen den Göttern viel um die Ohren hat; lernen die wunderschöne aber tieftraurige Aphrodite in der Gestalt der Mode und Make-Up Designerin Adèle P. kennen, welche sich nach ihrer großen Liebe Adonis sehnt, der seit Jahren in der Unterwelt eingesperrt ist; erfahren mehr über den Gott der Schmiede, Hephaistos, welcher sich einen magischen Garten aus Metall geschmiedet hat, sich aber nach lebendigen Weggefährten sehnt und treffen natürlich der Gott der Unterwelt, Hades, höchst persönlich, welcher auf ambivalente Art und Weise den perfekten Antagonisten darstellt. Wichtige Sagengestalten wie Ödipus, Persephone und magische Wesen wie Höllenhunde, Satyrs, Syllektis-Riesenmotten und verzauberte Skelette dürfen natürlich auch nicht fehlen. So entsteigt dem romantischen Setting eine prickelnde Mischung aus Sagen der Antike und Urban Romantasy.


"Nein, ich darf nicht. Nein, mein Fluch bringt sie um. Aber sich liebe sie doch so sehr. Nein, ich liebe sie nicht, damit sie nicht stirbt. Absolut oskarverdächtige Geschichte, kleiner Rabe. Aber weißt du was?" Hades ließ die Hände sinken, sein Grinsen war diabolisch. "Für Monster gibt es kein Happy End. Und wir", er deutete auf sich und seine Söhne, "sind alle Monster."


Zum Leben erweckt wird diese wundersame Mischung aber erst durch Kira Lichts spritzigen, erfrischend humorvollen und lockeren Schreibstil. Sie zieht ihre Geschichte rasant auf und sorgt durch schlagfertige Dialoge, kreative Ideen, skurrile Begegnungen und leise Romantik dafür, dass es während der 544 Seiten niemals langweilig wird. Durch ihren einmaligen Humor, der mich ein wenig an Jennifer L. Armentrout in ihren besten Jahren erinnert hat, bringt sie immer wieder ein wenig Schwung in die Geschichte und hat mich ein ums andere Mal zum Lachen gebracht. Dabei scheint eine leise Ironie die Darstellung der mythologischen Welt zu durchziehen. So liegen die Eingänge des Tartaros in den Rutschen von McDonald´s Filialen, die drei Schicksalsgöttinnen tauchen als drei brummige Cateringsangestellte auf, Ödipus ist ein ungeschlagener Fernseh-Quiz-König und Hermes versucht sein Mündel zu verkuppelt während er mit seiner Handyarmada jongliert. Immer wenn ich sehe, dass eine bestimmte Mythologie der Ausgangspunkt einer Geschichte ist, mache ich mir Sorgen, dass sich die Geschichte zu sehr auf die historischen Vorlagen verlässt, andere Romane zu sehr nacheifert und dabei eine eigene Note vergisst. Das passiert der Autorin hier jedoch keineswegs und mit viel Einfallsreichtum und Kreativität wird ein ganz besonderes Lesegefühl hervorgerufen.


"Etwas mehr Optimismus, kleine Nymphe"
"Nenn mich nicht klein. Ich bin nicht klein."
"Stimmt." Er schob mich immer noch. "Du bist winzig."


Dass man zu Beginn recht langsam in die Geschichte einsteigt hat noch einen weiteren Vorteil: man hat genügend Zeit um die Protagonisten Livia und Maél kennenzulernen. Livia Estelle McKenzie ist eine wundervolle Protagonistin und mit ihrer selbstbewussten, schlagfertigen, zielstrebigen Art, ihrem skurrilen Kleidungsstil und ihrem kurvigen Körper definitiv nicht auswechselbar. Auch wenn es mir die meiste Zeit recht seltsam erschien, dass sie erst sechzehn Jahre alt sein sollte und sie sich manchmal etwas seltsam verhielt, ist sie mir sehr ans Herz gewachsen. Auch Maél, den ich schon im kostenlosen Prequel "Träume und Hoffnung" etwas kennenlernen durfte, mochte ich, auch wenn er mit seiner geheimnisvollen, düsteren Ausstrahlung definitiv dem Klischee eines typischen Book-Boyfriends entsprach. Gutaussehend, rätselhaft und Teil einer verborgenen, magischen Welt - das ist definitiv kein neues Konzept. Besser hätten mir beide definitiv gefallen, wenn Kira Licht auf die typischen YA-Klischees verzichtet hätte. Ich frage mich wirklich warum es immer notwendig ist, dass die Protagonistin teilweise zum naiven, verliebten Mädchen mutiert, während der männliche Love-Interest sich in seiner Bad-Boy Dunkelheit suhlt. Wer mir da definitiv über diese nervende Phase hinweggeholfen hat ist die kleine Evangéline. Die flauschige Riesenmotte bekommt von mir definitiv das Prädikat Buchhaustier des Jahres!


"Geht klar, Partner." (…) Partner. Was für ein blödes Wort. Ich lächelte knapp. Wir waren alles. Lügner, Verzweifelte, Verliebte, Eifersüchtige, Besitzergreifende und Zögernde. Nur Partner, eine reine Zweckgemeinschaft, waren wir garantiert nicht."


Am Ende folgt ein spannender Showdown, der einige Überraschungen und Wendungen bereit hält und in einem miesen Cliffhanger gipfelt. Damit ist natürlich klar, dass diese Geschichte noch lange nicht zu Ende erzählt wurde und noch viele spannende Leseabenteuer auf uns warten. Ich freue mich auf jeden Fall sehr auf den nächsten Teil!


"Pass auf dich auf, Livia. Wenn man zu lange in den Abgrund blickt, blickt der Abgrund irgendwann zurück."


Fazit:


Eine rasante, humorvolle, spritzige Geschichte mit vielseitigem Setting, schlagfertigen Dialogen, kreativen Ideen, skurrilen Begegnungen und leiser Romantik. Eine prickelnde Mischung aus Sagen der Antike und Urban Romantasy, welche zwar kurzzeitig ins Klischeehafte abrutscht, dennoch Lust auf mehr macht!

Veröffentlicht am 07.04.2019

Eine prickelnde Mischung aus Sagen der Antike und Urban Romantasy

Gold und Schatten
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Nicht nur das wunderschöne Cover und der spannend klingende Klapptext konnten mich sofort überzeugen, diesen Dilogie-Auftakt zu bestellen sondern auch das Thema. Spätestens seit Rick Riordan liebe ich ...

Nicht nur das wunderschöne Cover und der spannend klingende Klapptext konnten mich sofort überzeugen, diesen Dilogie-Auftakt zu bestellen sondern auch das Thema. Spätestens seit Rick Riordan liebe ich Geschichten über griechische Mythologie über alles und auch Kira Licht hat es meisterhaft geschafft, die vielseitige, spannende Grundlage auf neue Art in Szene zu setzen und in einer rasanten, humorvollen, spritzigen Geschichte zu verarbeiten.


“Pflanzen sprechen zu mir. Und was sagen sie dir? Prophezeien sie den Weltuntergang? […] Nein, die meisten beschweren sich über irgendwas. Der Rest will, dass ich sie gieße."


Schon die Gestaltung ist einfach traumhaft und bringt mich als absoluten Cover-Kritiker immer wieder zum Schwärmen. Nicht nur dass die Glanzoptik der goldenen Lichtpunkte einen wundervollen Kontrapunkt zu den marmorierten Schatten bieten und die ganze Gestaltung dynamisch machen - die starken Kontraste zwischen hellem, weichen Gold und dunklen, schwarzen Schatten passen auch wunderbar zum Thema. Der sanfte Anriss eines Mädchens mit blonden Haaren gibt nur eine zarte Idee von der Protagonistin Livia und nimmt nicht zu viel vorweg. Zusammen mit dem Titel, der durch einen gegensätzlichen Farbverlauf hervorgehoben wird und dem dunklen Lesebändchen wird das Buch zu einem Gesamtkunstwerk.


Erster Satz: "Wasser … bitte!"


Diese Bitte, mit der sich Livia ein paar Wochen nach ihrem Umzug von Seoul nach Paris auf offener Straße konfrontiert wird, scheint auf den ersten Blick nicht ungewöhnlich zu sein. Doch anstatt von einem der Obdachlosen zu kommen, stammt diese Bitte von einem kleinen, halbvertrockneten Löwenzahn zu ihren Füßen. Eigentlich sind für Livia als Diplomatentochter regelmäßige Umzüge nichts besonderes, doch als sie sich dieses Mal mit der Stadt vertraut macht, fallen ihr immer mehr Dinge auf, die sie an ihrem Verstand zweifeln lassen. Nicht nur das sie seit kurzem auf einmal die Pflanzen in ihrer Umgebung hören und mit ihnen kommunizieren kann, sie wird auch ständig von düsteren Prophezeiungen überrumpelt und sieht Dinge, die eigentlich nicht da sein können. Als sie dann auch noch auf den mysteriösen Maél trifft, beginnt sie Paris endgültig mit anderen Augen zu sehen und entdeckt eine Welt, von deren Existenz sie niemals etwas geahnt hätte: eine Welt der Götter, Halbgötter, magischen Kreaturen und des Schicksals - und sie ist ein Teil davon...


"Jetzt, als der rosarote Nebel sich hob und das Sinne verwirrende Adrenalin in meinem Blut verpuffte, wurde mir eiskalt. Ich zog Maéls Strickjacke enger um meinen Körper. Es war das Gefühl einer dunklen Vorahnung, einer schwarzen Flut, die auf mich zurollte. Ich fröstelte. Eine Flut, die mich einholen würde, egal wie schnell ich davonlief."


Wir steigen relativ ruhig in das Leben der 16jährigen Livia ein, die versucht, sich in ihrem neuen Zuhause zurecht zu finden. Sie besucht die internationale Schule, findet neue Freunde und macht sich mit der Stadt vertraut. Insgesamt ist sie also vor allem mit den ganz normalen Teenager-Problemen konfrontiert - strenge Eltern, "die Neue" sein, selbstständig werden... Als sie sich jedoch die berühmt-berüchtigten Katakomben ansehen will, trifft sie den geheimnisvollen Maél, der sie auf eine geheime Sonderführung durch die abgesperrten Teile der Unterwelt mitnimmt und zudem sie sich sofort hingezogen fühlt. Die Chemie zwischen den beiden stimmt unzweifelhaft, doch je näher sie sich kommen, desto seltsamer benimmt er sich und geht immer wieder auf Abstand. Erst als sie ihn vor ein Ultimatum stellt, rückt er mit der Wahrheit über sich heraus, die Livias Welt auf den Kopf stellt. Er ein Sohn des Unterweltgottes Hades, der seit mehreren Tausend Jahren versucht, die vergoldeten Teile seiner Schwester Agada zu finden und sie wieder aufzuwecken. Um die letzten Teile zu finden braucht er dringend eine Nymphe, die das verfluchte Gold anfassen kann. Was für ein Zufall: Livia ist genau eine der wenigen verbliebenen Wiesennymphen, die ihm bei dieser Aufgabe helfen kann. Da stellt sich nur die Frage: Ist sie nur ein Mittel zum Zweck in seinem jahrtausendalten Plan oder ist da mehr zwischen ihnen? Um mehr über die neue, verborgene Welt und ihre Rolle und Aufgabe als Nymphe herauszufinden, beschließt sie, ihm bei seiner Suche zu helfen und taucht dabei tief in die Welt der Götter ein.


"Eine gewisse Dunkelheit ist nötig, um die Sterne sehen zu können. (…) Für mich war Maél die Dunkelheit, derjenige, neben dem ich einen Blick auf eine komplett neue Welt gewonnen hatte. Ohne den ich vermutlich niemals meine Nymphenkräfte erkannt und genutzt hätte. Ohne den ich niemals nach den Sternen gegriffen hätte."


Die Idee, dass die Götter aus Langeweile ihren Hauptsitz alle paar Jahrhunderte von einer Großstadt zur nächsten verlegen und zur Zeit alle in Paris wohnen, hat mir sehr gut gefallen da wir diese sowieso magische Stadt in einem ganz besonderen Licht dargestellt bekommen. Zusammen mit Livia und Maél besuchen wir die berühmten Sehenswürdigkeiten der Stadt, schlendern durch die romantischen Parks und über die weitläufigen Plätze, sitzen in süßen Cafés und erkunden Museen, wir lernen jedoch auch die Katakomben näher kennen und machen Ausflüge in heruntergekommenere Distrikte der Stadt. So bekommen wir ein wundervoll facettenreiches Porträt der Stadt der Liebe, welches ein spannendes und funkelndes Setting für die Geschichte bildet.


"Die Unvernunft liegt mir im Blut. Das Risiko, das Wagnis und die Gefahr sind alte Freunde. Freunde, die mich zu sich rufen und locken - immerzu. Aber sie sind mein Untergang, und ich bin ein dummer Trottel, weil ich sie immer wieder zu mir einlade."


Dass wir nebenbei noch die Götter, Helden und Sagengestalten der griechischen Mythologie kennenlernen ist dabei natürlich auch ein nettes Plus. Wir treffen Götter wie den Strass-liebenden, immer gestressten Götterboten Hermes, welcher als Chef einer PR-Argentur neben seiner Aufgabe als Pate für verschiedene Halbgötter und als ewiger Streitschlichter zwischen den Göttern viel um die Ohren hat; lernen die wunderschöne aber tieftraurige Aphrodite in der Gestalt der Mode und Make-Up Designerin Adèle P. kennen, welche sich nach ihrer großen Liebe Adonis sehnt, der seit Jahren in der Unterwelt eingesperrt ist; erfahren mehr über den Gott der Schmiede, Hephaistos, welcher sich einen magischen Garten aus Metall geschmiedet hat, sich aber nach lebendigen Weggefährten sehnt und treffen natürlich der Gott der Unterwelt, Hades, höchst persönlich, welcher auf ambivalente Art und Weise den perfekten Antagonisten darstellt. Wichtige Sagengestalten wie Ödipus, Persephone und magische Wesen wie Höllenhunde, Satyrs, Syllektis-Riesenmotten und verzauberte Skelette dürfen natürlich auch nicht fehlen. So entsteigt dem romantischen Setting eine prickelnde Mischung aus Sagen der Antike und Urban Romantasy.


"Nein, ich darf nicht. Nein, mein Fluch bringt sie um. Aber sich liebe sie doch so sehr. Nein, ich liebe sie nicht, damit sie nicht stirbt. Absolut oskarverdächtige Geschichte, kleiner Rabe. Aber weißt du was?" Hades ließ die Hände sinken, sein Grinsen war diabolisch. "Für Monster gibt es kein Happy End. Und wir", er deutete auf sich und seine Söhne, "sind alle Monster."


Zum Leben erweckt wird diese wundersame Mischung aber erst durch Kira Lichts spritzigen, erfrischend humorvollen und lockeren Schreibstil. Sie zieht ihre Geschichte rasant auf und sorgt durch schlagfertige Dialoge, kreative Ideen, skurrile Begegnungen und leise Romantik dafür, dass es während der 544 Seiten niemals langweilig wird. Durch ihren einmaligen Humor, der mich ein wenig an Jennifer L. Armentrout in ihren besten Jahren erinnert hat, bringt sie immer wieder ein wenig Schwung in die Geschichte und hat mich ein ums andere Mal zum Lachen gebracht. Dabei scheint eine leise Ironie die Darstellung der mythologischen Welt zu durchziehen. So liegen die Eingänge des Tartaros in den Rutschen von McDonald´s Filialen, die drei Schicksalsgöttinnen tauchen als drei brummige Cateringsangestellte auf, Ödipus ist ein ungeschlagener Fernseh-Quiz-König und Hermes versucht sein Mündel zu verkuppelt während er mit seiner Handyarmada jongliert. Immer wenn ich sehe, dass eine bestimmte Mythologie der Ausgangspunkt einer Geschichte ist, mache ich mir Sorgen, dass sich die Geschichte zu sehr auf die historischen Vorlagen verlässt, andere Romane zu sehr nacheifert und dabei eine eigene Note vergisst. Das passiert der Autorin hier jedoch keineswegs und mit viel Einfallsreichtum und Kreativität wird ein ganz besonderes Lesegefühl hervorgerufen.


"Etwas mehr Optimismus, kleine Nymphe"
"Nenn mich nicht klein. Ich bin nicht klein."
"Stimmt." Er schob mich immer noch. "Du bist winzig."


Dass man zu Beginn recht langsam in die Geschichte einsteigt hat noch einen weiteren Vorteil: man hat genügend Zeit um die Protagonisten Livia und Maél kennenzulernen. Livia Estelle McKenzie ist eine wundervolle Protagonistin und mit ihrer selbstbewussten, schlagfertigen, zielstrebigen Art, ihrem skurrilen Kleidungsstil und ihrem kurvigen Körper definitiv nicht auswechselbar. Auch wenn es mir die meiste Zeit recht seltsam erschien, dass sie erst sechzehn Jahre alt sein sollte und sie sich manchmal etwas seltsam verhielt, ist sie mir sehr ans Herz gewachsen. Auch Maél, den ich schon im kostenlosen Prequel "Träume und Hoffnung" etwas kennenlernen durfte, mochte ich, auch wenn er mit seiner geheimnisvollen, düsteren Ausstrahlung definitiv dem Klischee eines typischen Book-Boyfriends entsprach. Gutaussehend, rätselhaft und Teil einer verborgenen, magischen Welt - das ist definitiv kein neues Konzept. Besser hätten mir beide definitiv gefallen, wenn Kira Licht auf die typischen YA-Klischees verzichtet hätte. Ich frage mich wirklich warum es immer notwendig ist, dass die Protagonistin teilweise zum naiven, verliebten Mädchen mutiert, während der männliche Love-Interest sich in seiner Bad-Boy Dunkelheit suhlt. Wer mir da definitiv über diese nervende Phase hinweggeholfen hat ist die kleine Evangéline. Die flauschige Riesenmotte bekommt von mir definitiv das Prädikat Buchhaustier des Jahres!


"Geht klar, Partner." (…) Partner. Was für ein blödes Wort. Ich lächelte knapp. Wir waren alles. Lügner, Verzweifelte, Verliebte, Eifersüchtige, Besitzergreifende und Zögernde. Nur Partner, eine reine Zweckgemeinschaft, waren wir garantiert nicht."


Am Ende folgt ein spannender Showdown, der einige Überraschungen und Wendungen bereit hält und in einem miesen Cliffhanger gipfelt. Damit ist natürlich klar, dass diese Geschichte noch lange nicht zu Ende erzählt wurde und noch viele spannende Leseabenteuer auf uns warten. Ich freue mich auf jeden Fall sehr auf den nächsten Teil!


"Pass auf dich auf, Livia. Wenn man zu lange in den Abgrund blickt, blickt der Abgrund irgendwann zurück."


Fazit:


Eine rasante, humorvolle, spritzige Geschichte mit vielseitigem Setting, schlagfertigen Dialogen, kreativen Ideen, skurrilen Begegnungen und leiser Romantik. Eine prickelnde Mischung aus Sagen der Antike und Urban Romantasy, welche zwar kurzzeitig ins Klischeehafte abrutscht, dennoch Lust auf mehr macht!

Veröffentlicht am 05.04.2019

Ein schmackhaftes Abenteuer für Zwischendurch!

Rayne - Die Macht der Schatten
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Ich habe zurzeit seltsamerweise verstärkt Lust auf High-Fantasy-Romane, weshalb ich sofort zugegriffen habe, als "Rayne - Die Macht der Schatten" von Rachel Crane, dem Pseudonym der deutschen Autorin Brigitte ...

Ich habe zurzeit seltsamerweise verstärkt Lust auf High-Fantasy-Romane, weshalb ich sofort zugegriffen habe, als "Rayne - Die Macht der Schatten" von Rachel Crane, dem Pseudonym der deutschen Autorin Brigitte Melzer, erschien. Dass diese Geschichte gar kein Einzelband ist, sondern eine Fortsetzung zu "Elathar - Das Herz der Magie" und sich auf die Tochter der Protagonisten aus Band 1 bezieht, habe ich dann erst bemerkt, als ich das Buch aufschlug und diese Information auf der ersten Seite abgedruckt fand. Natürlich habe ich mich zuerst ein wenig aufgeregt, dann beim Lesen aber bemerkt, dass Kenntnisse zur Vorgeschichte nicht unbedingt notwendig sind, um diese Geschichte verfolgen zu können. Es wird viel der Vergangenheit einfach noch einmal erzählt und Rayne darf ein eigenständiges Abenteuer erleben, weshalb man dieses Buch definitiv als Einzelroman lesen kann. Da mir diese Geschichte im Endeffekt sehr gut gefallen hat, werde ich wahrscheinlich irgendwann noch zur Vorgeschichte greifen.

Doch beginnen wir wie immer mit dem Cover: Auch wenn ich es - wie schon so oft erwähnt - eigentlich nicht besonders mag, wenn Models abgedruckt werden, hat mich dieses Motiv sehr angesprochen. Durch das Kleid und den wehenden Umhang der jungen Frau wird der historische Touch des Settings hervorgehoben, während die roten Blätter, das sanfte Leuchten des Hintergrundes und der verschnörkelte Titel der Gestaltung einen magischen Hauch verleihen. Da die Protagonisten im Laufe der Handlung viel in Tharennia herumkommen, hat der Verlag eine Karte des Königreichs angefügt. Leider aber ganz am Ende des Romans, wo sie jeder durchschnittliche Leser wohl eher nicht vermuten würde - so auch ich nicht. Im Nachhinein habe ich im Impressum zu Beginn einen winzigen Verweis auf die Karte gefunden, doch leider habe ich das vor dem Lesen nicht bemerkt - ganz ehrlich wer liest schon das Impressum? - und musste mich ohne grafische Hilfestellung auf die Reise durch Tharennia begeben. Natürlich ist das auch ein wenig meiner Schusseligkeit zuzuschreiben, aber vielleicht könnte man den Verweis in zukünftigen Büchern größer machen oder die Karte einfach an den Anfang stellen.

Erste Sätze: "Wenn ich dich erwische, wirst du das fressen. jeden einzelnen Krümel!"

Nach einem vorangestellten Blick in die Vergangenheit und einem erklärenden Prolog steigen wir dann in das Leben der jungen Prinzessin Rayne Fjal'Har ein, welche in einer Welt lebt, die nur dank des beherzten Eingriffs ihrer Eltern vor einigen Jahren (siehe "Elathar - Das Herz der Magie") ihr Kriegsbeil mit der Magie begraben hat und beginnt, den Zauberern unter ihnen zu vertrauen anstatt sie zu verfolgen. Als jedoch eine neue Macht mit dunkler Magie das Königreich unsicher macht, brechen die alten Wunden des Misstrauens wieder auf. Auch Raynes Mutter fällt den Schatten zum Opfer und als Rayne ebenfalls in das Visier der dunklen Kreaturen gerät, dämmert ihr, dass die Schatten nicht aus reiner Mordlust Leichenberge zurücklassen, sondern sich gezielt auf der Suche nach etwas befinden, was seit Jahren verborgen wurde: die Essenz der Magie, die Rissa Fjal'Har in sich aufnahm um die Welt zu retten und die die Schatten jetzt bei Rayne vermuten. Nur mit einem verstoßenen und stigmatisierten Verräter gelingt ihr die Flucht vor den Häschern der neu erwachten Dunkelheit und es beginnt eine Hetzjagd durch ganz Tharennia, während dieser sich Rayne fragen muss, wem sie überhaupt vertrauen kann, was in der Vergangenheit wirklich geschehen ist und vor allem: ob sie die unendliche Macht wirklich in sich trägt, nach der die Schatten suchen...


"Ein strahlend weißes Licht breitete sich im Saal aus und erfüllte ihn bis in den letzten Winkel. Geblendet blinzelnd hob Skandar den Kopf, auf der Suche nach seinem Ursprung. Um ihn herum waren die Kämpfe zum Erliegen gekommen. Schatten wie Menschen hatten innegehalten und starrten auf die Quelle des Leuchtens. Rayne stand jetzt unmittelbar vor Darathor, gehüllt in eine Kugel aus Licht. Nein, erkannte Skandar. Sie war das Licht. Ein strahlend helles Wesen. Ätherisch und nicht von dieser Welt. Eine Göttin."


Mit einem relativ rasanten Beginn, der schon viele Informationen, Action und Hintergrundwissen beinhaltet, werden wir im Schnelldurchlauf in eine typische High-Fantasy-Welt eingeführt, die wie eine romantisierte Variante des Mittelalters erscheint. Die Einwohner Tharennias wohnen in einfachen Städten, Dörfern, ihre Könige und Fürsten in Burgen; sie tragen einfache Lederwämser, Leinenhemden und Umhänge; sie ernähren sich von Brot und Eintopf; sie kämpfen mit Dolchen und Schwertern; sie reiten auf Pferden und fahren in Kutschen; sie bestellen Felder, handeln und erzählen Geschichten, wie es jedes andere, normale Volk eben tut. Was viele der Menschen jedoch nicht wissen, ist, dass ihr Land eine lange, magische Vergangenheit hat und eine große Menge Wissen aber auch einige dunkle Gefahren dieser alten Ära noch verborgen unter ihnen weilen und vor allem: dass in vielen ihrer Legenden und Mythen ein wahrer Kern steckt. So auch in der eines Tyrannen, der der Legende nach unter einem Bergmassiv zusammen mit seinen dunklen Priestern verschüttet wurde. Denn diesen Tyrannen gibt es wirklich und er ist kein Geringerer als ein dunkler Gott, dessen Macht wieder erwachen wird, sobald ein verfluchter Schweifstern am Himmel auftaucht...


"Die wenigen Momente der Nähe, die Augenblicke, in denen er sich vorstellen konnte, dass mehr zwischen ihnen sein könnte, waren nichts anderes als schöne Tagträume. Träume, die niemals wahr werden würden und deshalb auch nicht die Gefahr bargen, Rayne zu enttäuschen oder gar zu verlieren. Wie könnte ich etwas verlieren, das ich nie besessen habe?"


Diese mythische Grundidee hinter der Geschichte und auch der gleichermaßen gewohnte wie auch in kleinen Details geheimnisvolle Weltenaufbau haben mir als Basis der Geschichte sehr zugesagt. So hat der rasante Beginn in Zusammenhang mit den immer komplexer werdenden Handlungssträngen durch Perspektivwechsel seine Funktion erfüllt und das Buch versprach ein Pageturner zu werden.
Leider konnte ich mich mit der Szenengestaltung der Autorin absolut nicht anfreunden und es erschien mir, als erzähle sie an der Handlung vorbei. Anstatt Szenen und Situationen in erlebter Rede zu erzählen, greift sie während der Reise durch das Land in einem Großteil der Zeit auf eine passive Erzählweise zurück, die die heftigen Zeit- und Ortssprünge überspielen soll und in rascher, rückblickender Zusammenfassung wiedergibt, was Rayne und Skandar auf ihrer Reise sehen, wem sie begegnen und was sich Rayne dabei denkt. Das hatte bei mir zur Folge, dass diese Seiten des Mittelteils einfach an mir vorbeizogen und man sich nie als wirklicher Teil der Handlung fühlt. Die einzigen wirklichen Szenen, die zwischendurch aktiv erzählt und somit erlebbar gemacht werden, sind kurze Dialoge zwischen den beiden Reisenden oder Begegnungen mit anderen Leuten. Leider werden auch diese oft spannenden Dialoge häufig mittendrin abgebrochen und im nächsten Satz befindet man sich schon in einem anderen Fürstentum zwei Wochen später. Das hat bei mir dafür gesorgt, dass die Handlung während des eigentlich nicht uninteressanten Mittelteils an mir vorbeiplätscherte und mich nicht besonders mitreißen konnte. Ihr sonstiger Stil hat mir wiederum sehr zugesagt.

"Du willst dein Herz schützen, das kann ich verstehen. Aber was ist mit meinem?" Sie hatte ihm ihr Herz zu Füßen gelegt. Jetzt konnte sie nur noch abwarten, ob er es zertreten oder annehmen würde."

Auch die süße Liebesgeschichte, die sich als leiser Prozess zwischen den Zeilen entwickelte, drang durch diese Erzählweise nicht wirklich zu mir durch und so erschien es mir doch sehr aus der Luft gegriffen und ein wenig überhastet als die Protagonisten sich plötzlich ihre unsterbliche Liebe gestanden. Gegen Ende der Geschichte, vor allem als weitere Erzählperspektiven wie die von Raynes Verlobten Eyron oder die ihres Bruders Darragh hinzukamen, nahm die Handlung wieder an Fahrt auf und in einem spektakulären Showdown werden alle Handlungsstränge zusammengeführt. Das wirkliche Ende ist dass recht offen gehalten und hat mir insgesamt sehr gut gefallen.

Womit ich auch ein wenig Probleme hatte, sind die Namen, die mit den vielen "as", "rs" und "hs" für mich persönlich schlecht zu merken waren. Vor allem mit "Skandar Khardal" und "Darragh Fjal'Har" hatte ich Merkprobleme. Etwas seltsam fand ich auch, dass zwar Raynes ältester Bruder Darragh aber nicht ihr Zwillingsbruder Taeril in der Geschichte vorkommt. Es wird zwar zu Beginn mal seine Existenz erwähnt aber im Verlauf der Handlung bleibt er vollkommen irrelevant und Rayne verschwendet keinen weiteren Gedanken an ihn. Das finde ich och ein wenig fragwürdig. Ansonsten konnte ich mich jedoch recht gut mit den Protagonisten anfreunden.
Rayne entspricht natürlich gar nicht dem Klischee einer Prinzessin mit ihrer mutigen, selbstlosen, bodenständigen Art. Sie ist zum Leidwesen von Skandar, ihrer Reisebegleitung, sehr stur, was sie überzeugt "beharrlich" nennt, zeigt aber immer wieder mitfühlende Seiten, steht für das ein, an das sie glaubt und kann sich definitiv selber helfen. Mit diesen angenehmen Charaktereigenschaften ist sie eigentlich die perfekte Vorzeigeheldin eines Fantasyromans und sticht für mich nicht besonders aus der Masse an Fantasy-Protagonistinnen hervor. Ihre geheimnisvolle Reisebegleitung war da schon spannender!

"Den Rest des Tages überlegte er sich immer neue Gründe, aus denen der Tyrann zu dem geworden war, vor dem sich alle fürchteten. Jede neue Idee war aberwitziger als die davor, und ganz allmählich begann Rayne, den Nordländer mit anderen Augen zu sehen. Er war nicht länger der Wilde aus dem Thronsaal ihres Vaters und auch nicht mehr der bedrohliche Krieger, von dem sie angenommen hatte, er wollte sie entführen. Sie sah nicht einmal mehr den Mann in ihm, der seinen eigenen Bruder ermordet hatte. Durch die Geschichten, die er spann, und den Humor, den er dabei zeigte, wurde er in ihren Augen zu einer eigenständigen Persönlichkeit, losgelöst von allen Vorurteilen, die sie bisher gehegt haben mochte."


Skandar Khardal ist der Bruder von Raynes Verlobtem Eyron und seit Jahren verbannt und geächtet da er als Kind seinen ältesten Bruder kaltblütig im Schlaf ermordete. Kein Wunder dass das ganze Königreich ihm mit Vorurteilen, Hass und Abscheu begegnet. Doch Rayne und der gutmütige Leser merken schnell, dass Skandar trotz seiner dunklen Vergangenheit kein kaltblütiger Mörder ist und dass es bei den Geschehnissen noch ein unbekannter Faktor gibt, der seine Tat relativieren wird. Mit seiner Narbe, der dunklen Vergangenheit und seiner rätselhaften Stimmungsschwankungen zeigt er Anklänge an den stereotypischen Jugendbuch-Bad-Boy, die Art und Weise wie hier der Umgang mit Vorurteilen beschrieben wird, macht diesen Eindruck jedoch wieder wett.


"Es ist doch kein Zeichen von Schwäche, um Hilfe zu bitten!"
"Was ist es dann?"
"Eines von Klugheit."



Fazit:


Ein rasanter und kunterbunter High-Fantasy-Roman über Dunkelheit und Licht, mächtige Magie und kleine Gesten, Vorurteile und Wahrheit, Vergangenheit und Zukunft und Mythen und Legenden mit wahrem Kern. Grundidee, Weltenaufbau, Protagonisten und Ende konnten mich überzeugen, einzig mit der Szenengestaltung des Mittelteils hatte ich so meine Probleme.
Ein schmackhaftes Abenteuer für Zwischendurch!

Veröffentlicht am 05.04.2019

Ein schmackhaftes Fantasy-Abenteuer für Zwischendurch!

Rayne - Die Macht der Schatten
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Ich habe zurzeit seltsamerweise verstärkt Lust auf High-Fantasy-Romane, weshalb ich sofort zugegriffen habe, als "Rayne - Die Macht der Schatten" von Rachel Crane, dem Pseudonym der deutschen Autorin Brigitte ...

Ich habe zurzeit seltsamerweise verstärkt Lust auf High-Fantasy-Romane, weshalb ich sofort zugegriffen habe, als "Rayne - Die Macht der Schatten" von Rachel Crane, dem Pseudonym der deutschen Autorin Brigitte Melzer, erschien. Dass diese Geschichte gar kein Einzelband ist, sondern eine Fortsetzung zu "Elathar - Das Herz der Magie" und sich auf die Tochter der Protagonisten aus Band 1 bezieht, habe ich dann erst bemerkt, als ich das Buch aufschlug und diese Information auf der ersten Seite abgedruckt fand. Natürlich habe ich mich zuerst ein wenig aufgeregt, dann beim Lesen aber bemerkt, dass Kenntnisse zur Vorgeschichte nicht unbedingt notwendig sind, um diese Geschichte verfolgen zu können. Es wird viel der Vergangenheit einfach noch einmal erzählt und Rayne darf ein eigenständiges Abenteuer erleben, weshalb man dieses Buch definitiv als Einzelroman lesen kann. Da mir diese Geschichte im Endeffekt sehr gut gefallen hat, werde ich wahrscheinlich irgendwann noch zur Vorgeschichte greifen.

Doch beginnen wir wie immer mit dem Cover: Auch wenn ich es - wie schon so oft erwähnt - eigentlich nicht besonders mag, wenn Models abgedruckt werden, hat mich dieses Motiv sehr angesprochen. Durch das Kleid und den wehenden Umhang der jungen Frau wird der historische Touch des Settings hervorgehoben, während die roten Blätter, das sanfte Leuchten des Hintergrundes und der verschnörkelte Titel der Gestaltung einen magischen Hauch verleihen. Da die Protagonisten im Laufe der Handlung viel in Tharennia herumkommen, hat der Verlag eine Karte des Königreichs angefügt. Leider aber ganz am Ende des Romans, wo sie jeder durchschnittliche Leser wohl eher nicht vermuten würde - so auch ich nicht. Im Nachhinein habe ich im Impressum zu Beginn einen winzigen Verweis auf die Karte gefunden, doch leider habe ich das vor dem Lesen nicht bemerkt - ganz ehrlich wer liest schon das Impressum? - und musste mich ohne grafische Hilfestellung auf die Reise durch Tharennia begeben. Natürlich ist das auch ein wenig meiner Schusseligkeit zuzuschreiben, aber vielleicht könnte man den Verweis in zukünftigen Büchern größer machen oder die Karte einfach an den Anfang stellen.

Erste Sätze: "Wenn ich dich erwische, wirst du das fressen. jeden einzelnen Krümel!"

Nach einem vorangestellten Blick in die Vergangenheit und einem erklärenden Prolog steigen wir dann in das Leben der jungen Prinzessin Rayne Fjal'Har ein, welche in einer Welt lebt, die nur dank des beherzten Eingriffs ihrer Eltern vor einigen Jahren (siehe "Elathar - Das Herz der Magie") ihr Kriegsbeil mit der Magie begraben hat und beginnt, den Zauberern unter ihnen zu vertrauen anstatt sie zu verfolgen. Als jedoch eine neue Macht mit dunkler Magie das Königreich unsicher macht, brechen die alten Wunden des Misstrauens wieder auf. Auch Raynes Mutter fällt den Schatten zum Opfer und als Rayne ebenfalls in das Visier der dunklen Kreaturen gerät, dämmert ihr, dass die Schatten nicht aus reiner Mordlust Leichenberge zurücklassen, sondern sich gezielt auf der Suche nach etwas befinden, was seit Jahren verborgen wurde: die Essenz der Magie, die Rissa Fjal'Har in sich aufnahm um die Welt zu retten und die die Schatten jetzt bei Rayne vermuten. Nur mit einem verstoßenen und stigmatisierten Verräter gelingt ihr die Flucht vor den Häschern der neu erwachten Dunkelheit und es beginnt eine Hetzjagd durch ganz Tharennia, während dieser sich Rayne fragen muss, wem sie überhaupt vertrauen kann, was in der Vergangenheit wirklich geschehen ist und vor allem: ob sie die unendliche Macht wirklich in sich trägt, nach der die Schatten suchen...


"Ein strahlend weißes Licht breitete sich im Saal aus und erfüllte ihn bis in den letzten Winkel. Geblendet blinzelnd hob Skandar den Kopf, auf der Suche nach seinem Ursprung. Um ihn herum waren die Kämpfe zum Erliegen gekommen. Schatten wie Menschen hatten innegehalten und starrten auf die Quelle des Leuchtens. Rayne stand jetzt unmittelbar vor Darathor, gehüllt in eine Kugel aus Licht. Nein, erkannte Skandar. Sie war das Licht. Ein strahlend helles Wesen. Ätherisch und nicht von dieser Welt. Eine Göttin."


Mit einem relativ rasanten Beginn, der schon viele Informationen, Action und Hintergrundwissen beinhaltet, werden wir im Schnelldurchlauf in eine typische High-Fantasy-Welt eingeführt, die wie eine romantisierte Variante des Mittelalters erscheint. Die Einwohner Tharennias wohnen in einfachen Städten, Dörfern, ihre Könige und Fürsten in Burgen; sie tragen einfache Lederwämser, Leinenhemden und Umhänge; sie ernähren sich von Brot und Eintopf; sie kämpfen mit Dolchen und Schwertern; sie reiten auf Pferden und fahren in Kutschen; sie bestellen Felder, handeln und erzählen Geschichten, wie es jedes andere, normale Volk eben tut. Was viele der Menschen jedoch nicht wissen, ist, dass ihr Land eine lange, magische Vergangenheit hat und eine große Menge Wissen aber auch einige dunkle Gefahren dieser alten Ära noch verborgen unter ihnen weilen und vor allem: dass in vielen ihrer Legenden und Mythen ein wahrer Kern steckt. So auch in der eines Tyrannen, der der Legende nach unter einem Bergmassiv zusammen mit seinen dunklen Priestern verschüttet wurde. Denn diesen Tyrannen gibt es wirklich und er ist kein Geringerer als ein dunkler Gott, dessen Macht wieder erwachen wird, sobald ein verfluchter Schweifstern am Himmel auftaucht...


"Die wenigen Momente der Nähe, die Augenblicke, in denen er sich vorstellen konnte, dass mehr zwischen ihnen sein könnte, waren nichts anderes als schöne Tagträume. Träume, die niemals wahr werden würden und deshalb auch nicht die Gefahr bargen, Rayne zu enttäuschen oder gar zu verlieren. Wie könnte ich etwas verlieren, das ich nie besessen habe?"


Diese mythische Grundidee hinter der Geschichte und auch der gleichermaßen gewohnte wie auch in kleinen Details geheimnisvolle Weltenaufbau haben mir als Basis der Geschichte sehr zugesagt. So hat der rasante Beginn in Zusammenhang mit den immer komplexer werdenden Handlungssträngen durch Perspektivwechsel seine Funktion erfüllt und das Buch versprach ein Pageturner zu werden.
Leider konnte ich mich mit der Szenengestaltung der Autorin absolut nicht anfreunden und es erschien mir, als erzähle sie an der Handlung vorbei. Anstatt Szenen und Situationen in erlebter Rede zu erzählen, greift sie während der Reise durch das Land in einem Großteil der Zeit auf eine passive Erzählweise zurück, die die heftigen Zeit- und Ortssprünge überspielen soll und in rascher, rückblickender Zusammenfassung wiedergibt, was Rayne und Skandar auf ihrer Reise sehen, wem sie begegnen und was sich Rayne dabei denkt. Das hatte bei mir zur Folge, dass diese Seiten des Mittelteils einfach an mir vorbeizogen und man sich nie als wirklicher Teil der Handlung fühlt. Die einzigen wirklichen Szenen, die zwischendurch aktiv erzählt und somit erlebbar gemacht werden, sind kurze Dialoge zwischen den beiden Reisenden oder Begegnungen mit anderen Leuten. Leider werden auch diese oft spannenden Dialoge häufig mittendrin abgebrochen und im nächsten Satz befindet man sich schon in einem anderen Fürstentum zwei Wochen später. Das hat bei mir dafür gesorgt, dass die Handlung während des eigentlich nicht uninteressanten Mittelteils an mir vorbeiplätscherte und mich nicht besonders mitreißen konnte. Ihr sonstiger Stil hat mir wiederum sehr zugesagt.

"Du willst dein Herz schützen, das kann ich verstehen. Aber was ist mit meinem?" Sie hatte ihm ihr Herz zu Füßen gelegt. Jetzt konnte sie nur noch abwarten, ob er es zertreten oder annehmen würde."

Auch die süße Liebesgeschichte, die sich als leiser Prozess zwischen den Zeilen entwickelte, drang durch diese Erzählweise nicht wirklich zu mir durch und so erschien es mir doch sehr aus der Luft gegriffen und ein wenig überhastet als die Protagonisten sich plötzlich ihre unsterbliche Liebe gestanden. Gegen Ende der Geschichte, vor allem als weitere Erzählperspektiven wie die von Raynes Verlobten Eyron oder die ihres Bruders Darragh hinzukamen, nahm die Handlung wieder an Fahrt auf und in einem spektakulären Showdown werden alle Handlungsstränge zusammengeführt. Das wirkliche Ende ist dass recht offen gehalten und hat mir insgesamt sehr gut gefallen.

Womit ich auch ein wenig Probleme hatte, sind die Namen, die mit den vielen "as", "rs" und "hs" für mich persönlich schlecht zu merken waren. Vor allem mit "Skandar Khardal" und "Darragh Fjal'Har" hatte ich Merkprobleme. Etwas seltsam fand ich auch, dass zwar Raynes ältester Bruder Darragh aber nicht ihr Zwillingsbruder Taeril in der Geschichte vorkommt. Es wird zwar zu Beginn mal seine Existenz erwähnt aber im Verlauf der Handlung bleibt er vollkommen irrelevant und Rayne verschwendet keinen weiteren Gedanken an ihn. Das finde ich och ein wenig fragwürdig. Ansonsten konnte ich mich jedoch recht gut mit den Protagonisten anfreunden.
Rayne entspricht natürlich gar nicht dem Klischee einer Prinzessin mit ihrer mutigen, selbstlosen, bodenständigen Art. Sie ist zum Leidwesen von Skandar, ihrer Reisebegleitung, sehr stur, was sie überzeugt "beharrlich" nennt, zeigt aber immer wieder mitfühlende Seiten, steht für das ein, an das sie glaubt und kann sich definitiv selber helfen. Mit diesen angenehmen Charaktereigenschaften ist sie eigentlich die perfekte Vorzeigeheldin eines Fantasyromans und sticht für mich nicht besonders aus der Masse an Fantasy-Protagonistinnen hervor. Ihre geheimnisvolle Reisebegleitung war da schon spannender!

"Den Rest des Tages überlegte er sich immer neue Gründe, aus denen der Tyrann zu dem geworden war, vor dem sich alle fürchteten. Jede neue Idee war aberwitziger als die davor, und ganz allmählich begann Rayne, den Nordländer mit anderen Augen zu sehen. Er war nicht länger der Wilde aus dem Thronsaal ihres Vaters und auch nicht mehr der bedrohliche Krieger, von dem sie angenommen hatte, er wollte sie entführen. Sie sah nicht einmal mehr den Mann in ihm, der seinen eigenen Bruder ermordet hatte. Durch die Geschichten, die er spann, und den Humor, den er dabei zeigte, wurde er in ihren Augen zu einer eigenständigen Persönlichkeit, losgelöst von allen Vorurteilen, die sie bisher gehegt haben mochte."


Skandar Khardal ist der Bruder von Raynes Verlobtem Eyron und seit Jahren verbannt und geächtet da er als Kind seinen ältesten Bruder kaltblütig im Schlaf ermordete. Kein Wunder dass das ganze Königreich ihm mit Vorurteilen, Hass und Abscheu begegnet. Doch Rayne und der gutmütige Leser merken schnell, dass Skandar trotz seiner dunklen Vergangenheit kein kaltblütiger Mörder ist und dass es bei den Geschehnissen noch ein unbekannter Faktor gibt, der seine Tat relativieren wird. Mit seiner Narbe, der dunklen Vergangenheit und seiner rätselhaften Stimmungsschwankungen zeigt er Anklänge an den stereotypischen Jugendbuch-Bad-Boy, die Art und Weise wie hier der Umgang mit Vorurteilen beschrieben wird, macht diesen Eindruck jedoch wieder wett.


"Es ist doch kein Zeichen von Schwäche, um Hilfe zu bitten!"
"Was ist es dann?"
"Eines von Klugheit."



Fazit:


Ein rasanter und kunterbunter High-Fantasy-Roman über Dunkelheit und Licht, mächtige Magie und kleine Gesten, Vorurteile und Wahrheit, Vergangenheit und Zukunft und Mythen und Legenden mit wahrem Kern. Grundidee, Weltenaufbau, Protagonisten und Ende konnten mich überzeugen, einzig mit der Szenengestaltung des Mittelteils hatte ich so meine Probleme.
Ein schmackhaftes Abenteuer für Zwischendurch!

Veröffentlicht am 29.03.2019

Ein rasanter Science-Thriller über Wachstum und Katerstrophe, Gier und Kooperation, Verlierer und Gewinner.

GIER - Wie weit würdest du gehen?
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Wenn Fiction zur Realität wird macht Marc Elsberg ein Bestseller daraus. So war es zumindest immer mit seinen Romanen wie zum Beispiel "Blackout", "Zero" oder "Helix". Auch hier hat der Autor wieder ein ...

Wenn Fiction zur Realität wird macht Marc Elsberg ein Bestseller daraus. So war es zumindest immer mit seinen Romanen wie zum Beispiel "Blackout", "Zero" oder "Helix". Auch hier hat der Autor wieder ein brandaktuelles Thema in einem rasanten Science-Thriller über Wachstum und Katerstrophe, Gier und Kooperation, Verlierer und Gewinner geschrieben. Zwar geht die Geschichte etwas in eine andere Richtung als ich das erwartet hätte aber dennoch konnte mich der Thriller überzeugen.

Das Cover ist in seiner Gestaltung recht aufgeregt mit dem aufgewühlten, schäumenden Meer im Hintergrund, das durch die weißen Gischteinsprengsel sehr dynamisch wirkt. Die roten Lettern des Titels stechen deutlich ins Auge und mit dem beladenen Containerschiff, welches das "I" bildet, ist sind die groben Grundthemen "Konsum", "Wirtschaft" und "Nachhaltigkeit" angerissen. Da sich die Handlung hier aber eher auf das Setting Berlin beschränkt und Mathematik und Wirtschaftstheorien in den Vordergrund treten, hätte ich mir aber doch ein etwas anderes Motiv gewünscht. Sehr passend sind jedoch die sieben Unterteilungen in Großkapitel, welche mit Symbolen und Zitaten verziert sind, welche an Stammbäume oder Baumdiagramme erinnern sowie die Zeichnungen und Diagramme, welche das Verständnis der dargestellten Theorien deutlich verbessern. Die Gestaltung wird dann durch das Lesebändchen in der passenden Farbe zum Titel noch abgerundet. Insgesamt also eine stimmige Gestaltung, die sich aber noch ein bisschen mehr auf das Thema hätte konzentrieren können.


Erste Sätze: "Die Straßen brannten. In dichten Schwaden zog Rauch über den Asphalt. Herabstürzenden Meteoren gleich, explodierten Molotowcocktails in Feuerbällen und schwarzem Qualm. Durch den Nebel jagten vereinzelt dunkle Gespenster, tauchten da unter und dort wieder auf. Aus dem Dunst wuchs eine dunkle Menschenfront. Köpfe, Schultern. Plakate, Transparente.
Stoppt die Gier! Wohnen: Ausspekuliert! Bedingungsloses Grundeinkommen! Ich kann mir keine Lobbyisten leisten! Friede jetzt! Tod dem Kapitalismus!"


Mit dieser chaotischen, apokalyptisch angehauchten Szene steigen wir nach einem kurzen Prolog in die Handlung ein. Als eine neue Wirtschaftsblase zu platzen droht, was Millionen von Arbeitsplätzen und Existenzen gefährden würde, gehen Tausende von Menschen auf der ganzen Welt auf die Straße, ihren Anteil am Wohlstand einzufordern. Auch in Berlin, wo sich auf einem Krisengipfel die Reichen und Mächtigen treffen um eine Lösung zu finden und aus der Krise Profit zu schlagen, sind große Gegendemonstrationen geplant. Mitten in dem Chaos in dem sich Straßenschlachten mit friedlichen Blockaden abwechseln befinden sich der Wirtschaftstheoretiker und Nobelpreisträger Herbert Thompsen und sein Assistent Will Cantor, die auf dem Gipfel eine Rede halten sollen. Als ihr Auto von der Straße abkommt, auf einen Baum knall und völlig ausbrennt geht die Polizei von einem Unfall und der Entzündung durch einen Molotow-Cocktail aus. Doch der junge Zeuge Jan Wutte hat da etwas ganz anders beobachtet. Da ihm die Polizei seine verrückte Geschichte von Männern in grauen Anzügen nicht abkauft und schließlich sogar ihn selbst verdächtig, verschwindet er von der Unfallstelle und beschließt, die Ermittlung selber in die Hand zu nehmen. So kommt es, dass er zusammen mit dem Profispieler Fitzroy Peel und einigen gut organisierten Demonstranten hinter eine gefährliche Verschwörung kommt: die Rede der beiden scheint eine mathematische Formel zu enthalten, die die gesamte bisherige Wirtschaftstheorien auf den Kopf stellt und Wohlstand für alle garantieren könnte. Doch daran ist nicht allen gelegen - und es beginnt eine Verfolgungsjagd durch Berlin...


"Worum geht es denn jetzt?", wollte Jan ungeduldig wissen. "Um alles", sagte Jeanne mehr zu sich als zu ihnen. "Unser Menschenbild. Richtiges Entscheiden. Die Organisation unserer Gesellschaft. Sinnvolle Wohlstandsverteilung. Egoismus, Firmenmanagement, Konfliktlösung..."
"Wenn die beiden recht haben, erschüttert das unsere herrschenden Gesellschafts- und Wirtschaftskonzepte in ihren Grundfesten."


Da Marc Elsberg in typischer Weise die personale Erzählperspektive von Absatz zu Absatz zwischen den Protagonisten wechseln lässt, ist von Beginn an klar, dass Jan Wutte Recht hat und hinter dem Mord an Thompson und Cantor etwas Größeres steckt. Wer genau der Auftraggeber des Mordkommandos ist und was dessen Motive sind bleibt jedoch lange unklar und so widmen wir uns mit den Protagonisten der rätselhaften Jagd nach der Wahrheit. Dabei erschafft Elsberg diesmal kein globales Weltuntergangsszenario und zieht seine Handlungsstränge nicht über die ganze Welt sondern beschränkt sich auf den Schauort Berlin.

Dabei liest sich die Handlung um das Gerüst wie ein typischer Agenten-Actionfilm. Endlose Verfolgungsjagden, bewaffnete Agenten, brenzlige Straßenschießereien, geheimnisvolle Notizen, plötzliche Entführungen und eine große Verschwörung - auch wenn all diese Elemente weder besonders neu noch wirklich außergewöhnlich sind, bringen sie viel Tempo in die Geschichte und bilden einen Gegenpart zum eher theoretischen, verkopften Herz der Geschichte. An manchen Stellen übertreibt Elsberg vielleicht ein wenig wenn Jan und Fitzroy aus Hotelfenstern auf Dächer klettern, bei einer Gruppe Hausbesetzern Unterschlupf suchen, gegen Profikiller kämpfen und sich selbst in Hochsicherheitsgebiete einschleusen und es scheint als wäre der Autor aus Angst, viele Leser durch die vielen Theorien nicht abzuholen, über das Ziel hinausgeschossen.


"Über den neuen Nationalismus dürfen wir uns nicht wundern. Wenn man jahrzehntelang den Staat zurückdrängt, bleibt vom Nationalstaat nur mehr national. Das fliegt uns jetzt um die Ohren. National. International. (…) Ich habe eine wichtige Rede zu halten", sagte er. "Die das alles hier beenden kann." Er klopfte ihm auf die Schulter. "Wie sagte Churchill? "Wenn du durch die Hölle gehst, geh weiter". Also: Fahren Sie!"


Ein weiterer interessanter Aspekt mit dem der Autor die Geschichte auskleidet und ihr eine besondere Atmosphäre verleiht ist das düstere, chaotische, apokalyptisch anmutende Setting einer Stadt im Ausnahmezustand. Mit seinem Bild um eine politische Konferenz und Demonstrationen zu einer aufkeimenden neuen Wirtschafts- und Finanzkrise bildet er meiner Meinung nach die aktuellen Denkmuster der Gesellschaft gut ab und bleibt mit der Beschreibung einer Situation ähnlich derer in 2008 nahe genug an der Realität um uns die Gefahr deutlich zu machen. Obwohl durch das Setting, die Demonstranten und auch durch die negative Darstellung der Investmentbanker und Staatschefs immer wieder klare politische Kritik mitschwingt, bleiben die Themen Nachhaltigkeit, Wirtschaft und Politik dennoch mehr im Hintergrund als erwartet.

Im Zentrum der Geschichte liegt natürlich die neuartige Rechenart, die Cantor und Thompson auf dem Gipfel als Lösung präsentieren wollten und deren grobe Züge sich Fitzroy und Jan durch Notizen, Karteikarten und viel Hilfe erarbeiten. Durch die Erklärung der komplexen Mathematik mit einer Metapher und konkreten Beispielen, sind die Theorien durchaus laienkompatibel vermittelt, man sollte dennoch eine grundlegende Affinität zu Zahlen mitbringen, damit man nicht von den Zahlenspielen und Grundlagentheorien gelangweilt wird. Die gründlichen Recherchen und das viele Engagement das der Entwicklung der "Bauernfabel" und der erklärenden Zeichnungen zugrunde liegt, kann ich einfach nur bewundern und mir wurde sowohl die Brisanz als auch die Rechnung hinter der Formel verständlich erklärt.


"Wenn die Welt eine Fußballmannschaft arroganter Egoisten ist, wird diese Mannschaft - und damit jeder einzelne ihrer Spieler - auf Dauer gegen Klimawandel, Hunger, Armt, Gewalt und andere Gegner verlieren. Als Mannschaft aus Teamplayern dagegen wird sie langfristige Vorteile für alle schaffen."


Besonders spannend daran finde ich, dass die Theorie auf den wissenschaftlichen Arbeiten des London Mathematical Laboratory aufbauen und deshalb sowohl mathematisch fundiert als auch hochaktuell ist. Wer jetzt aber glaubt, dass mit dieser neuen Denkart alle Probleme unserer Gesellschaft gelöst werden können, ist auf der falschen Fährte. Vielmehr gibt die Geschichte den mathematischen Beweis für das, was den meisten Menschen ohnehin schon längst klar ist: Durch Kooperation und Teilen kann mehr Wachstum und somit mehr Wohlstand für alle erreicht werden als durch Wettbewerb. Das gibt einen Anreiz, ein wenig umzudenken und die Hoffnung, dass sich etwas ändern kann, wenn genügend Menschen verstehen, dass es so nicht weitergehen kann und auch nicht muss.


"Aus Egoismus sollte man zusammenarbeiten. Aus Gier sollte man teilen." (…) "Das sind keine Ideologien, keine vagen Ideen, keine gefühligen Wolkenkuckucksheim-Tanzereien, die keine ihrer Behauptungen belegen können", erklärte Fitz. "Das ist simple Mathematik, wie Sie sehen. Berechenbar. Vorhersagbar."



Was mich jedoch immer wieder aufs Neue an Elsbergs Thrillern stört sind zum Einen seine recht oberflächlich charakterisierten Protagonisten und zum anderen sein abgehackter Stil. Natürlich ist mir klar, dass man auf 448 Seiten und etlichen Perspektivenwechsel keine hochkomplexen, mehrdimensionalen Charakter-Kunstwerke erwarten kann. Dass man aber leider nur sehr wenig über Jan, Fitzroy, Maja und Jeanne erfährt, macht es mir schwerer, ihre Gefahr wirklich nachzuempfinden. Dennoch denke ich, dass der Autor mit einem unterbezahlten Krankenpfleger, einem britischen Profispieler aus gutem Hause, einer schönen, ehrgeizigen Karrierefrau, einer engagierten, starrköpfigen Polizistin, einem ganzen Set aus Profikillern, einigen kommunistischen Demonstranten und einer liebenswürdigen, bodenständigen Omi mal wieder einen spannenden Protagonisten-Mix geschaffen hat, der den Leser abwechslungsreich durch die Geschichte führt.
Mit seinen kurzen Sätzen und teilweise seltsamen Formulierungen zu Beginn wollte der Autor wohl für Tempo sorgen, brachte bei mir aber leider eher ein Stirnrunzeln hervor. Gegen Ende nach einem spannenden Showdown, einer mitreißenden Rede und mit einem offenen Ausblick bleibt somit ein recht gemischter Eindruck übrig, der insgesamt aber doch auf einen spannenden, gelungenen Thriller verweist.



Fazit:


Ein rasanter Science-Thriller über Wachstum und Katerstrophe, Gier und Kooperation, Verlierer und Gewinner. Zwar mit anderen thematischen Schwerpunkten und Handlungsrahmen aber dennoch intelligent, mitreißend, brisant und relevant!