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Veröffentlicht am 03.02.2019

Für Fans der Känguru-Werke definitiv ein Muss!

Die Känguru-Apokryphen
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Sie haben mein Leben verändert - "Die Känguru - Werke" von Kleinkünstler Marc-Dieter Kling. Wie ihr schon in meinem Einleitungssatz sehen könnt, wurde ich nachhaltig mit Insiderwitzen infiziert und bin ...

Sie haben mein Leben verändert - "Die Känguru - Werke" von Kleinkünstler Marc-Dieter Kling. Wie ihr schon in meinem Einleitungssatz sehen könnt, wurde ich nachhaltig mit Insiderwitzen infiziert und bin so abhängig von dieser Reihe geworden wie das Känguru von Schnapspralinen. Kein Wunder also, dass für mich nach den "Känguru - Chroniken", dem "Känguru - Manifest" und der "Känguru - Offenbarung" noch nicht Schluss sein konnte und ich mir auch die "Känguru-Apokryphen" zulegen musste. Für mich ist diese Zugabe jedoch nur ein nettes Nachwerk und keine wirkliche Fortsetzung, sodass mein Urteil wohl nach Marc-Uwes verhasstestem Satz ausfallen muss: "Viel Schönes dabei".

Anders als gewohnt ist hier kein roter Faden erkennbar und die Episoden sind fast zusammenhanglos aneinandergereiht. Das wurde vom Autor so angekündigt und bietet sich bei der Auswahl an Szenen, die zeitlich nicht immer genau den drei Teilen zuordenbar sind, zwar an, hat aber trotzdem den Gesamtwitz geschmälert. Auch sonst ist viel Bekanntes dabei und bei einigen Szenen fehlt der letzte Schliff, was manchmal klar macht, warum diese "Apokryphen" es nicht in die "Bibel" geschafft haben. Es gibt jedoch auch einige neue Ideen, die unser Bild der beiden Protagonisten bereichern und vervollständigen. So erfindet das Känguru zum Beispiel eine neue Form von Schnick-Schnack-Schnuck - der sogenannte "Open-Schnick" und wir erfahren endlich, warum Marc-Uwe Angst vor Handwerkern hat. Schade finde ist, dass wir keine Neuigkeiten zum "Schredder" und zum "Pinguin" erhalten und auch der gestörte Psychiater nicht mehr vorkommt, obwohl wir doch alle anderen Protagonisten wieder sehen.


"Man kann sich halt nicht sicher sein", sagt der Mann auf der Straße, "dass in einer Gruppe Flüchtlinge nicht auch Arschlöcher sind." "Stimmt wohl", sagt das Känguru, "aber immerhin kann man sich sicher sein, dass in einer Gruppe Rassisten nur Arschlöcher sind."


Ansonsten ist jedoch alles wie immer: Es gibt wieder poetische Gedichte, witzige Dialoge, abgefahrene Theorien und abstruse Begegnungen. Selbstverständlich nervt das Känguru den lieben Marc-Uwe auch hier wieder mit fiesen Wortverdrehungen, die man wirklich nicht mehr aus dem Kopf bekommt (Schankedön, Marc-Uwe!) während Marc-Uwe dem Känguru mit seinem Techniktourette und seiner Angewohnheit, Aussagen zu Liedzeilen zu vervollständigen auf den Nerven herum tanzt. Die Kapitel ergeben einen kunterbunten und abwechslungsreichen Querschnitt durch den Alltag einer ganz-normalen-total-verrückten Lebensgemeinschaft. Von Datenschutz über Rassismus zu nicht funktionierender Technik bis zu Bad-putzen, bizarren Geschäftsideen und neuen Unterhaltungstrends wird mit altbekannten Themen jongliert. Wir lernen Weisheiten über den "kategorischen Aperitif", "das jüngste Gedicht" und den "Marquis de Camembert" und treffen mit "Dings" alias "Diddi" alias Dietmar Köttge und dem total super hüpfenden Jesus sogar zwei neue Protagonisten. Dass es immer spannend und witzig bleibt wird durch viele erzähltechnische Elemente garantiert, die Kling wunderbar einwebt. So wechselt er kreativ die Erzählperspektivwechsel, variiert die Erzählzeit, lässt manchmal kurze Erinnerungslücken auftauchen und stellt falsch zugeordnete Zitate vornan.

Wir erhalten also nochmal einen humoristischen Einblick in das Alltagsleben der Beuteltier-Kleinkünstler-WG bevor sich der Autor endgültig von ihnen verabschiedet - einen Einblick, der wieder die Lachmuskeln strapaziert und mit unglaublicher Situationskomik, schwarzem Humor und einer knallharten und schonungslosen Sozial-, Politik- und Kapitalismuskritik begeistert.
Marc-Uwe enttarnt den Antrieb der Künstler und schafft eine weltbewegende Formel, die das Verständnis der Bedeutung eines jeden Kunstwerkes erleichtert ("Guckt mal, was ich kann"), schafft es einen Nazi-Schlägertrupp mit rhetorischen Mitteln auf den richtigen Weg zu bringen, prangert die moderne Sklavenhaltung in Form von Praktikanten an und gibt zu denken, dass das Prinzip "Vergleichen und Optimieren" wohl doch nicht so einfach funktioniert, wie uns das die Bertelsmann-Stiftung glauben machen will. Um die vielen Anspielungen und politische Spitzen verstehen zu können, sind also wieder Grundkenntnisse in den Bereichen Politik, Geschichte und Wirtschaft Voraussetzung. Wer mit der politischeren, abstrakteren Note der "Offenbarung" nichts anfangen konnte, kann sich hier aber wieder auf mehr Situationskomik freuen.


“Ja, wir könnten jetzt was gegen den Klimawandel tun, aber wenn wir dann in 50 Jahren feststellen würden, dass sich alle Wissenschaftler doch vertan haben und es gar keine Klimaerwärmung gibt, dann hätten wir völlig ohne Grund dafür gesorgt, dass man selbst in den Städten die Luft wieder atmen kann, dass die Flüsse nicht mehr giftig sind, dass Autos weder Krach machen noch stinken und dass wir nicht mehr abhängig sind von Diktatoren und deren Ölvorkommen. Da würden wir uns schön ärgern.”


Das Cover gefällt mir dieses Mal besonders gut und der Titel ist einfach perfekt passend. Dazu eine Aussage, die wohl das Känguru unterschreiben würde:
Ich habe gelesen, dass Schwedische Wissenschaftler herausgefunden haben, dass "Apokryphen" zwar von niemandem verstanden wird, es aber ein fetzigerer Titel ist als "Bonusmaterial".

Aufgrund der wieder episodenartigen Handlung und der in Szenenform geschriebenen Kapiteln, bietet es sich hier wirklich an, das Hörbuch zu hören. Gerade bei längeren Autofahrten oder bei banalen Tätigkeiten wie Wäscheaufhängen oder Abwaschen ist es eine willkommene Ablenkung, einige Szenen zu hören. Auch wenn ich eigentlich kein bekennender Fan von Hörbüchern bin und immer lieber die Print-Variante bevorzuge, habe ich es hier nicht bereut, die vorgelesene Version gewählt zu haben. Autor Marc-Uwe Kling liest hier selbst vor, live vor Publikum, weshalb immer mal wieder leise Lacher im Hintergrund zu hören sind, welche aber nicht stören. Im Gegensatz zu anderen Autoren merkt man Mark-Uwe an, dass er es gewohnt ist, Texte vorzutragen. Er liest die Rollen des Ich-Erzählers und des Kängurus mit leicht verstellten Stimmen, sodass man die nasale, laute, nerv tötende Stimme des Kängurus immer schön unterscheiden kann. Mit wohlüberlegten Pausen und Betonungen lenkt er das Geschehen in eine richtige Richtung und seine angenehme Stimme konnte mich wirklich mitreißen. Das Buch hingegen wartet mit schönen Zusatzmaterialien in besonderer Formatierung auf.

Also ist diese kleine Fortsetzung notwendig? "Notwendig" und "Nicht-notwendig" sind definitiv auch bürgerliche Kategorien also bewerte ich mal nach Känguru-Maßstab: diese Fortsetzung mag zwar umstritten sein und kann nicht mit seinen Vorgängern mithalten, ist aber definitiv "witzig" und hat somit eine Daseinsberechtigung. Wer das Känguru und den Kleinkünstler schon bald in neuem Format wiedersehen will, kann sich übrigens auf den neuen Film freuen, der Ende 2019 in die Kinos starten soll.


Fazit:


Ein letzter humoristischer Einblick in das Alltagsleben der Beuteltier-Kleinkünstler-WG bevor sich der Autor endgültig von ihnen verabschiedet - ein Einblick, der wieder die Lachmuskeln strapaziert und mit unglaublicher Situationskomik, schwarzem Humor und einer knallharten und schonungslosen Sozial-, Politik- und Kapitalismuskritik begeistert. Für Fans der Känguru-Werke definitiv ein Muss!


Übrigens: Dies war ein Anti-Terroranschlag des Asozialen Netzwerkes. Es grüßt freundlich die Ministerin für Influencing und Lasagne der Sektion Schwarzwald

Veröffentlicht am 03.02.2019

Für Fans der Känguru-Werke definitiv ein Muss!

Die Känguru-Apokryphen
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Sie haben mein Leben verändert - "Die Känguru - Werke" von Kleinkünstler Marc-Dieter Kling. Wie ihr schon in meinem Einleitungssatz sehen könnt, wurde ich nachhaltig mit Insiderwitzen infiziert und bin ...

Sie haben mein Leben verändert - "Die Känguru - Werke" von Kleinkünstler Marc-Dieter Kling. Wie ihr schon in meinem Einleitungssatz sehen könnt, wurde ich nachhaltig mit Insiderwitzen infiziert und bin so abhängig von dieser Reihe geworden wie das Känguru von Schnapspralinen. Kein Wunder also, dass für mich nach den "Känguru - Chroniken", dem "Känguru - Manifest" und der "Känguru - Offenbarung" noch nicht Schluss sein konnte und ich mir auch die "Känguru-Apokryphen" zulegen musste. Für mich ist diese Zugabe jedoch nur ein nettes Nachwerk und keine wirkliche Fortsetzung, sodass mein Urteil wohl nach Marc-Uwes verhasstestem Satz ausfallen muss: "Viel Schönes dabei".

Anders als gewohnt ist hier kein roter Faden erkennbar und die Episoden sind fast zusammenhanglos aneinandergereiht. Das wurde vom Autor so angekündigt und bietet sich bei der Auswahl an Szenen, die zeitlich nicht immer genau den drei Teilen zuordenbar sind, zwar an, hat aber trotzdem den Gesamtwitz geschmälert. Auch sonst ist viel Bekanntes dabei und bei einigen Szenen fehlt der letzte Schliff, was manchmal klar macht, warum diese "Apokryphen" es nicht in die "Bibel" geschafft haben. Es gibt jedoch auch einige neue Ideen, die unser Bild der beiden Protagonisten bereichern und vervollständigen. So erfindet das Känguru zum Beispiel eine neue Form von Schnick-Schnack-Schnuck - der sogenannte "Open-Schnick" und wir erfahren endlich, warum Marc-Uwe Angst vor Handwerkern hat. Schade finde ist, dass wir keine Neuigkeiten zum "Schredder" und zum "Pinguin" erhalten und auch der gestörte Psychiater nicht mehr vorkommt, obwohl wir doch alle anderen Protagonisten wieder sehen.


"Man kann sich halt nicht sicher sein", sagt der Mann auf der Straße, "dass in einer Gruppe Flüchtlinge nicht auch Arschlöcher sind." "Stimmt wohl", sagt das Känguru, "aber immerhin kann man sich sicher sein, dass in einer Gruppe Rassisten nur Arschlöcher sind."


Ansonsten ist jedoch alles wie immer: Es gibt wieder poetische Gedichte, witzige Dialoge, abgefahrene Theorien und abstruse Begegnungen. Selbstverständlich nervt das Känguru den lieben Marc-Uwe auch hier wieder mit fiesen Wortverdrehungen, die man wirklich nicht mehr aus dem Kopf bekommt (Schankedön, Marc-Uwe!) während Marc-Uwe dem Känguru mit seinem Techniktourette und seiner Angewohnheit, Aussagen zu Liedzeilen zu vervollständigen auf den Nerven herum tanzt. Die Kapitel ergeben einen kunterbunten und abwechslungsreichen Querschnitt durch den Alltag einer ganz-normalen-total-verrückten Lebensgemeinschaft. Von Datenschutz über Rassismus zu nicht funktionierender Technik bis zu Bad-putzen, bizarren Geschäftsideen und neuen Unterhaltungstrends wird mit altbekannten Themen jongliert. Wir lernen Weisheiten über den "kategorischen Aperitif", "das jüngste Gedicht" und den "Marquis de Camembert" und treffen mit "Dings" alias "Diddi" alias Dietmar Köttge und dem total super hüpfenden Jesus sogar zwei neue Protagonisten. Dass es immer spannend und witzig bleibt wird durch viele erzähltechnische Elemente garantiert, die Kling wunderbar einwebt. So wechselt er kreativ die Erzählperspektivwechsel, variiert die Erzählzeit, lässt manchmal kurze Erinnerungslücken auftauchen und stellt falsch zugeordnete Zitate vornan.

Wir erhalten also nochmal einen humoristischen Einblick in das Alltagsleben der Beuteltier-Kleinkünstler-WG bevor sich der Autor endgültig von ihnen verabschiedet - einen Einblick, der wieder die Lachmuskeln strapaziert und mit unglaublicher Situationskomik, schwarzem Humor und einer knallharten und schonungslosen Sozial-, Politik- und Kapitalismuskritik begeistert.
Marc-Uwe enttarnt den Antrieb der Künstler und schafft eine weltbewegende Formel, die das Verständnis der Bedeutung eines jeden Kunstwerkes erleichtert ("Guckt mal, was ich kann"), schafft es einen Nazi-Schlägertrupp mit rhetorischen Mitteln auf den richtigen Weg zu bringen, prangert die moderne Sklavenhaltung in Form von Praktikanten an und gibt zu denken, dass das Prinzip "Vergleichen und Optimieren" wohl doch nicht so einfach funktioniert, wie uns das die Bertelsmann-Stiftung glauben machen will. Um die vielen Anspielungen und politische Spitzen verstehen zu können, sind also wieder Grundkenntnisse in den Bereichen Politik, Geschichte und Wirtschaft Voraussetzung. Wer mit der politischeren, abstrakteren Note der "Offenbarung" nichts anfangen konnte, kann sich hier aber wieder auf mehr Situationskomik freuen.


“Ja, wir könnten jetzt was gegen den Klimawandel tun, aber wenn wir dann in 50 Jahren feststellen würden, dass sich alle Wissenschaftler doch vertan haben und es gar keine Klimaerwärmung gibt, dann hätten wir völlig ohne Grund dafür gesorgt, dass man selbst in den Städten die Luft wieder atmen kann, dass die Flüsse nicht mehr giftig sind, dass Autos weder Krach machen noch stinken und dass wir nicht mehr abhängig sind von Diktatoren und deren Ölvorkommen. Da würden wir uns schön ärgern.”


Das Cover gefällt mir dieses Mal besonders gut und der Titel ist einfach perfekt passend. Dazu eine Aussage, die wohl das Känguru unterschreiben würde:
Ich habe gelesen, dass Schwedische Wissenschaftler herausgefunden haben, dass "Apokryphen" zwar von niemandem verstanden wird, es aber ein fetzigerer Titel ist als "Bonusmaterial".

Aufgrund der wieder episodenartigen Handlung und der in Szenenform geschriebenen Kapiteln, bietet es sich hier wirklich an, das Hörbuch zu hören. Gerade bei längeren Autofahrten oder bei banalen Tätigkeiten wie Wäscheaufhängen oder Abwaschen ist es eine willkommene Ablenkung, einige Szenen zu hören. Auch wenn ich eigentlich kein bekennender Fan von Hörbüchern bin und immer lieber die Print-Variante bevorzuge, habe ich es hier nicht bereut, die vorgelesene Version gewählt zu haben. Autor Marc-Uwe Kling liest hier selbst vor, live vor Publikum, weshalb immer mal wieder leise Lacher im Hintergrund zu hören sind, welche aber nicht stören. Im Gegensatz zu anderen Autoren merkt man Mark-Uwe an, dass er es gewohnt ist, Texte vorzutragen. Er liest die Rollen des Ich-Erzählers und des Kängurus mit leicht verstellten Stimmen, sodass man die nasale, laute, nerv tötende Stimme des Kängurus immer schön unterscheiden kann. Mit wohlüberlegten Pausen und Betonungen lenkt er das Geschehen in eine richtige Richtung und seine angenehme Stimme konnte mich wirklich mitreißen. Das Buch hingegen wartet mit schönen Zusatzmaterialien in besonderer Formatierung auf.

Also ist diese kleine Fortsetzung notwendig? "Notwendig" und "Nicht-notwendig" sind definitiv auch bürgerliche Kategorien also bewerte ich mal nach Känguru-Maßstab: diese Fortsetzung mag zwar umstritten sein und kann nicht mit seinen Vorgängern mithalten, ist aber definitiv "witzig" und hat somit eine Daseinsberechtigung. Wer das Känguru und den Kleinkünstler schon bald in neuem Format wiedersehen will, kann sich übrigens auf den neuen Film freuen, der Ende 2019 in die Kinos starten soll.


Fazit:


Ein letzter humoristischer Einblick in das Alltagsleben der Beuteltier-Kleinkünstler-WG bevor sich der Autor endgültig von ihnen verabschiedet - ein Einblick, der wieder die Lachmuskeln strapaziert und mit unglaublicher Situationskomik, schwarzem Humor und einer knallharten und schonungslosen Sozial-, Politik- und Kapitalismuskritik begeistert. Für Fans der Känguru-Werke definitiv ein Muss!


Übrigens: Dies war ein Anti-Terroranschlag des Asozialen Netzwerkes. Es grüßt freundlich die Ministerin für Influencing und Lasagne der Sektion Schwarzwald

Veröffentlicht am 03.02.2019

Für Fans der Känguru-Werke definitiv ein Muss!

Die Känguru-Apokryphen (Die Känguru-Werke 4)
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Sie haben mein Leben verändert - "Die Känguru - Werke" von Kleinkünstler Marc-Dieter Kling. Wie ihr schon in meinem Einleitungssatz sehen könnt, wurde ich nachhaltig mit Insiderwitzen infiziert und bin ...

Sie haben mein Leben verändert - "Die Känguru - Werke" von Kleinkünstler Marc-Dieter Kling. Wie ihr schon in meinem Einleitungssatz sehen könnt, wurde ich nachhaltig mit Insiderwitzen infiziert und bin so abhängig von dieser Reihe geworden wie das Känguru von Schnapspralinen. Kein Wunder also, dass für mich nach den "Känguru - Chroniken", dem "Känguru - Manifest" und der "Känguru - Offenbarung" noch nicht Schluss sein konnte und ich mir auch die "Känguru-Apokryphen" zulegen musste. Für mich ist diese Zugabe jedoch nur ein nettes Nachwerk und keine wirkliche Fortsetzung, sodass mein Urteil wohl nach Marc-Uwes verhasstestem Satz ausfallen muss: "Viel Schönes dabei".

Anders als gewohnt ist hier kein roter Faden erkennbar und die Episoden sind fast zusammenhanglos aneinandergereiht. Das wurde vom Autor so angekündigt und bietet sich bei der Auswahl an Szenen, die zeitlich nicht immer genau den drei Teilen zuordenbar sind, zwar an, hat aber trotzdem den Gesamtwitz geschmälert. Auch sonst ist viel Bekanntes dabei und bei einigen Szenen fehlt der letzte Schliff, was manchmal klar macht, warum diese "Apokryphen" es nicht in die "Bibel" geschafft haben. Es gibt jedoch auch einige neue Ideen, die unser Bild der beiden Protagonisten bereichern und vervollständigen. So erfindet das Känguru zum Beispiel eine neue Form von Schnick-Schnack-Schnuck - der sogenannte "Open-Schnick" und wir erfahren endlich, warum Marc-Uwe Angst vor Handwerkern hat. Schade finde ist, dass wir keine Neuigkeiten zum "Schredder" und zum "Pinguin" erhalten und auch der gestörte Psychiater nicht mehr vorkommt, obwohl wir doch alle anderen Protagonisten wieder sehen.


"Man kann sich halt nicht sicher sein", sagt der Mann auf der Straße, "dass in einer Gruppe Flüchtlinge nicht auch Arschlöcher sind." "Stimmt wohl", sagt das Känguru, "aber immerhin kann man sich sicher sein, dass in einer Gruppe Rassisten nur Arschlöcher sind."


Ansonsten ist jedoch alles wie immer: Es gibt wieder poetische Gedichte, witzige Dialoge, abgefahrene Theorien und abstruse Begegnungen. Selbstverständlich nervt das Känguru den lieben Marc-Uwe auch hier wieder mit fiesen Wortverdrehungen, die man wirklich nicht mehr aus dem Kopf bekommt (Schankedön, Marc-Uwe!) während Marc-Uwe dem Känguru mit seinem Techniktourette und seiner Angewohnheit, Aussagen zu Liedzeilen zu vervollständigen auf den Nerven herum tanzt. Die Kapitel ergeben einen kunterbunten und abwechslungsreichen Querschnitt durch den Alltag einer ganz-normalen-total-verrückten Lebensgemeinschaft. Von Datenschutz über Rassismus zu nicht funktionierender Technik bis zu Bad-putzen, bizarren Geschäftsideen und neuen Unterhaltungstrends wird mit altbekannten Themen jongliert. Wir lernen Weisheiten über den "kategorischen Aperitif", "das jüngste Gedicht" und den "Marquis de Camembert" und treffen mit "Dings" alias "Diddi" alias Dietmar Köttge und dem total super hüpfenden Jesus sogar zwei neue Protagonisten. Dass es immer spannend und witzig bleibt wird durch viele erzähltechnische Elemente garantiert, die Kling wunderbar einwebt. So wechselt er kreativ die Erzählperspektivwechsel, variiert die Erzählzeit, lässt manchmal kurze Erinnerungslücken auftauchen und stellt falsch zugeordnete Zitate vornan.

Wir erhalten also nochmal einen humoristischen Einblick in das Alltagsleben der Beuteltier-Kleinkünstler-WG bevor sich der Autor endgültig von ihnen verabschiedet - einen Einblick, der wieder die Lachmuskeln strapaziert und mit unglaublicher Situationskomik, schwarzem Humor und einer knallharten und schonungslosen Sozial-, Politik- und Kapitalismuskritik begeistert.
Marc-Uwe enttarnt den Antrieb der Künstler und schafft eine weltbewegende Formel, die das Verständnis der Bedeutung eines jeden Kunstwerkes erleichtert ("Guckt mal, was ich kann"), schafft es einen Nazi-Schlägertrupp mit rhetorischen Mitteln auf den richtigen Weg zu bringen, prangert die moderne Sklavenhaltung in Form von Praktikanten an und gibt zu denken, dass das Prinzip "Vergleichen und Optimieren" wohl doch nicht so einfach funktioniert, wie uns das die Bertelsmann-Stiftung glauben machen will. Um die vielen Anspielungen und politische Spitzen verstehen zu können, sind also wieder Grundkenntnisse in den Bereichen Politik, Geschichte und Wirtschaft Voraussetzung. Wer mit der politischeren, abstrakteren Note der "Offenbarung" nichts anfangen konnte, kann sich hier aber wieder auf mehr Situationskomik freuen.


“Ja, wir könnten jetzt was gegen den Klimawandel tun, aber wenn wir dann in 50 Jahren feststellen würden, dass sich alle Wissenschaftler doch vertan haben und es gar keine Klimaerwärmung gibt, dann hätten wir völlig ohne Grund dafür gesorgt, dass man selbst in den Städten die Luft wieder atmen kann, dass die Flüsse nicht mehr giftig sind, dass Autos weder Krach machen noch stinken und dass wir nicht mehr abhängig sind von Diktatoren und deren Ölvorkommen. Da würden wir uns schön ärgern.”


Das Cover gefällt mir dieses Mal besonders gut und der Titel ist einfach perfekt passend. Dazu eine Aussage, die wohl das Känguru unterschreiben würde:
Ich habe gelesen, dass Schwedische Wissenschaftler herausgefunden haben, dass "Apokryphen" zwar von niemandem verstanden wird, es aber ein fetzigerer Titel ist als "Bonusmaterial".

Aufgrund der wieder episodenartigen Handlung und der in Szenenform geschriebenen Kapiteln, bietet es sich hier wirklich an, das Hörbuch zu hören. Gerade bei längeren Autofahrten oder bei banalen Tätigkeiten wie Wäscheaufhängen oder Abwaschen ist es eine willkommene Ablenkung, einige Szenen zu hören. Auch wenn ich eigentlich kein bekennender Fan von Hörbüchern bin und immer lieber die Print-Variante bevorzuge, habe ich es hier nicht bereut, die vorgelesene Version gewählt zu haben. Autor Marc-Uwe Kling liest hier selbst vor, live vor Publikum, weshalb immer mal wieder leise Lacher im Hintergrund zu hören sind, welche aber nicht stören. Im Gegensatz zu anderen Autoren merkt man Mark-Uwe an, dass er es gewohnt ist, Texte vorzutragen. Er liest die Rollen des Ich-Erzählers und des Kängurus mit leicht verstellten Stimmen, sodass man die nasale, laute, nerv tötende Stimme des Kängurus immer schön unterscheiden kann. Mit wohlüberlegten Pausen und Betonungen lenkt er das Geschehen in eine richtige Richtung und seine angenehme Stimme konnte mich wirklich mitreißen. Das Buch hingegen wartet mit schönen Zusatzmaterialien in besonderer Formatierung auf.

Also ist diese kleine Fortsetzung notwendig? "Notwendig" und "Nicht-notwendig" sind definitiv auch bürgerliche Kategorien also bewerte ich mal nach Känguru-Maßstab: diese Fortsetzung mag zwar umstritten sein und kann nicht mit seinen Vorgängern mithalten, ist aber definitiv "witzig" und hat somit eine Daseinsberechtigung. Wer das Känguru und den Kleinkünstler schon bald in neuem Format wiedersehen will, kann sich übrigens auf den neuen Film freuen, der Ende 2019 in die Kinos starten soll.


Fazit:


Ein letzter humoristischer Einblick in das Alltagsleben der Beuteltier-Kleinkünstler-WG bevor sich der Autor endgültig von ihnen verabschiedet - ein Einblick, der wieder die Lachmuskeln strapaziert und mit unglaublicher Situationskomik, schwarzem Humor und einer knallharten und schonungslosen Sozial-, Politik- und Kapitalismuskritik begeistert. Für Fans der Känguru-Werke definitiv ein Muss!


Übrigens: Dies war ein Anti-Terroranschlag des Asozialen Netzwerkes. Es grüßt freundlich die Ministerin für Influencing und Lasagne der Sektion Schwarzwald

Veröffentlicht am 02.02.2019

Eine absurde aber berührende Dramödie: Tiefschürfend, brutal ehrlich, kunterbunt und unkonventionell!

Die tausend Teile meines Herzens
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Fast jeder Freund des Genre Young Adult hat ihren Namen schon einmal gehört: Colleen Hoover, die mit ihrem unfassbaren Talent, krass emotionale, mega spannende und ultra poetische Stories in die Welt zu ...

Fast jeder Freund des Genre Young Adult hat ihren Namen schon einmal gehört: Colleen Hoover, die mit ihrem unfassbaren Talent, krass emotionale, mega spannende und ultra poetische Stories in die Welt zu setzen, zu meinen absoluten Lieblingsautoren gehört. Von ihr habe ich bis jetzt fast alles gelesen und geliebt, natürlich war es keine Frage, dass ich ihr auch ihren neusten auch unbedingt lesen wollte. Doch anders als ich erwartet habe, wartete hier keine leidenschaftliche Liebesgeschichte auf mich, sondern viel mehr eine absurde aber berührende Dramödie über eine verkorkste Familie, die Entwicklung einer verlorenen Protagonistin und ihr langsamer Heilungsprozess. Mal was anderes aber definitiv ein echter Hoover!


Auch das Cover ist wieder im typischen "Colleen Hoover meets dtv Verlag Style" gehalten. Das bedeutet weißer Hintergrund, dezentes Motiv, Titel in Lila unter dem großen Namen der Autorin. Ich denke, dass splitternde Herz passt ganz gut und auch so hat das Cover definitiv Wiedererkennungswert und passt zu ihren anderen Publikationen aber dennoch finde ich es viel weniger eindringlich und nicht so aussagekräftig wie das Original (siehe rechts). Auch in der Kategorie "Titel" verliert die deutsche Ausgabe leider um Längen. Während das Original kurz, knapp und eindringlich gleichzeitig einen häufig auftauchenden Wortwitz aufgreift und den Namen der Protagonistin enthält und somit auf mehreren Ebenen zu verstehen ist, scheint der deutsche wahllos, platt und lange nicht so passend. Hier hätte es sich definitiv gelohnt, am Originaltitel festzuhalten!


Sehr gut gefallen hat mir an der Gestaltung jedoch, dass immer wieder die in der Handlung vorkommenden Bilder, die Sagan für Merit zeichnet auch wirklich abgebildet sind. Ich finde es eine riesige Bereicherung, das Kunstwerk gleich selbst sehen zu können, sowie das bei "Love and Confess" auch der Fall war. Die sieben Bilder, die eigentlich Brandon Adams gezeichnet hat, sind allesamt wunderschön und total gestört - und passen damit wunderbar in diese Geschichte, die sich von diesen beiden extremen Adjektiven auch gut beschreiben lässt.

Erster Satz: "Ich besitze eine beeindruckende Sammlung von Pokalen, die ich alle nicht gewonnen habe.“


Merit Voss liebt alles, was seltsam ist: ihre Angewohnheit, fremde Pokale zu sammeln, dem zweieinhalbmetergroßen Jesus in ihrem Wohnzimmer neue Kostüme anzuziehen und … den Typen mit den seltsamen Tattoos, den sie in einem Antiquitätenladen trifft und der sie gleich bei der ersten Begegnung küsst. Doch obwohl ihre Familie das seltsamste an ihrem Leben ist, kann sie die absolut nicht leiden. Denn neben ihrem kleinen Halbbruder Moby, ihrer Zwillingsschwester Honor (die gerne Beziehungen mit todkranken Jungs anfängt) ihrem großen Bruder Utah (der einen geordneten Tagesablauf über alles stellt und jeden Tag die Leuchttafel vor ihrem Haus mit einer neuen Weisheit bestückt) und ihrem Vater, dem Gebrauchtwagenhändler Barnaby wohnen noch ein bisexueller Stiefonkel (der gerne einen Kilt trägt) ihre Mutter Victoria (die sich seit einem Unfall und der Trennung von Barnaby im Keller versteckt) und Barnabys neue Frau Victoria 2 bei ihr Zuhause. Kein Wunder, dass Merit diese schräge, streitsüchtige und wackelige Ansammlung an Menschen nicht besonders leiden kann, die mit ihr zusammen in der umgebauten Kirche einer mikroskopisch kleinen Gemeinde in Texas lebt. Doch als dann auch noch Sagan, also der Typ, in den sie sich im Antiquariat mit einem Blick verliebt hat in ein Zimmer des "Voss Dollar" einzieht und der Freund ihrer Zwillingsschwester Honor zu sein scheint, reicht es ihr - sie kann die ewige Gleichgültigkeit und das Schweigen nicht mehr ertragen und offenbart alle Geheimnisse, die sie die letzten Jahre gehütet hat. Das Ergebnis ist viel Schmerz, Chaos, Wut … aber auch die Hoffnung auf einen Neuanfang.


"An die Bewohner des Voss Dollars, dieser Brief ist an euch alle gerichtet. (...) Ich schreibe diesen Brief, weil ich eine Riesenwut in mir habe, die dringend rausmuss. (…) Ich bin wütend, weil ihr alle Geheimnisse voreinander habt und keiner den Mund aufmacht. Aber jetzt reicht es mir. Ich weigere mich, eure Geheimnisse auch nur noch eine Sekunde länger für mich zu behalten. (…) Okay. Womit fange ich an? …"


Colleen Hoover nimmt uns sofort mit in das Leben von Merit, schildert uns recht ausführlich ihren Alltag, ihre Probleme und lässt uns so am verkorksten Familienleben im Voss Dollar teilhaben. Es ist jedoch von Anfang an klar, dass die "Queen of Hearts" es hier ein wenig anders angeht und weniger auf überquellende Liebe sondern mehr auf das verrückte Leben eines Teenagers und dessen Irrungen und Wirrungen setzt. Besonders die Dynamik an Beziehungen innerhalb der Familie wird besonders hervorgehoben - die mit Sagan ist da nur eine Facette von vielen und steht nicht im Vordergrund. Stattdessen geht es hier vielmehr um den richtige Blickwinkel, dunkle Geheimnisse, Streiten Versöhnung und Verzeihen und anstatt von Liebe stehen eher Gefühle wie Wut, Einsamkeit, Zerrissenheit, Eifersucht und auch bleierne Gleichgültigkeit im Vordergrund. Auch wenn hier viele schwere Themen wie Depression, Suizid und sexuelle Orientierung verpackt werden, ist diese Geschichte keineswegs herunterziehend. Mit einer ordentlichen Portion Humor aber vor allem mit total bunten, absurden und witzigen Ideen wird der Geschichte das Erdrückende genommen und den ein oder anderen freien Lacher heraufgefordert, auch wenn eine unterschwellige Traurigkeit spürbar ist und dem Roman die tänzelnde, spielerische Leichtigkeit seiner Vorgängerromane fehlt. Etwas schade fand ich auch, dass neben dem Titel auch viele Witze eher schlecht übersetzt worden sind und so zum Beispiel "Käsus Christus" (im Original "Cheeses Christ") oder Sagans Grusel-Gutenachtgeschichte "Die Perspektive des Königs" nicht die Wirkung entfalten können, die das Original vielleicht hätte vermitteln können.


"Dad: Bitte bring den Jesus wieder in seinen Normalzustand und verbrenn diesen blöden Käsehut, sobald du heute von der Schule nach Hause kommst." Ich weiß, dass er das nett meint und bloß versucht, witzig zu sein. Aber ich kann nicht über seine Witze lachen, wenn er noch nicht mal merkt, dass ich seit Wochen nicht mehr in der Schule war. Es ist, als hätte ich gar keine Eltern mehr. Meine Mutter lebt in einem Keller und mein Vater in seiner eigenen Welt. In dieser Familie interessiert sich keiner füreinander."


Tiefschürfend, brutal ehrlich und unkonventionell lässt sie hier ihre Protagonisten aufeinander los und schafft es, zwischen all dem Chaos, Schmerz und dem Durcheinander der Gefühle eine klare Aussage durchschimmern zu lassen: die Wichtigkeit von gegenseitiger Verständigung und die Notwendigkeit, die Dinge auch mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Wie gewohnt spielt die Autorin dabei nur so mit Worten. Nicht nur die vielen immer wiederkehrenden Sprüche, die die Charaktere als Insider austauschen. Nein, sie findet in jeder Situation genau die richtigen Formulierungen, um nur so mit unseren Emotionen zu spielen und kennt dabei kein Tabu, wenn es darum geht, uns Leser zu quälen. Dieses Buch hat mich weinen lassen, lachen, mitfühlen, mich dazu gebracht zu schmunzeln, die Nase rümpfen und ein paar Mal auch dazu, es kurz wegzulegen. Doch vor allem hat es mich berührt und einfach mitgerissen!!! Colleen Hoover besitzt einfach das Talent aus wenigen Worten die größten Gefühle heraus zu locken und so eigentlich aus dem Nichts ein riesiges Gefühlschaos und Drama zu erschaffen.


"Ich finde es komplett daneben, wenn Leute einem erzählen wollen, dass man nicht wütend oder traurig sein darf, weil es anderen auf der Welt gibt, denen es viel schlechter geht. Das ist Bullshit. Deine Gefühle müssen ernst genommen werden, Merit. Sie sind berechtigt. Gefühle sind immer einzigartig."


Ganz anders geht sie diesmal auch an ihre Protagonisten ran. Anders als die meisten Protagonistinnen des Genres ist Merit keineswegs eine Hauptperson, die man einfach so ins Herz schließt - zumindest nicht am Anfang. Sie ist schwierig, launisch, frech, direkt und strapaziert die Nerven ihrer Familie und die der Leser mit ihrer Spontanität und ihrer Angewohnheit bei ein bisschen Schwierigkeiten immer in den "Giftmodus" zu schalten. Was hinter ihren Verhaltensmustern steckt wird immer wieder in kleinen Portionen enthüllt. Bis wir sie dann besser verstehen können, sie mit ihrer Verletzlichkeit ins Herz schließen und gebannt ihren wundervollen und schmerzhaften Prozess der Heilung verfolgen können, dauert es eine ganze Weile.


"Schau ihn dir an. Willst du mir allen Ernstes sagen, dass du dich nicht in ihn verliebt hast?" Ich seufze. Zu sagen, dass ich mich verliebt hätte, wäre noch untertrieben. Richtiger ist, dass ich ihm verfallen bin. Mit Haut und Haaren. Ohnmächtig ausgeliefert."


Sagan ist als Love Interest keineswegs der zweite Hauptcharakter sondern eigentlich mehr einer der wichtigen Nebenprotagonisten, der Merit in ihrer Entwicklung zur Seite steht und sie unterstützt. Mit seiner sanften, kreativen und einfühlsamen Art ist er leicht zu mögen - andere Personen wie zum Beispiel Merits verrückter Stiefonkel Luck, ihre ätzend-perfekte Stiefschwester Honor oder der große Bruder Utah, mit dem sie noch ein dunkles Geheimnis verbindet, sind jedoch viel spanender, als er. Das macht jedoch absolut nichts - denn diese Geschichte hat viel mehr in sich als dass es eine Liebesgeschichte brauchen würde, die mehr ist als süße Beigabe.

Am Ende - das viel knapper, offener und klarer strukturiert ist, als andere Bücher des Genres, die gerne zu übertriebenen Happy Ends neigen, in denen alle heiraten, Kinder bekommen und unwiderruflich bis an ihr Lebensende glücklich sind - bleibt das erfrischende Gefühl, ein Buch gelesen zu haben, das wunderbar anders ist und aufzeigt, was die Autorin bislang vor uns versteckt hat. Das Gefühl, auf jede Menge ungenutztes Potential des Genres gestoßen zu sein, das in Zukunft vielleicht öfter die überquellende Leidenschaft zurückschraubt und Platz für ein paar subtilere Töne lässt.

"Wir sitzen eine ganze Weile so da, ohne uns loszulassen, und ich frage mich, wie es dazu kommen konnte, dass Offenheit und ein liebevoller Umgang in der Familie Voss so viele Jahre lang verpönt waren, obwohl beides ziemlich viel für sich hat. Kann es sein, dass wir alle darauf gewartet haben, dass di anderen den ersten Schritt tun, und deshalb keiner je den Anfang gemacht hat? Vielleicht ist das ja in vielen Familien so, in denen es nicht ganz rundläuft. Das wahre Problem sind nicht die Konflikte, sondern dass keiner den Mut hat, den ersten Schritt zu tun und offen darüber zu sprechen."



Fazit:


Eine absurde aber berührende Dramödie über eine verkorkste Familie, die Entwicklung einer verlorenen Protagonistin und ihr langsamer Heilungsprozess. Tiefschürfend, brutal ehrlich, kunterbunt und unkonventionell - Mal was anderes aber definitiv ein echter Hoover!

Veröffentlicht am 02.02.2019

Eine absurde aber berührende Dramödie: Tiefschürfend, brutal ehrlich, kunterbunt und unkonventionell!

Die tausend Teile meines Herzens
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Fast jeder Freund des Genre Young Adult hat ihren Namen schon einmal gehört: Colleen Hoover, die mit ihrem unfassbaren Talent, krass emotionale, mega spannende und ultra poetische Stories in die Welt ...

Fast jeder Freund des Genre Young Adult hat ihren Namen schon einmal gehört: Colleen Hoover, die mit ihrem unfassbaren Talent, krass emotionale, mega spannende und ultra poetische Stories in die Welt zu setzen, zu meinen absoluten Lieblingsautoren gehört. Von ihr habe ich bis jetzt fast alles gelesen und geliebt, natürlich war es keine Frage, dass ich ihr auch ihren neusten auch unbedingt lesen wollte. Doch anders als ich erwartet habe, wartete hier keine leidenschaftliche Liebesgeschichte auf mich, sondern viel mehr eine absurde aber berührende Dramödie über eine verkorkste Familie, die Entwicklung einer verlorenen Protagonistin und ihr langsamer Heilungsprozess. Mal was anderes aber definitiv ein echter Hoover!


Auch das Cover ist wieder im typischen "Colleen Hoover meets dtv Verlag Style" gehalten. Das bedeutet weißer Hintergrund, dezentes Motiv, Titel in Lila unter dem großen Namen der Autorin. Ich denke, dass splitternde Herz passt ganz gut und auch so hat das Cover definitiv Wiedererkennungswert und passt zu ihren anderen Publikationen aber dennoch finde ich es viel weniger eindringlich und nicht so aussagekräftig wie das Original (siehe rechts). Auch in der Kategorie "Titel" verliert die deutsche Ausgabe leider um Längen. Während das Original kurz, knapp und eindringlich gleichzeitig einen häufig auftauchenden Wortwitz aufgreift und den Namen der Protagonistin enthält und somit auf mehreren Ebenen zu verstehen ist, scheint der deutsche wahllos, platt und lange nicht so passend. Hier hätte es sich definitiv gelohnt, am Originaltitel festzuhalten!


Sehr gut gefallen hat mir an der Gestaltung jedoch, dass immer wieder die in der Handlung vorkommenden Bilder, die Sagan für Merit zeichnet auch wirklich abgebildet sind. Ich finde es eine riesige Bereicherung, das Kunstwerk gleich selbst sehen zu können, sowie das bei "Love and Confess" auch der Fall war. Die sieben Bilder, die eigentlich Brandon Adams gezeichnet hat, sind allesamt wunderschön und total gestört - und passen damit wunderbar in diese Geschichte, die sich von diesen beiden extremen Adjektiven auch gut beschreiben lässt.

Erster Satz: "Ich besitze eine beeindruckende Sammlung von Pokalen, die ich alle nicht gewonnen habe.“


Merit Voss liebt alles, was seltsam ist: ihre Angewohnheit, fremde Pokale zu sammeln, dem zweieinhalbmetergroßen Jesus in ihrem Wohnzimmer neue Kostüme anzuziehen und … den Typen mit den seltsamen Tattoos, den sie in einem Antiquitätenladen trifft und der sie gleich bei der ersten Begegnung küsst. Doch obwohl ihre Familie das seltsamste an ihrem Leben ist, kann sie die absolut nicht leiden. Denn neben ihrem kleinen Halbbruder Moby, ihrer Zwillingsschwester Honor (die gerne Beziehungen mit todkranken Jungs anfängt) ihrem großen Bruder Utah (der einen geordneten Tagesablauf über alles stellt und jeden Tag die Leuchttafel vor ihrem Haus mit einer neuen Weisheit bestückt) und ihrem Vater, dem Gebrauchtwagenhändler Barnaby wohnen noch ein bisexueller Stiefonkel (der gerne einen Kilt trägt) ihre Mutter Victoria (die sich seit einem Unfall und der Trennung von Barnaby im Keller versteckt) und Barnabys neue Frau Victoria 2 bei ihr Zuhause. Kein Wunder, dass Merit diese schräge, streitsüchtige und wackelige Ansammlung an Menschen nicht besonders leiden kann, die mit ihr zusammen in der umgebauten Kirche einer mikroskopisch kleinen Gemeinde in Texas lebt. Doch als dann auch noch Sagan, also der Typ, in den sie sich im Antiquariat mit einem Blick verliebt hat in ein Zimmer des "Voss Dollar" einzieht und der Freund ihrer Zwillingsschwester Honor zu sein scheint, reicht es ihr - sie kann die ewige Gleichgültigkeit und das Schweigen nicht mehr ertragen und offenbart alle Geheimnisse, die sie die letzten Jahre gehütet hat. Das Ergebnis ist viel Schmerz, Chaos, Wut … aber auch die Hoffnung auf einen Neuanfang.


"An die Bewohner des Voss Dollars, dieser Brief ist an euch alle gerichtet. (...) Ich schreibe diesen Brief, weil ich eine Riesenwut in mir habe, die dringend rausmuss. (…) Ich bin wütend, weil ihr alle Geheimnisse voreinander habt und keiner den Mund aufmacht. Aber jetzt reicht es mir. Ich weigere mich, eure Geheimnisse auch nur noch eine Sekunde länger für mich zu behalten. (…) Okay. Womit fange ich an? …"


Colleen Hoover nimmt uns sofort mit in das Leben von Merit, schildert uns recht ausführlich ihren Alltag, ihre Probleme und lässt uns so am verkorksten Familienleben im Voss Dollar teilhaben. Es ist jedoch von Anfang an klar, dass die "Queen of Hearts" es hier ein wenig anders angeht und weniger auf überquellende Liebe sondern mehr auf das verrückte Leben eines Teenagers und dessen Irrungen und Wirrungen setzt. Besonders die Dynamik an Beziehungen innerhalb der Familie wird besonders hervorgehoben - die mit Sagan ist da nur eine Facette von vielen und steht nicht im Vordergrund. Stattdessen geht es hier vielmehr um den richtige Blickwinkel, dunkle Geheimnisse, Streiten Versöhnung und Verzeihen und anstatt von Liebe stehen eher Gefühle wie Wut, Einsamkeit, Zerrissenheit, Eifersucht und auch bleierne Gleichgültigkeit im Vordergrund. Auch wenn hier viele schwere Themen wie Depression, Suizid und sexuelle Orientierung verpackt werden, ist diese Geschichte keineswegs herunterziehend. Mit einer ordentlichen Portion Humor aber vor allem mit total bunten, absurden und witzigen Ideen wird der Geschichte das Erdrückende genommen und den ein oder anderen freien Lacher heraufgefordert, auch wenn eine unterschwellige Traurigkeit spürbar ist und dem Roman die tänzelnde, spielerische Leichtigkeit seiner Vorgängerromane fehlt. Etwas schade fand ich auch, dass neben dem Titel auch viele Witze eher schlecht übersetzt worden sind und so zum Beispiel "Käsus Christus" (im Original "Cheeses Christ") oder Sagans Grusel-Gutenachtgeschichte "Die Perspektive des Königs" nicht die Wirkung entfalten können, die das Original vielleicht hätte vermitteln können.


"Dad: Bitte bring den Jesus wieder in seinen Normalzustand und verbrenn diesen blöden Käsehut, sobald du heute von der Schule nach Hause kommst." Ich weiß, dass er das nett meint und bloß versucht, witzig zu sein. Aber ich kann nicht über seine Witze lachen, wenn er noch nicht mal merkt, dass ich seit Wochen nicht mehr in der Schule war. Es ist, als hätte ich gar keine Eltern mehr. Meine Mutter lebt in einem Keller und mein Vater in seiner eigenen Welt. In dieser Familie interessiert sich keiner füreinander."


Tiefschürfend, brutal ehrlich und unkonventionell lässt sie hier ihre Protagonisten aufeinander los und schafft es, zwischen all dem Chaos, Schmerz und dem Durcheinander der Gefühle eine klare Aussage durchschimmern zu lassen: die Wichtigkeit von gegenseitiger Verständigung und die Notwendigkeit, die Dinge auch mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Wie gewohnt spielt die Autorin dabei nur so mit Worten. Nicht nur die vielen immer wiederkehrenden Sprüche, die die Charaktere als Insider austauschen. Nein, sie findet in jeder Situation genau die richtigen Formulierungen, um nur so mit unseren Emotionen zu spielen und kennt dabei kein Tabu, wenn es darum geht, uns Leser zu quälen. Dieses Buch hat mich weinen lassen, lachen, mitfühlen, mich dazu gebracht zu schmunzeln, die Nase rümpfen und ein paar Mal auch dazu, es kurz wegzulegen. Doch vor allem hat es mich berührt und einfach mitgerissen!!! Colleen Hoover besitzt einfach das Talent aus wenigen Worten die größten Gefühle heraus zu locken und so eigentlich aus dem Nichts ein riesiges Gefühlschaos und Drama zu erschaffen.


"Ich finde es komplett daneben, wenn Leute einem erzählen wollen, dass man nicht wütend oder traurig sein darf, weil es anderen auf der Welt gibt, denen es viel schlechter geht. Das ist Bullshit. Deine Gefühle müssen ernst genommen werden, Merit. Sie sind berechtigt. Gefühle sind immer einzigartig."


Ganz anders geht sie diesmal auch an ihre Protagonisten ran. Anders als die meisten Protagonistinnen des Genres ist Merit keineswegs eine Hauptperson, die man einfach so ins Herz schließt - zumindest nicht am Anfang. Sie ist schwierig, launisch, frech, direkt und strapaziert die Nerven ihrer Familie und die der Leser mit ihrer Spontanität und ihrer Angewohnheit bei ein bisschen Schwierigkeiten immer in den "Giftmodus" zu schalten. Was hinter ihren Verhaltensmustern steckt wird immer wieder in kleinen Portionen enthüllt. Bis wir sie dann besser verstehen können, sie mit ihrer Verletzlichkeit ins Herz schließen und gebannt ihren wundervollen und schmerzhaften Prozess der Heilung verfolgen können, dauert es eine ganze Weile.


"Schau ihn dir an. Willst du mir allen Ernstes sagen, dass du dich nicht in ihn verliebt hast?" Ich seufze. Zu sagen, dass ich mich verliebt hätte, wäre noch untertrieben. Richtiger ist, dass ich ihm verfallen bin. Mit Haut und Haaren. Ohnmächtig ausgeliefert."


Sagan ist als Love Interest keineswegs der zweite Hauptcharakter sondern eigentlich mehr einer der wichtigen Nebenprotagonisten, der Merit in ihrer Entwicklung zur Seite steht und sie unterstützt. Mit seiner sanften, kreativen und einfühlsamen Art ist er leicht zu mögen - andere Personen wie zum Beispiel Merits verrückter Stiefonkel Luck, ihre ätzend-perfekte Stiefschwester Honor oder der große Bruder Utah, mit dem sie noch ein dunkles Geheimnis verbindet, sind jedoch viel spanender, als er. Das macht jedoch absolut nichts - denn diese Geschichte hat viel mehr in sich als dass es eine Liebesgeschichte brauchen würde, die mehr ist als süße Beigabe.

Am Ende - das viel knapper, offener und klarer strukturiert ist, als andere Bücher des Genres, die gerne zu übertriebenen Happy Ends neigen, in denen alle heiraten, Kinder bekommen und unwiderruflich bis an ihr Lebensende glücklich sind - bleibt das erfrischende Gefühl, ein Buch gelesen zu haben, das wunderbar anders ist und aufzeigt, was die Autorin bislang vor uns versteckt hat. Das Gefühl, auf jede Menge ungenutztes Potential des Genres gestoßen zu sein, das in Zukunft vielleicht öfter die überquellende Leidenschaft zurückschraubt und Platz für ein paar subtilere Töne lässt.

"Wir sitzen eine ganze Weile so da, ohne uns loszulassen, und ich frage mich, wie es dazu kommen konnte, dass Offenheit und ein liebevoller Umgang in der Familie Voss so viele Jahre lang verpönt waren, obwohl beides ziemlich viel für sich hat. Kann es sein, dass wir alle darauf gewartet haben, dass di anderen den ersten Schritt tun, und deshalb keiner je den Anfang gemacht hat? Vielleicht ist das ja in vielen Familien so, in denen es nicht ganz rundläuft. Das wahre Problem sind nicht die Konflikte, sondern dass keiner den Mut hat, den ersten Schritt zu tun und offen darüber zu sprechen."



Fazit:


Eine absurde aber berührende Dramödie über eine verkorkste Familie, die Entwicklung einer verlorenen Protagonistin und ihr langsamer Heilungsprozess. Tiefschürfend, brutal ehrlich, kunterbunt und unkonventionell - Mal was anderes aber definitiv ein echter Hoover!