Für Fans der Känguru-Werke definitiv ein Muss!
Die Känguru-ApokryphenSie haben mein Leben verändert - "Die Känguru - Werke" von Kleinkünstler Marc-Dieter Kling. Wie ihr schon in meinem Einleitungssatz sehen könnt, wurde ich nachhaltig mit Insiderwitzen infiziert und bin ...
Sie haben mein Leben verändert - "Die Känguru - Werke" von Kleinkünstler Marc-Dieter Kling. Wie ihr schon in meinem Einleitungssatz sehen könnt, wurde ich nachhaltig mit Insiderwitzen infiziert und bin so abhängig von dieser Reihe geworden wie das Känguru von Schnapspralinen. Kein Wunder also, dass für mich nach den "Känguru - Chroniken", dem "Känguru - Manifest" und der "Känguru - Offenbarung" noch nicht Schluss sein konnte und ich mir auch die "Känguru-Apokryphen" zulegen musste. Für mich ist diese Zugabe jedoch nur ein nettes Nachwerk und keine wirkliche Fortsetzung, sodass mein Urteil wohl nach Marc-Uwes verhasstestem Satz ausfallen muss: "Viel Schönes dabei".
Anders als gewohnt ist hier kein roter Faden erkennbar und die Episoden sind fast zusammenhanglos aneinandergereiht. Das wurde vom Autor so angekündigt und bietet sich bei der Auswahl an Szenen, die zeitlich nicht immer genau den drei Teilen zuordenbar sind, zwar an, hat aber trotzdem den Gesamtwitz geschmälert. Auch sonst ist viel Bekanntes dabei und bei einigen Szenen fehlt der letzte Schliff, was manchmal klar macht, warum diese "Apokryphen" es nicht in die "Bibel" geschafft haben. Es gibt jedoch auch einige neue Ideen, die unser Bild der beiden Protagonisten bereichern und vervollständigen. So erfindet das Känguru zum Beispiel eine neue Form von Schnick-Schnack-Schnuck - der sogenannte "Open-Schnick" und wir erfahren endlich, warum Marc-Uwe Angst vor Handwerkern hat. Schade finde ist, dass wir keine Neuigkeiten zum "Schredder" und zum "Pinguin" erhalten und auch der gestörte Psychiater nicht mehr vorkommt, obwohl wir doch alle anderen Protagonisten wieder sehen.
"Man kann sich halt nicht sicher sein", sagt der Mann auf der Straße, "dass in einer Gruppe Flüchtlinge nicht auch Arschlöcher sind." "Stimmt wohl", sagt das Känguru, "aber immerhin kann man sich sicher sein, dass in einer Gruppe Rassisten nur Arschlöcher sind."
Ansonsten ist jedoch alles wie immer: Es gibt wieder poetische Gedichte, witzige Dialoge, abgefahrene Theorien und abstruse Begegnungen. Selbstverständlich nervt das Känguru den lieben Marc-Uwe auch hier wieder mit fiesen Wortverdrehungen, die man wirklich nicht mehr aus dem Kopf bekommt (Schankedön, Marc-Uwe!) während Marc-Uwe dem Känguru mit seinem Techniktourette und seiner Angewohnheit, Aussagen zu Liedzeilen zu vervollständigen auf den Nerven herum tanzt. Die Kapitel ergeben einen kunterbunten und abwechslungsreichen Querschnitt durch den Alltag einer ganz-normalen-total-verrückten Lebensgemeinschaft. Von Datenschutz über Rassismus zu nicht funktionierender Technik bis zu Bad-putzen, bizarren Geschäftsideen und neuen Unterhaltungstrends wird mit altbekannten Themen jongliert. Wir lernen Weisheiten über den "kategorischen Aperitif", "das jüngste Gedicht" und den "Marquis de Camembert" und treffen mit "Dings" alias "Diddi" alias Dietmar Köttge und dem total super hüpfenden Jesus sogar zwei neue Protagonisten. Dass es immer spannend und witzig bleibt wird durch viele erzähltechnische Elemente garantiert, die Kling wunderbar einwebt. So wechselt er kreativ die Erzählperspektivwechsel, variiert die Erzählzeit, lässt manchmal kurze Erinnerungslücken auftauchen und stellt falsch zugeordnete Zitate vornan.
Wir erhalten also nochmal einen humoristischen Einblick in das Alltagsleben der Beuteltier-Kleinkünstler-WG bevor sich der Autor endgültig von ihnen verabschiedet - einen Einblick, der wieder die Lachmuskeln strapaziert und mit unglaublicher Situationskomik, schwarzem Humor und einer knallharten und schonungslosen Sozial-, Politik- und Kapitalismuskritik begeistert.
Marc-Uwe enttarnt den Antrieb der Künstler und schafft eine weltbewegende Formel, die das Verständnis der Bedeutung eines jeden Kunstwerkes erleichtert ("Guckt mal, was ich kann"), schafft es einen Nazi-Schlägertrupp mit rhetorischen Mitteln auf den richtigen Weg zu bringen, prangert die moderne Sklavenhaltung in Form von Praktikanten an und gibt zu denken, dass das Prinzip "Vergleichen und Optimieren" wohl doch nicht so einfach funktioniert, wie uns das die Bertelsmann-Stiftung glauben machen will. Um die vielen Anspielungen und politische Spitzen verstehen zu können, sind also wieder Grundkenntnisse in den Bereichen Politik, Geschichte und Wirtschaft Voraussetzung. Wer mit der politischeren, abstrakteren Note der "Offenbarung" nichts anfangen konnte, kann sich hier aber wieder auf mehr Situationskomik freuen.
“Ja, wir könnten jetzt was gegen den Klimawandel tun, aber wenn wir dann in 50 Jahren feststellen würden, dass sich alle Wissenschaftler doch vertan haben und es gar keine Klimaerwärmung gibt, dann hätten wir völlig ohne Grund dafür gesorgt, dass man selbst in den Städten die Luft wieder atmen kann, dass die Flüsse nicht mehr giftig sind, dass Autos weder Krach machen noch stinken und dass wir nicht mehr abhängig sind von Diktatoren und deren Ölvorkommen. Da würden wir uns schön ärgern.”
Das Cover gefällt mir dieses Mal besonders gut und der Titel ist einfach perfekt passend. Dazu eine Aussage, die wohl das Känguru unterschreiben würde:
Ich habe gelesen, dass Schwedische Wissenschaftler herausgefunden haben, dass "Apokryphen" zwar von niemandem verstanden wird, es aber ein fetzigerer Titel ist als "Bonusmaterial".
Aufgrund der wieder episodenartigen Handlung und der in Szenenform geschriebenen Kapiteln, bietet es sich hier wirklich an, das Hörbuch zu hören. Gerade bei längeren Autofahrten oder bei banalen Tätigkeiten wie Wäscheaufhängen oder Abwaschen ist es eine willkommene Ablenkung, einige Szenen zu hören. Auch wenn ich eigentlich kein bekennender Fan von Hörbüchern bin und immer lieber die Print-Variante bevorzuge, habe ich es hier nicht bereut, die vorgelesene Version gewählt zu haben. Autor Marc-Uwe Kling liest hier selbst vor, live vor Publikum, weshalb immer mal wieder leise Lacher im Hintergrund zu hören sind, welche aber nicht stören. Im Gegensatz zu anderen Autoren merkt man Mark-Uwe an, dass er es gewohnt ist, Texte vorzutragen. Er liest die Rollen des Ich-Erzählers und des Kängurus mit leicht verstellten Stimmen, sodass man die nasale, laute, nerv tötende Stimme des Kängurus immer schön unterscheiden kann. Mit wohlüberlegten Pausen und Betonungen lenkt er das Geschehen in eine richtige Richtung und seine angenehme Stimme konnte mich wirklich mitreißen. Das Buch hingegen wartet mit schönen Zusatzmaterialien in besonderer Formatierung auf.
Also ist diese kleine Fortsetzung notwendig? "Notwendig" und "Nicht-notwendig" sind definitiv auch bürgerliche Kategorien also bewerte ich mal nach Känguru-Maßstab: diese Fortsetzung mag zwar umstritten sein und kann nicht mit seinen Vorgängern mithalten, ist aber definitiv "witzig" und hat somit eine Daseinsberechtigung. Wer das Känguru und den Kleinkünstler schon bald in neuem Format wiedersehen will, kann sich übrigens auf den neuen Film freuen, der Ende 2019 in die Kinos starten soll.
Fazit:
Ein letzter humoristischer Einblick in das Alltagsleben der Beuteltier-Kleinkünstler-WG bevor sich der Autor endgültig von ihnen verabschiedet - ein Einblick, der wieder die Lachmuskeln strapaziert und mit unglaublicher Situationskomik, schwarzem Humor und einer knallharten und schonungslosen Sozial-, Politik- und Kapitalismuskritik begeistert. Für Fans der Känguru-Werke definitiv ein Muss!
Übrigens: Dies war ein Anti-Terroranschlag des Asozialen Netzwerkes. Es grüßt freundlich die Ministerin für Influencing und Lasagne der Sektion Schwarzwald