Allgemeines:
Titel: Elian und Lira - Das wilde Herz der See
Autor: Alexandra Christo
Verlag: dtv (20. Juli 2018)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3423762209
ISBN-13: 978-3423762205
ASIN: B07D2ZZZYN
Originaltitel: To Kill a Kingdom
Seitenzahl: 384 Seiten
Preis: 16,99€ (Kindle-Edition)
18,95€ (Gebundene Ausgabe)
Inhalt:
"Lügen sind keine Antwort."
"Aber sie klingen viel besser als die Wahrheit"
Lira ist die Tochter der Meereskönigin. Jahr für Jahr ist sie dazu verdammt, einem Prinzen das Herz zu rauben. Doch dann begeht sie einen Fehler und ihre Mutter verwandelt sie zur Strafe in die Kreatur, die sie am meisten verabscheut – einen Menschen. Und sie stellt Lira ein Ultimatum: Bring mir das Herz von Prinz Elian oder bleib für immer ein Mensch.
Elian ist der Thronerbe eines mächtigen Königreichs. Doch das Meer ist der einzige Ort, an dem er sich wirklich zu Hause fühlt. Er macht Jagd auf Sirenen, vor allem auf die eine, die so vielen Prinzen bereits das Leben genommen hat. Als er eines Tages eine junge Frau aus dem Ozean fischt, ahnt er zunächst nicht, wen er da an Bord geholt hat.
Bald wird aus Misstrauen jedoch Leidenschaft und das Unerwartete geschieht – die beiden verlieben sich ineinander.
Bewertung:
Schon immer hatten Geschichten, die die Verlockung des Meeres, den Ruf des Abenteuers in sich hatten, eine besondere Anziehungskraft auf mich. Schon als ich das Cover dieser Geschichte zum ersten Mal sah war mir klar: dieses Buch muss ich lesen! Insgesamt erwartete mich eine wundervolle, atmosphärische Geschichte voller Abenteuer und Leidenschaft, die jedoch auch einige Schwächen aufweist.
"In den Abgründen unserer Seele sind Elian und ich gar nicht so verschieden. Zwei Königreiche erlegen uns beiden Verantwortung auf, der wir uns nicht gewachsen fühlen. Wir sind gefesselt: er an ein Land und ein vorgezeichnetes Leben, ich an das mörderische Erbe meiner Mutter. Und beide vernehmen wir den Lockruf des Ozeans: ein Lied von Freiheit und Sehnsucht."
Das Cover ist auf den ersten Blick ein wahrhaftiger Eye-Catcher und in der Gesamtkonstruktion definitiv stimmig, je länger ich es jedoch betrachte, desto weniger gefällt es mir. Natürlich ist da zum einen das Bild eines Mädchens, das mit den blauen Augen, den Sommersprossen und den roten Haaren wohl Lira darstellen soll. Wie schon so oft erwähnt stören mich Modelbilder auf Buchcover immer, außerdem finde ich nicht, dass auf Lira in der Geschichte ein besonderer Fokus liegt. Auf dem Bild links sieht es zum anderen aus, als würden feine, blau-weiße Linien das Mädchen als Wellen umspielen. In echt sind es jedoch breite, glitzernde Streifen, die relativ wenig mit Wellen gemein haben. Nichtsdestotrotz gefallen mir die düstere Ausstrahlung des Covers und die große, gefächerte Muschel, die jedes Kapitel überschreibt. Vielleicht wäre es hier aber eine Bereicherung gewesen, motivisch näher am Original zu bleiben.
Erster Satz: "Ich habe ein Herz für jedes Jahr meines Lebens."
Mit diesem treffenden und eingängigen Satz steigen wir in das Schicksal der Sirene Lira ein, die weit im ganzen Reich als "Fluch der Prinzen" bekannt ist, da sie jedes Jahr im Monat ihres Geburtstages das Herz eines jungen Prinzen raubt. Als sie auf der Jagd mit ihrer Cousine Kahlia ihre Sammlung aus 17 Herzen zu früh um ein weiteres ausbaut, zieht sie den Zorn ihrer Mutter auf sich. Eigentlich kein Problem, wäre diese nicht die allmächtige Meereskönigin, die auf Unterordnung durch Furcht und Schrecken baut, anstatt auf Treue und Loyalität durch Akzeptanz und Respekt. Als sie daraufhin ihres Gesangs, ihrer unglaublichen Schönheit und Stärke beraubt als schwacher Mensch auftaucht, ist das Meer nicht länger ihr Freund, sie nicht länger auf der Jagd und der Sirenenjäger und Prinz Elian nicht länger ihre Beute sondern ihr Retter. Als dieser die wehrlose, junge Frau aus dem Meer fischt, ahnt er nicht, dass sich hinter dem hübschen Gesicht und der großen Klappe in Wahrheit das Monster verbirgt, dass zu jagen er sich zur Aufgabe gemacht hat. Doch als Lira immer menschlicher wird und Eigenschaften wie Treue, Hilfsbereitschaft und Freundschaft nicht länger als Schwäche abtun kann, erkennt sie die Tragweite der Schreckensherrschaft ihrer Mutter und muss sich entscheiden, wer sie sein will...
"Keto schuf uns als wildes Kriegsvolk, aber erst die Meeresköniginnen gaben ihren Hass als Erbe an uns weiter. Königinnen wie meine mutter, die ihre Kinder zu seelenlosen Kriegerinnen formte. (…) Ist es das, was Menschsein bedeutet? Sich in Gefahr begeben, um jemand anderen zu schützen?"
Zuerst einmal muss ich sagen, dass ich wirklich beeindruckt davon bin, wie viel Handlung, Entwicklung und Emotion Alexandra Christo in diesen kurzen 382 Seiten unterbekommt. Selbstverständlich sind einige Lücken im Setting zu finden und viele der interessanten Königreiche werden nur kurz genannt, mit einer groben Charakterisierung abgetan, die oft fast schon klischeehaft wirkt. Außerdem gehen auch viele Nebencharaktere im Sog der Handlung ein wenig unter, die Liebesgeschichte, die Entwicklung von Hass zu Leidenschaft - ging mir zu plötzlich und schnell von statten und gerade am Ende tauchen ein paar Handlungen der Protagonisten auf, die für mich nicht logisch waren.
"Wir sind Splitter desselben Spiegels. Zwischen uns liegen Welten, doch (…) die Grenzen sind verschwommen. Dies hat Elian in einer einzigen Sekunde geschafft, mit etwas, das ihm so leichtfällt wie das Atmen: Er hat gelächelt. Nicht, weil ich Qualen litt, vor ihm den Kopf neigte oder mich seinen Launen unterwarf wie bei meiner Mutter. Er hatte gelächelt, weil er mich gesehen hat, wie ich frei und dem Tod entronnen zu ihm zurückkehren wollte."
Doch was erwarte ich von solch einem kurzen Roman? Eine ausgearbeitete Herr-der-Ringe-Welt mit zig Handlungssträngen und Hintergrundgeschichten? Nein! Es ist bei Fantasy dieser Kürze immer eine große Herausforderung eine Welt aufzubauen, die mehr ist, als bloße Kulisse der Handlung, während genügend von letzterer vorhanden ist und auch Zeit bleibt, die Protagonisten zu entwickeln. Und das schafft die Autorin wunderbar, sodass ihr noch die Zeit bleibt, viele der erzählten Legenden über die Königshäuser als Lüge aufzudecken und großpolitischen Angelegenheiten und Intrigen anzusprechen. In vielen kurzen Szenen und dem daraus resultierenden hohen Tempo entführt sie uns in ein Reich voller bunter Völker, düsterer Legenden von blutrünstigen Monstern und strahlenden Helden, die einen unerbittlichen Kampf zwischen Meer und Land ausfechten. Gerade durch die vielen Gegensätze von glänzenden Königshäuser über die Sirenenjagd auf rauer See, auf einer abenteuerlichen Reise auf dem Piratenschiff Saad bis zum höchsten Punkt des Landes, zu einem der größten Schätze der Welt wird die Geschichte spannend gehalten, auch wenn ihr Ausgang schon recht früh kein Rätsel mehr ist.
"Ein Prinz darf von Mythen und Legenden umrankt sein", erklärt er mir. "Aber er kann nicht in ihnen leben. Er muss in der echten Welt leben und dort den Stoff für die Erzählungen liefern." Er sieht mich ernst an. "Du solltest weniger auf Märchen hören, Elian, sonst wirst du am Ende selbst nichts weiter sein als ein Märchen."
Die Geschichte wird abwechselnd aus der Ich-Perspektive von Elian und Lira erzählt, was jedoch nur mit einem Schriftartwechsel angekündigt wird. Das ist zum Teil recht verwirrend, da hätte ich mir eine eindeutigere Kennzeichnung gewünscht. Die beiden Protagonisten haben mir aber sehr gut gefallen. Obwohl sie auf unterschiedlichen Seiten stehen, sind sie gar nicht so verschieden. Beiden werden ihre Freiheit und die Möglichkeit zur vollständigen Entfaltung durch die Verantwortung ein Reich zu führen und dessen Ansprüchen zu genügen gehemmt. Lira wurde von ihrer Mutter, der Meereskönigin, von klein auf zu einem Monster gemacht: Der Fluch der Prinzen. Zwischen dem Bedürfnis, ihre Mutter stolz zu machen, eine würdige Nachfolgerin zu sein und dem Ruf ihres Gewissens und der Gewissheit, etwas ändern zu wollen fühlt sie sich zunehmend hin und her gerissen, bis sie entscheidet, dass sie kein Monster mehr sein will. Doch ohne ihre Grausamkeit, ihre Kraft, ihr Gesang - was bleibt denn da noch übrig?
"Ich dachte, ich müsse meinem Reich etwas beweisen. Aber was? Dass ich genauso bin wie sie? Das Tod und Grausamkeit mir mehr bedeuten als Gnade? Dass ich an jedem Verrat begehe, auch wenn er noch so treu ist? (…) Ich denke an Crestell, die Kahlia vor mich beschützt und ihr eigenes Leben geopfert hat. "Werde die Königin, die wir brauchen."
Elian ist ebenfalls der nächste Thronfolger seines Königreichs, dem goldenen Midas. Doch anstatt sich mit ätzenden Hofangelegenheit zu langweilen, folgt er dem Ruf des Meeres tief in seinem Herzen und zieht als Sirenenjäger durch die Meere. Auch wenn die Welt ihn als den Piratenprinz sieht, der als hoffnungsloser Abenteurer verlacht ist, hat er in seiner Crew eine Familie, in der Saad ein Zuhause, in dem Dasein als Pirat ein Frieden gefunden, den er in seiner wirklichen Heimat nie gefühlt hat. Doch als er sich um sein größtes Ziel zu erreichen auf schmutzige Deals einlassen muss, die ihn sein Königreich kosten könnten, muss er sich entscheiden, wer er sein will: Pirat oder Prinz, oder vielleicht doch etwas Besonderes dazwischen...?
"Glaubst du wirklich daran, dass Mörder aufhören können, Mörder zu sein?"
"Ich möchte es glauben." Seine Stimme klingt so anders als die des selbstbewussten Prinzen bei unserer ersten Begegnung. Er ist nicht der Mann, der ein Schiff kommandiert, oder der Sohn, der ein Land regieren soll. Er ist weder das eine noch das andere, und doch ist er beides zugleich. Sein wahres Ich ist irgendwo dazwischen, wo nur ich es sehen kann."
Durch den jeweils anderen schaffen die beiden es, sich ihrer Rolle bewusst zu werden und frei zu entscheiden, was sie tun und lassen wollen. Auch wenn die Liebesgeschichte sich erst gar nicht und dann sehr schnell entwickelt, mochte ich das sarkastische Zusammenspiel der beiden und habe sehr gerne zugesehen, wie die beiden sich selbst und dem jeweils anderen immer näher kommen.
"Nur damit du es weißt", sage ich zu Lira. "Wenn du mich belügst, werde ich dich vielleicht töten."
Lira streckte das Kinn vor. Ihr Blick ist rebellisch und ihre gen sind zu blau, um ihnen standzuhalten. Im ersten Moment bin ich mir nicht sicher, ob sie eine Antwort parat hat, aber dann fährt sie mit der Zunge über die Lippen und ich weiß, dass sie den süßen Vorgeschmack auf das genießt, was sie mir gleich an den Kopf werfen wird.
"Vielleicht", sagt sie, währen das schummrige Licht sich an ihre Haut schmiegt, "töte ich dich zuerst."
Durch den zielsicheren Schreibstil der jungen Autorin bekommt jede Szene eine eindeutige Funktion und wir werden durch die bildhafte Sprache immer tiefer ins wilde Herz der See gezogen, bis wir -wie ein Matrose dem Gesang einer Sirene- dem Bann der Geschichte erliegen. Dabei wird eine recht düstere, spannungsgeladene, abenteuerliche, mitreißende Atmosphäre geschaffen, die jedoch an einigen Stellen etwas bröckelt, wenn sich seltsame "Lücken", Unstimmigkeiten in Szenen, auftun, die holprig wirkten. Das kann ich leider nicht besser in Worte fassen, es könnte auch an der Übersetzung liegen. Nichtsdestotrotz wird uns hier eine düstere Adaption des Kunstmärchens "Die kleine Meerjungfrau" von Hans Christian Andersen präsentiert. Mit einem Unterschied: die Liebe, die eigentlich nicht erwidert werden kann, gewinnt hier nach einem epischen Kampf am Ende doch.
Fazit:
Alexandra Christos düstere Adaption des Kunstmärchens "Die kleine Meerjungfrau" entführt in ein Reich voller bunter Völker, dunkler Legenden von blutrünstigen Monstern und strahlenden Helden, die einen unerbittlichen Kampf zwischen Meer und Land ausfechten. Eine atmosphärische Geschichte voller Abenteuer und Leidenschaft