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Veröffentlicht am 19.05.2018

Ein durchaus interessanter Psychothriller, dem jedoch Atmosphäre und Gruselfaktor fehlen!

Das Böse in deinen Augen
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Allgemeines:

Titel: Das Böse in deinen Augen
Autor: Jenny Balckhurst
Verlag: Bastei Lübbe (27. April 2018)
Genre: Psychothriller
ISBN-10: 3404176898
ISBN-13: 978-3404176892
ASIN: B0774RZ3HH
Vom Hersteller ...

Allgemeines:

Titel: Das Böse in deinen Augen
Autor: Jenny Balckhurst
Verlag: Bastei Lübbe (27. April 2018)
Genre: Psychothriller
ISBN-10: 3404176898
ISBN-13: 978-3404176892
ASIN: B0774RZ3HH
Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 16 Jahren
Originaltitel: The Foster Child
Seitenzahl: 432 Seiten
Preis: 8,99€ (Kindle-Edition)
11€ (Taschenbuch)


Inhalt:

Niemand hat Angst vor einem kleinen Mädchen, oder doch?


Als die Kinderpsychologin Imogen Reid den Fall der elfjährigen Ellie Atkinson übernimmt, weigert sie sich, den seltsamen Gerüchten um das Mädchen zu glauben. Ellie sei gefährlich, so heißt es. Wenn sie wütend wird, passieren schreckliche Dinge. Imogen hingegen sieht nur ein zutiefst verstörtes Kind, das seine Familie bei einem Brand verloren hat und ihre Hilfe benötigt. Doch je näher sie Ellie kommt, desto merkwürdiger erscheint ihr das Mädchen. Dann erleidet auch Imogen einen schrecklichen Verlust - und sie fürchtet, dass es ein Fehler war, Ellie zu vertrauen -


Bewertung:


Ich lese zurzeit sehr gerne Psychothriller, weil ich einfach fasziniert von dem Dunklen Gruseln der Atmosphäre bin und habe aus diesem Grund auch zum neusten Werk von Jenny Blackhurst gegriffen, von der ich schon viel Gutes gehört habe. Leider konnte mich das Buch nicht gänzlich überzeugen, gerade weil mir das zum Großteil gefehlt hat, was für mich einen Psychothriller ausmacht: der Gruselfaktor.

„Eins zwei, Ellie kommt vorbei.
Drei vier, verschließe deine Tür“


Schon das Cover ist eine Sache für sich. Auf den ersten Blick finde ich es auf schaurige Art wunderschön mit dem filigranen Metallkäfig, den blutroten Rosen und dem schillernden Schmetterling vor verblichener, grauer Tapete. Wunderbar wird hier die Diskrepanz zwischen süßer Unschuld und blutiger Grausamkeit dargestellt. Leider haben weder Blumen, noch ein Käfig noch ein Schmetterling etwas mit dem Buch zu tun. Eventuell könnten die Motive eine schlechte Anspielung auf Ellis in einem Glas gefangene Motte sein, aber ansonsten kann ich mir da keine Verbindung herleiten. Wenn man aber einfach nur die Optik und die atmosphärische Wirkung in Betracht zieht, ist die Gestaltung sehr gut gelungen. Den Titel finde ich gerade im Vergleich zum englischen Original auf den Punkt getroffen, genau wie der Klapptext, der Interesse weckt, ohne zu viel zu verraten. Zur inneren Gestaltung kann ich nur sagen, dass mich die unvollständigen Perspektiven Angaben über jedem Kapitel äußerst verwirrt haben. Über einigen Absätzen steht in kursiver Schrift der Name der erzählenden Person, bei anderen Abschnitten aber nicht. Ob das Absicht ist, weiß ich nicht.


Doch nun zur Geschichte. Nach einem meiner Meinung nach nicht besonders mitreißenden Prolog, der vor allem durch die vielen Namen verwirrt und einen wichtigen Teil der Handlung vorgreift, tauchen wir in das Leben von Imogen Reid ein, die nach 20 Jahren mit ihrem Mann zurück in ihr altes Heimatdorf Gaunt zieht. Die Kinderpsychologin hat dort die schlimmsten Jahre ihres Lebens verbracht und als sie nach dem Tod ihrer Mutter nach so langer Zeit wieder zurückkehrt, scheint das Dorf sie vergessen zu haben, es lauern jedoch immer noch dunkle Schatten in jeder Ecke. Als sie gleich am ersten Tag die 11jährige Ellie Atkinson, die einen Brand überlebt hat, bei der ihre Familie ums Leben gekommen ist, bei einem dubiosen Zwischenfall kennenlernt, erkennt sei sich in dem einsamen, traumatisierten Mädchen wieder und nimmt sich ab sofort ihrer an. Als Pflegekind findet sie zwar physisch ein neues Zuhause bei der Familie Jefferson, durch schreckliche Gerüchte verunsichert und für grausame Zufälle verantwortlich gemacht, steht sie jedoch bald am Rande der Gesellschaft, mit einem Fuß im Abgrund. Imogen ist von der beginnenden Anfeindung und der Hexenjagd entsetzt und versucht alles, um dem Mädchen zu helfen. Und doch kann auch sie nichts gegen ihr mieses Bauchgefühl tun, dass sie vor dem Bösen in den Augen des Mädchens warnt...


„Ellie fixiert Miss Gilbert mit ihren dunklen Augen und würzt ihre Worte mit jeder Unze Hass, die sie in diesem Moment empfindet: „Meinetwegen beobachten Sie mich ruhig, Miss Gilbert. Aber seien Sie vorsichtig, denn ich habe das Gefühl, dass ich noch sehr viel länger hier sein werde als Sie.“


Die Hauptquelle der Spannung der Geschichte ist die Tatsache, dass man bis fast zum Ende ständig hin und her schwankt was Ellies Schuld anbelangt. Zu Beginn erscheint die Angst der Bewohner Gaunts wie eine kleingeistige Überreaktion, denn einem jungen Mädchen vorzuwerfen, es könne mit der Kraft ihrer Gedanken schlimmer Dinge passieren lassen, wenn sie wütend ist, scheint absurd. So denkt auch Imogen, die alle für ihre Ängste verurteilt und eine engere Verbindung zu Ellie aufbaut. Doch mit laufender Handlung werden sowohl wir Leser als auch Imogen immer unsicherer, was ihre Unschuld anbelangt. Ebenso unheimlich wie berührend wird dargestellt, wie die Psychologin zwischen Bauchgefühl und klarem Verstand, Vertrauen und Zweifel, Zuneigung und Angst wankt und in Ellie mit jedem weiteren Menschen, der sie aufgibt, weiter in den Abgrund zu fallen scheint...


"Sie liegen da falsch, wenn Sie denken, dass ich mich Ihrer kleinen Hexenjagd auf ein Mädchen anschließe, das bereits durch die Hölle gegangen ist! Sie alle hier machen mich krank, und ich werde alles tun, was ich kann, damit Ellie vor euch Irren sicher ist!"


Besonders ist an dieser Geschichte auch die kritische Spitze mit der gezeigt wird, wie leicht sich eine ganze Gemeinschaft aufwiegeln, Weltbilder zerstören und Menschen manipulieren lassen und wie leicht Vertrauen durch grausige Zufälle erschüttert werden kann. Doch neben der Ellie-Frage klaffen in dieser Geschichte leider noch sehr viele Lücken auf. Gerade am Anfang werden wir mit lahmem Geplänkel zu unterhalten versucht und werden langsam an die einzelnen Charaktere herangeführt, was sich sehr bald als schwierig herausstellt, da Imogen fast noch mehr Geheimnisse umranken als Ellie und bald klar wird, dass die Psychologin selbst eine Therapie bitter nötig hätte. So stehen wir Leser zwischen unprofessionellen Entscheidungen Imogens, halbgaren Andeutungen über die beiden Hauptcharaktere und gemeinem Mobbing Ellies Mitschüler und werden mit der Frage konfrontiert, wo die Geschichte denn überhaupt hinführen soll.


"Ellie hat Angst: Angst vor den Schreien, die sie geweckt hatten, Schreie, von denen sie nun weiß, dass sie in ihrem Kopf waren, und sie hatte Angst davor, wo sie gewesen war und warum sie sich nicht erinnerte, ihr Bett verlassen zu haben. Und sie hatte Angst davor, was sie getan haben könnte."


Der Schreibstil war zwar flüssig und gut zu lesen, Szenen mit spannendem Gruselpotential werden aber nur mäßig bis gar nicht ausgenutzt um das Rätselraten um die seltsamen Vorfälle aufzupeppen. Die Autorin lässt ihre Charaktere selbst immer wieder Bezüge zu Stephen Kings "Carrie" ziehen, was in eine Mysterythriller Richtung weisen würde. Gerade aber neben einem solchen Kultthrillern fehlte hier einfach die Atmosphäre und auch wenn durchaus Spannung durch die kurzen Kapitel, Szenen- und Erzählerwechsel und hohem Erzähltempo aufkommt, bleiben ein Gruselfaktor und eine grundsätzliche Faszination für die Geschichte aus. Atmosphärisch hätte man hier meiner Meinung nach viel mehr machen können. Gerade auch da durch die psychische Labilität fast aller Protagonisten ein Sympathieträger fehlt und gegen Ende die Story sehr unrund wirkte, kam bei mir das Gefühl auf, als würde irgendetwas fehlen. Sehr schade!


"Man kann nicht immerzu die Welt retten. Manchmal muss man einfach sich selbst retten!"



Fazit:



Ein durchaus interessanter Psychothriller, dem jedoch Atmosphäre und Gruselfaktor fehlen. Schade, dass aus den vielen spannenden Elementen nicht mehr gemacht wurde!

Veröffentlicht am 11.05.2018

Ein kleines Gesamtkunstwerk!

Ein Meer aus Tinte und Gold (Das Buch von Kelanna 1)
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Allgemeines:

Titel: Ein Meer aus Tinte und Gold
Autor: Traci Chee
Verlag: Carlsen (20. Oktober 2016)
ISBN-10: 3551317283
ISBN-13: 978-3551317285
ASIN: B01ELXD7ZG
Originaltitel: The Reader
Preis: 9,99€ ...

Allgemeines:

Titel: Ein Meer aus Tinte und Gold
Autor: Traci Chee
Verlag: Carlsen (20. Oktober 2016)
ISBN-10: 3551317283
ISBN-13: 978-3551317285
ASIN: B01ELXD7ZG
Originaltitel: The Reader
Preis: 9,99€ (Kindle-Edition)
9,99€ (Taschenbuch)
17,99€ (Gebundene Ausgabe)
Seitenzahl: 480 Seiten
Weitere Bände: "Ein Schatz aus Papier und Magie";
"Die Schlacht um Wörter und Blut"



Inhalt:

„Du hast die Wahl, Sefia. Lenk deine Zukunft oder lass dich von der Zukunft lenken."

Seit Sefias Vater ermordet wurde, kämpft sie mit ihrer Tante Nin ums Überleben. Aber dann wird Nin entführt und die einzige Spur zu ihr ist ein Buch: ein scheinbar nutzloser Gegenstand in einem Land, in dem fast niemand um die Existenz des geschriebenen Wortes weiß. Doch kaum berührt Sefia das makellose Papier, spürt sie eine magische Verbundenheit und lernt die Zeichen zu deuten. Das führt sie auf eine gefährliche Reise – und an die Seite eines stummen Jungen, der selbst voller Geheimnisse steckt.


Bewertung:

"Es war einmal und es wird eines Tages sein. So fangen alle Geschichten an."

Mit diesem Satz beginnt das wundervolle Märchen für Erwachsene, das neben seinem liebevoll gestalteten Aussehen auch durch Komplexität der Handlung, einen hinreißenden Schreibstil und berührende Charaktere entzückt. Ein kleines Kunstwerk!

Wie schon viele Leser vor mir will ich unbedingt das umwerfende Cover hervorheben. Ohne übertreiben zu wollen ist es denke ich das schönste aber vor allem passendste Cover, das ich je gesehen habe. Aus einem dynamisch wirkenden Meer aus goldenen Wellen ragt ein altes Buch mit vergilbten Seiten im Zentrum des Bildes hervor. Zwischen umher schwirrenden Buchstaben läuft die Silhouette eines Mädchens auf ein Schiff zu, welches am Rand des Buches vorbei fährt. Der Titel umrahmt dieses Bild in schwarzen Schnörkeln. Mal von der wunderschönen, warmen, lebendigen Ausstrahlung des Hintergrunds abgesehen, die das Buch zum absoluten Eye-Catcher macht, passen auch alle gezeigten Elemente ganz toll zur Handlung: das Piratenschiff, das den Rand der Welt erforscht, das Mädchen als Leserin oder als Gelesene, die goldenen Fäden der magischen Welt, die alle auf das Buch zurück laufen. Einzig und allein dass Archer nirgendwo zu sehen ist, könnte ich hier kritisieren. Das Cover ist ansonsten eine perfekte Verkörperung des Titels und der geheimen Botschaft, die zwischen den Zeilen versteckt an uns gerichtet ist:

"Dies ist ein Buch und ein Buch ist eine Welt
und ein Wort ist ein Samen, der Bedeutung enthält.
Seiten aus Meer und Ränder als Land
sind Völker und Leben in deiner Hand.
Doch prüf deine Welt und dein Dasein hier
wird zu Meeren aus Tinte zum Haus aus Papier.
Kennst du dich selbst oder hast du geirrt?
Bist du Leser oder der, der gelesen wird?"

Und nicht nur das Cover hebt diesen Fantasy-Roman von der Masse anderer ab. Auch innerhalb der Buchseiten erwarten unser prüfendes Leserauge jede Menge liebevoll gestaltete Überraschungen. Von einer Karte von Kelanna, eine kleine, handgeschriebene Notiz über hintersinnig geschwärzte Zeilen, schwarze Fingerabdrücke, geheimnisvolle Zeichen, vergilbt erscheinende, hervorgehobene Auszüge aus dem Buch, verschiedene Schriftarten bis zu versteckten Botschaften ist alles dabei um unser Gehirn auf Trab zu halten und unser Leserherz zu erfreuen! So werden wir auf ungewohnt aktive Weise mit in das Geschehen mit einbezogen und wird als Leser Teil dieser Geschichte, sowie Sefia Teil der ihrseits gelesenen Geschichte wird. Die Autorin spielt hier mit dem Grundgedanken einer Geschichte, eines Buches, wirft die philosophische Frage in den Raum, ob wir bloß Teil einer Geschichte sind, die andere lesen und schafft gleichzeitig eine Hymne an das Lesen an sich. Ganz große Klasse!


"Magie. Ihr war, als spähte sie an den Rändern der Sterne vorbei und sähe, was dahinter lag."


Nach einem kurzen Prolog beginnt die Geschichte um die Bedeutung von Geschichten im Herz von Kelannas, in Oxszini. Auf den willigen Leser warten 480 Seiten in einer eine wundervollen und schrecklichen Welt aus Wasser, Schiffen und Magie, in der das geschriebene Wort mit einem wertvollen Buch lange Zeit verschollen ist und Geschichten nur von Mund zu Mund weitergegeben werden. Dass Sefia schon bald Teil einer Geschichte mit unermesslichem Ausmaß werden soll, ahnt sie noch nicht, als sie mit ihrer Tante Nin auch noch den letzten Familienangehörigen verliert. Nachdem ihre Mutter an einer Krankheit verstarb und ihr Vater von geheimnisvollen Verfolgern getötet wurde, befand sie sich mit der alten Schmiedin immer auf der Flucht um etwas zu beschützen, von dem sie nicht einmal weiß, wozu es eigentlich gut sein soll.


"Wir müssen in Zukunft besser aufpassen." Da lächelte er. Ein echtes, warmes Lächeln, das ihn selbst zu überraschen schien. Als hätte er nicht gewusst, dass er das noch konnte. Sein Lächeln war ganz weich.
"Wir"
(...) Sie umfasste ihre Knie, ihre Augen glänzten im Dämmerlicht. Dann würden sie es zusammen machen, sie und Archer. Herausfinden, wofür das Buch gut war. Nin retten. Diejenigen finden, die ihr Leben zerstört hatten - und Rache üben."


Als in einer verhängnisvollen Nacht ihre Tante Nin von denselben dunklen Häschern entführt wird, die auch ihren Vater verfolgt haben, wird sie aus ihrer Untätigkeit gerissen. Um ihre Tante zu finden und ihre gesamte Familie zu rächen muss sie endlich hinter das Geheimnis des Gegenstandes kommen, den sie besitzt und der so wertvoll zu sein scheint, dass Morde dafür begangen werden. Zusammen mit dem stummen Kämpfer Archer begibt sie sich auf eine Suche nach der Wahrheit, die sie durch die vier Königreiche, über das innere Meer bis in die Hände des grausamen Piraten Sarakeen führt. Doch noch weiß sie nicht, dass sie den Schlüssel schon in ihren Händen hält. Denn als sie den seltsamen, in Leder gebundenen Kasten aufschlägt, verraten der nur flüchtig lesen gelehrten Sefia die ersten Worte den Namen für das Objekt. "Dies ist ein Buch", kann sie entziffern. Vier Worte, die ihr Leben komplett verändern sollen, denn was dieses Buch birgt sind unzählige Worte, die sich zu Sätzen, zu Geschichten formen - die Geschichte ganz Kelannas....


"Wenn sie in Kelanna trauern, erzählen sie Geschichten - als könnten sie dich dadurch bei sich behalten. Sie glauben, dass du, wenn man die Geschichten nur oft und lange genug erzählt, lebendig bleibst - wenn auch nur in der Erinnerung."


In recht langsamen aber wunderbar flüssigem und intensivem Tempo nimmt die originelle Geschichte ihren Lauf. Zwar hat man die Grundidee, ein Buch zur Mitte der Handlung zu machen in Klassikern wie "Tintenherz" oder "Die unendliche Geschichte" schon einmal gelesen, was dieser Roman aber damit macht, lässt sich klar von den schon existierenden Fantasy-Romanen abgrenzen. Mit dem geschickt verschlungenen Aufbau und dem tolles Setting, das abwechslungsreich und wunderbar detailreich ausgearbeitet ist, ohne dabei die Handlung zu bremsen, wird die Story zum kleinen Gesamtkunstwerk, das mitreißend und abenteuerlich erzählt wird. Der Schreibstil spielt in der Atmosphärenbildung eine sehr wichtige Rolle. Durch bildhafte aber dennoch lockere, leichte Sprache, bei der immer ein Hauch an sehnsuchtsvoller Melancholie mitschwingt, erscheint die ganze Geschichte wie ein sanfter Traum oder ein Märchen. Denn aufgrund der eigentlich abstrusen Mischung von einfühlsamen Gefühlsbeschreibungen und emotionaler Kälte, makabrer Gewalt und süßen Träumen, lockendem Abenteuer und dunkler Realität bekommt diese Geschichte eine intensive Grundstimmung, die berührt und verzaubert!

"Archer kniete neben ihr und strich mit den Fingerspitzen über ihr Gesicht. Jede Stelle, die er berührte glühte vor Wärme, und die trostlose Kälte ihres Herzens bekam Risse. Sie nahm seien Hand und hielt sie an ihre Wange, Haut an Haut."


Besonders spannend wird die Geschichte durch die verschiedenen Handlungsstränge, die in verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten spielen, sich aber nach und nach alle zu einem Gesamtbild verflechten. Durch den auktorialen Erzähler bekommen wir einen Einblick in die Gefühlswelt ganz unterschiedlicher Persönlichkeiten. Im Vordergrund steht die junge Sefia, die ihre Eltern sterben sehen musste, nichts gegen die Entführung ihrer Tante tun konnte und sich nun von Rachedurst, Neugier und Überlebenswillen getrieben auf die Suche nach der Wahrheit begibt. Sie ist ein absoluter Vorzeigecharakter der Fantasy-Literatur: verständnisvoll, mutig, herzlich, sensibel, selbst bestimmt, gewitzt und einfach nur liebenswert. Es ist wirklich schwer, sie nicht zu mögen!


"Es war, als wäre sie die ganze Zeit ausgesperrt gewesen und hätte durch einen Türspalt den Blick auf eine magische Welt erhascht. Doch das Buch war der Schlüssel."


An ihrer Seite steht Archer, den sie auf ihrer Reise eingesperrt in eine dunkle, enge Kiste findet, rettet und kurzerhand mitnimmt. Ohne dass er ein Wort reden kann, versteht Sefia, dass auch ihm das Schicksal böse mitgespielt hat und hilft dem geschlagenen, gebrochenen, zum Töten ausgebildeten jungen Mann, wieder menschlich zu werden und sich selbst wieder zu finden. Es ist herzzerreißend schön mit anzusehen, wie die beiden sich langsam näherkommen und sich bald ohne Worte verständigen und sich gegenseitig Halt geben können.


"Er spürte in seinem Inneren das wütende, stinkende Wesen, das nach Blut dürstete, seine hohlen Wangen unter Haut. Aber vielleicht musste er nicht so sein. Vielleicht konnte sich dafür entscheiden, ein ganzer Mensch zu sein: Archer, Jäger, Beschützer, Artischockenputzer, Spieler, Schiffsjunge, Quarzbesitzer, Freund. Dieser Gedanke begann in ihm zu reifen, langsam zunächst, dann jedoch schneller und heftiger, bis es heiß in ihm brodelte. Vielleicht hatte er eine Wahl."


Neben Archer und Sefia betrachten wir so auch noch die Abenteuer von Käpt´n Lees auf seinem Schiff, die "Strömung der Zuversicht", welche von kannibalischen Knochen über lebendige Inseln bis zum Rand der Welt und darüber hinaus führen. Den geheimnisvollen Käpt´n habe ich sehr schnell genau wie seine Crew, dem starken Zimmermann Ross, dem blinden und doch nicht orientierungslosen Ersten Steuermann, dem mutigen Lind, der geschickten Doc, dem missmutigen Jigo, dem begabten Cooky und dem fröhlichen Kallinago und vielen weiteren besonderen Persönlichkeiten, ins Herz geschlossen. Außerdem bekommen wir durch kurze Einschübe einen Einblick in die Sicht der Verfolger und erfahren durch den jungen Bibliotheks-Lehrling Lon und die angehende, tödliche Jägerin Mareah etwas über einen rätselhaften Orden, welcher es auf die Kontrolle der Menschheit und ein Monopol auf Wissen und Macht abgesehen hat...

"Sie ritzte den Satz mit der Messerspitze an den verborgenen Stellen des Waldes ein, in die höchsten Äste der größten Bäume: Dies ist ein Buch.
Oder sie schrieb auf die Steine eines zugeschütteten Lagerfeuers: Dies ist ein Buch.
Und sie malte es sich unsichtbar auf den Arm, auf das gebeugte Knie: Dies ist ein Buch. Ein Buch. Ein Buch. Ein Buch.
Sie wusste ja nicht, dass die Leute, die hinter ihr her waren, überall nach Spuren suchten: in den höchsten Bäumen, auf vergrabenen Steinen. Sie lechzten nach dem Buch wie Hungernde nach Essen. Krank vor Sehnsucht folgten sie ihr."


Das Ende der Geschichte erschien mir im Vergleich zum Rest ein wenig zu lasch und ist der einzige Grund, warum ich keine 5 Sterne vergeben will. Der Tod einer Hauptperson geschieht sehr schnell und ohne jegliche Bedeutung, die schlussendliche Auflösung der Zusammenhänge ist zu kurz und auch die wichtige Entwicklung, dass Archer endlich seine Stimme wieder findet, wird nur nebenbei abgehakt. Ansonsten mochte ich das relativ offen endende Finale, denn ich muss ja gar nicht mehr lange auf Band 2 warten Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt, wie es mit den Charakteren weiter geht und werde die Geschichte gespannt weiter verfolgen.

„Ein Zuhause ist das, was du dazu machst. Es kann ein Schiff sein. Oder das, was du Tag für Tag auf dem Rücken trägst. Oder deine Familie. Oder vielleicht nur ein Mensch, den du über alles liebst. Das ist zu Hause."


Fazit:


Ein kleines Gesamtkunstwerk, das durch den wundervollen Schreibstil, die komplexe Handlung und die mitschwingende sehnsuchtsvolle Melancholie wie ein sanfter Traum erscheint. Die intensive Grundstimmung entsteht durch die eigentlich abstruse Mischung von einfühlsamen Gefühlsbeschreibungen und emotionaler Kälte, makabrer Gewalt und süßen Träumen, lockendem Abenteuer und dunkler Realität und baut auf spannenden, originellen Charakteren. Ich bin verzaubert!

Veröffentlicht am 11.05.2018

Ein kleines Gesamtkunstwerk!

Das Buch von Kelanna 1: Ein Meer aus Tinte und Gold
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Allgemeines:

Titel: Ein Meer aus Tinte und Gold
Autor: Traci Chee
Verlag: Carlsen (20. Oktober 2016)
ISBN-10: 3551317283
ISBN-13: 978-3551317285
ASIN: B01ELXD7ZG
Originaltitel: The Reader
Preis: 9,99€ ...

Allgemeines:

Titel: Ein Meer aus Tinte und Gold
Autor: Traci Chee
Verlag: Carlsen (20. Oktober 2016)
ISBN-10: 3551317283
ISBN-13: 978-3551317285
ASIN: B01ELXD7ZG
Originaltitel: The Reader
Preis: 9,99€ (Kindle-Edition)
9,99€ (Taschenbuch)
17,99€ (Gebundene Ausgabe)
Seitenzahl: 480 Seiten
Weitere Bände: "Ein Schatz aus Papier und Magie";
"Die Schlacht um Wörter und Blut"



Inhalt:

„Du hast die Wahl, Sefia. Lenk deine Zukunft oder lass dich von der Zukunft lenken."

Seit Sefias Vater ermordet wurde, kämpft sie mit ihrer Tante Nin ums Überleben. Aber dann wird Nin entführt und die einzige Spur zu ihr ist ein Buch: ein scheinbar nutzloser Gegenstand in einem Land, in dem fast niemand um die Existenz des geschriebenen Wortes weiß. Doch kaum berührt Sefia das makellose Papier, spürt sie eine magische Verbundenheit und lernt die Zeichen zu deuten. Das führt sie auf eine gefährliche Reise – und an die Seite eines stummen Jungen, der selbst voller Geheimnisse steckt.


Bewertung:

"Es war einmal und es wird eines Tages sein. So fangen alle Geschichten an."

Mit diesem Satz beginnt das wundervolle Märchen für Erwachsene, das neben seinem liebevoll gestalteten Aussehen auch durch Komplexität der Handlung, einen hinreißenden Schreibstil und berührende Charaktere entzückt. Ein kleines Kunstwerk!

Wie schon viele Leser vor mir will ich unbedingt das umwerfende Cover hervorheben. Ohne übertreiben zu wollen ist es denke ich das schönste aber vor allem passendste Cover, das ich je gesehen habe. Aus einem dynamisch wirkenden Meer aus goldenen Wellen ragt ein altes Buch mit vergilbten Seiten im Zentrum des Bildes hervor. Zwischen umher schwirrenden Buchstaben läuft die Silhouette eines Mädchens auf ein Schiff zu, welches am Rand des Buches vorbei fährt. Der Titel umrahmt dieses Bild in schwarzen Schnörkeln. Mal von der wunderschönen, warmen, lebendigen Ausstrahlung des Hintergrunds abgesehen, die das Buch zum absoluten Eye-Catcher macht, passen auch alle gezeigten Elemente ganz toll zur Handlung: das Piratenschiff, das den Rand der Welt erforscht, das Mädchen als Leserin oder als Gelesene, die goldenen Fäden der magischen Welt, die alle auf das Buch zurück laufen. Einzig und allein dass Archer nirgendwo zu sehen ist, könnte ich hier kritisieren. Das Cover ist ansonsten eine perfekte Verkörperung des Titels und der geheimen Botschaft, die zwischen den Zeilen versteckt an uns gerichtet ist:

"Dies ist ein Buch und ein Buch ist eine Welt
und ein Wort ist ein Samen, der Bedeutung enthält.
Seiten aus Meer und Ränder als Land
sind Völker und Leben in deiner Hand.
Doch prüf deine Welt und dein Dasein hier
wird zu Meeren aus Tinte zum Haus aus Papier.
Kennst du dich selbst oder hast du geirrt?
Bist du Leser oder der, der gelesen wird?"

Und nicht nur das Cover hebt diesen Fantasy-Roman von der Masse anderer ab. Auch innerhalb der Buchseiten erwarten unser prüfendes Leserauge jede Menge liebevoll gestaltete Überraschungen. Von einer Karte von Kelanna, eine kleine, handgeschriebene Notiz über hintersinnig geschwärzte Zeilen, schwarze Fingerabdrücke, geheimnisvolle Zeichen, vergilbt erscheinende, hervorgehobene Auszüge aus dem Buch, verschiedene Schriftarten bis zu versteckten Botschaften ist alles dabei um unser Gehirn auf Trab zu halten und unser Leserherz zu erfreuen! So werden wir auf ungewohnt aktive Weise mit in das Geschehen mit einbezogen und wird als Leser Teil dieser Geschichte, sowie Sefia Teil der ihrseits gelesenen Geschichte wird. Die Autorin spielt hier mit dem Grundgedanken einer Geschichte, eines Buches, wirft die philosophische Frage in den Raum, ob wir bloß Teil einer Geschichte sind, die andere lesen und schafft gleichzeitig eine Hymne an das Lesen an sich. Ganz große Klasse!


"Magie. Ihr war, als spähte sie an den Rändern der Sterne vorbei und sähe, was dahinter lag."


Nach einem kurzen Prolog beginnt die Geschichte um die Bedeutung von Geschichten im Herz von Kelannas, in Oxszini. Auf den willigen Leser warten 480 Seiten in einer eine wundervollen und schrecklichen Welt aus Wasser, Schiffen und Magie, in der das geschriebene Wort mit einem wertvollen Buch lange Zeit verschollen ist und Geschichten nur von Mund zu Mund weitergegeben werden. Dass Sefia schon bald Teil einer Geschichte mit unermesslichem Ausmaß werden soll, ahnt sie noch nicht, als sie mit ihrer Tante Nin auch noch den letzten Familienangehörigen verliert. Nachdem ihre Mutter an einer Krankheit verstarb und ihr Vater von geheimnisvollen Verfolgern getötet wurde, befand sie sich mit der alten Schmiedin immer auf der Flucht um etwas zu beschützen, von dem sie nicht einmal weiß, wozu es eigentlich gut sein soll.


"Wir müssen in Zukunft besser aufpassen." Da lächelte er. Ein echtes, warmes Lächeln, das ihn selbst zu überraschen schien. Als hätte er nicht gewusst, dass er das noch konnte. Sein Lächeln war ganz weich.
"Wir"
(...) Sie umfasste ihre Knie, ihre Augen glänzten im Dämmerlicht. Dann würden sie es zusammen machen, sie und Archer. Herausfinden, wofür das Buch gut war. Nin retten. Diejenigen finden, die ihr Leben zerstört hatten - und Rache üben."


Als in einer verhängnisvollen Nacht ihre Tante Nin von denselben dunklen Häschern entführt wird, die auch ihren Vater verfolgt haben, wird sie aus ihrer Untätigkeit gerissen. Um ihre Tante zu finden und ihre gesamte Familie zu rächen muss sie endlich hinter das Geheimnis des Gegenstandes kommen, den sie besitzt und der so wertvoll zu sein scheint, dass Morde dafür begangen werden. Zusammen mit dem stummen Kämpfer Archer begibt sie sich auf eine Suche nach der Wahrheit, die sie durch die vier Königreiche, über das innere Meer bis in die Hände des grausamen Piraten Sarakeen führt. Doch noch weiß sie nicht, dass sie den Schlüssel schon in ihren Händen hält. Denn als sie den seltsamen, in Leder gebundenen Kasten aufschlägt, verraten der nur flüchtig lesen gelehrten Sefia die ersten Worte den Namen für das Objekt. "Dies ist ein Buch", kann sie entziffern. Vier Worte, die ihr Leben komplett verändern sollen, denn was dieses Buch birgt sind unzählige Worte, die sich zu Sätzen, zu Geschichten formen - die Geschichte ganz Kelannas....


"Wenn sie in Kelanna trauern, erzählen sie Geschichten - als könnten sie dich dadurch bei sich behalten. Sie glauben, dass du, wenn man die Geschichten nur oft und lange genug erzählt, lebendig bleibst - wenn auch nur in der Erinnerung."


In recht langsamen aber wunderbar flüssigem und intensivem Tempo nimmt die originelle Geschichte ihren Lauf. Zwar hat man die Grundidee, ein Buch zur Mitte der Handlung zu machen in Klassikern wie "Tintenherz" oder "Die unendliche Geschichte" schon einmal gelesen, was dieser Roman aber damit macht, lässt sich klar von den schon existierenden Fantasy-Romanen abgrenzen. Mit dem geschickt verschlungenen Aufbau und dem tolles Setting, das abwechslungsreich und wunderbar detailreich ausgearbeitet ist, ohne dabei die Handlung zu bremsen, wird die Story zum kleinen Gesamtkunstwerk, das mitreißend und abenteuerlich erzählt wird. Der Schreibstil spielt in der Atmosphärenbildung eine sehr wichtige Rolle. Durch bildhafte aber dennoch lockere, leichte Sprache, bei der immer ein Hauch an sehnsuchtsvoller Melancholie mitschwingt, erscheint die ganze Geschichte wie ein sanfter Traum oder ein Märchen. Denn aufgrund der eigentlich abstrusen Mischung von einfühlsamen Gefühlsbeschreibungen und emotionaler Kälte, makabrer Gewalt und süßen Träumen, lockendem Abenteuer und dunkler Realität bekommt diese Geschichte eine intensive Grundstimmung, die berührt und verzaubert!

"Archer kniete neben ihr und strich mit den Fingerspitzen über ihr Gesicht. Jede Stelle, die er berührte glühte vor Wärme, und die trostlose Kälte ihres Herzens bekam Risse. Sie nahm seien Hand und hielt sie an ihre Wange, Haut an Haut."


Besonders spannend wird die Geschichte durch die verschiedenen Handlungsstränge, die in verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten spielen, sich aber nach und nach alle zu einem Gesamtbild verflechten. Durch den auktorialen Erzähler bekommen wir einen Einblick in die Gefühlswelt ganz unterschiedlicher Persönlichkeiten. Im Vordergrund steht die junge Sefia, die ihre Eltern sterben sehen musste, nichts gegen die Entführung ihrer Tante tun konnte und sich nun von Rachedurst, Neugier und Überlebenswillen getrieben auf die Suche nach der Wahrheit begibt. Sie ist ein absoluter Vorzeigecharakter der Fantasy-Literatur: verständnisvoll, mutig, herzlich, sensibel, selbst bestimmt, gewitzt und einfach nur liebenswert. Es ist wirklich schwer, sie nicht zu mögen!


"Es war, als wäre sie die ganze Zeit ausgesperrt gewesen und hätte durch einen Türspalt den Blick auf eine magische Welt erhascht. Doch das Buch war der Schlüssel."


An ihrer Seite steht Archer, den sie auf ihrer Reise eingesperrt in eine dunkle, enge Kiste findet, rettet und kurzerhand mitnimmt. Ohne dass er ein Wort reden kann, versteht Sefia, dass auch ihm das Schicksal böse mitgespielt hat und hilft dem geschlagenen, gebrochenen, zum Töten ausgebildeten jungen Mann, wieder menschlich zu werden und sich selbst wieder zu finden. Es ist herzzerreißend schön mit anzusehen, wie die beiden sich langsam näherkommen und sich bald ohne Worte verständigen und sich gegenseitig Halt geben können.


"Er spürte in seinem Inneren das wütende, stinkende Wesen, das nach Blut dürstete, seine hohlen Wangen unter Haut. Aber vielleicht musste er nicht so sein. Vielleicht konnte sich dafür entscheiden, ein ganzer Mensch zu sein: Archer, Jäger, Beschützer, Artischockenputzer, Spieler, Schiffsjunge, Quarzbesitzer, Freund. Dieser Gedanke begann in ihm zu reifen, langsam zunächst, dann jedoch schneller und heftiger, bis es heiß in ihm brodelte. Vielleicht hatte er eine Wahl."


Neben Archer und Sefia betrachten wir so auch noch die Abenteuer von Käpt´n Lees auf seinem Schiff, die "Strömung der Zuversicht", welche von kannibalischen Knochen über lebendige Inseln bis zum Rand der Welt und darüber hinaus führen. Den geheimnisvollen Käpt´n habe ich sehr schnell genau wie seine Crew, dem starken Zimmermann Ross, dem blinden und doch nicht orientierungslosen Ersten Steuermann, dem mutigen Lind, der geschickten Doc, dem missmutigen Jigo, dem begabten Cooky und dem fröhlichen Kallinago und vielen weiteren besonderen Persönlichkeiten, ins Herz geschlossen. Außerdem bekommen wir durch kurze Einschübe einen Einblick in die Sicht der Verfolger und erfahren durch den jungen Bibliotheks-Lehrling Lon und die angehende, tödliche Jägerin Mareah etwas über einen rätselhaften Orden, welcher es auf die Kontrolle der Menschheit und ein Monopol auf Wissen und Macht abgesehen hat...

"Sie ritzte den Satz mit der Messerspitze an den verborgenen Stellen des Waldes ein, in die höchsten Äste der größten Bäume: Dies ist ein Buch.
Oder sie schrieb auf die Steine eines zugeschütteten Lagerfeuers: Dies ist ein Buch.
Und sie malte es sich unsichtbar auf den Arm, auf das gebeugte Knie: Dies ist ein Buch. Ein Buch. Ein Buch. Ein Buch.
Sie wusste ja nicht, dass die Leute, die hinter ihr her waren, überall nach Spuren suchten: in den höchsten Bäumen, auf vergrabenen Steinen. Sie lechzten nach dem Buch wie Hungernde nach Essen. Krank vor Sehnsucht folgten sie ihr."


Das Ende der Geschichte erschien mir im Vergleich zum Rest ein wenig zu lasch und ist der einzige Grund, warum ich keine 5 Sterne vergeben will. Der Tod einer Hauptperson geschieht sehr schnell und ohne jegliche Bedeutung, die schlussendliche Auflösung der Zusammenhänge ist zu kurz und auch die wichtige Entwicklung, dass Archer endlich seine Stimme wieder findet, wird nur nebenbei abgehakt. Ansonsten mochte ich das relativ offen endende Finale, denn ich muss ja gar nicht mehr lange auf Band 2 warten Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt, wie es mit den Charakteren weiter geht und werde die Geschichte gespannt weiter verfolgen.

„Ein Zuhause ist das, was du dazu machst. Es kann ein Schiff sein. Oder das, was du Tag für Tag auf dem Rücken trägst. Oder deine Familie. Oder vielleicht nur ein Mensch, den du über alles liebst. Das ist zu Hause."


Fazit:


Ein kleines Gesamtkunstwerk, das durch den wundervollen Schreibstil, die komplexe Handlung und die mitschwingende sehnsuchtsvolle Melancholie wie ein sanfter Traum erscheint. Die intensive Grundstimmung entsteht durch die eigentlich abstruse Mischung von einfühlsamen Gefühlsbeschreibungen und emotionaler Kälte, makabrer Gewalt und süßen Träumen, lockendem Abenteuer und dunkler Realität und baut auf spannenden, originellen Charakteren. Ich bin verzaubert!

Veröffentlicht am 11.05.2018

Ein kleines Gesamtkunstwerk!

Ein Meer aus Tinte und Gold (Das Buch von Kelanna 1)
2

Allgemeines:

Titel: Ein Meer aus Tinte und Gold
Autor: Traci Chee
Verlag: Carlsen (20. Oktober 2016)
ISBN-10: 3551317283
ISBN-13: 978-3551317285
ASIN: B01ELXD7ZG
Originaltitel: The Reader
Preis: 9,99€ ...

Allgemeines:

Titel: Ein Meer aus Tinte und Gold
Autor: Traci Chee
Verlag: Carlsen (20. Oktober 2016)
ISBN-10: 3551317283
ISBN-13: 978-3551317285
ASIN: B01ELXD7ZG
Originaltitel: The Reader
Preis: 9,99€ (Kindle-Edition)
9,99€ (Taschenbuch)
17,99€ (Gebundene Ausgabe)
Seitenzahl: 480 Seiten
Weitere Bände: "Ein Schatz aus Papier und Magie";
"Die Schlacht um Wörter und Blut"



Inhalt:

„Du hast die Wahl, Sefia. Lenk deine Zukunft oder lass dich von der Zukunft lenken."

Seit Sefias Vater ermordet wurde, kämpft sie mit ihrer Tante Nin ums Überleben. Aber dann wird Nin entführt und die einzige Spur zu ihr ist ein Buch: ein scheinbar nutzloser Gegenstand in einem Land, in dem fast niemand um die Existenz des geschriebenen Wortes weiß. Doch kaum berührt Sefia das makellose Papier, spürt sie eine magische Verbundenheit und lernt die Zeichen zu deuten. Das führt sie auf eine gefährliche Reise – und an die Seite eines stummen Jungen, der selbst voller Geheimnisse steckt.


Bewertung:

"Es war einmal und es wird eines Tages sein. So fangen alle Geschichten an."

Mit diesem Satz beginnt das wundervolle Märchen für Erwachsene, das neben seinem liebevoll gestalteten Aussehen auch durch Komplexität der Handlung, einen hinreißenden Schreibstil und berührende Charaktere entzückt. Ein kleines Kunstwerk!

Wie schon viele Leser vor mir will ich unbedingt das umwerfende Cover hervorheben. Ohne übertreiben zu wollen ist es denke ich das schönste aber vor allem passendste Cover, das ich je gesehen habe. Aus einem dynamisch wirkenden Meer aus goldenen Wellen ragt ein altes Buch mit vergilbten Seiten im Zentrum des Bildes hervor. Zwischen umher schwirrenden Buchstaben läuft die Silhouette eines Mädchens auf ein Schiff zu, welches am Rand des Buches vorbei fährt. Der Titel umrahmt dieses Bild in schwarzen Schnörkeln. Mal von der wunderschönen, warmen, lebendigen Ausstrahlung des Hintergrunds abgesehen, die das Buch zum absoluten Eye-Catcher macht, passen auch alle gezeigten Elemente ganz toll zur Handlung: das Piratenschiff, das den Rand der Welt erforscht, das Mädchen als Leserin oder als Gelesene, die goldenen Fäden der magischen Welt, die alle auf das Buch zurück laufen. Einzig und allein dass Archer nirgendwo zu sehen ist, könnte ich hier kritisieren. Das Cover ist ansonsten eine perfekte Verkörperung des Titels und der geheimen Botschaft, die zwischen den Zeilen versteckt an uns gerichtet ist:

"Dies ist ein Buch und ein Buch ist eine Welt
und ein Wort ist ein Samen, der Bedeutung enthält.
Seiten aus Meer und Ränder als Land
sind Völker und Leben in deiner Hand.
Doch prüf deine Welt und dein Dasein hier
wird zu Meeren aus Tinte zum Haus aus Papier.
Kennst du dich selbst oder hast du geirrt?
Bist du Leser oder der, der gelesen wird?"

Und nicht nur das Cover hebt diesen Fantasy-Roman von der Masse anderer ab. Auch innerhalb der Buchseiten erwarten unser prüfendes Leserauge jede Menge liebevoll gestaltete Überraschungen. Von einer Karte von Kelanna, eine kleine, handgeschriebene Notiz über hintersinnig geschwärzte Zeilen, schwarze Fingerabdrücke, geheimnisvolle Zeichen, vergilbt erscheinende, hervorgehobene Auszüge aus dem Buch, verschiedene Schriftarten bis zu versteckten Botschaften ist alles dabei um unser Gehirn auf Trab zu halten und unser Leserherz zu erfreuen! So werden wir auf ungewohnt aktive Weise mit in das Geschehen mit einbezogen und wird als Leser Teil dieser Geschichte, sowie Sefia Teil der ihrseits gelesenen Geschichte wird. Die Autorin spielt hier mit dem Grundgedanken einer Geschichte, eines Buches, wirft die philosophische Frage in den Raum, ob wir bloß Teil einer Geschichte sind, die andere lesen und schafft gleichzeitig eine Hymne an das Lesen an sich. Ganz große Klasse!


"Magie. Ihr war, als spähte sie an den Rändern der Sterne vorbei und sähe, was dahinter lag."


Nach einem kurzen Prolog beginnt die Geschichte um die Bedeutung von Geschichten im Herz von Kelannas, in Oxszini. Auf den willigen Leser warten 480 Seiten in einer eine wundervollen und schrecklichen Welt aus Wasser, Schiffen und Magie, in der das geschriebene Wort mit einem wertvollen Buch lange Zeit verschollen ist und Geschichten nur von Mund zu Mund weitergegeben werden. Dass Sefia schon bald Teil einer Geschichte mit unermesslichem Ausmaß werden soll, ahnt sie noch nicht, als sie mit ihrer Tante Nin auch noch den letzten Familienangehörigen verliert. Nachdem ihre Mutter an einer Krankheit verstarb und ihr Vater von geheimnisvollen Verfolgern getötet wurde, befand sie sich mit der alten Schmiedin immer auf der Flucht um etwas zu beschützen, von dem sie nicht einmal weiß, wozu es eigentlich gut sein soll.


"Wir müssen in Zukunft besser aufpassen." Da lächelte er. Ein echtes, warmes Lächeln, das ihn selbst zu überraschen schien. Als hätte er nicht gewusst, dass er das noch konnte. Sein Lächeln war ganz weich.
"Wir"
(...) Sie umfasste ihre Knie, ihre Augen glänzten im Dämmerlicht. Dann würden sie es zusammen machen, sie und Archer. Herausfinden, wofür das Buch gut war. Nin retten. Diejenigen finden, die ihr Leben zerstört hatten - und Rache üben."


Als in einer verhängnisvollen Nacht ihre Tante Nin von denselben dunklen Häschern entführt wird, die auch ihren Vater verfolgt haben, wird sie aus ihrer Untätigkeit gerissen. Um ihre Tante zu finden und ihre gesamte Familie zu rächen muss sie endlich hinter das Geheimnis des Gegenstandes kommen, den sie besitzt und der so wertvoll zu sein scheint, dass Morde dafür begangen werden. Zusammen mit dem stummen Kämpfer Archer begibt sie sich auf eine Suche nach der Wahrheit, die sie durch die vier Königreiche, über das innere Meer bis in die Hände des grausamen Piraten Sarakeen führt. Doch noch weiß sie nicht, dass sie den Schlüssel schon in ihren Händen hält. Denn als sie den seltsamen, in Leder gebundenen Kasten aufschlägt, verraten der nur flüchtig lesen gelehrten Sefia die ersten Worte den Namen für das Objekt. "Dies ist ein Buch", kann sie entziffern. Vier Worte, die ihr Leben komplett verändern sollen, denn was dieses Buch birgt sind unzählige Worte, die sich zu Sätzen, zu Geschichten formen - die Geschichte ganz Kelannas....


"Wenn sie in Kelanna trauern, erzählen sie Geschichten - als könnten sie dich dadurch bei sich behalten. Sie glauben, dass du, wenn man die Geschichten nur oft und lange genug erzählt, lebendig bleibst - wenn auch nur in der Erinnerung."


In recht langsamen aber wunderbar flüssigem und intensivem Tempo nimmt die originelle Geschichte ihren Lauf. Zwar hat man die Grundidee, ein Buch zur Mitte der Handlung zu machen in Klassikern wie "Tintenherz" oder "Die unendliche Geschichte" schon einmal gelesen, was dieser Roman aber damit macht, lässt sich klar von den schon existierenden Fantasy-Romanen abgrenzen. Mit dem geschickt verschlungenen Aufbau und dem tolles Setting, das abwechslungsreich und wunderbar detailreich ausgearbeitet ist, ohne dabei die Handlung zu bremsen, wird die Story zum kleinen Gesamtkunstwerk, das mitreißend und abenteuerlich erzählt wird. Der Schreibstil spielt in der Atmosphärenbildung eine sehr wichtige Rolle. Durch bildhafte aber dennoch lockere, leichte Sprache, bei der immer ein Hauch an sehnsuchtsvoller Melancholie mitschwingt, erscheint die ganze Geschichte wie ein sanfter Traum oder ein Märchen. Denn aufgrund der eigentlich abstrusen Mischung von einfühlsamen Gefühlsbeschreibungen und emotionaler Kälte, makabrer Gewalt und süßen Träumen, lockendem Abenteuer und dunkler Realität bekommt diese Geschichte eine intensive Grundstimmung, die berührt und verzaubert!

"Archer kniete neben ihr und strich mit den Fingerspitzen über ihr Gesicht. Jede Stelle, die er berührte glühte vor Wärme, und die trostlose Kälte ihres Herzens bekam Risse. Sie nahm seien Hand und hielt sie an ihre Wange, Haut an Haut."


Besonders spannend wird die Geschichte durch die verschiedenen Handlungsstränge, die in verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten spielen, sich aber nach und nach alle zu einem Gesamtbild verflechten. Durch den auktorialen Erzähler bekommen wir einen Einblick in die Gefühlswelt ganz unterschiedlicher Persönlichkeiten. Im Vordergrund steht die junge Sefia, die ihre Eltern sterben sehen musste, nichts gegen die Entführung ihrer Tante tun konnte und sich nun von Rachedurst, Neugier und Überlebenswillen getrieben auf die Suche nach der Wahrheit begibt. Sie ist ein absoluter Vorzeigecharakter der Fantasy-Literatur: verständnisvoll, mutig, herzlich, sensibel, selbst bestimmt, gewitzt und einfach nur liebenswert. Es ist wirklich schwer, sie nicht zu mögen!


"Es war, als wäre sie die ganze Zeit ausgesperrt gewesen und hätte durch einen Türspalt den Blick auf eine magische Welt erhascht. Doch das Buch war der Schlüssel."


An ihrer Seite steht Archer, den sie auf ihrer Reise eingesperrt in eine dunkle, enge Kiste findet, rettet und kurzerhand mitnimmt. Ohne dass er ein Wort reden kann, versteht Sefia, dass auch ihm das Schicksal böse mitgespielt hat und hilft dem geschlagenen, gebrochenen, zum Töten ausgebildeten jungen Mann, wieder menschlich zu werden und sich selbst wieder zu finden. Es ist herzzerreißend schön mit anzusehen, wie die beiden sich langsam näherkommen und sich bald ohne Worte verständigen und sich gegenseitig Halt geben können.


"Er spürte in seinem Inneren das wütende, stinkende Wesen, das nach Blut dürstete, seine hohlen Wangen unter Haut. Aber vielleicht musste er nicht so sein. Vielleicht konnte sich dafür entscheiden, ein ganzer Mensch zu sein: Archer, Jäger, Beschützer, Artischockenputzer, Spieler, Schiffsjunge, Quarzbesitzer, Freund. Dieser Gedanke begann in ihm zu reifen, langsam zunächst, dann jedoch schneller und heftiger, bis es heiß in ihm brodelte. Vielleicht hatte er eine Wahl."


Neben Archer und Sefia betrachten wir so auch noch die Abenteuer von Käpt´n Lees auf seinem Schiff, die "Strömung der Zuversicht", welche von kannibalischen Knochen über lebendige Inseln bis zum Rand der Welt und darüber hinaus führen. Den geheimnisvollen Käpt´n habe ich sehr schnell genau wie seine Crew, dem starken Zimmermann Ross, dem blinden und doch nicht orientierungslosen Ersten Steuermann, dem mutigen Lind, der geschickten Doc, dem missmutigen Jigo, dem begabten Cooky und dem fröhlichen Kallinago und vielen weiteren besonderen Persönlichkeiten, ins Herz geschlossen. Außerdem bekommen wir durch kurze Einschübe einen Einblick in die Sicht der Verfolger und erfahren durch den jungen Bibliotheks-Lehrling Lon und die angehende, tödliche Jägerin Mareah etwas über einen rätselhaften Orden, welcher es auf die Kontrolle der Menschheit und ein Monopol auf Wissen und Macht abgesehen hat...

"Sie ritzte den Satz mit der Messerspitze an den verborgenen Stellen des Waldes ein, in die höchsten Äste der größten Bäume: Dies ist ein Buch.
Oder sie schrieb auf die Steine eines zugeschütteten Lagerfeuers: Dies ist ein Buch.
Und sie malte es sich unsichtbar auf den Arm, auf das gebeugte Knie: Dies ist ein Buch. Ein Buch. Ein Buch. Ein Buch.
Sie wusste ja nicht, dass die Leute, die hinter ihr her waren, überall nach Spuren suchten: in den höchsten Bäumen, auf vergrabenen Steinen. Sie lechzten nach dem Buch wie Hungernde nach Essen. Krank vor Sehnsucht folgten sie ihr."


Das Ende der Geschichte erschien mir im Vergleich zum Rest ein wenig zu lasch und ist der einzige Grund, warum ich keine 5 Sterne vergeben will. Der Tod einer Hauptperson geschieht sehr schnell und ohne jegliche Bedeutung, die schlussendliche Auflösung der Zusammenhänge ist zu kurz und auch die wichtige Entwicklung, dass Archer endlich seine Stimme wieder findet, wird nur nebenbei abgehakt. Ansonsten mochte ich das relativ offen endende Finale, denn ich muss ja gar nicht mehr lange auf Band 2 warten Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt, wie es mit den Charakteren weiter geht und werde die Geschichte gespannt weiter verfolgen.

„Ein Zuhause ist das, was du dazu machst. Es kann ein Schiff sein. Oder das, was du Tag für Tag auf dem Rücken trägst. Oder deine Familie. Oder vielleicht nur ein Mensch, den du über alles liebst. Das ist zu Hause."


Fazit:


Ein kleines Gesamtkunstwerk, das durch den wundervollen Schreibstil, die komplexe Handlung und die mitschwingende sehnsuchtsvolle Melancholie wie ein sanfter Traum erscheint. Die intensive Grundstimmung entsteht durch die eigentlich abstruse Mischung von einfühlsamen Gefühlsbeschreibungen und emotionaler Kälte, makabrer Gewalt und süßen Träumen, lockendem Abenteuer und dunkler Realität und baut auf spannenden, originellen Charakteren. Ich bin verzaubert!

Veröffentlicht am 29.04.2018

Krass ungeschönt, klug verworren und clever konstruiert!

Gone Girl - Das perfekte Opfer
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Allgemeines:

Titel: Gone Girl - Das perfekte Opfer
Autor: Gillian Flynn
Genre: Thriller
Verlag: FISCHER (24. Juli 2014)
ISBN-10: 3596188784
ISBN-13: 978-3596188789
ASIN: B00C2J1US8
Originaltitel: Gone ...

Allgemeines:

Titel: Gone Girl - Das perfekte Opfer
Autor: Gillian Flynn
Genre: Thriller
Verlag: FISCHER (24. Juli 2014)
ISBN-10: 3596188784
ISBN-13: 978-3596188789
ASIN: B00C2J1US8
Originaltitel: Gone Girl
Seitenzahl: 592 Seiten
Preis: 16,99€ (Taschenbuch)
19,99€ (gebundene Ausgabe)
9,99€ (Kindle-Edition)



Inhalt:

„Was denkst du gerade, Amy?” Diese Frage habe ich ihr oft während unserer Ehe gestellt. Ich glaube, das fragt man sich immer wieder: Was denkst du? Wer bist du? Wie gut kennt man eigentlich den Menschen, den man liebt? "


Genau diese Fragen stellt sich Nick Dunne am Morgen seines fünften Hochzeitstages, dem Morgen, an dem seine Frau Amy spurlos verschwindet. Die Polizei verdächtigt sogleich Nick. Amys Freunde berichten, dass sie Angst vor ihm hatte. Er schwört, dass das nicht wahr ist. Dann erhält er sonderbare Anrufe. Was geschah mit Nicks wunderbarer Frau Amy?


Bewertung:

Erster Satz: "Wenn ich an meine Frau denke, fällt mir immer ihr Kopf ein."

Schon der erste Satz des wohl meist gehyptesten Thriller der letzten 5 Jahre wirkt grotesk und subtil gruselig. Und genau diese zwei Adjektive haben mich die letzten 2 Wochen begleitet. So lange habe ich nämlich gebraucht, um diesen Hochkaräter endlich durch zu haben. Das lag vielleicht auch an meiner wenigen Zeit, der vielen Arbeit und meinem Stress, aber in erster Linie lag es wohl an dem absolut kranken und verstörenden Inhalt der Geschichte. Ich will gar nicht abstreiten, dass das Buch trotzdem eine dunkle Anziehungskraft ausströmt und sich gerade gegen Ende als geniales Meisterwerk entpuppt, dennoch ist es nichts, was man unter einer leichten Lektüre verstehen würde: sehr psychologisch, verstörend und schlau.

Schon das Cover hat eine geheimnisvolle Wirkung auf mich gehabt. Meine Ausgabe ist einheitlich schwarz (die neuere ist dunkelblau), was sich herrlich mit dem grellen, lachsfarbenen Titel beißt, der in großen Lettern in der Mitte des Covers thront. Die Wirkung des Covers machen jedoch die weißen Fasern aus, die scheinbar willkürlich ins Bild hineinragen und sehr an helle Haare erinnern, ohne genau sagen zu können, was es wirklich darstellt. Ohne ein genaueres Motiv zu haben, kommt hier also das Gefühl von einer Abwesenheit auf, als wäre die Person, denen die Haare gehören gerade aus dem Bildausschnitt gerannt. Eine passende Assoziation, wie ich finde. Etwas seltsam finde ich dagegen die Unterteilung der Geschichte in drei unregelmäßig große Teile mit rätselhaften Namen.

Unter der Überschrift "Junge verliert Mädchen" aus der Sicht von Nick Dunne am "Tag als,...", wie es in der Kapitelüberschrift immer so schön heißt, beginnt die Geschichte. Zuerst erscheint der Alltag des etwas emotional distanzierten Ehepaares ganz normal und durch Tagebucheinträge aus der Sicht Amy Dunnes wird mit der süßen Vorgeschichte eines schönen und erfolgreichen Journalistenehepaares in New York ein normales Durchschnittsleben suggeriert. Als dann aber Amy aus scheinbar heiterem Leben verschwindet und eine Menge rätselhafte Hinweise auf Nick als Täter hindeuten, müssen sowohl die Ermittler als auch Nick das Eheleben umkrempeln um herauszufinden, was wirklich passiert ist. Während zu Beginn Nick als komplett unfähig einen Mord begangen zu haben dasteht, kommen im mittleren Teil der Geschichte durch Amys fortschreitende Tagebucheinträge immer mehr erschreckende Details über die letzten Jahre der Ehe ans Licht. Von beiden Seiten, von Amy durch ihre Tagebucheinträge und aus Nicks Perspektive nach ihrem Verschwinden dürfen miterleben, wie Liebe langsam in Genervt-Sein, Ekel, Abscheu und schließlich Hass umschlagen kann, wenn man sich besser kennt als jeden anderen Menschen auf der Welt. Das zuvor gemäßigte Bild eines glücklichen Paares bekommt Risse und bricht dann gnadenlos auseinander - die Story, die zuvor langsam vor sich hin geplätschert war und sich viel Zeit für eine langatmige Einleitung und ausführliche Beschreibungen der Charaktere genommen hat - wird zu einem rabenschwarzen und bitterbösen Beziehungs-Thriller.


"Könnt ihr euch vorstellen, wie es ist, wenn man seinem Partner, seinem Seelenpartner endlich sein wahres Selbst zeigt, und er kann es nicht leiden? So nahm der Hass seinen Anfang"


Durch die verschiedenen zeitlichen und personellen Perspektiven bekommt die sonst so statische Geschichte, die sich bloß mit dem zeitlichen Rahmen von etwa einem Monat nach Amys Verschwinden befasst, die nötige Dynamik. Mit jedem Tagebucheintrag kommen neue Dinge über die fünf Jahre Ehe ans Licht und unser Verständnis für Amy und unsere Zweifel bezüglich Nicks Ehrlichkeit wachsen. Doch so einfach macht es uns die Autorin nicht. Mit vielen krassen 360 Grad Wendungen zerstört sie immer wieder das Bild, das wir uns von den Protagonisten gemacht hat und enthüllt ganze Textteile als weiteren strategischen Zug in dem Spiel zwischen Amy und Nick, das mit den Gefühlen der Leser genau wie mit den Ermittlern spielt, auf die voreingenommene öffentliche Meinung setzt und keinen geringeren Einsatz als ihr jeweiliges Leben hat. Schnell findet man sich mitten in einer einzigen Verwirrung aus Wahrheit und Lüge wieder, bei der Liebe und Hass genauso eng zusammen liegen wie Berechnung und Zufall, wie Schuld und Unschuld...

Einen besonderen Touch erhält diese originelle Achterbahnfahrt der getäuschten Erwartungen und Gefühle durch den wundervollen Schreibstil von Gillian Flynn. Ich habe noch nie ein Buch gelesen, dass so viele eiskalte Enthüllung menschlicher Eigenarten enthält und durch präzise Beobachtungen verschiedene Verhaltensmuster aufdeckt, unter denen man sich selbst von Zeit zu Zeit wiedererkennt. So wird das Ehepaar, dass sich auf perfide Weise das Leben zur Hölle macht zum Beispiel für ein typisches Spiel um Macht und die vielen kleinen Kämpfe ein übersteigertes Abbild dessen, was wir uns jeden Tag mit unseren Mitmenschen liefern: ein Mix aus Undankbarkeit, Gönnerhaftigkeit, dem Traum vom "weißen Ritter" und der Projektion von Selbstverachtung. Die Art und Weise, wie Gillian Flynn hier menschliche Abgründe präsentiert und ungeschönt berichtet, was Menschen sich gegenseitig antun können, ist wirklich einzigartig und verblüffend klug.

Dabei werden wirklich interessante Fragen gestellt. Neben der altbekannten Problematik um die wirkliche Bedeutung von Liebe werden auch Persönlichkeitsstörungen angezeichnet und die Frage gestellt, wie natürlich der Wechsel unserer Rollen ist und ob wir nicht alle gelegentlich ohne es zu bemerken andere Rollen einnehmen, um etwas zu bekommen, was wir wollen, nur um langsam daran zugrunde zu gehen. Besonders interessant sind hier natürlich die Charaktere. Die beiden Protagonisten Amy und Nick und ihre Beziehung zueinander sind natürlich das Kernstück der Geschichte. Beide haben auf verschiedene Weise in ihrer Kindheit nicht das erfahren können, was sie gebraucht hätten und sind so zu sozial inkompetenten Personen geworden, die im Laufe der Geschichte unterschiedlich viel Schuld auf sich laden. Und gerade weil die beiden es nicht darauf anlegen, die Sympathie des Lesers zu ergattern, wirken sie so echt, so authentisch und so krass realistisch! Obwohl Nick eigentlich der Haupterzähler ist, liegt der Schwerpunkt doch auf dem "Gone Girl", auf Amy.

Während Nick von der lieblosen Beziehung zu seinem misogynen Vater geprägt wurde und dadurch zu einem unsicheren Jungen mit dem krankhaften, allen anderen zu gefallen und jeder Konfrontation auszuweichen geworden ist, hatte Amy eine weitaus bessere Beziehung zu ihren Eltern. Als letzter und schließlich geglückter Versuch nach etlichen Fehlgeburten ein Kind zu bekommen, steht sie unter dem Druck, immer perfekt zu sein. Dazu kommt dass Rand und Marybeth Elliott, nach Jahrzehnten der Ehe immer noch verliebt, eine gemeinsame Buchreihe namens "Amazing Amy" herausgebracht haben, deren Hauptperson ein übermenschlich perfektes Mädchen ist, das stets die richtigen Entscheidungen trifft und mit allem fertig wird, was das Leben so liefert. Kein Wunder dass Amy Elliott Dunne zur fleischgewordenen Amazing Amy erzogen wird und das elterliche Projekt in der Wirklichkeit abzubilden versucht, ohne jemals eine eigene Persönlichkeit finden zu können. So kommt es, dass sie krankhaft in verschiedene Rollen schlüpft und versucht, um jeden Preis die liebenswürdige und perfekte "Amazing" Amy zu sein, auch wenn sie dadurch narzisstische, autoritäre und psychopathische Züge annimmt.

"Haben Sie ihre Frau getötet, Nick?"

Tja, das könnt ihr nur herausfinden, wenn ihr das Buch lest. Vor allem wegen des grandiosen Finales lohnt sich die Lektüre auf jeden Fall! "Gone Girl" war sicherlich nicht das letzte Buch von Gillian Flynn, dass bei mir eingezogen ist.


Fazit:

Krass ungeschönt, klug verworren und clever konstruiert: ein geniales Meisterwerk von einem rabenschwarzen und bitterbösen Beziehungs-Thriller.