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Veröffentlicht am 03.09.2017

"Unwetter haben keine Angst!"

Die Perfekten
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Allgemeines:

Titel: Die Perfekten
Autor: Caroline Brinkmann
Verlag: ONE, Imprint der Bastei Lübbe AG (25. August 2017)
Genre: Dystopie
ASIN: B071F17NDH
ISBN-10: 3846600490
ISBN-13: 978-3846600498
Seitenzahl: ...

Allgemeines:

Titel: Die Perfekten
Autor: Caroline Brinkmann
Verlag: ONE, Imprint der Bastei Lübbe AG (25. August 2017)
Genre: Dystopie
ASIN: B071F17NDH
ISBN-10: 3846600490
ISBN-13: 978-3846600498
Seitenzahl: 608 Seiten
Preis: 18€ (Gebundene Ausgabe)
13,99€ (Kindle-Edition)



Inhalt:

"Mein Name ist Rain. Ich gehöre zu denen, die man Ghosts nennt. Mit meiner Mutter lebe ich außerhalb des Systems. Wir sind unsichtbar. Über uns allen thronen die Gesegneten. Sie gelten als perfekt. Aber das bin ich auch!"

Rain und ihre Mutter Storm sind auf ständiger Flucht vor den Gesegneten, einer perfekten Weiterentwicklung der Menschen, die das Land Hope regieren. Wie für alle Menschen, die aufgrund ihrer Gene in der perfekten Welt keinen Platz haben, ist die einzige Chance zu überleben, dass sie unsichtbar bleiben. Rain missachtet diese Regel und schließt Freundschaft mit dem Jungen Lark. Doch gerade, als sie beginnt, ihn in ihr Herz zu lassen, verrät er sie an die Soldaten der Gesegneten. Eigentlich wäre das ihr sicheres Todesurteil, doch stattdessen erfährt Rain etwas Unglaubliches. Sie ist gar kein Ghost. Sie ist perfekt. Eine Gesegnete.



Bewertung:


Als ich den Klapptext dieses Buches gelesen habe, wusste ich gleich: das wird gut! Und mein erster Eindruck hat mich nicht getäuscht. Gerade in Zeiten, in denen billige Dystopien, die sich gleichen wie ein Haar dem anderen den Markt überschwemmen, um noch ein kleines bisschen Erfolg vom Dystopien-Hype abzukriegen, bin ich umso begeisterter, wenn ich einmal ein wirklich originelles Beispiel dieses Genres finde, das mich überzeugen kann. Und dieses Buch hat mich überzeugt. Ein wenig wie "Legend" von Marie Lu, ein wenig wie die berühmten "Hunger Games" von Susanne Collins, ein wenig wie "Die rote Königin" von Victoria Aveyard und ganz viel ganz anders.


"Sie ist Rain. Der Regen. Der Neuanfang."


Das Cover ist sehr hübsch anzusehen und passt sehr gut. Der weiß-pinke Titel ist sehr dominant und füllt die gesamte Größe des Coverbildes aus, dahinter ist das Gesicht eines Mädchens zu sehen. Mit der Kapuze und dem Titel sieht es ein wenig aus, als wolle sie sich verstecken. Die strahlendgrünen Augen sind mit dem Titel die einzigen Farbklecke auf dem sonst grauen Hintergrund. Dass alles so dunkle gehalten ist, passt gut zu den Aschewolken Greys, dem hauptsächlichen Setting, die linke untere Ecke bildet ein Lichtblick, der dann für Aventin stehen könnte. Eigentlich störe ich mich an echten Personen auf Coverbildern, doch dieses Gesicht passt für mich sehr gut zu Rain - mit dem direkten Blick, der den Leser geradewegs anzusehen scheint, der dunklen Kapuze und den stimmigen Körpermerkmalen wird sie gut wiedergegeben. Die gebundene Ausgabe ist außerdem sehr groß und angenehm zu lesen bedruckt und kann mit einem Lesebändchen punkten, das dieselbe Farbe trägt, wie der Titel auf dem Cover. Auch der Klapptext gefällt mir gut - er bringt den Leser zusammen mit der sonstigen Gestaltung schon mal in die düstere Science-Fiction Stimmung über das Schicksal eines Mädchens in der Ungerechtigkeit des Landes Hope.


Erster Satz: "An Rains Sechzehntem Geburtstag nahm ihre Mutter sie in den Arm und flüsterte: "Für mich bist du perfekt."


Zu Beginn meiner Rezension habe ich gesagt, das Buch sei mal wieder eine gute Dystopie. Mit gut meine ich gut ausgearbeitet, gut nachvollziehbar und vor allem gut rückzubeziehen. Denn was soll eine Dystopie denn eigentlich tun außer zu unterhalten? Ein pessimistischen Zukunftsbildes zeichnen, welches auf bedenkliche Entwicklungen der Gegenwart aufmerksam machen, vor deren Folgen warnen oder auf aktuelle Missstände hinweisen soll. Und das passt hier alles. Neben dem dystopischen Weltbild sind auch Dinge wie technische Neuerungen und Erfindungen gar nicht soweit hergeholt und gut vorstellbar. So wirkt der dargestellte Weltenentwurf greifbar und realistisch. Die Handlung verwirrt, verstört, verzaubert wie die großen Reihen der Dystopien - jedoch ohne diese kopieren zu wollen. Obwohl unsere Wirklichkeit (noch) nicht dem entspricht, was hier beschrieben wird, kann man sich doch zumindest vorstellen, dass wir uns irgendwann dorthin entwickeln könnten – und das ist eine unbehagliche Vorstellung, die genau das erfüllt, was ich mir von einer guten Dystopie erwarte.


"Du bist der Regen", flüsterte ihre Mutter. "Die Hoffnung." "Ich bin nichts, nur ein Schatten", flüsterte Rain. "Alles beginnt mit einem Tropfen. Einem Tropfen, dem Milliarden weitere Tropfen folgen."


Die ungerechte Welt, die die Autorin hier erschaffen hat, ist diesmal vor allem auf die Gene der Menschen bezogen, nach deren Qualität sie ihren Platz in der Gesellschaft zugewiesen bekommen. Während die herrschenden Gesegneten in Luxus leben und nur die G Einsen auf einen Aufstieg hoffen dürfen, wird den unteren Klassen, den Zweien und Dreien der Zugang zu genug Nahrung, sauberem Trinkwasser, Medikamenten und Bildung versperrt. Schließlich streben die Gesegneten eine Welt an, in der Zweien und Dreien ausgestorben und alle ein perfektes genmaterial vorzuweisen haben. Diese Idee ist evolutionsbiologisch eigentlich sinnvoll und auch gut erklärt, bietet aber vor allem Stoff für viele Diskussionen. Wie kann man Gene nach Qualität unterscheiden? Und ist der gesamte Genpool der Menschheit, die Ausrottung von Krankheiten und der Aufbau einer stabilen, friedlichen Welt nur zu schaffen, in dem "minderwertige Menschen" durch Geringschätzung aussortiert werden, indem sie früher sterben und sie sich nicht fortpflanzen dürfen?


„Nicht die Gene machen einen Menschen perfekt, sondern sein Wesen.
Vergiss das nicht, mein Herz."


In krassem Gegensatz dazu stehen die Gesegneten, die Perfekten Herrscher Aventins. Wunderschöne, gesunde, starke und intelligente Supermenschen, die das Land regieren, gottgleich verehrt werden und im Luxus leben, während die Arbeiter in den ärmeren Zirkeln sich die Lunge verätzen, weil in den Fabriken keine Filteranlagen installiert sind. Und all das in einem Land das „Hope“ heißt – was für eine Ironie! Diese heftigen Unterschiede in der Bevölkerung an sich sind sehr mitreißend erklärt und das Leid, in dem die Menschen leben weckt in jedem Leser seinen Gerechtigkeitssinn. Die Welt ist schlüssig und nicht überquellend mit Details aufgebaut, einige für die erste Handlung unwichtige Infos und Bereiche des Lebens werden einfach weggelassen. Da das Buch in naher Zukunft noch eine Fortsetzung erhalten soll, ist das aber verständlich und zu entschuldigen.


"Kennst du den Geist,
der sich nachts umhertreibt?
Er singt mit dem Regen,
wild und verwegen.
Er trommelt den Takt,
den Takt, den die Freiheit,
nur für ihn bereit hat."


Super fand ich auch die Darstellung der "alten Zeit", also unserer Gegenwart. Es wird gesagt, dass die Menschen den Planeten ausgesaugt und ausgebeutet haben und sich dann um die letzten Überreste noch bekriegten, was die ganze Erde zerstört hat, auf der anderen Seite berichtet Rain aber auch wehmütig von dieser Vergangenheit und stellt sie sich schön vor. Sie liest Bücher, in denen ein "gewisser Herr Weihnachten" gerne viel Zimt benutzt und wundert sich über die Fantasien der Menschen, die sich Geschichten ausdachten, die sie nicht versteht und wundert sich über den Einfluss des mächtigen Donalds, dessen Name sie überall auf alten Ruinen findet (McDonalds). Die vielen kleine Anspielungen machen das Buch wirklich besonders und lockern und dunkel Atmosphäre etwas auf.


"Sie eilte zum Fenster und presste ihre Stirn gegen das Glas. Für einen Moment stellte sie sich vor, wie es wohl wäre, fliegen zu können. Fliegen wie die Menschen mit den Flügeln, die Rose so geliebt hatte. Plötzlich verstand sie, warum sich jemand etwas Derartiges ausdachte. Es war der Wunsch frei zu sin. Frei wie ein Vogel."


Dazu trägt auch der Schreibstil seinen Teil bei. Wie bei vielen Jugendbüchern ist er recht schlicht. Besonders aufgefallen ist mir jedoch, dass speziell verkommene Wörter oder Neuheiten wie zum Beispiel das Nutztier "Kaf" (Kreuzung aus Schaf und Kuh) nicht genauer erklärt werden, als wüssten wir Leser automatisch bescheid. Manche Wörter werden einfach wie beiläufig eingestreut und erst viel später oder gar nicht erklärt. Das fand ich wirklich interessant, denn man konnte sich eigentlich immer erschließen, was gemeint war. Einzig der Ausruf "Kallisto", der ständig vorkommt, hat mich dauerhaft verwirrt, bis ich dann darauf gekommen bin, dass er einfach einen Fluch darstellte. Neben diesen Kleinigkeiten vermochte er der flüssige und sehr lebhaft geschriebene Stil, mich durchgängig zu fesseln. Angesichts der 600 Seiten war ich am Anfang etwas skeptisch, doch ich flog irgendwann geradezu durch die Handlung, ohne auf die Seitenzahlen zu sehen und war - schwups - plötzlich am Ende.


"Wie jeder von uns hast du nur einen Platz auf dieser Welt gesucht, und du hast ihn in meinem Herzen gefunden."


Neben den Genen gibt es noch eine weitere Unterteilung des Landes Hope - geographisch in verschiedene Zirkel. Hier wurde ich dann doch sehr an Panem erinnert, die 'goldene' Hauptstadt Aventin, in der die Reichen, Schönen und Priviligerten wohnen und von dort aus regieren erinnerte mich an das "Kapitol". Die verschiedenen Zirkel, die jeweils für einen bestimmten Bereich zuständig sind und dementsprechend benannt wurden, sind den "Distrikten" sehr ähnlich. Neben landwirtschaftlich geprägten Gebieten wie Green oder Azure, dem reichen Kultursektor Ruby, den Minenzirkeln Pitch, und nicht zuletzt Aventin, der goldene Hauptstadt der Gesegneten und Begabten spielt die Haupthandlung vor allem in dem kleinen Fabrikzirkel Grey, der wie der Name schon verrät grau, trist und trostlos ist. Mit der vom Smog der Maschinen verseuchten Luft, der Asche auf den Straßen, der hungernden Bevölkerung und den vielen krankheitsverbreitenden Werratten ist die Stadt keineswegs ein schöner Ort zum Verweilen, so ist es nicht verwunderlich, dass sich hier die Brutstädte eines Widerstandes bildet. Den zunehmenden Einfluss der Rebellen auf die Einwohner Greys sind wirklich gut dargestellt. So kann man gut mit verfolgen, wie die Unzufriedenheit und Unmut über die Regierung die Menschen in die Arme der Rebellen treibt. Die Rebellen nennen sich Spines, die "Wilden, Freien, Echten und Gerechten", die endlich mehr Gerechtigkeit von der Herrschern aus Aventin fordern und dabei Angst, Schrecken und Tod verbreiten. In dieser Welt zwischen skrupellosen, verzweifelten Rebellen und mächtigen, eiskalten Gesegneten leben die beiden Hauptcharaktere Lark und Rain, die beide etwas anders denken und sich an die Hoffnung klammern, irgendwann aus Grey herauszukommen und in der Gesellschaft aufzusteigen. Doch der Smog und die Verzweiflung zwingen sie zu schrecklichen Taten, die sie in ganz andere Richtungen treiben, als gedacht... eine düstere Geschichte voll Hoffnung, Andersartigkeit, Ungerechtigkeit und einem Kampf um die Freiheit beginnt.


"Du erinnerst die Menschen an etwas, das vor langer Zeit verloren ging."
"An was?"
"An Märchen. Daran, dass das Unmögliche möglich ist. Die Augen von Hope sind auf dich gerichtet. Du bist vom Ghost in den Himmel gestiegen, als wären dir über Nacht Flügel gewachsen. Du bist aus der Asche emporgestiegen, um uns Hoffnung auf ein besseres Leben zu geben. Du bist der Samen, der in den Köpfen und Herzen der Menschen wächst und blüht. Der Samen einer Idee."
"Einer Idee?"
"Die Idee, dass auch die Ärmsten fliegen können. Bishop presste seine Finger auf sein Herz. "Die Idee, dass sich die Welt ändern kann. Du kannst die Welt ändern!"


An seiner Spitze steht die junge Rain. Als rechtlose Ghost, einem nicht registrierten Mensch, der durch die unerlaubte Fortpflanzung von der niederen Klasse entstanden, wird sie gejagt und hat nicht die Erlaubnis zu Existieren. Aus ihrer Perspektive wird berichtet, jedoch bietet die personale Erzählsicht mal eine erfrischende Abwechslung zum ewigen Ich-Erzähler, der bei Jugendbüchern dominiert. Rain ist eine Kämpferin. Eine wirklich sympathische junge Frau, die für ihre Prinzipien einsteht und versucht, das Richtige zu tun. Ihre Mutter Storm, mit der sie sich auch ohne Worte versteht, hat sie zu einer taffen, selbst denkenden und zielstrebigen Frau erzogen, die sich nicht über ihr Leben beschwert, obwohl sie dazu allen Grund hätte. Denn das junge Mädchen hat es nicht leicht, ist es gewohnt nirgends zuhause zu sein, ständig abhauen zu müssen und ein Dasein im Schatten führen zu müssen. Täglich kämpft sie um ihr Überleben im Smog Greys, hat sich dafür ein gesundes Misstrauen fremden Menschen gegenüber angelegt und kennt die Tricks, wie man nicht auffallen kann. Umso schwerer fällt es ihr, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen, als herauskommt, dass sie eine Gesegnete ist. Perfekt, wunderschön, von ihrer Mutter entführt und in ein Leben als Schatten gezwungen. Bam! Dieser Schlag ins Gesicht sitzt und ihr Weltbild ist aus den Fugen geraten. Umso beeindruckender ist es, wie sie sich von den geänderten Umständen nicht unterkriegen lässt, sondern weiter für den Frieden kämpft - als Rajana, die verschollene Prinzessin, die aus der Asche aufstieg und so den einfachen Menschen Hoffnung schenkt. Ihre Waffen sind nicht mehr ihre Fäuste und ein Elektroschocker, sie kämpft stattdessen mit Worten, Outfits und Auftritten. Doch der Hass und die Angst sitzen tief in den Herzen der Bürger Hopes. Bald muss sie sich entscheiden, was sie sein will. So lässt sich weitere Gewalt nicht verhindern, und der Krieg macht auch nicht vor den Mauern Aventins Halt.


"Ich gebe dir die Möglichkeit, frei zu wählen, was du sein willst. Wild oder gezähmt? Gerecht oder gesegnet? Rain oder Rajana?"


Der zweite Protagonist, dessen Sichtweise Rains manchmal abwechselt, ist Lark. Auch wenn der junge Mann eine G1 ist und ein halbwegs sicheres Leben führt, hat er es nicht leicht. Er will es unbedingt zu einem guten Job bringen, damit er mit seiner Familie in Sicherheit außerhalb von den giftigen Dämpfen Greys leben kann und sich die wichtigen Medikamente für seine kleine Schwester Rose - eine kranke G3 - leisten kann. Deshalb wird er Anwärter auf eine Ausbildung zum Sentinal, der Polizei Hopes, die für Recht und Ordnung sorgen soll. Doch seine Geheimnisse bringen ihn in einen Zwiespalt, der ihn fast kaputt macht, denn Schatten aus seiner Vergangenheit haben noch eine Rechnung mit ihm offen, die ihn zu schrecklichen Taten zwingen. Nicht zuletzt, die junge Frau zu verraten, die er gerade kennengelernt hat und die ihn seltsam berührt - Rain.
Auch er ist ein sehr starker Charakter, der von seiner Vergangenheit und der Dunkelheit Greys geprägt wurde. Gleichzeitig ist er aber auch ein Familienmensch und kümmert sich um seine kranke Schwester, die er über alles liebt. Für sie begeht er dunkle Deals und macht eine Menge Fehler. Je mehr man Lark kennenlernt, umso besser versteht man sein Denken und Handeln. Er ist motiviert, stark und bereit, alles für die zu tun, die er liebt: Koste es, was es wolle.


"Wir sind in der Asche geboren, aber wir werden nicht in ihr sterben, richtig?" "Richtig." Sein Handrücken streifte den ihren, und für einen Moment wagten sie zu träumen. Von Zitronenkuchen. Und einer anderen Welt."


Neben den beiden Hauptprotagonisten bezaubern uns noch eine ganze Reihe super gezeichneter Nebencharaktere, die alle einen schönen Teil der Geschichte einnehmen.
Mein Liebling ist mit Abstand Rose, die kleine süße Schwester von Lark. Mit ihrer herzlichen, leicht schrägen und unschlagbar positiven Art ist sie einfach liebenswert. Obwohl sie es nicht leicht hat, lässt sie den Kopf nicht hängen und ihre übersprudelnde Fantasie zauberte mir immer wieder ein Lächeln ins Gesicht. Auch Pi, Rains kleine Fuchsmanguste (ähnlich eines Frettchens), ist mir sehr ans Herz gewachsen.
Dann ist da noch Storm, die kämpferische und stürmische Mutter Rains, die eine Menge Geheimnisse birgt und immer weiter in den Abgrund zu rutschen scheint, obwohl sie eigentlich nur ihre Tochter beschützen will, ganz im Gegensatz zu Rains - Rajanas - richtigen Eltern Aurelia und Tiberius, die eiskalten, kalkulierenden Gesegneten, denen sie nicht trauen kann. In der neuen Umgebung, die ebenso feindselig erscheint wie die grauen Wüsten ihres Heimatzirkels sind ihr Capman, also ihr Imageberater Bishop und die junge Gesegnete Andromeda ein Lichtblick. Sie helfen ihr, sich in der modernen Luxusgesellschaft zu recht zu finden, doch kann sie sich von der Bequemlichkeit verführen lassen und den beiden wirklich vertrauen…? Wem kann man wirklich glauben? Was ist richtig? Was ist falsch? All diese Fragen habe ich mir immer wieder gestellt, während ich das Buch gelesen habe. Es ist spannend, aufwühlend und nervenzerreißend. Man weiß nie, was als Nächstes geschieht, es ist absolut nicht vorhersehbar und das gefiel mir besonders gut.


"Der Regen gibt Hoffnung, mein Herz. Vielleicht gab es Hoffnung. Sie durfte nicht verzweifeln. Sie musste glauben. Unwetter haben keine Angst..."


Das Netz um Rain und Lark zieht sich immer weiter zu, die Spannung steigt konstant an und die Handlung gipfelt auf ein Finale zu, als die Bewohner Hopes sich auflehnen. Ein letzter Kampf, der noch einmal alles geben will - es machte mich sprachlos, es machte mich wütend, ich fieberte mit und konnte kaum atmen -, der dann aber leider für meinen Geschmack in zu vielen unübersichtlichen und hektischen Szenen versank. Auch der aller letzte Schluss ging mir etwas zu schnell und lässt viele Handlungsstränge offen ohne einen wirklichen Cliffhanger zu haben. Wegen dieser letzten 30 Seiten habe ich mich entschieden, keine 5 Sterne zu vergeben, sondern ein wenig abzuziehen. Ich freue mich auf jeden Fall riesig auf den nächsten Teil!


"Regen und Sturm. Das waren sie. Niemand mochte Unwetter, aber es war ein schöner Gedanke, denn als Unwetter braucht man sich nicht zu fürchten."



Fazit:

Eine mega spannende Dystopie der Extraklasse. Caroline Brinkmann verstört, berührt, fasziniert, bezaubert und begeistert mit diesem Sci-Fi-Auftakt, der nicht nur für Genre-Liebhaber ein literarischer Leckerbissen ist. Meine uneingeschränkte Empfehlung!

Veröffentlicht am 28.08.2017

Ich denke - selbst!

Das Monophon
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Allgemeines:

Titel: Das Monophon
Autor: Elisabeth Zöller
Verlag: Carl Hanser Verlag (30. September 2013)
Genre: Roman
ASIN: B00F4XHNDU
ISBN-10: 3446243100
ISBN-13: 978-3446243101
Seitenzahl: 160 Seiten
Preis: ...

Allgemeines:

Titel: Das Monophon
Autor: Elisabeth Zöller
Verlag: Carl Hanser Verlag (30. September 2013)
Genre: Roman
ASIN: B00F4XHNDU
ISBN-10: 3446243100
ISBN-13: 978-3446243101
Seitenzahl: 160 Seiten
Preis: 9,99€ (Kindle-Edition)
12,90€ (Gebundene Ausgabe)



Inhalt:

Eines Tages steht in Mathildas Stadt ein seltsamer Apparat auf dem Marktplatz: das Monophon. Angeblich soll es für Unterhaltung und Frohsinn, aber auch für Ordnung und Sauberkeit sorgen … Und da sind auch die schwarzen Wärter, die mit ihren Uniformen und ihren strengen Gesichtern schön und gruselig zugleich aussehen. In der Stadt herrscht eine ganz neue Stimmung. Es wird gesungen und getanzt zur Musik aus dem Monophon. Doch manchmal wird die Monophonstimme scharf und gibt Befehle. Ist es ein Spiel? Angst macht sich breit. Langsam wird Mathilda und ihren Freunden klar, was zu tun ist: Sie müssen das Monophon unschädlich machen.

Eine zeitlose Parabel über Faschismus und Widerstand. Poetisch, nachdenklich, klug.


Bewertung:

"Das Monophon" - Dieses Buch habe ich als Kind gelesen und nie richtig verstanden, wahrscheinlich war ich einfach noch zu klein für dessen schwierigen Inhalt, weshalb ich es vor kurzem nochmal rausgeholt und gelesen habe. Erst dann ist mir aufgefallen, was für ein wirklich tolles
Kinderbuch ich da eigentlich im Schrank stehen hatte, ohne es zu wissen.


"Es liegt etwas in der Luft. Etwas, was noch nie da war..."

Wie funktioniert Faschismus? Keine leichte Frage, selbst für einen Erwachsenen lässt es sich nicht in wenigen Sätzen erklären, dieses bedeutungsschwere Phänomen der europäischen Geschichte, wie soll man dann Kindern nahebringen, wie es zu einem solchen Terrorregime kommen kann und was es bedeutet, verfolgt zu werden? Dafür gibt es jede Menge Aufarbeitungsbücher, die sich mit dem Thema befassen, Einzelschicksale erklären und historische Begebenheiten in den Gesamtzusammenhang einordnen. An jeder Schule wird das Thema "3. Reich" einmal durchgenommen. Und doch wirkt dieses Thema schon so weit weg für uns. Viele Kinder ordnen Hitler schon in dieselbe Schublade wie zum Beispiel Napoleon - "ganz weit weg im letzten Jahrhundert". Gerade deshalb finde ich es so besonders, wie Elisabeth Zöller in ihrem Kinderbuch "Das Monophon" an dieses Thema herangeht. Sie erzählt keine historischen Ereignisse, die weit weg erscheinen, von Menschen, die leiden, sondern zeigt am Beispiel einer fiktiven Kleinstadt in einer nicht genauer definierten Gegenwart, wie schnell aus einer vielfältigen Gesellschaft ein faschistisches System werden kann. Man verfolgt das Geschehen zusammen mit den Protagonisten und kann dabei einiges lernen und nachdenken. Denn durch die alltägliche Einführung wird klar: die gezeigte Handlung könnte auch mir passieren, in meiner Stadt, alle lassen sich mitreißen und schwups lebt man in einer Gesellschaft, in der eindeutig etwas schief läuft und es zu spät ist, umzukehren. Wir erleben, wie sich die kleine Stadt, in der Mathilda lebt, Schritt für Schritt verändert und was eine Stimme ausrichten kann, wenn alle mitmachen...


Erster Satz: "Ich heiße Mathilda und sitze in meinem Baum."


Es beginnt ganz harmlos, die kleine Mathilda lebt in einer kleinen Stadt, hat Freunde, geht zur Schule und sitzt träumend in einem Baum als es passiert. Der große schwarze Kasten mit dem goldfarbenen Trichter, den sechs Männer auf den Marktplatz schieben, sieht aus wie ein überdimensionales Grammophon. Ein Monophon sei das, erklärt der Bürgermeister den erstaunten Bewohnern der kleinen Stadt. Der Name ist Programm: „Mono“ ist das griechische Wort für „eins“, „Phon“ bedeutet „Ton“, denn schon bald gibt es den Ton an. Auf den ersten Blick scheint das eine großartige Sache zu sein, denn die Melodien, die aus dem Schalltrichter aufsteigen, machen die Menschen fröhlich, lassen sie singen und tanzen. Auch Mathilda und ihre Freunde sind fasziniert, können es kaum erwarten, bis wieder die magischen Töne des Monophons durch die Straßen klingen, bewegen sich zur Musik – und sind einfach nur glücklich.

Doch eines Tages verkündet der Bürgermeister: Alle Sommersprossigen sollen sich auf dem Marktplatz versammeln. Das klingt nach einer großen Ehre – jeder wäre gern dabei. In einer feierlichen Prozession werden sie aus der Stadt geführt. Wohin, erfährt niemand. Denn sie kehren nicht zurück. Mathildas Mutter wird misstrauisch und warnt sie, sich lieber von diesem schwarzen Kasten fern zu halten. Und sie behält Recht: Als wenig später die Rothaarigen und die Stotterer ebenfalls die Stadt auf Nimmerwiedersehen verlassen, fällt es auch Mathilda zunehmend schwer, den Befehlen der Schwarzhemden zu gehorchen. In das blaue Buch, in dem sie ihre Gedanken notiert, schreibt sie: „Ich bin ein Selbstdenker, ein Selbstbestimmer!“. Dass die Interessen der Gemeinschaft nun grundsätzlich Vorrang haben sollen, bereitet ihr Unbehagen.


"Sie wollen herrschen.
Sie wollen Macht.
Sie wollen die Herren sein.
Sie nennen es Geheimnis.
Ich nenne es Terror."



Als die Forderungen des Monophons immer diffuser werden, greifen Angst und Misstrauen um sich. Wer nicht für die Entwicklung ist, ist gegen die Entwicklung und wird verstoßen. Immer mehr Menschen verschwinden, weil sie Außenseiter sind. Die Starken geben den Ton an. Mathilda bekommt immer mehr Angst und weiß nicht, was sie tun soll. Mitmachen, obwohl sie ein schlechtes Gefühl bei der Sache hat, oder sich lieber abgrenzen um dann vielleicht als Außenseiter in Gefahr zu kommen?

Erst als ihre Lehrerin ihr mit der Geschichte um David und Goliath Mut macht, weiß sie was zu tun ist: das Monophon muss weg! Zusammen mit verbliebenen Freunden und ihrer Familie schmiedet sie einen Plan, denn man kann auch als vermeintlich Schwacher erfolgreich Widerstand leisten...


"Gemeinschaft macht stark", tönt es. "Zusammen für uns." Immerzu wiederholt es diese Sätze. Kann ich denn nie mehr allein sein? Ganz für mich? Und ohne den Lärm?"


Man kann wunderbar mit nachvollziehen, was nach und nach in der Stadt passiert, kann verfolgen, wie es Mathilda und ihren Freunden geht, seit das Monophon in der Stadt steht. Aus der ich-Perspektive erzählt das junge Mädchen, was sie fühlt, während sie sich von einer Monophon-Anhängerin in eine Monophon-Gegnerin wandelt und beobachtet, wie diese Unterteilung der Menschen überhaupt zustande kommt. Die erste Faszination, die dann später mit dem
Entsetzen angesichts der wachsenden Unterdrückung kämpft, das Unbehagen, das in ihr wächst, dann die Angst, die sie lähmt und die Entschlossenheit, die sie packt, weil sie versteht, dass sie etwas ändern muss! Man sieht, wozu Menschen gebracht werden, die sich unterordnen und blind der Masse folgen. Freundschaften zerbrechen, Familien werden auseinandergerissen Mitläufer wenden sich gegen die Zweifler. All das ist so aufbereitet, dass es auch ein Kind verstehen kann und sich automatisch die Frage stellt: „Wie würde ich mich verhalten?“. Mathilda ist dabei ein gutes Vorbild - sympathisch, authentisch und gut zu verstehen. Sie tut das richtige, sieht ihre eigene Freiheit als wichtiges Gut an und kämpft um diese nicht zu verlieren. All ihre wichtigen Gedanken und Erlebnisse schreibt sie in ihr kleines blaues Büchlein. Wörter, Gedichte, kurze Geschichten - sie notiert, was sie bewegt und lässt uns daran teilhaben. Eine wirklich interessante Art und Weise, uns Leser Gefühle zu vermitteln. Ich denke nur, dass gerade die Gedichte und Bilder für Kinder sehr schwer zu verstehen sind und viele Andeutungen einfach übergangen werden.
Der Schreibstil ist zwar einfach gehalten, wird aber durch einfallsreiche Beschreibungen und die vielen Gedichte oder andere Schnörkel schön ausgeschmückt.


"Mein blaues Buch liegt vor mir, draußen jault das Monophon. Da baue ich in mein blaues Buch eine Seite mit Stille ein.
STILLE
Doch die Stille ist zu dick, zu fett, zu grell. Sie brüllt fast. Ich mache eine neue Seite:

STILLE

Die Stille ist nun auf dem Blatt. Und wenn ich sie lange anschaue, ist sie auch in mir."


Das Buch selbst zieht keine direkten Vergleiche mit vergangenen Ereignissen, sodass man das Buch als Parabel losgelöst von der Geschichte lesen kann. Es macht aber natürlich Sinn, das Buch im richtigen Zusammenhang zu besprechen. Das kann in der Schule sein, aber auch einfach zuhause. Vom Hersteller ist ein Alter von 10 bis 12 Jahren empfohlen, was ich nicht so passend finde. Zwar sind die Hauptpersonen in diesem Alter und der Stil ist auch angemessen einfach gehalten, doch um das geschriebene wirklich verstehen und darüber nachdenken zu können, muss man meines Erachtens noch ein wenig älter sein, vor allem wenn das Buch außerhalb der Schule gelesen und nicht besprochen wird. Ich war 10, als ich das Buch gelesen habe und konnte nichts damit anfangen, ich erinnere mich noch an das seltsame und beklemmende Gefühl, das nach dem Lesen übrig geblieben ist. Und das ist ja nicht der Sinn der Sache. Denn das Buch wird nicht wie so oft am Ende sehr hoffnungslos und trüb, am Ende kann in dieser Geschichte der Widerstand siegen, was Mut macht, sich gegen die Masse zu stellen und seine eigene Meinung zu vertreten. Es wird ganz eindeutig klar gemacht, wie wichtig es ist, seine Meinung frei äußern, selbst über sich, seine Zeit, seine Freunde, sein Leben bestimmen zu können, und nicht wegen eines körperlichen Merkmals oder einer anderen Meinung diskriminiert zu werden. Und das ist eine wichtige Erkenntnis. Denn die Gefahr des Faschismus ist noch längst nicht gebannt und kann abgehakt in Richtung Vergangenheit kategorisiert werden, sondern ist hier und heute immer noch ein wichtiges Thema.


"Die Stille
ist zurückgekehrt.
Ich kann sie wieder hören.
Ich denke - selbst.
Ich spreche - selbst.
Ich schweige - selbst.
So bin ich."



Mit dem Cover ist dem Verlag ein Volltreffer gelungen. Mit schwarz-weißen Streifen umrahmt ist der schwarze Kasten des Monophons zusehen. Zusammen mit dem olivgrünen Trichter des Tongeräts bildet er den Mittelpunkt der Geschichte ab - im Zentrum des ansonsten weißen Covers. Mit dem großen, recht krakeligen Titel, der sich über die obere Hälfte des Bildes erstreckt ergibt dies ein hübsches und sehr stimmiges Gesamtbild. Auch innerhalb der Buchdeckel ist das Design einfach wunderbar. Die Kapitel haben einfallsreiche Namen und werden mit detailreichen Schwarz-Weiß-Zeichnungen der Illustratorin Verena Ballhaus geschmückt. Darin wird in einer einfachen Strichzeichnung eine wichtige Aussage des Kapitels nochmals unterstrichen, man muss aber sehr genau nachdenken, um die Message wirklich verstehen zu können. Für Kinder stellen sie also wahrscheinlich nur ein wenig Verzierung da.


Fazit:

Ein wundervolles Kinderbuch, das aber für jedes Alter Klarheit schaffen und berühren kann. Ein Roman, der sensibilisiert und ermutigt, selbst die Stimme zu erheben.

Veröffentlicht am 28.08.2017

Ich denke - selbst!

Das Monophon
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Allgemeines:

Titel: Das Monophon
Autor: Elisabeth Zöller
Verlag: Carl Hanser Verlag (30. September 2013)
Genre: Roman
ASIN: B00F4XHNDU
ISBN-10: 3446243100
ISBN-13: 978-3446243101
Seitenzahl: 160 Seiten
Preis: ...

Allgemeines:

Titel: Das Monophon
Autor: Elisabeth Zöller
Verlag: Carl Hanser Verlag (30. September 2013)
Genre: Roman
ASIN: B00F4XHNDU
ISBN-10: 3446243100
ISBN-13: 978-3446243101
Seitenzahl: 160 Seiten
Preis: 9,99€ (Kindle-Edition)
12,90€ (Gebundene Ausgabe)



Inhalt:

Eines Tages steht in Mathildas Stadt ein seltsamer Apparat auf dem Marktplatz: das Monophon. Angeblich soll es für Unterhaltung und Frohsinn, aber auch für Ordnung und Sauberkeit sorgen … Und da sind auch die schwarzen Wärter, die mit ihren Uniformen und ihren strengen Gesichtern schön und gruselig zugleich aussehen. In der Stadt herrscht eine ganz neue Stimmung. Es wird gesungen und getanzt zur Musik aus dem Monophon. Doch manchmal wird die Monophonstimme scharf und gibt Befehle. Ist es ein Spiel? Angst macht sich breit. Langsam wird Mathilda und ihren Freunden klar, was zu tun ist: Sie müssen das Monophon unschädlich machen.

Eine zeitlose Parabel über Faschismus und Widerstand. Poetisch, nachdenklich, klug.


Bewertung:

"Das Monophon" - Dieses Buch habe ich als Kind gelesen und nie richtig verstanden, wahrscheinlich war ich einfach noch zu klein für dessen schwierigen Inhalt, weshalb ich es vor kurzem nochmal rausgeholt und gelesen habe. Erst dann ist mir aufgefallen, was für ein wirklich tolles
Kinderbuch ich da eigentlich im Schrank stehen hatte, ohne es zu wissen.


"Es liegt etwas in der Luft. Etwas, was noch nie da war..."

Wie funktioniert Faschismus? Keine leichte Frage, selbst für einen Erwachsenen lässt es sich nicht in wenigen Sätzen erklären, dieses bedeutungsschwere Phänomen der europäischen Geschichte, wie soll man dann Kindern nahebringen, wie es zu einem solchen Terrorregime kommen kann und was es bedeutet, verfolgt zu werden? Dafür gibt es jede Menge Aufarbeitungsbücher, die sich mit dem Thema befassen, Einzelschicksale erklären und historische Begebenheiten in den Gesamtzusammenhang einordnen. An jeder Schule wird das Thema "3. Reich" einmal durchgenommen. Und doch wirkt dieses Thema schon so weit weg für uns. Viele Kinder ordnen Hitler schon in dieselbe Schublade wie zum Beispiel Napoleon - "ganz weit weg im letzten Jahrhundert". Gerade deshalb finde ich es so besonders, wie Elisabeth Zöller in ihrem Kinderbuch "Das Monophon" an dieses Thema herangeht. Sie erzählt keine historischen Ereignisse, die weit weg erscheinen, von Menschen, die leiden, sondern zeigt am Beispiel einer fiktiven Kleinstadt in einer nicht genauer definierten Gegenwart, wie schnell aus einer vielfältigen Gesellschaft ein faschistisches System werden kann. Man verfolgt das Geschehen zusammen mit den Protagonisten und kann dabei einiges lernen und nachdenken. Denn durch die alltägliche Einführung wird klar: die gezeigte Handlung könnte auch mir passieren, in meiner Stadt, alle lassen sich mitreißen und schwups lebt man in einer Gesellschaft, in der eindeutig etwas schief läuft und es zu spät ist, umzukehren. Wir erleben, wie sich die kleine Stadt, in der Mathilda lebt, Schritt für Schritt verändert und was eine Stimme ausrichten kann, wenn alle mitmachen...


Erster Satz: "Ich heiße Mathilda und sitze in meinem Baum."


Es beginnt ganz harmlos, die kleine Mathilda lebt in einer kleinen Stadt, hat Freunde, geht zur Schule und sitzt träumend in einem Baum als es passiert. Der große schwarze Kasten mit dem goldfarbenen Trichter, den sechs Männer auf den Marktplatz schieben, sieht aus wie ein überdimensionales Grammophon. Ein Monophon sei das, erklärt der Bürgermeister den erstaunten Bewohnern der kleinen Stadt. Der Name ist Programm: „Mono“ ist das griechische Wort für „eins“, „Phon“ bedeutet „Ton“, denn schon bald gibt es den Ton an. Auf den ersten Blick scheint das eine großartige Sache zu sein, denn die Melodien, die aus dem Schalltrichter aufsteigen, machen die Menschen fröhlich, lassen sie singen und tanzen. Auch Mathilda und ihre Freunde sind fasziniert, können es kaum erwarten, bis wieder die magischen Töne des Monophons durch die Straßen klingen, bewegen sich zur Musik – und sind einfach nur glücklich.

Doch eines Tages verkündet der Bürgermeister: Alle Sommersprossigen sollen sich auf dem Marktplatz versammeln. Das klingt nach einer großen Ehre – jeder wäre gern dabei. In einer feierlichen Prozession werden sie aus der Stadt geführt. Wohin, erfährt niemand. Denn sie kehren nicht zurück. Mathildas Mutter wird misstrauisch und warnt sie, sich lieber von diesem schwarzen Kasten fern zu halten. Und sie behält Recht: Als wenig später die Rothaarigen und die Stotterer ebenfalls die Stadt auf Nimmerwiedersehen verlassen, fällt es auch Mathilda zunehmend schwer, den Befehlen der Schwarzhemden zu gehorchen. In das blaue Buch, in dem sie ihre Gedanken notiert, schreibt sie: „Ich bin ein Selbstdenker, ein Selbstbestimmer!“. Dass die Interessen der Gemeinschaft nun grundsätzlich Vorrang haben sollen, bereitet ihr Unbehagen.


"Sie wollen herrschen.
Sie wollen Macht.
Sie wollen die Herren sein.
Sie nennen es Geheimnis.
Ich nenne es Terror."



Als die Forderungen des Monophons immer diffuser werden, greifen Angst und Misstrauen um sich. Wer nicht für die Entwicklung ist, ist gegen die Entwicklung und wird verstoßen. Immer mehr Menschen verschwinden, weil sie Außenseiter sind. Die Starken geben den Ton an. Mathilda bekommt immer mehr Angst und weiß nicht, was sie tun soll. Mitmachen, obwohl sie ein schlechtes Gefühl bei der Sache hat, oder sich lieber abgrenzen um dann vielleicht als Außenseiter in Gefahr zu kommen?

Erst als ihre Lehrerin ihr mit der Geschichte um David und Goliath Mut macht, weiß sie was zu tun ist: das Monophon muss weg! Zusammen mit verbliebenen Freunden und ihrer Familie schmiedet sie einen Plan, denn man kann auch als vermeintlich Schwacher erfolgreich Widerstand leisten...


"Gemeinschaft macht stark", tönt es. "Zusammen für uns." Immerzu wiederholt es diese Sätze. Kann ich denn nie mehr allein sein? Ganz für mich? Und ohne den Lärm?"


Man kann wunderbar mit nachvollziehen, was nach und nach in der Stadt passiert, kann verfolgen, wie es Mathilda und ihren Freunden geht, seit das Monophon in der Stadt steht. Aus der ich-Perspektive erzählt das junge Mädchen, was sie fühlt, während sie sich von einer Monophon-Anhängerin in eine Monophon-Gegnerin wandelt und beobachtet, wie diese Unterteilung der Menschen überhaupt zustande kommt. Die erste Faszination, die dann später mit dem
Entsetzen angesichts der wachsenden Unterdrückung kämpft, das Unbehagen, das in ihr wächst, dann die Angst, die sie lähmt und die Entschlossenheit, die sie packt, weil sie versteht, dass sie etwas ändern muss! Man sieht, wozu Menschen gebracht werden, die sich unterordnen und blind der Masse folgen. Freundschaften zerbrechen, Familien werden auseinandergerissen Mitläufer wenden sich gegen die Zweifler. All das ist so aufbereitet, dass es auch ein Kind verstehen kann und sich automatisch die Frage stellt: „Wie würde ich mich verhalten?“. Mathilda ist dabei ein gutes Vorbild - sympathisch, authentisch und gut zu verstehen. Sie tut das richtige, sieht ihre eigene Freiheit als wichtiges Gut an und kämpft um diese nicht zu verlieren. All ihre wichtigen Gedanken und Erlebnisse schreibt sie in ihr kleines blaues Büchlein. Wörter, Gedichte, kurze Geschichten - sie notiert, was sie bewegt und lässt uns daran teilhaben. Eine wirklich interessante Art und Weise, uns Leser Gefühle zu vermitteln. Ich denke nur, dass gerade die Gedichte und Bilder für Kinder sehr schwer zu verstehen sind und viele Andeutungen einfach übergangen werden.
Der Schreibstil ist zwar einfach gehalten, wird aber durch einfallsreiche Beschreibungen und die vielen Gedichte oder andere Schnörkel schön ausgeschmückt.


"Mein blaues Buch liegt vor mir, draußen jault das Monophon. Da baue ich in mein blaues Buch eine Seite mit Stille ein.
STILLE
Doch die Stille ist zu dick, zu fett, zu grell. Sie brüllt fast. Ich mache eine neue Seite:

STILLE

Die Stille ist nun auf dem Blatt. Und wenn ich sie lange anschaue, ist sie auch in mir."


Das Buch selbst zieht keine direkten Vergleiche mit vergangenen Ereignissen, sodass man das Buch als Parabel losgelöst von der Geschichte lesen kann. Es macht aber natürlich Sinn, das Buch im richtigen Zusammenhang zu besprechen. Das kann in der Schule sein, aber auch einfach zuhause. Vom Hersteller ist ein Alter von 10 bis 12 Jahren empfohlen, was ich nicht so passend finde. Zwar sind die Hauptpersonen in diesem Alter und der Stil ist auch angemessen einfach gehalten, doch um das geschriebene wirklich verstehen und darüber nachdenken zu können, muss man meines Erachtens noch ein wenig älter sein, vor allem wenn das Buch außerhalb der Schule gelesen und nicht besprochen wird. Ich war 10, als ich das Buch gelesen habe und konnte nichts damit anfangen, ich erinnere mich noch an das seltsame und beklemmende Gefühl, das nach dem Lesen übrig geblieben ist. Und das ist ja nicht der Sinn der Sache. Denn das Buch wird nicht wie so oft am Ende sehr hoffnungslos und trüb, am Ende kann in dieser Geschichte der Widerstand siegen, was Mut macht, sich gegen die Masse zu stellen und seine eigene Meinung zu vertreten. Es wird ganz eindeutig klar gemacht, wie wichtig es ist, seine Meinung frei äußern, selbst über sich, seine Zeit, seine Freunde, sein Leben bestimmen zu können, und nicht wegen eines körperlichen Merkmals oder einer anderen Meinung diskriminiert zu werden. Und das ist eine wichtige Erkenntnis. Denn die Gefahr des Faschismus ist noch längst nicht gebannt und kann abgehakt in Richtung Vergangenheit kategorisiert werden, sondern ist hier und heute immer noch ein wichtiges Thema.


"Die Stille
ist zurückgekehrt.
Ich kann sie wieder hören.
Ich denke - selbst.
Ich spreche - selbst.
Ich schweige - selbst.
So bin ich."



Mit dem Cover ist dem Verlag ein Volltreffer gelungen. Mit schwarz-weißen Streifen umrahmt ist der schwarze Kasten des Monophons zusehen. Zusammen mit dem olivgrünen Trichter des Tongeräts bildet er den Mittelpunkt der Geschichte ab - im Zentrum des ansonsten weißen Covers. Mit dem großen, recht krakeligen Titel, der sich über die obere Hälfte des Bildes erstreckt ergibt dies ein hübsches und sehr stimmiges Gesamtbild. Auch innerhalb der Buchdeckel ist das Design einfach wunderbar. Die Kapitel haben einfallsreiche Namen und werden mit detailreichen Schwarz-Weiß-Zeichnungen der Illustratorin Verena Ballhaus geschmückt. Darin wird in einer einfachen Strichzeichnung eine wichtige Aussage des Kapitels nochmals unterstrichen, man muss aber sehr genau nachdenken, um die Message wirklich verstehen zu können. Für Kinder stellen sie also wahrscheinlich nur ein wenig Verzierung da.


Fazit:

Ein wundervolles Kinderbuch, das aber für jedes Alter Klarheit schaffen und berühren kann. Ein Roman, der sensibilisiert und ermutigt, selbst die Stimme zu erheben.

Veröffentlicht am 28.08.2017

"Ameisen tanzen. Tango!"

Katzentango
0

Allgemeines:

Titel: Katzentango
Autor: Oliver Peetz
Verlag: Books on Demand (29. November 2016)
Genre: Psychothriller
ASIN: B01MQV9O85
ISBN-10: 3741241695
ISBN-13: 978-3741241697
Seitenzahl: 216 Seiten
Preis: ...

Allgemeines:

Titel: Katzentango
Autor: Oliver Peetz
Verlag: Books on Demand (29. November 2016)
Genre: Psychothriller
ASIN: B01MQV9O85
ISBN-10: 3741241695
ISBN-13: 978-3741241697
Seitenzahl: 216 Seiten
Preis: 8,49€ (Kindle-Edition)
12,80€ (Taschenbuch)
Weitere Bände: Katzenpolka;
Katzenwalzer



Inhalt:

"...Schlafe ich etwa? Eine Katze...eine lachende Stimme...ein Mädchen...ich fliege...die Katze auch...es ist dunkel und ich höre Musik. Tango."

Der junge Iho wächst im sozialen Brennpunkt einer Großstadt auf. Jugendkriminalität, Gewalt und Drogen bestimmen in diesem Ghetto den Alltag.
In einem Keller begegnet der ängstliche Junge einer Gruppe verwahrloster Jugendlicher, die sich bei einem Ritual in einen ohnmachtsähnlichen Trancezustand versetzen. Iho, der sich auf das seltsame Ritual einlässt, verliert dabei das Bewusstsein und liegt mehrere Stunden ohnmächtig auf dem kalten Boden des Kellers. Alleingelassen von der Gruppe. Als er zu sich kommt, hat sich etwas verändert. Er hat sich verändert. Er folgt der Stimme in seinem Kopf und beginnt zu morden.
Als Ihos geliebte Mutter an seinem fünfzehnten Geburtstag stirbt, verbringt er noch mehrere Tage mit der Toten in der Wohnung. Der aufkommende Druck der Öffentlichkeit zwingt ihn schließlich, das Viertel zu verlassen. Zu Fuß und ohne Ziel.
Nach Tagen und Nächten der Entbehrungen kommt es durch eine geheimnisvolle Katze zu einer schicksalhaften Begegnung mit einem alten Mann, der allein in einem abgelegenen Waldgebiet wohnt.


Bewertung:

Die Kinder im Keller - ein Ritual?
Der jugendliche Iho - ein Mörder?
Das jüdische Mädchen - ein Engel?
Der Alte im Wald - ein Nazi?
Die geheimnisvolle Katze - der Schlüssel?
Ein Tanz zwischen Wahn und Wirklichkeit!
-Katzentango-

Diese interesseweckenden Fragen zieren den Buchdeckel und umschreiben die abstruse und grausame Handlung sehr gut. Eine Geschichte voller Wahnsinn und Leid, die aber auch von der grausamen Realität einer schrecklichen Kindheit im sozialen Brennpunkt erzählt. Am Schluss bleibt die Frage, wie es zu all dem kommen konnte, nicht offen. Denn mehr als deutlich wird der Grundstein der Geschichte in Ihos Kindheit gelegt. Denn Iho, eigentlich Ignaz Horst Otto, bekommt von seinen Eltern nicht viel Liebe. Der Vater ein Säufer, die Mutter, mehr oder weniger, auf sich alleine gestellt wird er von Beginn seines Lebens mit Alkohol, Drogen, Brutalität, Mobbing, Armut und Gewalt konfrontiert. Schlüssel zu seinem Wahnsinn ist jedoch ein Ritual im Keller seines Hauses. Denn während des Rituals, durch das er einen Einblick in die Welt der Toten erhalten soll, geht etwas schief und als er aufwacht ist nichts mehr, wie es zuvor war. Die Ameisen in seinem Kopf beginnen Tango zu tanzen und er geht auf seinen ersten Beutezug...


Erster Satz: "Bei der Befreiung Nazideutschlands durch alliierte Streitkräfte im Frühjahr 1945 entdeckte ein amerikanischer Soldat in einer der zahlreichen Baracken eines Konzentrationslagers eine Blechschachtel."

Dieses Buch ist das dritte einer bisher dreiteiligen Reihe an Psychothrillern, in denen alle eine Katze eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Die Bücher lassen sich aber unabhängig voneinander lesen, ich kenne die anderen Bände auch nicht. Und das wird denke ich auch so bleiben. Ich fand das Buch wirklich nicht schlecht und lese gerne ab und zu mal einen Psychothriller, da sie eine dunkle Faszination auf mich ausüben. Doch irgendwie hat es mir am Ende gereicht. Denn wie bei jedem abstrusen Psychothriller, und das war dieses Buch durchaus, muss ich mir am Anfang meiner Rezension die Frage stellen: "Was bitte muss man genommen haben um sich solch eine Geschichte ausmalen zu können?!?"

Abscheu, tiefe Traurigkeit, Ekel, Unverständnis und ein wenig Mitleid, das sind die Emotionen die bei mir während dem Lesen dieses grauenvollen Thrillers hängen geblieben sind. Dabei bezieht sich dieses Adjektiv gar nicht auf die Qualität des Buches, sondern mehr auf die Atmosphäre des Inhalts. In 10 kurzen Kapiteln wird die brutale Geschichte von Iho erzählt, der gedemütigte Junge, der nach einem gruseligen Ritual zum unerkannten Serienmörder wird. Anders als in anderen Psychothrillern ist man hier mit Iho unterwegs, erfährt aus der Ich-Perspektive, wie es sich anfühlt zu morden, man riecht was er riecht, man sieht was er sieht und man wird mit seinen tiefsten Gefühlen konfrontiert.


"Mein Leid soll denn nun ihres sein, auf dass sie spüren, welche Qual ich leide. War mein Anspruch denn zu hoch, als ich nach nichts Geringerem als der Liebe bat? Aber jetzt bin ich ohne Seele und ihr, ihr werdet den Schmerz spüren, den ich spüre. Ihr alle. Und weinet ja nicht. Dazu ist es längst zu spät.
Iho"



Das gruselige ist dabei nicht nur, was sich dieser Autor für den armen Jungen ausgedacht hat, sondern auch, dass mich die dunkle Handlung - von seiner seltsamen, aus dem Ruder gelaufenen Liebe zu seiner Mutter, seinen mörderischen Beutezügen, in denen er sich wie ein Tier fühlt, sowie seine Flucht durch die eiskalte Winterlandschaft nach dem Selbstmord seiner Mutter über die eigenwillige Begegnung mit dem alten Nazi - in seinen Bann gezogen und auf seltsame Weise berührt hat. Insgesamt erschien mir die Handlung für einen Psychothriller überraschend nachvollziehbar. Kritisieren muss ich aber noch, dass mir die einzelnen Elemente nicht klar genug miteinander verbunden waren. Was genau nun die Katze, der alte Mann und das jüdische Mädchen mit Ihos Leiden zu tun haben, wurde mir bis zum Ende hin nicht ganz klar. Klar die beiden Prologe geben ein wenig Aufschluss, ein paar gezogene Verbindungen hätte ich aber schon noch erwartet!

Doch erstmal noch zum Cover: Ganz in Schwarz gehalten lenkt es die Aufmerksamkeit des Betrachters sofort auf die graue Katze, welche recht mittig platziert auf etwas außerhalb unseres Blickfeldes starren zu scheint. Ihre Augen sind von einem hellen Grün, welche mit dem Titel die einzigen Farbflecke auf dem Cover bilden. Der Titel hebt sich durch ein sehr grelles Rot super vom Hintergrund ab und wirkt etwas verschmiert und fleckig. Auch die Buchrückseite wird von der Katze in Nahaufnahme geziert. Das passt natürlich, da die Katze mit den grünen Augen eines der Hauptmotive des Buches ist. Sie ist nur leider weiß und nicht grau, was aber auch an dem dunklen Licht des Covers liegen könnte. Sehr seltsam und doch eingängig spiegelt es die Grundstimmung des Buches wieder und motiviert sofort zum Lesen. Nicht so gut gefallen hat mir die auffallend große Schrift innerhalb des Buches gepaart mit den kleinen Kapitelbezeichnungen, die ich oft übersehen habe. Außerdem habe ich trotz der zwei Lektorinnen noch relativ viele Tippfehler gefunden - vor allem auf den ersten 20 Seiten. Ansonsten sind die 214 Seiten insgesamt stilvoll verpackt worden. Das Cover ist sehr hübsch anzusehen und hinterlässt gleich ein beklemmendes Gefühl und einen Hauch der Atmosphäre, die dieses Buch beherrscht.


"Ich nahm es mit jeder Faser meines Körpers auf. Inhalierte es. Trank und aß dieses Gefühl.(...)Gleich. Noch zwei Meter. Sprungbereit. Noch nicht. Noch nicht! Ein Meter. Jetzt! Überraschungsmoment nutzen. Das Kleine fällt. Mit mir. Ameisen tanzen.
Tango!"


Der Schreibstil ist gewöhnungsbedürftig und hebt sich mit den vielen, sehr kurzen, oft auch 1-Wort-Sätzen von der großen Masse ab. Kalte, klare, prägnante Sätze, die einem beim Lesen, die Luft nehmen und Gänsehaut erzeugen, schnörkellos und direkt - die Dinge werden direkt beim Namen genannt und nicht lange um den heißen Brei herum geredet. Durch das schnelle Stakkato wird dir Handlung immer weiter vorangetrieben und zu der düsteren Atmosphäre mischt sich ein wenig Eile. Gefühle und Gedanken erhalten ihren Platz genau wie einige faktische Erläuterungen. Das Geschehen wird dabei nicht streng stringent erzählt sondern holt immer wieder in die Vergangenheit aus und springt dann etwas nach vorne. Das passt sehr gut zu dem sprunghaften Stil zu erzählen und den vielen überraschenden Wendungen in der Handlung.

Auch der Hauptcharakter Iho ist interessant gezeichnet. Er leidet viel, muss einiges erdulden und einstecken, bis er schließlich seinen eigenen Rachefeldzug unternimmt. Wirklich sympathisch war er mir nicht, die Beziehung zum Leser wird eher geprägt durch eine Mischung aus Abscheu und Mitleid. Nach dem Beenden des Buches kann ich sagen, dass er ein wirklich gut gelungener Charakter ist, zwar nicht sonderlich schön zum lesen, aber definitiv authentisch, glaubwürdig und berührend.


"So war das. Rad weg. Prügel bekommen. Auge dicht. Denunziert vom Vater. Meine Kindheit eben. Nicht sehr schön, aber ich dachte daran, dass irgendwo auf dieser Welt andere Kinder lebten, denen es noch schlechter ging als mir. Das half ein wenig. Ich kannte es nicht anders. Ich war so aufgewachsen."


Dann ist das Buch irgendwann zu Ende und ein absolutes Scheiß-Ende folgt. Dabei meine ich noch nicht einmal die Qualität der letzten Seiten, die ich als sehr spannend und auch realistisch empfunden habe, nein, mir hat einfach der Ausgang absolut nicht gefallen. Man fragt sich durchgehend, wie Iho aus der ganzen Sache eigentlich wieder rauskommen soll und das Ende macht es sich dann sehr leicht. Gar nicht.


Fazit:

Schwer zu bewerten! Auf der einen Seite voll Schrecken und Wahnsinn, auf der anderen fast sensibel und einfühlsam. Ein interessanter Psychothriller mit Schwächen und Stärken, den man als Fan des Genres aber nicht verpassen sollte!

Veröffentlicht am 24.08.2017

Über Roumen, Rivalen und Aelumina

An deiner Seite - Stadtrivalen 1
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Allgemeines:

Titel: Stadtrivalen - An deiner Seite
Autor: C. Carelly
Verlag: Bookshouse (25. Juli 2016)
Genre: Romantasy
ISBN-10: 9963533965
ISBN-13: 978-9963533961
ASIN: B01J3D9PIW
Preis: 13,99€ (Taschenbuch)
3,99€ ...

Allgemeines:

Titel: Stadtrivalen - An deiner Seite
Autor: C. Carelly
Verlag: Bookshouse (25. Juli 2016)
Genre: Romantasy
ISBN-10: 9963533965
ISBN-13: 978-9963533961
ASIN: B01J3D9PIW
Preis: 13,99€ (Taschenbuch)
3,99€ (Kindle-Edition)
Seitenzahl: 404 Seiten
Weitere Bände: Stadtrivalen - Auf der Suche nach dir


Inhalt:

Das Leben der siebzehnjährigen Lia ändert sich schlagartig, als sie zur Rivalin aktiviert wird. Da Rivalen wie Magnete auf Kreaturen namens Roumen wirken, bleibt Lia keine Wahl, als zu jagen. Schon bald verfällt sie dem Jagdrausch. Immer stärker fühlt sie sich zu dem geheimnisvollen Dorian hingezogen, was für Gefühlschaos sorgt, weil sie endlich mit ihrer großen Liebe zusammengekommen ist. Kaum hat sie ihre Gefühle in den Griff bekommen, wirft ein Todesfall im Freundeskreis sie aus der Bahn. Lia fasst den Entschluss, mit Dorian und anderen Rivalen den gerissenen Anführer der Roumen zu töten und somit die Züchtung weiterer Roumen zu stoppen. Wenige Tage vor der letzten Schlacht kommt sie hinter Dorians Geheimnis und erfährt Dinge, von denen sie lieber niemals etwas gehört hätte ...


Bewertung:

DISCLAIMER: Vielen Dank an den Bookshouse Verlag für das Rezensionsexemplar!

Ich gebe zu, wenn dieses Buch kein Rezi-Exemplar gewesen wäre, hätte ich es nie angefangen, oder zu Ende gelesen. Das Cover finde ich absolut gar nicht hübsch und der Klapptext klingt wie ein durchschnittlicher Urban Fantasy Schund. Als ich es dann durch hatte, war ich dann aber doch froh, es gelesen zu haben, denn so schlecht war dann doch nicht. Also: nicht vom ersten Eindruck leiten lassen. Das Cover finde ich aber immer noch schrecklich Mit dem rennenden Mädchen in dem weiten weißen Kleid, das absolut gestellt aussieht und gar nicht zur Handlung passt (die Hauptperson würde nie so in einem Kleid durch die Stadt rennen) vor der dunklen Stadt sieht es ein wenig billig aus. Dazu passen die seltsamen Lichteffekte, welche wohl die Aelumina, die innovativen Lichterscheinungen des Buches, darstellen sollen, für mich aber absolut gar nicht passen (sie sind eigentlich bunt und schillern sanft) und der verschnörkelte Titel. Alles in allem eine passende Komposition, aber so gar nicht meins! Auch der Titel ist erstmal verwirrend. Der Reihentitel "Stadtrivalen" passt sehr gut, doch der Untertitel "An deiner Seite" wirft die große Frage auf, wessen Seite nun gemeint ist. Immerhin gibt es zwei Typen, von denen sie eigentlich nicht wirklich an der Seite desjenigen steht. Aber ja gut.


Erste Sätze: "Es ging hier nicht etwa um neue Schuhe oder um ein Auto. Hier ging es um die Zukunft meiner Schwester. Wen wunderte es also, dass ich eben am Telefon laut geworden war?"


Das Buch beginnt mit dem Alltag der stinknormalen Siebzehnjährigen Lia Galdini - stinknormal? Denkt sie nur. Als sie auf der Straße von einem fremdartigen Wesen, einem Roumin, attackiert wird, erwacht in ihr eine magische Seite, von der sie nichts geahnt hat. Aktiviert zur Rivalin, dazu bestimmt, Roumen zu jagen und ihre Energie, Aelumina, die den Kämpfern Schnelligkeit und Stärke verleihen, zu sammeln. Der Rivale Dorian klärt sie auf und macht sie mit einer Gruppe von Rivalen bekannt. Zu Beginn will Lia nicht kämpfen und sie braucht etwas Zeit um sich mit der neuen Situation zu arrangieren, doch dann beginnt sie Spaß an der Jagt und dem Kampf zu empfinden. Gemeinsam mit ihrem neuen Freunden begibt sie sich auf die gefährliche Jagd. In ihrer Sammelwut schaukeln sich die Jäger gegenseitig hoch, bis sie auf Oreol stoßen, den gefährlichsten aller Roumen...

Eigentlich ein Szenario, dass nicht ganz unbekannt erscheint. Eine böse Rasse, die Schaden in einer Stadt anrichtet und von besonderen Jägern eliminiert werden muss. Egal ob Dämonenjäger, Vampirjäger, Schattenjäger oder Geisterjäger, so etwas hat man schon mal gehört. Eine Gruppe, die sich findet, ein Mitglied, das neu in diese Welt eingeführt werden muss und dann gemeinsam mit den Freunden die absolute Gefahr bekämpfen muss, jemanden aufhalten muss, bevor er alles zerstört. Mittendrin wird natürlich noch herausgefunden, dass diese eine Hauptperson, die neu dazukommt, der oder die Auserwählte ist, eine mächtige Person, die alle retten wird, blablabla. Jaja, man kennt das und nach genau diesem Schema ist auch dieses Buch aufgebaut. Was aber wirklich toll ist, sind die vielen neuen Ideen, die hier mit eingemischt sind. Zum einen sind die Roumen, Einzahl Roumin, eine neue, kreative Idee von Monster. Eine bleiche, undefinierbare organische Masse, die zunehmend menschliche Gestalt annimmt, wenn sie menschliche oder rivalische Energie stiehlt und konsumiert, bis ein sogenannter Prim daraus geworden ist. Ein vollständig ausgebildeter Roumin, der einem Menschen bis zu einem gewissen Grad ähnelt. Ihnen wohnt eine besondere dunkle Energie inne, aus der sie entstehen und die sie beim Sterben wieder freisetzen: Aelumina. Eine aufputschende Lichterscheinung, gehandelt und konsumiert wie eine Droge unter den Rivalen, die alle in einen gefährlichen Sammelrausch fallen. Das hat mir wirklich sehr gut gefallen! Mal etwas anderes auf jeden Fall! Ich lese sehr gerne in diesem Genre, das sich thematisch oft wiederholt. Vampire, Werwölfe, Dämonen, Feen, Engel, dann ist es schön, wenn man ein Autor auf eine eigene, neue Idee kommt.


"Edas Atem ging schnell. Ihre Wangen brannten, und die Augen glänzten. Sie trat einen Schritt auf mich zu. Ihre Stimme überschlug sich beinah. "Wir haben endlich die Stärkste der Fünf gefunden: die Tochter des Sternenwindes!"


Leider waren in dieser neuen Idee ein paar Logiklücken und Unklarheiten zu finden, so war mir zum Beispiel unklar, wer nun genau die Roumen sehen konnten. Nur Rivalen oder auch Menschen? Eigentlich ja nur Rivalen, da diese sie auch bekämpfen sollen, oftmals war es jedoch der Fall das auch Menschen sie sehen konnten und ihnen auch als Beute dienten. Außerdem unlogisch erschienen mir die vielen Verletzungen, die sowohl Lia als auch andere Rivalen sich fast im Minutentakt zulegen. Diese werden sehr oft vergessen oder harmlos abgetan. Mich störte es einfach zu lesen, dass hier mal eine Rippe knackte und da mal alles schwarz wurde und am Ende gingen sie mit einem blauen Fleck nach Hause. Dazu passt gleich ein weiterer Punkt, der mich nach einer Weile gestört hat: die sich ständig wiederholenden Kampfszenen. Es gibt bestimmt über 20 Stellen in dem Buch, in dem die Hauptpersonen nichts anderes tut, als Roumen zu verprügeln, so lange auf sie einzudreschen, bis sie sich auflösen und ein Aelumina aus ihnen austritt, um das sie sich dann danach wieder streiten. Das wurde mir auf Dauer etwas zu viel. Natürlich gehört das zur Geschichte, aber die vielen Szenen haben die Handlung nicht weitergebracht und könnten doch auch etwas abwechslungsreicher beschrieben sein. Es gab außerdem einige Situationen, die ich einfach nicht richtig verstanden habe und die seltsam konstruiert wirkten, vielleicht hätte also die Verarbeitung der Idee ein wenig sorgfältiger sein können. Gerade wenn man ein Konzept nicht kennt, muss es gut erklärt werden. Aber da die Geschichte ja nur der Einführungsteil in eine Reihe ist, kann man das durchgehen lassen und einfach auf ein bisschen Festigung in den folgenden Teilen hoffen.


"Ich, die Tochter des Sternenwindes? - Vorrückte Vorstellung.
Ich, die Tochter des Sternenwindes... - Klingt eigentlich gar nicht mal so schlecht.
Ich, die Tochter des Sternenwindes. Oh. Mein. Gott."


Die Protagonisten sind so gut beschrieben, wie es das auf gut 150 Seiten eben möglich ist (das ergibt sich wenn man die 250 Seiten Kampfszenen abzieht) und gerade die Hauptfigur Lia lernt man dank der Ich-Perspektive schnell kennen. Zu Beginn wirkte sie etwas oberflächlich auf mich, doch im Laufe der Geschichte wurde sie mir immer sympathischer. In ihr steckt ein kleiner Rebell, die gerne mal bei anderen aneckt, ein sensibles Mädchen, dass sich hinter Sarkasmus versteckt und wenn sie zuerst noch ein Mitläufer war, beginnt sie dann selbst nachzudenken und ihren eigenen Weg zu gehen. Sie bleibt trotzdem ein wenig blass, wie auch die anderen Charaktere auch, doch es gibt ja noch einen zweiten Teil, der sie nachbessern kann.

Neben Lia sind da eigentlich nur noch Dorian und Sascha, die eine nennenswerte Rolle einnehmen. Im Mittelteil bahnt sich eine Dreiecksgeschichte an, die sich dann aber -gottseidank- schnell wieder erledigt. Sascha fand ich von Anfang an unsympathisch und irgendwie seltsam. Als ich irgendwann verstanden habe, dass das wohl gewollt ist, war ich überrascht, über die gute Zeichnung des Charakters, da ich ihn für eher schwach gehalten hatte. Dorian ist recht geheimnisvoll und verbirgt ein Geheimnis, von dem ich absolut nicht darauf gekommen bin, welches es ist. Als es dann aufgelöst wurde, war ich wirklich überrascht über diese Wendung, die sehr abrupt kam und wirklich super war. Ich bin wirklich gespannt, wie sich die Geschichte mit ihm entwickelt.


"Ich baue auf dich, Dorian." Unsere Schritte wurden langsamer. Mich trennten höchstens fünfzehn Meter von der Haustür. "Selbstverständlich kämpfe ich mit. Trotzdem möchte ich euch in meinen Krieg nicht mit reinziehen." Als wir stehen blieben drehte ich mich zu ihm um.
"Er hat ihn begonnen - Wir werden ihn beenden", sagte ich entschlossen."


Der Schreibstil ist -wie so oft in diesem Genre - sehr schlicht, beschreibend und recht temporeich. Nicht schlecht, aber auch nichts Besonderes. In der Mitte des Buches erlebte ich eine kleine Leseflaute, weil nichts Neues passierte und sich Lia immer weiter in etwas verrannte, was eindeutig nicht gutgehen konnte - das Sammeln, die fast krankhafte Sucht nach der besten Aelumina, ein Typ, der nichts für sie ist,... - doch der fesselnde und rasante Stil zu schreiben hat mich recht gut darüber hinweggebracht.

Das Ende wurde dann wieder richtig spannend. Ich hatte mit einem Happy End oder zumindest einem Cliffhanger gerechnet, doch was dann passiert, hätte ich niemals erwartet. Spätestens in diesem Moment habe ich mich dazu entschieden, den zweiten Teil unbedingt zu lesen! Nicht nur weil ich glaube, dass noch sehr viel Potential in dieser Geschichte steckt, sondern auch einfach weil ich wissen will, ob die Autorin sich dieses Ende wirklich getraut hat. Welches Buch endet schon mit dem Satz...

*Achtung: Spoiler

..."Meine Welt zerbrach" Als ich das gelesen habe dachte ich nur: OMG sie lässt den Mittelpunkt des Buches einfach so sterben. Klar, er kann Zeitreisen und sie macht das bestimmt um ihn irgendwie zu retten, aber trotzdem, OMG. Das hätte ich nie erwartet!!! Wirklich mutig.
Also
räusper, räusper, das musste ich einfach loswerden

Spoiler Entwarnung


Fazit:*

Eine spannende Geschichte mit einer interessanten neuen Idee, die teilweise etwas mangelhaft umgesetzt wurde, aber trotzdem lohnenswert ist zu verfolgen.