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Veröffentlicht am 03.08.2017

"Sei ganz still."

Morgen lieb ich dich für immer
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Allgemeines:

Titel: Morgen lieb ich dich für immer
Autor: Jennifer L. Armentrout
Verlag: cbt (13. März 2017)
Genre: Young Adult
ISBN-10: 3570311414
ISBN-13: 978-3570311417
ASIN: B01MYWQ3LG
Seitenzahl: ...

Allgemeines:

Titel: Morgen lieb ich dich für immer
Autor: Jennifer L. Armentrout
Verlag: cbt (13. März 2017)
Genre: Young Adult
ISBN-10: 3570311414
ISBN-13: 978-3570311417
ASIN: B01MYWQ3LG
Seitenzahl: 544 Seiten
Originaltitel: The Problem with Forever
Preis: 9,99€ (Kindle-Edition)
12,99€ (broschierte Ausgabe)



Inhalt:

Eine Liebe so groß wie die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft...
Mallory und Rider kennen sich seit ihrer Kindheit. Vier Jahre haben sie sich nicht gesehen und Mallory glaubt, dass sie sich für immer verloren haben. Doch gleich am ersten Tag an der neuen Highschool kreuzt Rider ihren Weg – ein anderer Rider, mit Geheimnissen und einer Freundin. Das Band zwischen Rider und Mallory ist jedoch so stark wie zuvor. Als Riders Leben auf eine Katastrophe zusteuert, muss Mallory alles wagen, um ihre eigene Zukunft und die des Menschen zu retten, den sie am meisten liebt …


Bewertung:

Erste Sätze: "Der Stapel mit den staubigen leeren Schuhkartons war höher und breiter als ihr schmale Körper, und er schwankte, als sie den Rücken dagegen presste, die knochigen Knie bis zur Brust hochgezogen. Atmen. Immer schön Atmen. Atmen."

Bevor ich mit der Rezension beginne, muss ich erstmal klarstellen, dass Jennifer L. Armentrout zu meinen absoluten Lieblingsautoren gehört und es also sein kann, dass der Maßstab, mit dem ich ihre Romane messe, vielleicht etwas verzerrt ist und meine Erwartungen zu hoch sind. Mit Fantasy- Büchern wie der "Obsidian"- oder der "Dark Elements"- Reihe hat sie sich echt Respekt bei mir verschafft, nichtsdestotrotz bin ich von ihren New Adult Büchern bis jetzt nicht so begeistert gewesen.
Das war der erste Roman, den ich wirklich sehr gut fand, leider aber auch seine kleinen Schwächen hatte.

Das beginnt schon bei Cover und Titel. Doch zuerst will ich mich noch ein bisschen über den Klapptext aufregen, der etwas irreführend ist. Der Klappentext verspricht ausschließlich eine Liebesgeschichte mit viel Problemen, man bekommt jedoch noch viel mehr als das: eine Story mit Tiefgang und sogar etwas Gesellschaftskritik. Das kommt in der Verlagsbeschreibung leider gar nicht so raus.


"Er hatte versprochen, für mich da zu sein - für immer.
Aber meiner Meinung nach gab es zwei Arten von Für immer.
Eine Gute.
Und eine schlechte.
Und ich hatte schon früh gelernt, dass die gute Art von Für immer, tja... das war eine Lüge."


Kurze Gegenüberstellung: rechts das englische und amerikanische Cover, links das deutsche. Ich finde den bunten Farbklecks, der sehr nach Acryl Farben aussieht einfach wunderschön und passend zum Inhalt, genau wie der Titel, der dramatisch, besonders und Interesseweckend klingt. Auch der Untertitel "Some secrets go to deep for words" (ungefähr = Manche Geheimnisse reichen zu tief, um sie in Worte fassen zu können) passt perfekt. Dagegen hört sich "Morgen lieb ich dich für immer" wie eine Nicolas-Sparks-Schnulze an und das Cover verkörpert stereotyp das typische Young Adult Ideal. In solchen Fällen wäre es vielleicht die Mühe wert, das Originalcover und den Titel beizubehalten oder wenigsten zu versuchen, möglichst nah heranzukommen. Es ist nicht hässlich, das nicht, doch im Vergleich zum Originalcover fast peinlich zu lesen. Ich hatte das Buch im Urlaub dabei und bin von meinen Eltern und Freunden darauf angesprochen worden, was für eine Schnulze ich denn da lese. Das ist wirklich schade. Auch die Kapitelanfänge sind mit großen Herzchen verziert, die meiner Meinung nach nicht wirklich passen.

"Sei ganz still."

Denn die Thematik ist alles andere als oberflächlich!
Das Buch beginnt mit einem mitreißenden Prolog, der weit in Mallorys Kindheit hineinreicht. Eine Kindheit voller Probleme, Misshandlung, Angst, aber auch voller schöner Momente mit ihm: Rider Stark, den sie nun seit 4 Jahren nicht mehr gesehen hat. Nachdem die 17jährigen Mallory ihre Therapie beendet hat und sich bereit fühlt, wagt sie den nächsten Schritt und versucht nach vier Jahren zum ersten Mal wieder, eine Schule zu besuchen. Das klingt zunächst nach einem recht einfachen Unterfangen, doch Mallory hat vor vielen Jahren aufgehört zu sprechen. Durch Angst und Gewalt antrainiert, möglichst still sein zu müssen, ist jedes Wort für sie eine Herausforderung. Stolz kämpft sie sich durch den ersten Schultag, bis es passiert: Nachdem Mallory und Rider gemeinsam durch die Hölle gegangen sind und dann durch einen Zufall getrennt wurden, treffen sie sich jetzt ausgerechnet in der Schule wieder und alte Erinnerungen, die sie so lange versucht hat zu verarbeiten, kochen wieder hoch. Rider war stets ihr Halt, ihre Zuversicht, ihr Ritter in silberner Rüstung, ihr Retter in der Not. Kann sie auf diese Freundschaft aufbauen und die Geister der Vergangenheit ruhen lassen?


"Worte waren weder meine Freunde noch Monster, die mir Angst machten, aber trotzdem hatten sie ungeheurer Macht über mich. Sie waren wie der Geist eines geliebten Verstorbenen, der mich heimsuchte."


Die Autorin hat sich mit dem Missbrauch von Kindern ein schweres Thema ausgesucht und es sensibel und authentisch rübergebracht. Anstatt und Leser gleich mit schrecklichen Fakten zu konfrontieren, geht sie langsam und vorsichtig an die Sache ran, lässt uns Leser erstmal eine Bindung zu Mallory und Rider aufbauen und erklärt dann nach und nach, warum die beiden so sind, wie sie sind. Denn beide wurden von ihrer Vergangenheit stark beeinflusst. Selbst nach vielen Jahren sind ihre Albträume noch präsent und müssen in einem täglichen Kampf immer wieder aufs Neue überwunden werden.


"Die Verbitterung darüber, in einem überlasteten und kaputten System so lange misshandelt und übersehen worden zu sein, klebte immer noch an mir wie eine zweite Haut, die ich wohl nie mehr loswerden würde."


Jennifer L. Armentrout kritisiert leise, dass es hin und wieder Jungen und Mädchen gibt, die durch die Maschen des unterfinanzierten, überbeanspruchten und unterbesetzten netz an Jugendämtern und Pflegefamilien fallen, versichert jedoch im selben Atemzug, dass die Jugendämter nicht schuld sind und gute Arbeit leisten. Mehr kritisiert sie sie Gesellschaft, die nicht näher hinsieht, Jugendliche aus schlechterer Herkunft ausgrenzt und durch Vorurteile in die Hand von Kriminellen treibt. So hat sie neben Rider und Mallory auch ihre Nebencharaktere ganz nach diesem Schema ausgerichtet. Jeder verbirgt mehr, als es scheint, jeder hat eine Geschichte, die man erkennen kann, wenn man genauer hinsieht. Dieser versteckte Sinn, die vielen kleinen Botschaften, haben mich wirklich sehr berührt!


"Ich versteh das schon." Fragend schaute ich ihn an. "Was verstehst du?"
Er zog die Schultern hoch und schnappte sich den Schlüssel aus meiner Hand.
"Alles."


Das Setting des Romans ist in die amerikanischen Stadt Baltimore gelegt, wo Verbrechen, Drogenhandel und Morde an der Tagesordnung sind. Nach und nach bekommt man als Leser einen Einblick in die verschiedenen Welten einer Stadt, die verschiedenen Schicksale und Lebenssituationen von Menschen, die als Nachbarn zusammenleben. Es wird klar, wie schnell das Schicksal kippen kann, wie schnell man eine unsichtbare Grenze überschritten und einen falschen Weg eingeschlagen hat, von dem es kein Zurück gibt.

So auch Jayden, der 14 Jährige Sohn der Pflegefamilie, in der Rider untergekommen ist, der gern alles von sich gibt, was in seinem Kopf vor sich geht, puerto-ricanische Wörter in seine Sätze mit einbaut und stets mit einem coolen Spruch auf den Lippen mit jedem Mädchen flirtet, das ihm über den Weg läuft. Ihm ist es wichtig, dass es den Menschen in seiner Umgebung gut geht, dass sie glücklich sind und versucht mit seinen jungen Jahren schon so gut es geht, seine überarbeitete Großmutter, bei der sie alle wohnen, finanziell zu unterstützen. Dabei gerät er immer wieder in krumme Angelegenheiten hinein, die ihm schließlich zum Verhängnis werden.


"Die Worte waren nie das Problem gewesen. Ich hatte genug Worte, schon immer, aber sie aus meinem Mund zu entlassen und ihnen eine Stimme zu geben, das fiel mir immer noch sehr schwer."



Hector sorgt sich als Jaydens großer Bruder um dessen Wohlergehen und versucht ihn vor Schaden zu bewahren in dem er ihm einen besseren Weg weist. Nach außen ist er der hübsche, distanzierte Playboy, auf den alle Mädchen stehen, doch wie auch sein Bruder ist er besorgt um seine Familie, würde alles für sie tun und ist viel sensibler, als er erscheinen lässt. Zwei Dinge, die er mit Rider gemeinsam hat.
Ebenfalls ganz anders, als sie erscheint, ist Paige, die bitchige Freundin von Rider. Als Leser hasst man sie, da man natürlich weiß, dass sie mit Rider zusammen ist und Mallory es nicht sein kann, was sie ihr ständig auf miese Weise klar macht. Sie sagt, was sie denkt, nimmt keien Rücksicht, auf die Gefühle anderer und wirkt eiskalt. Doch was man erst später erfährt: sie stammt wie Mallory aus einem schlechten Elternhaus, in dem sie Gewalt und Misshandlung erfährt, doch im Gegensatz zu Mallory ist sie nicht geflohen, sondern lebt immer noch dort und stellt sich ihrem Schicksal. Sie kämpft Tag für Tag.


„Aber manchmal bist du so in dich selbst verstrickt, dass du nicht … Na ja, du vergisst dabei zu leben.“


Ainsley ist Mallorys beste Freundin, die aus bestem Hause kommt, von einem Privatlehrer unterrichtet wird und die personifizierte Lebensfreude darstellt. Sie ist eine wahre Stütze für Mallory, zu jeder Tageszeit bereit über das Chatprogramm oder auch in einem Treffen Ratschläge zu geben, sich zu treffen und sie einfach so zu akzeptieren, wie sie ist. Mit ihren seltsamen Ängsten, Blockaden und Ticks. Doch auch für sie hat das Schicksal eine Finte parat...

Zu Mallorys Umfeld gehören auch noch ihre neue Pflegeeltern Rosa und Carls Riva. Die beiden sind wohlhabende Chirurgen, die nur das Beste für Mallory wollen. Nachdem ihre leiblichen Tochter Marquette tragisch verunglückte, richten sie ihre Liebe und Fürsorge vollkommen auf Mallory. Wie richtige Eltern bauen sie sie auf, sehen die Fortschritte, die sie sich erarbeitet hat und wissen, wie schnell der Zusammenbruch drohen kann. Und Rider ist der beste Weg Erinnerungen zu schüren, die lieber begraben bleiben sollten, weshalb sie ihm mit Skepsis und strengen Regeln begegnen. Sie wollen nicht noch eine Tochter verlieren. Obwohl die beiden Mallory wirklich lieben, fühlt sie sich manchmal wie ein Ersatz für Marquette, wenn sie ihr Autor fährt, an ihrem Platz sitzt und ihre eigene Zukunft nach ihren Träumen plant.

"Es war nur ein Albtraum, Carino. Schlaf weiter." Nur ein Albtraum? Albträume waren nicht echt, aber das hier war echt."


Der zweite Protagonist ist Rider Stark, der schon früh durch schlimme Ereignisse in der Vergangenheit gelernt hat, sich und die Menschen, die er liebt beschützen zu müssen. Ohne zu zögern, war er immer für seine "Maus" da und hat sich in die Schusslinie geworfen. Auch heute zögert er keine Sekunde, um sich für andere einzusetzen, nicht zuletzt für seine neue Familie, und für Mallory. Nach außen wirkt er wie ein "Bad Boy", doch wir erfahren sehr schnell, dass er sehr weit davon entfernt ist, diesem Klischee zu entsprechen. Er bleibt während der ganzen Geschichte relativ statisch, immer noch Mallorys Held, bis ihr Bild von ihm eine rasante Entwicklung durchmacht und der Spieß sich umdreht...


"Ich konzentrierte mich nur auf Rider und mich und auf das, was in diesem Moment geschah und was es bedeutete. Denn das ... war ein Anfang!"


Sie ist die Hauptfigur im Roman, den sie aus der Ich-Perspektive erzählt. Unbestreitbar steht ihre Geschichte im Vordergrund, auch wenn sie sehr viel Platz für ihre Nebencharaktere lässt. Mallory Dodge hat die traumatischen Ängste, die aus ihrer Vergangenheit resultieren längst noch nicht überwunden. Laute Geräusche verbindet sie mit Gefahr. Blicke, Gesten und Worte können unangenehme Assoziationen erregen. Panikattacken, Aussetzer und Angstzustände sind üblich, jedes auszusprechende Wort ein Kampf für sie. Doch gerade in der Schule, im ganz normalen Alltag ist es nötig zu kommunizieren und wer still ist, wird nicht beachtet. Dieser Makel wurde wirklich eindrucksvoll und authentisch dargestellt. Sie weiß um die Schwäche, hasst sie und tut alles dafür, um sie zu überwinden. Dabei setzt sie auf Konfrontation und wählt den Rhetorikkurs. Das sie dort ordentlich zu kämpfen hat, ist vorprogrammiert, doch tatsächlich schafft sie es, ihre Ängste immer weiter zurückzudrängen, um ein halbwegs "normales" Leben führen zu können. Es ist herzergreifend zu sehen, wie sie nach und nach ihre Dämonen hinter sich lässt, wie sie sich selbst entdeckt und dann zu dieser Person auch steht. Sie wird Schritt für Schritt zu der starken Protagonistin, die dieses Buch gebraucht hat, stark genug, um dann auch Rider beizustehen, als er sie braucht und endlich einmal für ihn da sein zu können, sein Retter sein.


"Was mir fehlte, waren nicht dünnere Oberschenkel oder ein flacherer Bauch. Es war Mut. Tatsache war, ich war ein Angsthase. Wie konnte ich überhaupt daran denken, einen Jungen zu küssen, wenn mein Mund noch nicht einmal reden wollte?"


Die Liebe zwischen den beiden beruht am Anfang vor allem auf ihrer gemeinsamen Vergangenheit, den vielen verbindenden Erinnerungen, wobei sie sich eigentlich kaum mehr kennen. Wie sie langsam wieder zueinander finden und sich selbst gegenseitig helfen, ist sehr süß mit anzusehen. Dabei verzichtet die Autorin auch zum Glück auf die ganzen Klischees, die Liebe baut sich langsam und zart auf. Bis dann dadaddauuummm sie mich echt enttäuscht hat. Als ich schon dachte, die beiden als super Paar feiern zu können, kam Jennifer L. Armentrout doch tatsächlich mit der ausgelutschten "Hach,-du-bist-viel-zu-gut-für-mich,-du-hast-was-Besseres-verdient-und-deshlab-verlasse-ich-dich-jetzt-grundlos-Masche" Das hat mich dann echt gekillt! Man kann doch nicht in so einen feinfühligen, scheinbar klischeelosen und tiefsinnigen Roman so ein oberflächliches Gesülze mit reinpacken - und das dann auch noch kurz vor Schluss, als ich dachte, sie sind endlich so weit?! Tja, ein Grund warum diese wunderbare Geschichte keine 5 Sterne von mir bekommt.


„Du und ich, wir passen zusammen wie Zitrone und Tequila. Ich rede dauernd und du schweigst - wir ergänzen uns perfekt. findest du nicht?“


Ein weiterer Punkt, der mich wirklich verwirrt und ein bisschen gestört hat, ist die seltsame Konzeption der Geschichte. Auf der reinen Handlungsebene sind mir da viel zu viele Wiederholungen von ganzen Szenen und einfachen Tätigkeiten. Zu Beispiel begleitet man Mallory und Rider bestimmt 20 Mal in den Rhetorikunterricht, wo sie dann da sitzt, von Paige böse und von Rider verliebt angeschaut wird, dann bekommt sie plötzlich kein Wort mehr raus, geht an ihr Schließfach, geht nach Hause, das immer wieder, scheinbar ohne Grund. Im Gegenteil dazu hat mir dann an anderen Stellen im Plot einfach etwas gefehlt, manche Dinge, vor allem am Ende, als auf den letzten 20 Seiten noch die ganze Dramatik Schiene gefahren wird, hätte ich mir einfach noch ein bisschen ausführlicher gewünscht. Manches wurde nur leicht angerissen, da einfach nicht genug Zeit da war, um es explizit darzulegen. Das fand ich bei so einigen interessanten Entwicklungen und Ereignissen schade, da diese mich vielleicht über die recht ereignislosen Stellen in der Mitte führen hätten können.

Ich finde es wirklich super, wie die Autorin an ihre Geschichte rangegangen ist, leise, vorsichtig, alles gut initiiert und vorbereitet, eine super Basis gesetzt hat, bis man alle Charaktere gut kennt, sie lieb gewonnen hat und dann ... nichts. Normalerweise bereitet jeder Autor die Leser und Charaktere auf den wirklichen Beginn der Geschichte vor, doch hier ging die Vorbereitung über 200 Seiten und wurde dann von einer recht ereignislosen Handlung abgelöst. Es hat sich so sehr gezogen, war stellenweise bloß vom Plot betrachtet langweilig und es ist meistens gar nicht wirklich etwas passiert. Ein paar Seiten weniger hätten da locker ausgereicht. Diese Geschichte hatte es nicht unbedingt nötig, sie mit viel Drama und Handlung aufzupeppen, ich fand das Buch trotzdem spannend, habe es interessiert mit verfolgt, doch irgendwie wirkte die Geschichte auf mich, als würde etwas wichtiges im Plot fehlen, als hätte man einen Teil einfach rausgeschnitten. Das fand ich so schade wie seltsam. Denn trotzdem hat die Geschichte, die vor allem von den Charakteren, ihren Bürden, ein bisschen Gesellschaftskritik und der Vergangenheit getragen wird, mich mitgerissen und erst am Ende wieder losgelassen. So eine Handlung scheint also vollkommen überbewertet zu sein


"Du alleine hast die Macht darüber. Die Leute können sagen, was sie wollen. Sie können denken, was sie wollen, aber nur du alleine kontrollierst, was du dabei empfindest."


Das Ende war dann nochmal unglaublich süß und gut gemacht, so wie das ganze Buch hätte sein können. Auch wenn das Buch durch und durch versucht, das Positive am Leben zu vermitteln, trieben mir so mache philosophische Anwandlungen die Tränen in die Augen.

Der Schreibstil von Jennifer L. Armentrout ist gewohnt fesselnd, flüssig und bildhaft beschrieben. Sehr gefühlvoll und sensibel erfasst sie das komplizierte, Durcheinander von Mallorys Gefühlsleben. Die Diskrepanz zwischen dem gefahrvollen, Leben auf der Straße und dem sicheren reichen Leben der oberen Bevölkerungsschicht stellt sie erschreckend da, ohne übertrieben den Zeigefinger zu heben. So hat sie mich emotional abgeholt und trotz der vielen Kritik, die ich hier genannt habe, alles in allem überzeugen können.

"Mit dem Leben war es so wie mit dieser Rede, die wir halten mussten. Es ging nicht um das Ergebnis, es ging darum, dass man es überhaupt versuchte. Und genauso... genauso sah ich das auch."


Fazit:

Ein tiefgründiges, herzergreifendes Jugendbuch, das mehr in sich hat, als die Aufmachung vermuten lässt. Eine wirkliche Leseempfehlung an jeden, auch wenn mich einige Kleinigkeiten gestört haben. Nicht das schlechteste Buch von Jennifer L. Armentrout aber bei Weitem nicht das Beste.

Veröffentlicht am 03.08.2017

Spannendes Buch für Zwischendurch

Das Ende der Lügen
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Allgemeines:

Inhalt: Das Ende der Lügen
Autor: Laura Summers
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft (1. Mai 2014)
Genre: Roman
ISBN-10: 3423782773
ISBN-13: 978-3423782777
Seitenzahl: 336 Seiten
Originaltitel: ...

Allgemeines:

Inhalt: Das Ende der Lügen
Autor: Laura Summers
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft (1. Mai 2014)
Genre: Roman
ISBN-10: 3423782773
ISBN-13: 978-3423782777
Seitenzahl: 336 Seiten
Originaltitel: The Summer of Telling Tales
Preis: 6,99€ (Kindle-Edition)
8,99€ (Taschenbuch)




Inhalt:

Zwei Schwestern – Zwei Blickwinkel – Zwei neue Lebensentwürfe

Die Schwestern Ellie und Grace verlassen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion mit ihrer Mutter das gemeinsame Zuhause und entfliehen so dem gewalttätigen Vater. In einem Ferienort an der Küste versuchen sie, sich Schritt für Schritt eine neue Existenz aufzubauen, Freunde zu finden, zu sich zu finden. Doch dann passiert das, wovor sie sich die ganze Zeit gefürchtet haben: der Vater steht vor der Tür.


Bewertung:

Ein Buch, zu dem ich durch eine Rezension motiviert wurde, lange bevor ich den Blog hatte und das zu lesen ich nicht bereut habe!

Das Cover finde ich wunderbar passend mit dem Mädchen, dass etwas verloren am Strand sitzt und aufs Meer hinaus blickt. Die tristen Farben weisen schon gleich auf die ernste Thematik hin, wobei ich bei der eher hoffnungsvollen und positiven Atmosphäre ein etwas bunteres Cover erwartet hätte, wie es zum Beispiel die Originalausgabe hat (auch wenn ich jenes Cover einfach schrecklich finde). Der Titel jedoch passt wunderbar und ist nah am englischen gehalten. Gut gefallen haben mir auch die kurzen Kapitel, die einen das Buch schnell lesen ließen.


Erster Satz: "Versprecht mir nur, dass ihr keinem ein Wort sagt", flüstert Mum, als wir zur Schule aufbrechen, Grace und ich."


Nur weg! Das wollen Ellie, Grace und ihre Mutter, die von ihrem Vater misshandelt werden.
Das Buch "Das Ende der Lügen" beginnt mit ersten Fluchtplanungen. Schon auf den ersten Seiten wird klar, wie sehr auch die beiden Mädchen unter der Situation und dem gewalttätigen Vater leiden. Sie müssen nicht nur ihn fürchten, die extreme Angst um ihre Mutter, die immer wieder misshandelt wird, ertragen, sondern leiden auch unter sozialen Anschlussproblemen. Den Mädchen wurde von ihrem Vater früh eingebläut, dass sie in keinem Fall über die Situation sprechen dürfen, so flüchten sich die beiden Schwestern in Schweigen und Einsamkeit. In der Flucht sehen die drei die Chance auf ein neues Leben, doch damit sind das Verstecken und die Lügen nicht vorbei...

Nach der nächtlichen Flucht in einen Ferienort an der Küste, scheint erst einmal alles perfekt: Grace und Ellies Mutter gewinnt nach und nach immer mehr an Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein und nimmt einen Job in einem Imbiss an, die stumme Grace verliebt sich zum ersten Mal und lernt anderen Menschen wieder mehr zu vertrauen, was ihr nach einiger Zeit auch ihre Sprache wiederbringt. Die jüngste, Ellie, genießt es, dass sie in der Schule Freundinnen findet, aber leider schämt sie sich für ihre Lebensumstände und verstrickt sich immer mehr in Lügen, die sie bald wieder einholen. Es beginnt ganz harmlos, ihr Vater sei ein nicht ganz so bekannter Schauspieler, der zurzeit in Amerika lebe, erzählt sie beispielsweise ihren neuen Freundinnen. Doch durch gezielte Lügen und kleine weggelassenen Fakten, lügt sie sich ihr komplettes neues Leben zusammen, erfindet sich völlig neu, bis sie feststellen muss, dass sie alle der Vergangenheit nicht davonlaufen können...


"Lauren wird schon bald mit der Fragerei aufhören", sagt sie. Und ich bin wütend und erleichtert und traurig, alles auf ein mal, weil ich weiß, dass sie recht hat. Nach einer Weile hören alle auf zu fragen..."

Von der Thematik und Problematik ist es "Und keiner wird dich kennen..." von Katja Brandis, sehr ähnlich, in dem eine Familie von einem Stalker verfolgt eine andere Identität annimmt und auf der Flucht ihr ganzes Leben zurücklassen muss. Häusliche Gewalt ist ein ernstes und für viele Familien leider auch sehr alltägliches Thema, über das trotzdem zu wenig gesprochen wird. Hier bleibt der kleinen Familie als letzte Konsequenz nur, völlig mit ihrem bisherigen Leben zu brechen und komplett neu anzufangen. Insbesondere für Teenager eine unglaublich schwierige Situation, sich in der Findungsphase komplett neu orientieren und weit weg von Zuhause ihr Trauma verarbeiten zu müssen. Neue Freunde finden ist kompliziert, denn wenn man niemandem zu viel von sich erzählen darf, an eine Zukunft zu denken sehr schwer, wenn man versucht die Vergangenheit zu verdrängen, ein anderes Leben zu beginnen fast unmöglich, wenn das alte einen noch verfolgt und immer näherkommt...

Umso gelungener erscheinen Ellie, Grace und ihre Mum als realistische Figuren mit Ecken und Kanten, die mit dem Mut, ein neues Leben zu beginnen, die eigentlich gedrückte Atmosphäre trotz des ernsten Themas in eine positive und hoffnungsvolle Richtung zu lenken.

Die Geschichte wird abwechselnd aus den zwei verschiedenen Perspektiven der beiden Schwestern Ellie und Grace erzählt. Diese unterschiedlichen Sicht- und Erzählweisen sind sehr spannend, denn die beiden Schwestern sind grundlegend verschieden, in Aussehen, Auftreten und Zielen, werden jedoch von denselben Problemen geplagt. Ellie ist erschreckenderweise erst 13 Jahre alt, weshalb sie ganz anders mit der Situation umgeht, als Grace. Sie ist aufgeweckt, sprüht vor Lebenslust und hat eine blühende Fantasie. Bei ihr gehen öfter Sachen daneben, weil sie manchmal erst handelt und dann nachdenkt. Sie möchte beliebt sein, Freunde finden und einfach ein ganz normaler Teenager sein, wohingegen Grace Ruhe und Einsamkeit bevorzugt. Die in sich gekehrte ältere Schwester hat durch jahrelange Konditionierung ein Problem damit, mit anderen zu sprechen, als mit ihrer Mutter oder ihrer Schwester. Sie wünscht sich nichts sehnlicher als mit ihrer Geige in Ruhe gelassen und von niemandem beachtet zu werden. Blöd nur, dass Ryan Baxter aus ihrer neuen Klasse ganz andere Pläne hat und sie nicht nur für seine Band zu erobern versucht.
Vor allem die ganz besondere Beziehung, die die beiden haben - zusammengeschweißt von ihrer schrecklichen Situation - ist einfach wunderbar.


"Grace, fragst du dich jemals, wie es wäre wenn die Situation anders wäre?" Ellies Stimme bebte.
"Bringt doch nichts." (...) "Aber wäre es nicht unglaublich, wenn wir andere Leute wären und ein anderes Leben führen würden?", bohrte sie weiter. Warum andere Leute? Andere Leute sind doch das Problem!"


Die Mutter bleibt dagegen etwas blass, genau wie der Vater, der das gewalttätige Monster bleibt und relativ wenig Tiefe erkennen lässt.

Die Handlung an sich ist eigentlich relativ simpel und von alltäglichen Handlungen und Problemen geprägt, weshalb man von wirklicher Spannung nicht reden kann. Doch durch den Hintergrund der Figuren versteht man ihre Handlungsweisen viel besser und muss einfach immer weiterlesen, um zu wissen, was ihnen noch zustößt und ob sie endlich ihr Happy End finden. In der Mitte des Buches gab es eine kurze Durststrecke, bei der ich irgendwie nicht so gut vorangekommen bin, doch das dramatische Ende, wiegt das wieder auf.


Fazit:

Nicht wirklich etwas Besonderes, aber durch das interessante und sehr gut umgesetzte Thema ein spannendes Buch für Zwischendurch, das berührt, mahnt und mitleiden lässt, aber trotzdem nie die Hoffnung verliert!

Veröffentlicht am 03.08.2017

"Flieg für mich!"

Chosen 2: Das Erwachen
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Allgemeines:

Titel: Chosen - Das Erwachen
Autor: Rena Fischer
Verlag: Planet! im Thienemann-Esslinger Verlag (20. Juni 2017)
ISBN-10: 3522505565
ISBN-13: 978-3522505567
ASIN: B07254PTT9
Seitenzahl: 496 ...

Allgemeines:

Titel: Chosen - Das Erwachen
Autor: Rena Fischer
Verlag: Planet! im Thienemann-Esslinger Verlag (20. Juni 2017)
ISBN-10: 3522505565
ISBN-13: 978-3522505567
ASIN: B07254PTT9
Seitenzahl: 496 Seiten
Preis: 12,99€ (Kindle-Edition)
16,99€ (gebundene Ausgabe)
Weitere Bände: Chosen - Die Bestimmte



Inhalt:

"Flieg für mich"

Emmas Vater Jacob ist tot – ermordet von ihrer großen Liebe Aidan. Glaubt Emma. Doch das stimmt nicht. Emmas Erinnerungen wurden nämlich von Farran, dem Schulleiter des Elite-Internats, manipuliert. Jacob ist nicht tot, im Gegenteil, er will Emma aus Farrans Fängen befreien. Wird es ihm gelingen? Kann er Emma, die in die Emotionen anderer eintauchen kann, dazu bringen, die dunklen Machenschaften ihres vermeintlichen Mentors zu durchschauen?


Bewertung:


Das Cover (rechts) ist mal wieder einfach WOW!!! Ich habe das Buch wieder als gebundenes Exemplar zugeschickt bekommen, welches mit einem hübschen Umschlag mit Klapprändern verziert ist. Das Buch an sich ist in weiß gehalten und hat eine pinke Gravur am Buchrücken. Wo das Cover des ersten Teiles (links) noch in schwarz-grau geglänzt hat, sieht man hier wieder das Frauengesicht im Profil, aber vor einem metallisch-silber-weißen Hintergrund. Ihren Kopf formen dunkle, glänzende Rauchschwaden. Darunter befindet sich in pink der leuchtende Reihentitel und darunter in schwarz der Untertitel. Durch die grau-schwarzen Wirbel bekommt das Coverbild etwas hypnotisch magisches, das eine enorme Anziehungskraft auf den Betrachter ausübt. Das Mädchengesicht hat mich diesmal auch überhaupt nicht gestört, obwohl ich sonst ein klarer Verfechter gegen Modelgesichter auf Cover bin. Es fügt sich einfach so perfekt in dieses mystische Bild, welches einfach genau zur Grundstimmung des Buches passt. Die beiden Covers sehen im Schrank nebeneinander einfach phänomenal aus, auch wenn ich den ersten Teil mit dem ganz dunklen Hintergrund vorziehe.


Wir können Schuld nur dann tilgen, wenn uns vergeben wird. Oder wir uns selbst vergeben. Andernfalls wird sie uns töten."


Doch auch zur inneren Gestaltung gibt es wieder ein paar positive Anmerkungen zu machen. Auf vollkommen unaufdringliche Art sind die Kapitelüberschriften mit sanften Rauchschwaden hinterlegt, was zusammen mit den kunstvoll verschnörkelten Seitenzahlen und der akkuraten Schrift ein stimmiges Gesamtbild ergibt.
Ich würde die ganze Gestaltung als genaue Punktlandung der Autorin und des Thienemann-Esslinger Verlages beschreiben. Bloß was sich hinter dem Titel "Chosen - Das Erwachen" verbergen soll, habe ich noch nicht ganz begriffen. Über Aufklärung würde ich mich freuen


Erster Satz: "Schreib es auf", hat er gesagt, "und dann beginnen wir neu."


Zu Beginn des neuen Jahres steht Emma in den Scherben ihres Lebens und wir am Anfang einer umwerfenden Fortsetzung, die uns eine berührende Geschichte präsentiert, die sich über das gesamte neue Jahr hinwegstreckt. Sie hätte gern einen Neubeginn, wir eine ebenso spannende Story, wie es der erste Teil uns vorgemacht hat. Nach der schicksalshaften Silvesternacht in Sensus Corvi ist nichts mehr, wie es einmal war. Emma ist in ihren manipulierten Erinnerungen von Farran voll und ganz gefangen, Aidan irrt ohne Erinnerungen in New York herum und Jacob will mit Hilfe der Falken Emma aus den Fängen der Raben befreien. Nahtlos geht die Geschichte weiter, wo sie in Band eins mit einem ganz heftigen Cliffhanger geendet hat. Da ich den ersten Teil schon im Januar gelesen hatte, habe ich mich an die ganz genauen Zusammenhänge nicht mehr so ganz erinnert und habe mich auf den ersten Seiten etwas schwer getan, da es sehr auf den Geschehnissen des ersten Teiles ausbaut. Man kann das Buch also auf gar keinen Fall losgelöst von seinem Vorgänger lesen! Als ich dann nach kurzer Zeit wirklich angekommen war, wobei die Charaktertabelle am Ende des Buches sehr geholfen hat, ging es Schlag auf Schlag wieder weiter und das Buch konnte mich in seinen Bann ziehen.


"Mein Name ist Emma MacAengus. Nicht Meyer und auch nicht Kate. Ich brauche sie nicht mehr. Denn ich bin stärker als sie. Ich öffne die glänzenden Schwingen meines Rabengefieders und stürze mich über dem Abgrund meines alten Lebens in den gewitterschweren Himmel."


Auf sehr seltsame aber geniale Art, ist der Roman seinem Vorgänger in Aufbau und Erzählart ähnlich, in Atmosphäre und Lesegefühl aber doch ein wenig anders. Während man im ersten Teil zusammen mit Emma verzweifelt in alle Ereignisse hineinstolpert und versucht, alle Zusammenhänge zu verstehen, so weiß man hier viel mehr als die Protagonisten, die alle nur Fragmenten der Wahrheit hinterherrennen und versuchen, die Motive der Handelnden zu durchschauen. Doch trotz der Sicherheit, vermeintlich alles zu durchschauen, in der wir uns wägen, werden wir immer wieder hinters Licht geführt. Denn auch unsere Wahrheit scheint nicht ganz richtig zu sein. Es kommen immer mehr die Seitenverhältnisse durcheinander und man zweifelt immer mehr an den festgelegten Sympathiewerten des ersten Teiles. Denn was ist nun die richtige Seite, die einzige Wahrheit, wenn jeder an etwas anderes glaubt und mit dem Glauben, das Richtige zu tun, ins Verderben rennt?

Jeder ist verwirrt, und die Fronten verlaufen ständig anders. Mal ist der eine der böse Mörder, dann wieder der Retter in letzter Sekunde, dann doch wieder der Verräter, ... sodass diese ständige Unsicherheit, wer wirklich "Gut" und wer "Böse" ist, einen als Leser fast in den Wahnsinn treibt. Und das ist wirklich das Genialste an dieser Story - die Autorin schafft es immer wieder, einen hinters Licht zu führen! Ich muss zugeben, dass die Fragenzeichen über meinem Kopf im Laufe der Seiten immer mehr wurden, denn der Plot ist recht komplex und verstrickt, doch alles in allem konnte ich einen guten Überblick behalten.

"Schneewittchen soll sterben", rief die Königin, "und wenn es mein eigenes Leben kostet!" Darauf ging sie in eine ganz verborgene, einsame Kammer, wo niemand hinkam und vergiftete da einen Apfel. Wenn du dein Schneewittchen leben wiedersehen willst, schaff Jacob MacAengus zum Eingangstor..."


Doch neben diesem ständigen verwirrenden Hin-und-Her ist die Geschichte viel ruhiger als die erste Hälfte. Erst am Ende beginnt die richtige Action, vorher widmet die Autorin sich in aller Ruhe der Entwicklung ihrer Charaktere, der Einführung in ihre Situation und stimmungsbildenden Szenen.
Denn die Atmosphäre ist absolut nicht verwirrend und gehetzt, auch wenn man sich als Leser manchmal so fühlt, es herrscht viel Magie und Romantik vor, Vertrauen und Gefühle sind wichtige Aspekte, die von den Charakteren hochgehalten werden. Emma trifft aufgrund ihnen ihre Entscheidungen, da sie ihrem Verstand nicht mehr trauen kann, Aidan lässt sich komplett von ihnen leiten, da er nichts mehr weiß und sie sein einziger Wegweiser sind, Jacob leidet unter ihnen und auch Farrans Motive bauen auf dem Wunsch nach ihnen auf. Durch Emmas Gabe ist man nah am Geschehen und für Gefühle werden wunderschöne Beschreibungen und Metaphern gefunden, so ist das Buch eine intensive Leseerfahrung und man leidet mit den einzelnen Charakteren mit.


"Als ich aufschaue, ist da das Mädchen. Unwirklich schön. Als hätte der Sturm sie aus einer anderen Welt zusammen mit den Blättern vor die scheibe getragen. Mein Herz gerät aus dem Takt, kann dem Rhythmus des Regens nicht mehr folgen und das Glücksgefühl zerspringt in Scherben aus Unruhe und Angst. Sie hebt den Kopf und unsere Blicke treffen sich. Augen wie gefrorenes Blau..."


Von der reinen Handlung her, wird dieser Teil erstmal recht langsam angegangen. Nach einem verwirrungsstiftenden aber mega geilen Prolog finden wir uns erstmal in Emmas Situation nach Silvester wieder. Ihre Erinnerungen wurden manipuliert, sie leidet sehr unter ihren neuen Wahrheiten und muss zusätzlich noch damit klarkommen, von ihren Mitschülern als Aussätzige, als Verräterin behandelt zu werden.
Wir lernen den "bösen bösen" Fionbar Farran, auf ganz neue Art und Weise kennen - als sich kümmernder Pate mit Verantwortungsgefühlen. Ich habe mich immer mehr dabei ertappt, ihn zu mögen, obwohl ich wusste, dass er Emma nur manipuliert. Ich war mir irgendwann gar nicht mehr so sicher, ob er nun tatsächlich so böse ist, wie man immer dachte, oder ob hinter alle seinen Taten nicht doch eine gute Absicht steckte. Stattdessen bekommt man immer mehr Zweifel an Richard Montgomry, dem Anführer der rebellischen Falken.
So geht es immer weiter, bis die Story schließlich kurz zu kippen scheint und dann in eine ganz andere Richtung umschlägt, als endlich alle Charaktere wieder bei klarem Verstand sind. Damit ist langsam eine explosive Mischung angerichtet worden, die die Autorin im Folgenden in immer neuen Schüben hochgehen lässt, bis sich schließlich zum Happy End fast alles wieder geordnet und sortiert vor dem immer noch hyperventilierenden Leser ausbreitet.


"Du hast keine Wahl. Du hast nie eine gehabt. Dann ziehe ich seinen Kopf näher, zu mir hinunter. Seien Augen sind riesig, die schwarzen Pupillen tätowieren seinen Namen in mein Herz, meine Lippen öffnen sich leicht und ich schließe sehnsüchtig die Augen."



Als ich mit Lesen fertig war, dachte ich erstmal still OMG! Dann saß ich glaube ich noch eine halbe Stunde in meinem Schaukelstuhl und habe versucht, die Geschichte zu durchdenken und die letzten Fragezeichen verschwinden zu lassen. Dabei ist mir kein einziger unlogischer Punkt aufgefallen und ich muss der Autorin einfach mal für dieses krasse Story-Konstrukt gratulieren. Dass sie es dort geschafft hat, den Überblick zu behalten ist einfach nur bewundernswert. Die Leser der Geschichte sollten also nicht nur stählerne Nerven, einen Sinn für Romantik und gute Tränendrüsen, sondern auch ein bisschen Grips oder einen Notizzettel mitbringen, um das Leseerlebnis vollkommen genießen zu können.


"Mors certa, hora incerta." Mein Lippenstift liegt abgebrochen am Waschbeckenrand unter dem verschmierten Spiegel. " Der Tod ist sicher, nur die Stunde ist ungewiss."


Der zweitwichtigste Grund, weshalb ich dieses Buch wirklich feiere, ist der Schreibstil der Autorin. Man glaubt einfach nicht, dass das die erste Reihe von Rena Fischer ist, zu erfahren und abgeklärt wirkt ihre Schreibweise. Gleichzeitig locker, leicht und einfach aber dennoch ausführlich, magisch und gut durchdacht. Ihr Satzbau ist dabei abwechslungsreich und umgangssprachlich genug, um gut gelesen werden zu können, dabei aber nicht zu schlampig und ungalant formuliert. Dieser Hochseilakt meistert die Autorin wirklich super, was ich, genau wie ihre Fähigkeit, an den richtigen Stellen gefühlvoll, eiskalt, rasant oder ruhig zu schreiben, sehr bewundere. Es werden durch ummalende Beschreibungen wunderschöne Bilder im Kopf erzeugt und viele faszinierende Dialoge setzten der Story noch mal ein Sahnehäubchen auf. Man fühlt sich durch die Nähe, die sie erzeugt, wahrhaftig angesprochen und wird ein Teil der Story. Ganz große Klasse!!!

So jetzt wollt ihr bestimmt wissen, was der erst wichtigste Punkt ist, weshalb ich das Buch wirklich toll finde und mit 5 Sternen bewerten werde. Inhalt? Abgehakt. Cover? Hm, schön ja. Konstruktion? Schon erwähnt. Die Atmosphäre? Zwar geil aber trotzdem nicht der Punkt. Schreibstil? Nur der zweitwichtigste Grund. Was fehlt noch? Die Charaktere!!!

Hier werden drei Haupthandlungsstränge angegangen, denen auch eine gesonderte Perspektive geboten wird. Von Emma und Aidan erfährt man ihre Erlebnisse und Gefühle aus der Ich-Perspektive, Jacob als personaler Erzähler.


"Deine Gefühle wirbeln im Wind des Lebens wie ein Drache. Sie steigen empor und stürzen hinab. Doch wenn es zu stürmisch ist, musst du deinen Verstand von deinen Gefühlen trennen, Emma. Versprich mir, dass du dich nicht von ihnen mitreißen lässt. Lass die Leine los! Sonst wird der Wind doch einfach davon tragen." Ich atme tief durch und schließe die Augen. Und dann mache ich das genaue Gegenteil."


Emma MacAengus ist mir schon im ersten Teil sehr ans Herz gewachsen, da sie ihre eigenen Werte vertritt und sich nicht unterkriegen lässt. Umso schmerzhafter ist es, mit ansehen zu müssen, wie sie manipuliert und gegen ihre Familie aufgehetzt wird und so langsam alles verrät, wofür sie stand. Doch durch ihre spezielle Gabe des Emotionentauchens nimmt sie alle Emotionen um sich herum und in anderen verstärkt wahr, was schon bald zu einem absoluten Gefühlschaos führt, das einige Wiedersprüche aufweist. So liebt sie noch immer den Mörder ihres Vaters. Kann das sein? Soll sie ihrem Verstand oder ihrem Herzen mehr Vertrauen schenken? Sie zweifelt immer mehr an sich selbst, ihren Gefühlen, Gedanken, an allem! Das zermürbt sie zusehends und so leidet sie leise vor sich hin, weil sie sich selbst und die Welt nicht mehr versteht. Sie manövriert sich von einer schwierigen Situation zur nächsten, zeigt sich jedoch immer warmherzig, sensibel und einfach liebenswert. Das beste jedoch: sie wird nicht als absolute Superheldin dargestellt, sondern darf sich verrennen, Fehler machen, kämpfen, verlieren, sich wieder fangen und aufstehen. Das macht sie wirklich aus und lässt sie mit sehr viel Tiefe glänzen, auch wenn ihr in diesem Buch ein bisschen Aufmerksamkeit des Lesers gestohlen wird.


"Stille kann mit Ehrfurcht erfüllen oder einen beruhigen, auffangen in einem Netz von Glück, Sehnsucht oder Hoffnung. Aber das sind nicht die Fäden, aus denen mein leben in den letzten Monaten gesponnen wurde. Deshalb ist diese Stille anders. Sie wartet, belauert mich, geduldig wie eine Spinne, und je mehr ich mich abzulenken und ihr durch den herbeigesehnten Schlaf zu entrinnen versuche, desto stärker verheddere ich mich in ihren klebrigen Fäden, bis ich wie in einem Kokon von ihr eingeschnürt bin und kaum noch Luft bekomme."


Ein Teil davon bekommt Aidan, der in New York seines gesamten Charakters beraubt einen Neuanfang starten muss. Geholfen wird ihm dabei von der Buchhändlerin Amy Grey, die ihn bei sich aufnimmt und unterstützt. Doch seien Vergangenheit lässt ihn nicht los und ihn quälen immer mehr Flashbacks, und eine wunderschöne Erinnerung von einem Kuss im Regen. Seine Welt wackelt erneut, als dieses Mädchen vor seiner Tür auftaucht und er wieder in einen Strudel von Ereignissen, Intrigen und Hinterhalt gezogen wird um dafür eines wieder zu erhalten: Liebe. Immer wieder hat er Momente, in denen die Hoffnung erwacht, er könne sich bald wieder an alles erinnern. Rena Fischer spielt hier gekonnt mit den Emotionen der Leser und macht ein Mitfiebern zur Pflicht.


"Das Zupfen einer Gitarre. melancholisch, romantisch. Ich kenne dieses Stück. Es stammt aus dem Film "Jeux Interdits" und wird von Narciso Yepes gespielt. All das weiß ich. Aber nicht meinen Namen."


Auch sehr berührt hat mich Jacob MacAengus, Emmas totgeglaubter Vater, der durch die Situation zur Zusammenarbeit mit seinen Erzfeinden, den Raben und dessen Chef Richard Montgomry gezwungen wird, um seine Tochter aus den Fängen Farrans befreien und seinen Patensohn suchen zu können. Er leidet sehr unter der Situation und tut alles, um den Rest seiner Familie beschützen zu können, auch wenn das Wort "Familie" für ihn bald etwas umdefiniert wird...

Mein absoluter Liebling und Gewinner dieses Bandes ist jedoch Fionbar Farran, Schulleiter von Sensus Corvi und Emmas Mentor. Im Laufe des Buches offenbart er uns seine Vergangenheit, die zugleich berührt, entsetzt und uns sein Handeln verständlich macht. Man versteht, dass er die richtigen Ideen und Ziele hat, seine Ansichten von Vertrauen und Liebe aber zu verzerrt sind, um sie richtig umsetzten zu können, ohne Schaden anzurichten. Emma beginnt immer mehr ihm zu vertrauen, auch abseits seiner Manipulation und sucht ihn schließlich auf, nachdem sie über alles Bescheid weiß. Er wird gleichzeitig gerissen und stark, aber auch verletzlich und verzweifelt gezeichnet. Ein Meister im Aussprechen von Wahrheiten, die keine sind, um sich etwas Liebe und Sicherheit zu erkaufen, denn alles was er will, ist ein sicheres Nest für seine Raben zu bauen und dieses vor den Angriffen der verfeindeten Falken zu schützen, auch wenn das bedeutet, einen der seinen herausstoßen zu müssen. "Flieg für mich", sagt er mehrere Male zu Emma, und als er sie aus dem Nest stößt, fliegt sie.


"Ich biete dir die Welt, Emma. Oder den Tod."


Die einzigen Bösewichte, auf die man mit wirklich Hass im Herzen zurückblicken kann, sind James Callahan und der neue Charakter Jack Pashley. Was es mit diesem auf sich hat, will ich aber nicht verraten...

Denn das Finale ist eine wunderbare Auflösung der ganzen Action zu vor, jeder bekommt ein logisches Ende, das an einigen Stellen nur minimal konstruiert wirkt und vor allem sehr berührt!

Noch ein wunderschönes Zitat zum Schluss:


"Ich falle. (...)
Meine Tränen sind gefrorene Perlen, sie fliegen mir voraus und gleich werden sie -wir- auf dem harten Eis zerschellen. (...)
Flieg für mich!, wispert seine Stimme." (...)
Meine Haut platzt auf. Federn sprießen aus ihrem milchigen Weiß und meine Beine werden zu Fängen. Ihre dunklen Krallen ritzen Furchen in das Eis, Kristallfunken sprühen neben mir auf, aber da breite ich meine Schwingen aus und reiße meinen schlanken Rabenkörper wieder nach oben, bevor mein gefiederter Brustkorb auf dem See zerschellt. Eine einzelne blauschwarze Feder segelt hinab und küsste meine Spuren im Schnee."


Fazit:

Spannung, außergewöhnliche und vielschichtige Charaktere, Verwirrung, Wendungen und eine Liebesgeschichte, die so einige Hürden überwinden muss - all das mehrt sich und gipfelt in einem Finale, das das Lesen dieser Fortsetzung zur Pflicht macht!

Veröffentlicht am 03.08.2017

Ich bin überrascht, geflasht und begeistert:

Chosen 1: Die Bestimmte
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Allgemeines:

Titel: Chosen - Die Bestimmte
Autor: Rena Fischer
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3522505107
ISBN-13: 978-3522505109
ASIN: B01NCDXTVE
Preis: 12,99€ (Kindle-Edition)
16,99€ (gebundene Ausgabe)
Weitere ...

Allgemeines:

Titel: Chosen - Die Bestimmte
Autor: Rena Fischer
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3522505107
ISBN-13: 978-3522505109
ASIN: B01NCDXTVE
Preis: 12,99€ (Kindle-Edition)
16,99€ (gebundene Ausgabe)
Weitere Bände: 2. Teil - noch kein Titel vorhanden



Inhalt:

"Entscheide dich jetzt!

Zwei verfeindete Clans, die sie auf ihre Seite ziehen wollen.
Ein Internat für Schüler mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, das ihr vorkommt wie ein Gefängnis.
Und ein Junge, den sie mehr liebt, als es gut für sie ist.
Zwischen Liebe und Verrat, Lüge und Verschwörung muss Emma die Wahrheit finden.
So schnell wie möglich, sonst werden sie sie kriegen.
Und töten."

Ein Eliteinternat für Hochbegabte – nicht gerade Emmas Traum!
Doch Sensus Corvi ist kein normales Internat: Emma ist eine Emotionentaucherin und kann die Gefühle anderer Menschen spüren. Auch all ihre Mitschüler verfügen über besondere Gaben, was für Emma etwas gewöhnungsbedürftig ist. Der charismatische Aidan kann beispielsweise die Elemente beeinflussen – vor allem aber bringt er Emmas Gefühlswelt ziemlich durcheinander...
Als plötzlich Jared, ein ehemaliger Schüler, bei Emma auftaucht und sie in das düstere Geheimnis einweiht, das hinter den Mauren des Internats lauert, gerät Emma zwischen die Fronten und weiß nicht mehr, wem sie trauen kann.
Eine Rebellion bricht los, die mehr ist als ein erbitterter Kampf. Und für Emma geht es dabei nicht nur um die große Liebe, sondern um Leben und Tod!


Bewertung:

Erste Sätze: "Du hast versprochen, daran zu arbeiten", sagte er vorwurfsvoll.
Und ich verspreche ihm erneut, sie wegzusperren: meine Erinnerungen. Aber sie sind wie Schatten. Kann man sich einen Körper ohne Schatten vorstellen? Ein Leben ohne Erinnerungen?"


Bevor ich mit meiner Rezension beginne, möchte ich zuerst ein riieesiges Dankeschön an Rena Fischer aussprechen - das wunderschön Buch in dem hübsch dekorierten Paket war wohl die hinreißendste Buchpost, die ich jemals bekommen habe!!!

So, aber jetzt los! Wie immer zuerst einige Worte zur Ästhetik: Ich habe das Buch als gebundenes Exemplar zugeschickt bekommen, welches mit einem hübschen Umschlag mit Klapprändern verziert ist. Das Buch an sich ist metallic grau und hat eine lila Gravur am Buchrücken.
Das Cover ist einfach WOW!! Ganz in schwarz-grau gehalten bilden metallisch glänzende Rauchschwaden ein Frauengesicht im Profil vor einem dunkelschwarzen Hintergrund. Darunter befindet sich in weiß der leuchtende Reihentitel und darunter in lila der Untertitel. Durch die grau-schwarzen Wirbel bekommt das Coverbild etwas hypnotisch magisches, das eine enorme Anziehungskraft auf den Betrachter ausübt. Das Mädchengesicht hat mich diesmal auch überhaupt nicht gestört, obwohl ich sonst ein klarer Verfechter gegen Modelgesichtern auf Cover bin. Es fügt sich einfach so perfekt in dieses mystische Bild, welches einfach genau zur Grundstimmung des Buches passt.


"Sie wissen, wie man Leute manipuliert. Du musst besser sein als sie."


Auch die innere Gestaltung des Romans ist einfach genial. Auf vollkommen unaufdringliche Art sind die Kapitelüberschriften mit sanften Rauchschwaden hinterlegt, was zusammen mit den kunstvoll verschnörkelten Seitenzahlen und der akkuraten Schrift ein stimmiges Gesamtbild ergibt.
Ich würde die ganze Gestaltung als genaue Punktlandung der Autorin und des Thienemann-Esslinger Verlages.

Ja, doch das ist noch längst nicht alles, was mir an diesem Roman besonders gut gefallen hat. Nicht umsonst habe ich ihn zu meinem persönlichen Überraschungshighlight dieses recht jungen Jahres gekürt!
Gleich von der ersten Seite war ich einfach an dieses Buch gefesselt und bin nicht mehr losgekommen, bis nicht auch das aller letzte Wort noch verschlungen war. Am Anfang war ich durch die recht kurzen Kapitel mit seltsam intensiven aber undurchsichtigen Szenen etwas verwirrt, was auch durch kurze Einstreuungen von Flashbacks einer anderen Perspektive verstärkt wird. Langsam klären sich dann die ersten Nebenfetzen auf, doch genau dieses perfekte Maß an Undurchsichtigkeit und Verwirrung, das die Spannung wahrt und gerade noch verstehbar ist, zieht sich durch das ganze Buch hindurch. Denn wir haben es hier nicht mit einer 08/15 Internatsstory zu tun, wie wir sie alle zu genügen kennen, sondern bekommen hier eine absolut prickelnde Neukreation vorgesetzt. Es beinhaltet die Intensität der Gefühle eines Jugendbuchs, die Spannung eines Krimis und die Intrigen und die Feindschaft eines Thrillers. Entfernt wurde ich beim lesen an die Reihe "Night School" von C.J. Daugerhty erinnert, was aber ein absolut positiver Punkt ist, da ich diese Reihe liebe und sich "Chosen" in eine gaaanz andere Richtung entwickelt.


"Seine Kraft drückt gegen mich, aber ich werde ihn bezwingen. Ich weiß, ich kann das. Ich atme Zorn und schwitze Hass. Langsam. Millimeter für Millimeter drücke ich gegen ihn. Um auf einmal schmecke ich etwas, das ich bei all den Übungen noch nie gekostet habe: Macht!"


Doch worum geht es eigentlich genau?
Die 16-jährige Emma, kurz Emz, wächst allein bei ihrer Mutter in Deutschland auf und führt ein ganz normales Leben... Nunja, fast. Denn sie ist eine Emotionentaucherin mit besonderen telekinetischen Fähigkeiten, die sie jeden Tag verstecken muss. Als eines Tages ihre Mutter bei einem Autounfall stirbt, taucht ein merkwürdiger Mann bei deren Beerdigung auf. Er sieht genau aus wie sie, kennt ihre Mutter und zeigt Interesse an Emma, schnell wird klar, es muss ihr Vater sein, und dieser weiß von ihren Fähigkeiten. Er nimmt sie kurzerhand mit in seine Heimat nach Irland, wo sie ein Eliteinternat für Hochbegabte besuchen soll. Doch dieses Internat ist mehr als merkwürdig und bald stellt sich heraus, dass die Schüler nicht nur hochbegabt sind, sondern genau wie Emma andere außergewöhnliche Fähigkeiten besitzen. Emmas Mutter hat sie immer vor diesen Menschen gewarnt, doch sie weiß schon bald nicht mehr, wem sie wirklich trauen soll. Denn alle Schüler, Lehrer und ihr Vater sind Anhänger von der geheimnisvollen Schule Sensus Corvi und sind deren Schulleiten Fion Farran bedingungslos ergeben. Was verbirgt sich hinter den hohen eleganten Mauern des Schulgebäudes wirklich, wer steckt hinter der seltsamen Widerstandsgruppe, die mit jeden Mitteln gegen Sunsus Corvi vorgeht und welche Rolle soll sie in dem ganzen Spiel spielen?


"Was nützt mir die Zukunft in meinen Gedanken, wenn ich sie nicht ändern kann?"


Fragen über Fragen, die es langsam zu beantworten gilt und Rena Fischer startet gleich voll durch. Ich muss zugeben, dass die Fragenzeichen über meinem Kopf im Laufe der Seiten immer mehr wurden, denn der Plot ist recht komplex und verstrickt, doch alles in allem konnte ich einen guten Überblick behalten. Einige Rezensenten hatten kritisiert, die Handlung sei viel zu unübersichtlich und man hätte "gequetscht", doch genau diese Fülle an Action hat mir sehr gut gefallen. Gefühlt wird am laufenden Band jemand entführt, ist verschwunden oder tot, die Protagonistin lässt etwas in die Luft gehen, verlaufen oder verdampfen. Mal ist der eine der böse Mörder, dann wieder der Retter in letzter Sekunde, dann doch wieder der Verräter, ... sodass diese ständige Unsicherheit, wer wirklich "Gut" und wer "Böse" ist, einen als Leser fast in den Wahnsinn treibt. Und das ist wirklich das Genialste an dieser Story - die Autorin schafft es immer wieder, einen hinters Licht zu führen! Wenn man denkt, man hat das ganze durchschaut, passiert etwas Neues und man weiß wieder so viel wie am Anfang. Nämlich nichts. Bei vielen Charakteren wusste ich bis zum Ende nicht, auf welcher Seite sie nun stehen und was ich überhaupt denken soll. Immer wieder gab es neue Wendungen und man springt von einem Zweifel zum nächsten.


Nimm nie etwas von einem anderen Menschen an, ohne dich zu fragen, wie er dir schlimmstenfalls damit schaden könnte. Und dann überlege, ob du bereit bist, diese Gefahr einzugehen.“


Durch Emmas offene und offensiver Art und ihre hohe Intensität, mit der sie die Welt als Emotionentaucherin wahrnimmt, bleibt man immer ganz nah am Geschehen und stürzt sich liebend gerne in jeden noch so abgefahrenen Moment des Buches. Ja, die Autorin setzt ein recht hohes Aufmerksamkeitspotential voraus ,indem sie neben nebulösen Rückblenden den Leser oft übergangslos in neue Situationen wirft, immer neue Figuren erscheinen lässt und die Handlung zunehmend rasanter auf ein sich überschlagendes Ende zu peitscht, doch wenn man sich ein bisschen anstrengt, wird man mit einem logischen und extrem spannenden Gesamtkonstrukt belohnt!!!
Dass es ausnahmsweise mal keine "gute Gruppierung" und eine "böse Gruppierung" gab, sondern ein stärkerer Fokus auf den ganzen Einzelpersonen lag, die zu diesen zwei Clans gehören, hat mir sehr gut gefallen. So konnte gut durchgemischt werden und die Geschichte lief nicht der Gefahr, sich in ein Klischee zu verrennen. Auch die Tatsache, das es um zwei verfeindete Clans geht, die nicht auf magischer Ebene in beispielsweise dunkle und helle Zauberer geteilt werden, die sich dann mit Bannflüchen gegenseitig zu Hackfleisch verarbeiten, sondern dass vor allem Politik, Intrigen, Machtspielchen und Taktik eine Rolle spielen, fand ich einfach super. Das ist das, was dieses Buch einfach von der ganzen Masse abhebt.

"Wenn dich etwas verletzt, gibt es genau drei Dinge zu tun: Denk logisch. Sperr deine Gefühle weg. Atme!"


Ja, und dann sind da natürlich noch die Charaktere. Das diese in dem ganzen Plot-Wir-War nicht vollkommen untergegangen sind, ist wirklich ein Kunststück!

Fangen wir doch mal mit Emma Meyer an. Sie erzählt uns ihre Geschichte aus der Ich-Perspektive und ist mir sehr schnell ans Herz gewachsen. Durch ihre Gabe des Emotionentauchens ist sie warmherzig, sensibel und einfach liebenswert. Sie nimmt außerdem alle Emotionen verstärkt wahr, was dazu führt, dass wir Leser mit einem absoluten Gefühlschaos konfrontiert werden. Selbstbewusst, mutig und taff lässt sie sich nicht schnell unterkriegen, obwohl sie schon früh erkennen musste, dass sie ihre wahren Fähigkeiten vor den anderen Menschen verstecken muss und von ihrer Mutter auf Misstrauen und Zweifel erzogen wurde. Ich konnte mich dank ihrer offenen und emotionalen Art sehr gut in sie hineinfühlen und mitempfinden, wie es ihr in dieser Situation der Neuorientierung, der Trauer um den Verlust ihrer Mutter, die Verwirrung durch den Umzug zum unbekannten Vater und allgemein dieser seltsamen neuen Situation, gehen konnte. Eine wirklich tolle Hauptcharakterin!


„Er lächelt, beugt sich ein wenig vor und pflückt eine meiner schwarzen Haarsträhnen von dem weißen Laken. Langsam kringelt er die Spitzen um seinen Zeigefinger. Poch, poch, poch. Dieses dumme Herz! Kein Mensch spürt die Spitzen seiner Haare!“


Ihr zur Seite werden gleich zwei junge Männer gestellt, die beide einen Platz in ihrem Herzen einnehmen. Aiden und Jared sind wie Tag und Nacht, wie Licht und Schatten. Doch wer ist ehrlich und wem kann Emma trauen? Das muss sie selbst erst noch herausfinden. Ich fand beide toll ))

Aidan ist ein Casanova und dennoch war er mir von Beginn an total sympathisch. Sein Wesen ist vielschichtig, er ist ein Kämpfer und gleichzeitig ein Gefühlsmensch. Wenn er einmal jemanden auserkoren hat, sein Freund zu sein, dann kämpft er wie ein Löwe für ihn. Sein Charakter habe ich bewundert und ich bin unglaublich gespannt was wir im zweiten Band noch alles von ihm wahrnehmen werden.
Jared hingegen ist der geheimnisvolle Bad Boy der Geschichte, welcher jedoch ebenfalls seinen Charme verbreitet und mich auf alle Fälle an der Angel hat. Er hat viele Geheimnisse und dennoch lässt er auch immer wieder sein Wesen hervorspitzen. Er hat in seinem Leben viele Abzweigungen falsch gewählt und dennoch habe ich ihm als Leser verziehen und ihn regelrecht ins Herz geschlossen.


"Du lebst!", seufzte er und senkte seine Stirn auf meine.
Regen.
Splitter, hart wie Eis.
Wasser, das auf meiner Haut zerplatzt.
Nichts bewegt sich außer der Regen
..."


Das mit den beiden auftauchende Liebesdreieck ist in Jugendbüchern wohl unvermeidbar seufz aber wenigstens gut umgesetzt.

Mein absoluter Lieblingscharakter in diesem Buch ist allerdings Emmas Vater Jacob MacAengus. Neben seiner von Gefühlen fast überquellenden Tochter wirkt er immer wie ein gefühlsloser Eisklotz, doch auch wenn es für ihn gegen Ende recht schlecht aussieht, habe ich nie an ihm gezweifelt, da er wie Aidan auch, einen sehr stark ausgeprägten Beschützerinstinkt Emma gegenüber entwickelt und einfach alles für sie tun würde. In den Flashbacks, die Emmas Mutter Katharina betreffen, spielt er auch noch eine zentralere Rolle und man erfährt einige interessante Details über ihn...


"Auf euer Haupt wälzt er der Witwen und der Waisen Tränen,
der toten Männer Blut,
der Weiber Gram um Gatten, Väter,
und um Anverlobte,
die dieser grimme Streit verschlingen wird.
Dies ist sein, Ruf, sein Drohn und meine Botschaft."


Dann sind da natürlich noch die Antagonisten und Mitstreiter der beiden Clans, wer das jetzt ist, werde ich natürlich nicht verraten. Beide Seiten werden jedoch immer nachvollziehbar dargestellt, sodass man ihre Handlung und die dahinter verborgenen Motive verstehen kann.

Der wichtigste Grund aber, weshalb ich dieses Buch wirklich feiere, ist der Schreibstil der Autorin. Man glaubt einfach nicht, dass das der erste Roman von Rena Fischer ist, zu erfahren und abgeklärt wirkt ihre Schreibweise. Gleichzeitig locker, leicht und einfach aber dennoch ausführlich, magisch und gut durchdacht. Ihr Satzbau ist dabei abwechslungsreich und umgangssprachlich genug, um gut gelesen werden zu können, dabei aber nicht zu schlampig und ungalant formuliert. Dieser Hochseilakt meistert die Autorin wirklich super, was ich, genau wie ihre Fähigkeit, an den richtigen Stellen gefühlvoll, eiskalt, rasant oder ruhig zu schreiben, sehr bewundere. Es werden durch ummalende Beschreibungen wunderschöne Bilder im Kopf erzeugt und viele faszinierende Dialoge setzten der Story noch mal ein Sahnehäubchen auf. Man fühlt sich durch die Nähe, die sie erzeugt, wahrhaftig angesprochen und wird ein Teil der Story. Ganz große Klasse!!!


"Das Lächeln auf dem Gesicht des Falken-Führers wird noch ein Stück breiter.
"Seneca sagte einst, ein Gladiator fasst es als Schande auf, wenn man ihm einen schlechten Partner in der Arena zuteilt. Denn ein Sieg ohne Gefahr ist auch ein Sieg ohne Ruhm. Und mit dem Schicksal verhalte es sich ebenso. Es sucht sich nur die Tapfersten aus. Heute Nacht, Patrick, wird sich unser aller Schicksal erfüllen..."


Das Ende war -wie zu erwarten- kein richtiges Ende. Mit dem gefühlt miesesten Cliffhanger der Welt wird dieser Geschichte nur ein vorläufiger Schlusspunkt gesetzt, da der abschließende zweite Band dieser Dilogie im Herbst dieses Jahres 2017 heraus kommen wird. Ich bin darauf natürlich megamäßig gespannt, und hoffe, auch dort wieder als Rezensentin am Start sein zu dürfen ))



Fazit:

Ich bin überrascht, geflasht und begeistert:
Ein magischer Schreibstil, ein komplexer Plot, viel Spannung, Gefühlschaos pur, geniale Charaktere und nicht zuletzt eine hübsche äußerliche Gestaltung machen diesen Roman zu einem Buchhighlight, das sich niemand entgehen lassen sollte!

Veröffentlicht am 03.08.2017

Ruhiger, romantischer und vielseitiger drittet Teil

Sonnenschwinge - Die Nacht der Elemente 3
0

Allgemeines:

Titel: Sonnenschwinge - Die Nacht der Elemente
Autor: Lia Haycraft
Genre: Fantasy
ISBN-13: 978-9963534388
Preis: 2,99€ (Kindle-Edition)
12,99€ (Broschiert)
Weitere Bände: "Mondtochter - ...

Allgemeines:

Titel: Sonnenschwinge - Die Nacht der Elemente
Autor: Lia Haycraft
Genre: Fantasy
ISBN-13: 978-9963534388
Preis: 2,99€ (Kindle-Edition)
12,99€ (Broschiert)
Weitere Bände: "Mondtochter - Die Nacht der Elemente";
"Mondschwinge - Die Nacht der Elemente";
"Sonnentochter - Die Nacht der Elemente" (?)




Inhalt:

"Er drehte sich zu ihr und küsste sei auf den Kopf. "Ich wünschte, wir hätten uns woanders kennengelernt." Seine Worte waren leise.
"Das wünsche ich auch."

Gerade stand Ruben noch in der Tate Gallery in London, jetzt befindet er sich plötzlich in Axikon, der Welt der unendlichen Nacht. Neugierig lässt er sich auf diesen magischen Ort ein und begegnet der hübschen und geheimnisvollen Sotai, die aussieht wie ein Mensch, sich jedoch in den Wind verwandeln kann. Vom ersten Moment an ist Ruben von ihr fasziniert, obwohl auf der Erde seine Verlobte wartet. Ruben will sich auf das Abenteuer einlassen, doch kein Mensch darf in dieser Welt bleiben und so will Sotai ihn unentdeckt zur Erde zurückzubringen. Jedoch müssen beide bald feststellen, dass ihr Vorhaben weitaus gefährlicher ist, als es anfangs scheint ...



Bewertung:


"Die Monde Enxía und Serniwe spiegelten sich in dem schmalen Bachlauf zwischen Abertausenden von Sternfischen, die aufleuchteten, wenn sie vorbeischwammen."

Das ist der erste Satz des vorletzten Bandes der "Die Nacht der Elemente" - Reihe von Lia Haycraft. Nach "Mondtochter" und dem zweiten Teil, "Mondschwinge" handelt dieses Buch auch wieder von anderen Charakteren, welche aber mit Sotai teilweise bekannt waren. Ich muss gleich zu Beginn sagen, dass mir diese Reihe immer besser gefällt und ich diesen vorletzten Teil wohl bis jetzt am besten finde! Ich war eigentlich immer von einer Trilogie ausgegangen und bin nun freudig überrascht, dass es anscheinend noch einen weiteren Teil geben soll, der "Sonnentochter" heißt.

Das Cover ist mal wieder sehr hübsch geworden. Wieder ist ein Mädchen zu sehen, welches meinen Vorstellungen zu Sotai recht nahe kommt, mich aber trotzdem etwas verärgert hat, da ich Models auf Cover recht ablehnend gegenüberstehe, was ihr bestimmt so langsam wisst. Dieses Mal ganz in goldenen und schwarzen Tönen mit einigen roten und blauen Akzenten. Die Farben sind sehr passend gewählt, auch da Ruben zu Beginn einen Orakelkäfer mit diesen Farben erhält. Das Blau steht für Wind, Sotais Element, das das zusehende Mädchen schwungvoll umspielt. Das Rot im schön geschwungenen Titel steht für die Liebe und das Gold für die Sonnenschwinge. Was es damit auf sich hat? Lasst euch überraschen!


19 Jahre sind seid dem letzten Band vergangen, viel hat sich nicht verändert. Eigentlich will Sotai in Zukunft besser auf ihr Herz aufpassen und es nicht so leichtfertig verschenken wie bisher. Doch der gutaussehenden Ruben bringt ihre Pläne zum wanken. So viel verbindet die beiden, aber eine Liebe scheint unmöglich, gehören sie doch in verschiedene Welten. Er kann nicht in Axikon bleiben, denn es ist Menschen verboten und würden es die Ältesten mitbekommen, würden sie ihn auf die Erde schicken, aber seine Erinnerungen an ihre Welt einbehalten. Um das nicht zu riskieren, muss Sotai ihn unbemerkt zur Erde zurückbringen. Beide haben Angst vor dem unausweichlichen Abschied, denn auf der Erde lauert das gefährliche Sonnenlicht, welches Sotais Haut verbrennen würde. Noch während sie überlegt, wie viel sie bereit ist für Ruben aufzugeben, wird einer der Wächter Axikons, die Sonnenschwinge Miro, schwer verletzt und verliert seine Bestimmung. Während die beiden versuchen, Miro, welcher alles vergessen hat, ein neuen Leben auf der Erde zu ermöglichen, bemerkt Sotai, dass ihr Schicksal doch enger mit Rubens verbunden ist, als sie gedacht hat...


"Sie würde nicht altern, Ruben schon. Sie konnte nicht bei Tag raus, Ruben schlief vermutlich überwiegend in der Nacht, wenn sie wach war. Es war fast wie in diesen kitschigen Vampirliebesgeschichten, wovon Kani ein paar besaß. Am Ende biss der eine den anderen und beide blieben glückliche Vampire. (...)
Aber dies war kein Roman, sondern das wahre Leben."


Die Geschichte um Sotai und Ruben ist aber nur einer der Handlungsstränge in diesem Buch. Neben den beiden geht es, etwas im Hintergrund, auch noch um Mahin, das über fünfhundert Menschenjahre alte Ratsmitglied, welche wir schon aus "Mondschwinge" kennen. Sie trauert um den Erinnerungsverlust von Miro, in den sie heimlich verliebt war und macht sich auf die Suche nach der neuen Sonnenschwinge. Dabei trifft sie auch ihren lange vergessenen Zwillingsbruder, ein bekanntes Gesicht, wieder und findet eine neue Liebe...

Ein ganz nebensächlicher Handlungsstrang, den ich eigentlich schon fast als unnötig und unbedeutend abgetan hatte, tritt gegen Ende noch einmal kurz in den Vordergrund. Umbra Jones, die rachsüchtige Mutter von Raja und Hobby-Bösewicht, räumt ihren Platz im Spiegelrat für ihre Tochter und verschwindet auf die Erde mit undurchsichtigen Plänen. Hat sie etwa von ihren Racheplänen immer noch nicht Abstand genommen...?


"Umbra drehte sich zur Seite, verwandelte sich in eine Wolke aus Eisblumen und flog mit dem Käfer über den See. Sie verschwand in der Dunkelheit. Augenblicklich wusste Mahin, dass Umbra etwas plante. (...)
Mahin flüsterte einen Namen und hoffte, dass sie unrecht hatte."


Dieser dritte Teil verwebt viele neue aber auch bekannte Gesichter kunstvoll zu einer einzigen Geschichte. Kasumi und ihr Geliebter Ivan nehmen einen nicht unbedeutenden Platz ein, auch Lucija, Sander und deren Sohn Aidan, das neue Element des Feuers, kommen vor. Altbekannte wie Sotais Eltern, Kasumis Großeltern, der Rabenmann Artus und die Wächterin der Grenze Elfrun dürfen wir ebenfalls wieder treffen. Was ich im zweiten Teil etwas vermisst hatte, die genauere Erläuterung von Mond- und Sonnenschwinge, wird endlich geklärt und auch noch einmal Axikon genauer beschrieben. Leider konnte man Miro, seine Geschichte als Sonnenschwinge und der doch etwas rätselhafte Epilog am Ende von Band Zwei nicht mehr näher kennenlernen. Allgemein geht es in diesem Band viel ruhiger zu, romantisch, beschaulich und trotzdem spannend. Sehr interessant ist es auch, Axikon noch einmal aus der Sicht eines Menschen zu erleben.


"Bäume, Häuser, seltsame Fabelwesen wie Einhörner und Drachen, Blumen, die zu brennen schienen, Regenbogen, Wolken, Schnee und Eisblumen, Herbstlaub, Wasserfontänen und rot leuchtenden Regen wie Feuerfunken."


Der Schreibstil ist locker-flockig, wie ich das auch schon gewohnt war, dieses Mal wieder mit vielen tollen Beschreibungen und in angenehmem Tempo.
Wie ich schon einige Male in vorherigen Rezensionen betont hatte, hat die Autorin die einmalige Gabe, mit ihren Worten ein Bild zu gestalten, dunkel, schillernd, glänzend und geheimnisvoll wie die Welt, die sie erschaffen hat. Mit dem malerischen Stil, der sehr beschreibend und treffend das Geschehende umschreibt, ist es sehr angenehm und einfach zu lesen und die Seiten rauschten wieder nur so vorbei. Der ständige Wechsel zwischen Erde und Axikon und die Reaktion der Charaktere darauf ist sehr interessant rüber gebracht. Sotai fühlt sich auf der Erde fremd und hilflos, während Ruben mit Axikon zuerst nicht sehr viel anfangen kann.

Die Idee mit den Elementen und auch der recht gewöhnliche und nicht gerade überraschende Verlauf des Plots ist zwar nicht wirklich etwas, was man noch nicht zuvor schon mal irgendwo gelesen hat, doch trotzdem erschien es mir ausreichend abwechslungsreich und faszinierend mystisch, dass es mich in seinen Bann gezogen hat. Axikon, der Spiegelrat und die beiden Schwingen sind jedoch etwas komplett Neues, was die Geschichte einzigartig macht. Auch die Nacht, der Mond und dessen Kraft konnte seine magische Anziehungskraft auf mich wieder ausüben und hat somit meine Faszination zu dem Buch verstärkt.
Oft hatte ich das Gefühl, leichte Dopplungen zum zweiten Teil zu lesen, doch das hat mir nicht wirklich etwas ausgemacht.

Sotai, welche man schon aus "Mondschwinge" kennt, ist von einem lebensfreudigen jungen Mädchen zu einer stürmischen und abenteuerlustigen Frau geworden. Ihr Element ist der Wind und genau so ist auch ihr Charakter. Mit ihrer aufgeweckten Art bringt sie viel Schwung in die Geschichte. Sofort war sie mir sympathisch, nachdem ich sie schon im Vorgängerband super fand. Was mir aufgefallen ist, ist das seltsamerweise alle Hauptcharaktere der drei Bände das Element des Windes tragen, Sander, Ivan und nun auch Sotai. Witziger Zufall


"Ist Grün deine Lieblingsfarbe?", fragte Ruben. (...)
"Ja. Und deine?" (...)
"Meine auch", sagte er. "Bei uns ist Grün die Farbe der Hoffnung", flüsterte Ruben. Er war sich nicht sicher, ob sie es gehört hatte, und er war sich genauso wenig sicher, ob er wollte, dass sie es gehört hatte. Er wusste überhaupt nicht, was er hoffen sollte..."


Ruben jedoch blieb mir etwas zu blass. Leider konnte ich nicht wirklich eine Bindung zu ihm aufbauen. Was er auf der Erde so macht, was er mag, sein Leben, sein Charakter, alles erfährt man sehr spät und recht oberflächlich. Er hat eine Verlobte, stört sich aber nicht sonderlich daran, sonst weiß man am Ende nur, dass er in London wohnt und Lehrer ist. Vielleicht lag es daran, dass es so viele neue Charaktere gab, die im Schnelldurchlauf charakterisiert werden mussten, oder ich habe einfach das Wichtigste überlesen, doch er konnte einfach keine Tiefe entwickeln. Auch das Problem mit der Verlobten löst sich viel zu einfach auf und hinterlässt keinerlei Bedauern in ihm. Eigentlich schade.

Mahin ist recht traurig und unbeholfen in der Welt der Menschen, aber eine wirklich treue und liebenswürdige Seele. Wer ihr lange vermisster Bruder ist, will ich hier nicht verraten, es ist aber eine nette Überraschung.

Umbra bleibt in diesem Teil sehr im Hintergrund und verschwindet am Ende doch sehr trivial. Ich hätte mir da ein bisschen mehr erhofft, da sie eigentlich immer präsent war und mich mit ihrer Art doch fasziniert hatte.


"Umbra, die eisige Frau ohne Herz. Sotai schauderte und betete, dass sie dieser Frau nie wieder begegnen musste."


Eine ganze Reihe an Nebencharakter wird eingeführt, darunter die 4 neuen Elemente darunter Tian und Aidan, Amber und Lynnelle werden hingegen nur kurz angesprochen. Auch der Spiegelrat lernt man näher kennen und am Ende wird endlich alles gut.

Wieder sind mir ein paar Logikproblemchen und aufgelöste Fragen aufgefallen, welche aber auch einfach nur meiner Unaufmerksamkeit entspringen könnten. Wenn jemand so etwas anderes entdeckt hat, schreibt mir bitte einen Kommentar! 1. Alle Ratsmitglieder haben einen Zwilling, so heißt es ja, doch wer ist dann Rajas Zwilling? 2. Was passiert mit Aidan nachdem sich das Tor geschlossen hat, muss er für die nächsten 19 Jahre in Axikon bleiben, auch wenn er das eigentlich gar nicht wollte? 3. Warum ist Umbra zufrieden als Miro einen Unfall hat, war es etwa ihre Schuld? ...

Wirklich viele überraschende Wendungen gab es nicht und die Erkenntnisse, die es gab, waren für mich doch sehr voraussehbar. Auch das Ende ist nicht so spektakulär, wie es hätte sein können, doch umso interessanter ist es, das mich das Buch dennoch sehr in seinen Bann gezogen hat. Woran genau das lag, kann ich nicht sagen, doch die ganze Reihe umgibt eine wunderschön magische Atmosphäre, welche mich auch sehr auf den vierten Teil gespannt werden lässt.

"Sotai hatte das Gefühl zu schweben, alles um sie herum war weich und leise. Es gab keine Farben und niemand störte sie, bis der Schmerz kam. Er füllte sie aus , verebbte aber jedes Mal sehr schnell. Sie hatte kaum Kraft übrig um sich Gedanken zu machen."



Fazit:

Wieder einmal gute 4 Sterne für einen etwas ruhigeren, romantischeren und vielseitigeren dritten Teil, welcher für mich der beste der Reihe um "Die Nacht der Elemente" darstellte.