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Veröffentlicht am 18.11.2022

Ein atmosphärischer und emotional bewegender Auftakt

Dark Ivy – Wenn ich falle
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Seit der Blakely-Brüder-Reihe und spätestens seit der Paper-Love-Dulogie bin ich ein großer Fan von Nikola Hotel und hatte deshalb große Hoffnungen auf ihre neue Dark Academia Reihe gesetzt, die vor wenigen ...

Seit der Blakely-Brüder-Reihe und spätestens seit der Paper-Love-Dulogie bin ich ein großer Fan von Nikola Hotel und hatte deshalb große Hoffnungen auf ihre neue Dark Academia Reihe gesetzt, die vor wenigen Tagen mit "Dark Ivy - Wenn ich falle" gestartet ist. Und auch wenn hohe Erwartungen häufig enttäuscht werden, konnte mich die Autorin mit ihrem atmosphärischen, emotional bewegenden Auftakt wieder vollkommen überzeugen.

"Wahrscheinlich ist das der Grund, warum mir Bücher so viel bedeuten. Ich kann mich nicht entscheiden, was ich mit meinem Leben anfangen soll und deshalb entscheide ich mich dafür, Hunderte anderer Leben zu leben."

Genau wie schon "It was always you", "It was always love", "Ever" und "Blue" ist auch "Dark Ivy" mal wieder einfach hinreißend und hochwertig gestaltet. Passend zum Reihennamen ist das Hauptmotiv dunkelblaue Efeuranken, die sich über den in schlichter Leinenoptik gestalteten Hintergrund des Covers, an den Kapitelanfängen und als Farbschnitt über die Buchseiten ziehen. In Kombination mit dem goldenen Titel wirkt das Cover zwar schlicht, aber sehr edel und ist damit eindeutig nach dem blauen Notizbuch gestaltet, das in der Geschichte eine wichtige Rolle spielt. Auch die Innenlaschen der broschierten Ausgabe sind stimmungsvoll verziert und wer schon ein Blick in das Buch selbst geworfen hat, der weiß, dass man das Beste an der Gestaltung von außen gar nicht sieht. Denn wie alle Bücher von Nikola Hotel im Kyss Verlag hat auch die Dark Ivy Reihe ein gestalterisches Extra im Innenleben: Blackout Poetry. Viel vorwegnehmen möchte ich nicht, aber ich LIEBE einfach die Umsetzung dieser Idee!

Erster Satz: "Mein Kopf platzt.“

"Dark Ivy" steigt ohne große Umschweife mit Edens Ankunft in der Woodford Academy ein, die für die kommenden vier Jahre ihre Heimat sein wird. Wie in Nikola Hotels vorherigen Reihen passiert dabei auf den 416 Seiten auf der reinen Handlungsebene nicht viel Spektakuläres, dennoch wurde ich von der ersten Seite an in die Geschichte gesogen. "Dark Ivy" ist eines der Bücher, die man in einem Rutsch wegliest und danach kaum glauben kann, dass das wirklich über 400 Seiten waren, da es sich wie maximal die Hälfte angefühlt hat. Das liegt vor allem daran, dass sich die Autorin hier viel Zeit nimmt, ihre Figuren vorzustellen, uns LeserInnen ein Gefühl für das Setting zu geben und uns das Gewicht der emotionalen Päckchen spüren zu lassen, dass auf den Schultern unserer Hauptfigur lastet. Auf diese Weise haben wir ganz viel Raum, die sich langsam verändernde Dynamik zwischen Eden und William zu beobachten. Und diese ist von einer überraschenden Sanftheit, die ich aufgrund des Klapptexts überhaupt nicht erwartet hatte. Die Nähe zwischen den beiden entwickelt sich sehr natürlich und Schritt für Schritt. Neben der prickelnden Anziehungskraft, und den unterdrückten Gefühlen sorgen hier auch die Geheimnisse und neue und alte Wunden für eine unterschwellige Spannung, die einen nicht mehr loslässt.

"William ist schön. Anders schön. Er ist interessant. Er steht mit mir hier in der Küche und amüsiert sich, während es eiskalt auf uns niederprasselt und alles unter Wasser gesetzt wird. Er fasziniert mich. Dieses rote Feuermal in seinem Gesicht fasziniert mich. Er hat mein Buch verstümmelt und gleichzeitig mein Eselsohr glatt gestrichen und ein Lesezeichen reingelegt. Er hat Adderall genommen, mich aber davor gewarnt. Er hat scheinbar alles und doch wieder nichts, nicht mal ein Handy. Er bekommt von allem das Beste, und... er hasst es. Nicht das, was gerade passiert ist aufregend. William Gratham III. ist es.“

Wunderbar ist auch, dass die beiden Hauptfiguren von Anfang an nicht in typische Klischees passen und mit ihrer Widersprüchlichkeit ein lebendiges, rundes Bild abgegeben haben. Nikola Hotel beweist hier mal wieder, dass in Liebesgeschichten nicht Figuren, die eine möglichst schicke Projektionsfläche bieten, sondern solche, die möglichst authentisch sind, am meisten Gefühle transportieren können. Zwar lesen wir hier nur aus der Perspektive von Eden, durch den engen Austausch von Blackout Poetry und Notizen im Theaterstil sowie die sehr lebendige Mimik Williams und der gelungenen Kommunikation, erhalten wir auch von William einen sehr lebendigen Eindruck. Toll ist, dass sich die Autorin dazu entschieden hat, den ersten Eindruck, den wir von ihm als reichen, verwöhnten Bad-Boy haben, im Laufe der Geschichte immer mehr zu entkräften und ihn stattdessen als sehr feinfühligen und damit geradezu anbetungswürdigen Love-Interest an der Seite unserer verletzlichen, aber auf ihre Weise sehr starken Protagonistin, einzuführen.

"Ich bin kein klischeehafter Bad Boy mit dunkler Vergangenheit oder toxischer Familie. Keinerlei psychischer Schaden. Sorry, falls du das erwartet hast.“

Addiert man nun noch Nikola Hotels spritzigen Schreibstil zur Gleichung hinzu, ist ein emotionales Auf und Ab garantiert. Sie scheut zwar nicht das große Drama, hat durch ihre sensible und zart romantische Art, die Gefühle der Protagonisten auszudrücken aber trotzdem mein Herz gewonnen. Anders als in ihren vorherigen Reihen ist der Erzählton hier jedoch nicht von Leichtigkeit geprägt, sondern schwelgt hier geradezu in Düsterness. Mit Selbstmord und Depression hat die Autorin sehr ernste Themen verpackt, geht diese aber so emotional, sensibel und zart romantisch an, dass einem als Leser das Herz aufgeht. Zwar bleibt einiges nur angerissen und von anderen Aspekten wie zum Beispiel Williams Beziehung zu seinem Großvater oder die Krankheit von Edens Mutter hätte ich mir mehr erwartet, das kann ja aber noch in Band 2 vertieft werden. Neben den schwierigen Themen trägt auch die verwunschene Dark Academia Stimmung dazu bei, dass man das Buch nicht aus der Hand legen kann, beim Lesen aber gleichzeitig melancholisch wird. Mit Efeu überwachsene Backsteingebäude mit Erker und Kaminen, alte Bibliotheken mit Marmorstatuen und verstaubten Kunstwerken und Studentenpartys an einem kalten Strand - so entsteht ein atmosphärisches, lebendiges, authentisches Gesamtbild, in das ich mich einfach verlieben musste.

"Mein Dad sagt das auch immer. Zwanzig Prozent Talent, achtzig Prozent Schweiß. Und eigentlich ist das ziemlich motivierend. Man ist nicht davon abhängig, was die Gene einem mitgeben. Man kann an allem arbeiten, wofür man sich interessiert, und gut darin werden.“


Das Ende des Romans kam schnell, unterwartet und mit überraschender Härte, die rückblickend aber gut zur Geschichte passt. Leider müssen wir auf die Fortsetzung noch bis Mitte April 2023 warten, aber so haben wir zumindest die Gelegenheit zu verdauen, was Nikola Hotel uns hier als Cliffhanger vorgesetzt hat...


Fazit:


"Dark Ivy - Wenn ich falle" ist ein atmosphärischer und emotional bewegender Auftakt einer neuen Reihe, die wie gewohnt mit authentischen, lebensnahen Figuren, Fingerspitzengefühl bei ernsten Themen und einer edlen Gestaltung überzeugt. Anders als ihre vorherigen Reihen ist "Dark Ivy" jedoch deutlich düsterer und von mir nur an Menschen zu empfehlen, die sich gerade in einer guten Konstitution befinden.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.11.2022

Gewohnt bildgewaltig und originell!

Wie der Falke fliegt
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Seit ich "Wen der Rabe ruft" 2016 ganz aus Versehen gefunden und sofort ins Herz geschlossen habe, bin ich ein riesiger Fan von Maggie Stiefvater, die es immer wieder schafft, mich durch die eigenartige ...

Seit ich "Wen der Rabe ruft" 2016 ganz aus Versehen gefunden und sofort ins Herz geschlossen habe, bin ich ein riesiger Fan von Maggie Stiefvater, die es immer wieder schafft, mich durch die eigenartige Mischung aus klassischem Urban Fantasy und dem heimeligen Kleinstadtleben mit Geschichtlichem, Märchen, magischen Traumwelten und eine guten Prise Verrücktheit zu überzeugen. Die Reihe rund um ihre Raven Boys habe ich deshalb schon mehrere Male mit großer Begeisterung gelesen und war sehr gespannt auf den ersten Band der brandneuen Sequel-Reihe, die nicht nur nach Henrietta ins Raven-Boys-Universum, sondern auch speziell zu meinem Lieblingscharakter Ronan Lynch zurückkehrt. Wie nicht anders erwartet habe ich mich in diese Geschichte um Kunst, Träume, Individualität, Weltuntergang, Diebe, Mafia, Freundschaft, Hoffnung und Liebe geradezu schockverliebt!

Bevor ich mein erneutes Loblied auf Maggie Stiefvaters Fantasie beginne, wie immer ein paar Worte zum Cover. Anders als die kühlblaue Aquarell-Optik der Hauptreihe hat sich der Verlag dieses Mal für eine rot-orangene Farbgebung entschieden, wodurch das Cover weniger verträumt und deutlich dramatischer wirkt. Zu sehen ist genau wie auf dem Originalcover die Silhouette eines Falken im Sturzflug. Der Falke lässt sich auch im Titel wiederfinden, welcher von Klang und Satz an die Titel der Hauptreihe erinnert. Mit den Flügelspitzen des Falken, welche an einen brennenden Wald erinnern, wird außerdem der drohende Weltuntergang durch einen Weltbrand aufgegriffen, welche wie ein Damoklesschwert über der Geschichte schwebt. Passend dazu sind die 79 Kapitelanfänge jeweils von einem angedeuteten Wald umgeben. Kurzum: auch wenn ich die Gestaltung der Hauptreihe rein optisch ansprechender finde, bin ich sehr zufrieden von dem Gesamtkonzept der Gestaltung!

Erster Satz: "Das hier wird eine Geschichte über die Lynch-Brüder"

"Wie der Falke fliegt" beginnt etwas mehr als ein Jahr nach dem Ende des Raven Cycles. Gansey und Blue sind gemeinsam mit dem Camaro auf Reisen, Adam studiert in Harvard und Ronan wohnt alleine in den Schobern und lernt, das Träumen zu kontrollieren. Neben ihm bekommen wir noch zwei weitere, neue Hauptfiguren vorgestellt, die aus der Perspektive eines personalen Er-Erzählers erzählen dürfen. Wie gewohnt setzt Maggie Stiefvater dabei ein sehr geringes Erzähltempo an und auch ihre Handlungsdichte ist zunächst sehr gering. Die eigentliche Rahmenhandlung wird durch den Klapptext nur in sehr geringem Ausmaß umrissen und viel darüber, was hier eigentlich passiert, möchte ich auch gar nicht sagen, da ich dann viel zu viel vorwegnehmen würde. Die Geschichte lebt von den Perspektivwechseln zwischen den drei im Fokus stehenden Figuren und der Frage, wie alles miteinander verbunden ist. Dadurch, dass wir angesichts geheimnisvoller Träume, düsterer Vorhersagen und neuer Gegenspieler lange Zeit im Dunkeln gelassen werde, entsteht ein surreales Lesegefühl, das sich anfühlt, als sei man in einem Traum einer anderen Person und würde zwar nicht hundertprozentig verstehen, was passiert, könnte angesichts der lyrischen Schönheit und Mystik des Ganzen nicht den Blick abwenden.

"Hast du schonmal ins Feuer gestarrt, bis du den Blick nicht mehr abwenden konntest? Darum geht es? Hast du schonmal die Berge betrachtet, bis es dir den Atem verschlagen hat? Darum geht es. Hast du schonmal zum Mond hochgeguckt, bis dir die Tränen kamen. Darum geht es. Es geht um den Stoff zwischen den Sternen, um den Raum zwischen den Wurzeln, dieses Ding, das morgens die Elektrizität aus dem Bett lockt. Magie."


Die Atmosphäre ist neben diesem surrealen Lesegefühl von einem düstereren Einschlag geprägt als die Hauptreihe es war. Wo der Raven Cycle noch humorvoll, spritzig und abenteuerlustig war, ist "Wie der Falke fliegt" nun melancholisch, blutig, zynisch und apokalyptisch. Trotz all der Unterschiede erkennt man in jeder Zeile der unverwechselbare Schreibstil Maggie Stiefvaters wieder. Mit ruhigen, aber eindringlichen Worten lässt sie die Charaktere und das Setting für einen kurzen Moment wahr werden und schenkt uns einige Stunden voller Fantasie, Magie, Liebe, Freundschaft und düsteren Geheimnissen. Dabei setzt die Autorin Gefühlsbeschreibungen nur ganz dezent und gezielt ein - ganz im Gegensatz zu manch anderen Romanautorinnen wie zum Beispiel Colleen Hoover, deren Gefühlswucht fast erdrückt. Manchen mag das zu spärlich sein, doch ich finde die zarten Andeutungen und leisen Annäherungen sind viel berührender als brodelnde Leidenschaft. Da sich hier sowohl emotional als auch inhaltlich viele auf der Ebene noch An- und Vorausdeutungen abspielt, kann ich allen zukünftigen LeserInnen dieses Buches nur ans Herz legen, es sehr aufmerksam zu lesen und sich dabei viel Zeit zu lassen, denn es gibt im Laufe der komplexen Erzählung so viele Andeutungen, die später nochmal eine tragende Rolle spielen. In ganz eigener Handschrift schreibt sie mal erklärend, mal kurz angebunden, mal emotional, mal kalt, mal melancholisch, mal locker, mal traurig, mal glücklich, mal wütend, mal resigniert - ein kunterbuntes Durcheinander, das vor allem eines ist: magisch. Dann noch ein paar skurrile Wendungen und überraschende Gedanken und fertig ist die unkonventionelle, magische und einzigartige Geschichte.

"Es wird schon klappen, Hennessy." Und letztendlich war wohl das der entscheidende Unterschied zwischen ihnen beiden. Während Hennessy darüber nachdachte, vom nächsten Dach zu springen, dachte Jordan darüber nach, vom nächsten Dach zu springen und davonzufliegen"


Teil dieses Gesamtkunstwerks ist hier natürlich wieder das unglaublich magische Setting, welches die kleine Stadt Henrietta im Herzen des ländlichen Virginias mit all seinen magischen Traumorten durch die Großstadt Washington ergänzt. Der Autorin gelingt es, uns im Laufe der Zeit an verschiedene Handlungsorte innerhalb ihres Settings mitzunehmen, die sich so gegensätzlich gegenüberstehen, dass sie beinahe wie unterschiedliche Dimensionen wirken: Der magische Wald Lindemere, welcher hier als Nachfolger Cabeswaters eingeführt wird, die träumerischen Schobern der Familie Lynch, in denen sich Ronans und Nialls Traumwesen tummeln, Declans ordentliches Stadthaus in New York, die prunkvolle Künstlervilla von Jordan Hennessy und ihren Mitbewohnerinnen sowie nicht zuletzt eine Vielzahl an Fantasie- und Traumwelten. Diese Geschichte erscheint vielseitig und einmal mehr wie eine Ansammlung kunstvoll miteinander verwobener Einzelgeschichten, die mich aufs Neue mit ihrem Ideenreichtum verzaubert hat.

Auch die Grundidee von Träumern, die Dinge aus ihren Träumen mitnehmen können, muss ich hier nochmal positiv hervorheben. In Zeiten von überdimensioniert häufig verwendeten Vampirmythen und Zaubermotiven sind eine Ley-Linie, durch deren Magie erwachende magische Kraftorte, eine Riege von Träumern und eine Gesellschaft, welche diese jagt um den Weltuntergang zu verhindern eine herrlich originelle und unverbrauchte Idee. Im Fokus der Geschichte steht jedoch nicht die Grundidee oder etwa ein Abenteuer, sondern die Dynamiken zwischen den Figuren. Am meisten gefreut hat mich, dass wir hier Einblicke in das Familienleben der drei Lynch-Brüder Ronan, Declan und Matthew erhalten. Ronan, welcher mit seinem kultivierten Walls aus Aggressivität und Wut, der das starke Bedürfnis nach Zuneigung und Bestätigung nur schlecht verbergen kann, auf mich in der Hauptreihe wie ein Kind gewirkt hat, ist hier deutlich reiferund erwachsener geworden und kann mit seinen eigenen Emotionen und Gedanken deutlich besser umgeben. Ich habe den Träumer natürlich schon im Raven Cycle lieben gelernt, hier wird jedoch deutlich, wie vielschichtig seine Charakterisierung wirklich ist.

"Als Ronan noch jünger war und es nicht besser wusste, dachte er, jeder müsste wie er sein. Auf Basis seiner Beobachtungen stellte er Regeln für den Rest der Welt auf, da nur wahr sein konnte, was innerhalb seines Erfahrungshorizonts lag. Jeder musste schlafen und essen. Jeder hatte Hände, Füße. (...) Jedes Haus war von geheimnisvollen Feldern und uralten Scheunen umgeben, jede Weide wurde von blauen Hügeln behütet, jede noch so schmale Straße führte in eine verborgene Welt. Jeder wachte manchmal aus dem Schlaf auf und hielt einen seiner Träume in den Händen."

Auch sein Bruder Declan ist mir hier viel mehr ans Herz gewachsen, da wir zu verstehen lernen, dass er seine Empfindsamkeit genau wie sein Bruder Ronan hinter einer Maske versteckt. Während Ronan auf Krawall gebürstet scheint, hat sich Declan einen Schutzmantel aus Kälte, Professionalität und Langweile angelegt, um sich und seine Brüder zu schützen. Der dritte im Bunde, der Sonnenschein Matthew, bringt ebenfalls einen äußerst spannenden Konflikt mit sich, da er hier erfahren muss, dass er nicht echt, sondern von Ronan geträumt ist... Die drei alleine wären in Kombination mit einem kurzen Wiederauftauchen von Gansey, Adam und Blue in meinen Augen schon interessant genug, um eine ganze Spin-Off-Reihe zu füllen. Neben den Lynch Brüdern erhalten wir aber außerdem einen äußerst spannenden Eindruck von Jordan Hennessys Beziehung zu ihren ganz speziellen Mitbewohnerinnen. Was die Autorin sich hier ausgedacht hat, ist wirklich unfassbar und weit von allem entfernt, was ich schonmal irgendwo gelesen habe. Zu sagen, dass ich wahnsinnig gespannt bin, wie sich der Handlungsstrang hier weiterentwickeln wird, wäre ein große Untertreibung. Vom dritten Handlungsstrang rund um die Träumerjägerin Carmen Farooq-Lane und ihren sozial schwieriger Visionär Parsifal war ich zunächst am wenigsten begeistert, da dieser am düstersten und am rätselhaftesten ist. Interessant dabei ist, dass Carmen immer nur bei ihrem Nachnamen genannt wird, was eine gewisse Distanz zu uns LeserInnen kreiert, man sie aber trotz der Tatsache, dass sie die Träumer jagt und damit auf der gegnerischen Seite zu unseren anderen Lieblingen steht, schlussendlich ans Herz schließt.

Das Ende wirft nach einem spannenden Finale mehr Fragen auf, als es beantwortet und stellt somit sicher, dass wir gespannt auf das Erscheinen von "Wie Träume bluten" warten, welches im Juli nächstes Jahr erscheint. Bis dahin bleibt nur noch zu sagen, "Tamquam, Alter Idem".

"Nach und nach schläft alles ein. Spatzen regnen vom Himmel. Hirsche sinken mitten im Galopp auf die Knie. Bäume hören auf zu wachsen. Kinder fallen in sanften Schlummer. All die Kreaturen, die einst diese Welt bevölkert haben, schlafen, und die Fantasie kommt zum Stillstand. Unter der Erde liegen Drachen, die sich nie wieder regen werden. Die Welt um uns schläft ein, aber niemand bemerkt es. Niemand schaut mehr aus dem Fenster. Träumer sterben."



Fazit:


In ihrem Raven-Cycle-Spinn-Off "Wie der Falke fliegt" erzählt Maggie Stiefvater gewohnt bildgewaltig und originell von Kunst, Träume, Individualität, Weltuntergang, Diebe, Mafia, Freundschaft, Hoffnung und Liebe. In ihre schrägen Figuren, das abwechslungsreiche und magische Setting, den unverwechselbaren Schreibstil und die interessante Grundidee musste ich mich einfach wieder verlieben!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.11.2022

Gewohnt bildgewaltig und originell!

Wie der Falke fliegt
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Seit ich "Wen der Rabe ruft" 2016 ganz aus Versehen gefunden und sofort ins Herz geschlossen habe, bin ich ein riesiger Fan von Maggie Stiefvater, die es immer wieder schafft, mich durch die eigenartige ...

Seit ich "Wen der Rabe ruft" 2016 ganz aus Versehen gefunden und sofort ins Herz geschlossen habe, bin ich ein riesiger Fan von Maggie Stiefvater, die es immer wieder schafft, mich durch die eigenartige Mischung aus klassischem Urban Fantasy und dem heimeligen Kleinstadtleben mit Geschichtlichem, Märchen, magischen Traumwelten und eine guten Prise Verrücktheit zu überzeugen. Die Reihe rund um ihre Raven Boys habe ich deshalb schon mehrere Male mit großer Begeisterung gelesen und war sehr gespannt auf den ersten Band der brandneuen Sequel-Reihe, die nicht nur nach Henrietta ins Raven-Boys-Universum, sondern auch speziell zu meinem Lieblingscharakter Ronan Lynch zurückkehrt. Wie nicht anders erwartet habe ich mich in diese Geschichte um Kunst, Träume, Individualität, Weltuntergang, Diebe, Mafia, Freundschaft, Hoffnung und Liebe geradezu schockverliebt!

Bevor ich mein erneutes Loblied auf Maggie Stiefvaters Fantasie beginne, wie immer ein paar Worte zum Cover. Anders als die kühlblaue Aquarell-Optik der Hauptreihe hat sich der Verlag dieses Mal für eine rot-orangene Farbgebung entschieden, wodurch das Cover weniger verträumt und deutlich dramatischer wirkt. Zu sehen ist genau wie auf dem Originalcover die Silhouette eines Falken im Sturzflug. Der Falke lässt sich auch im Titel wiederfinden, welcher von Klang und Satz an die Titel der Hauptreihe erinnert. Mit den Flügelspitzen des Falken, welche an einen brennenden Wald erinnern, wird außerdem der drohende Weltuntergang durch einen Weltbrand aufgegriffen, welche wie ein Damoklesschwert über der Geschichte schwebt. Passend dazu sind die 79 Kapitelanfänge jeweils von einem angedeuteten Wald umgeben. Kurzum: auch wenn ich die Gestaltung der Hauptreihe rein optisch ansprechender finde, bin ich sehr zufrieden von dem Gesamtkonzept der Gestaltung!

Erster Satz: "Das hier wird eine Geschichte über die Lynch-Brüder"

"Wie der Falke fliegt" beginnt etwas mehr als ein Jahr nach dem Ende des Raven Cycles. Gansey und Blue sind gemeinsam mit dem Camaro auf Reisen, Adam studiert in Harvard und Ronan wohnt alleine in den Schobern und lernt, das Träumen zu kontrollieren. Neben ihm bekommen wir noch zwei weitere, neue Hauptfiguren vorgestellt, die aus der Perspektive eines personalen Er-Erzählers erzählen dürfen. Wie gewohnt setzt Maggie Stiefvater dabei ein sehr geringes Erzähltempo an und auch ihre Handlungsdichte ist zunächst sehr gering. Die eigentliche Rahmenhandlung wird durch den Klapptext nur in sehr geringem Ausmaß umrissen und viel darüber, was hier eigentlich passiert, möchte ich auch gar nicht sagen, da ich dann viel zu viel vorwegnehmen würde. Die Geschichte lebt von den Perspektivwechseln zwischen den drei im Fokus stehenden Figuren und der Frage, wie alles miteinander verbunden ist. Dadurch, dass wir angesichts geheimnisvoller Träume, düsterer Vorhersagen und neuer Gegenspieler lange Zeit im Dunkeln gelassen werde, entsteht ein surreales Lesegefühl, das sich anfühlt, als sei man in einem Traum einer anderen Person und würde zwar nicht hundertprozentig verstehen, was passiert, könnte angesichts der lyrischen Schönheit und Mystik des Ganzen nicht den Blick abwenden.

"Hast du schonmal ins Feuer gestarrt, bis du den Blick nicht mehr abwenden konntest? Darum geht es? Hast du schonmal die Berge betrachtet, bis es dir den Atem verschlagen hat? Darum geht es. Hast du schonmal zum Mond hochgeguckt, bis dir die Tränen kamen. Darum geht es. Es geht um den Stoff zwischen den Sternen, um den Raum zwischen den Wurzeln, dieses Ding, das morgens die Elektrizität aus dem Bett lockt. Magie."


Die Atmosphäre ist neben diesem surrealen Lesegefühl von einem düstereren Einschlag geprägt als die Hauptreihe es war. Wo der Raven Cycle noch humorvoll, spritzig und abenteuerlustig war, ist "Wie der Falke fliegt" nun melancholisch, blutig, zynisch und apokalyptisch. Trotz all der Unterschiede erkennt man in jeder Zeile der unverwechselbare Schreibstil Maggie Stiefvaters wieder. Mit ruhigen, aber eindringlichen Worten lässt sie die Charaktere und das Setting für einen kurzen Moment wahr werden und schenkt uns einige Stunden voller Fantasie, Magie, Liebe, Freundschaft und düsteren Geheimnissen. Dabei setzt die Autorin Gefühlsbeschreibungen nur ganz dezent und gezielt ein - ganz im Gegensatz zu manch anderen Romanautorinnen wie zum Beispiel Colleen Hoover, deren Gefühlswucht fast erdrückt. Manchen mag das zu spärlich sein, doch ich finde die zarten Andeutungen und leisen Annäherungen sind viel berührender als brodelnde Leidenschaft. Da sich hier sowohl emotional als auch inhaltlich viele auf der Ebene noch An- und Vorausdeutungen abspielt, kann ich allen zukünftigen LeserInnen dieses Buches nur ans Herz legen, es sehr aufmerksam zu lesen und sich dabei viel Zeit zu lassen, denn es gibt im Laufe der komplexen Erzählung so viele Andeutungen, die später nochmal eine tragende Rolle spielen. In ganz eigener Handschrift schreibt sie mal erklärend, mal kurz angebunden, mal emotional, mal kalt, mal melancholisch, mal locker, mal traurig, mal glücklich, mal wütend, mal resigniert - ein kunterbuntes Durcheinander, das vor allem eines ist: magisch. Dann noch ein paar skurrile Wendungen und überraschende Gedanken und fertig ist die unkonventionelle, magische und einzigartige Geschichte.

"Es wird schon klappen, Hennessy." Und letztendlich war wohl das der entscheidende Unterschied zwischen ihnen beiden. Während Hennessy darüber nachdachte, vom nächsten Dach zu springen, dachte Jordan darüber nach, vom nächsten Dach zu springen und davonzufliegen"


Teil dieses Gesamtkunstwerks ist hier natürlich wieder das unglaublich magische Setting, welches die kleine Stadt Henrietta im Herzen des ländlichen Virginias mit all seinen magischen Traumorten durch die Großstadt Washington ergänzt. Der Autorin gelingt es, uns im Laufe der Zeit an verschiedene Handlungsorte innerhalb ihres Settings mitzunehmen, die sich so gegensätzlich gegenüberstehen, dass sie beinahe wie unterschiedliche Dimensionen wirken: Der magische Wald Lindemere, welcher hier als Nachfolger Cabeswaters eingeführt wird, die träumerischen Schobern der Familie Lynch, in denen sich Ronans und Nialls Traumwesen tummeln, Declans ordentliches Stadthaus in New York, die prunkvolle Künstlervilla von Jordan Hennessy und ihren Mitbewohnerinnen sowie nicht zuletzt eine Vielzahl an Fantasie- und Traumwelten. Diese Geschichte erscheint vielseitig und einmal mehr wie eine Ansammlung kunstvoll miteinander verwobener Einzelgeschichten, die mich aufs Neue mit ihrem Ideenreichtum verzaubert hat.

Auch die Grundidee von Träumern, die Dinge aus ihren Träumen mitnehmen können, muss ich hier nochmal positiv hervorheben. In Zeiten von überdimensioniert häufig verwendeten Vampirmythen und Zaubermotiven sind eine Ley-Linie, durch deren Magie erwachende magische Kraftorte, eine Riege von Träumern und eine Gesellschaft, welche diese jagt um den Weltuntergang zu verhindern eine herrlich originelle und unverbrauchte Idee. Im Fokus der Geschichte steht jedoch nicht die Grundidee oder etwa ein Abenteuer, sondern die Dynamiken zwischen den Figuren. Am meisten gefreut hat mich, dass wir hier Einblicke in das Familienleben der drei Lynch-Brüder Ronan, Declan und Matthew erhalten. Ronan, welcher mit seinem kultivierten Walls aus Aggressivität und Wut, der das starke Bedürfnis nach Zuneigung und Bestätigung nur schlecht verbergen kann, auf mich in der Hauptreihe wie ein Kind gewirkt hat, ist hier deutlich reiferund erwachsener geworden und kann mit seinen eigenen Emotionen und Gedanken deutlich besser umgeben. Ich habe den Träumer natürlich schon im Raven Cycle lieben gelernt, hier wird jedoch deutlich, wie vielschichtig seine Charakterisierung wirklich ist.

"Als Ronan noch jünger war und es nicht besser wusste, dachte er, jeder müsste wie er sein. Auf Basis seiner Beobachtungen stellte er Regeln für den Rest der Welt auf, da nur wahr sein konnte, was innerhalb seines Erfahrungshorizonts lag. Jeder musste schlafen und essen. Jeder hatte Hände, Füße. (...) Jedes Haus war von geheimnisvollen Feldern und uralten Scheunen umgeben, jede Weide wurde von blauen Hügeln behütet, jede noch so schmale Straße führte in eine verborgene Welt. Jeder wachte manchmal aus dem Schlaf auf und hielt einen seiner Träume in den Händen."

Auch sein Bruder Declan ist mir hier viel mehr ans Herz gewachsen, da wir zu verstehen lernen, dass er seine Empfindsamkeit genau wie sein Bruder Ronan hinter einer Maske versteckt. Während Ronan auf Krawall gebürstet scheint, hat sich Declan einen Schutzmantel aus Kälte, Professionalität und Langweile angelegt, um sich und seine Brüder zu schützen. Der dritte im Bunde, der Sonnenschein Matthew, bringt ebenfalls einen äußerst spannenden Konflikt mit sich, da er hier erfahren muss, dass er nicht echt, sondern von Ronan geträumt ist... Die drei alleine wären in Kombination mit einem kurzen Wiederauftauchen von Gansey, Adam und Blue in meinen Augen schon interessant genug, um eine ganze Spin-Off-Reihe zu füllen. Neben den Lynch Brüdern erhalten wir aber außerdem einen äußerst spannenden Eindruck von Jordan Hennessys Beziehung zu ihren ganz speziellen Mitbewohnerinnen. Was die Autorin sich hier ausgedacht hat, ist wirklich unfassbar und weit von allem entfernt, was ich schonmal irgendwo gelesen habe. Zu sagen, dass ich wahnsinnig gespannt bin, wie sich der Handlungsstrang hier weiterentwickeln wird, wäre ein große Untertreibung. Vom dritten Handlungsstrang rund um die Träumerjägerin Carmen Farooq-Lane und ihren sozial schwieriger Visionär Parsifal war ich zunächst am wenigsten begeistert, da dieser am düstersten und am rätselhaftesten ist. Interessant dabei ist, dass Carmen immer nur bei ihrem Nachnamen genannt wird, was eine gewisse Distanz zu uns LeserInnen kreiert, man sie aber trotz der Tatsache, dass sie die Träumer jagt und damit auf der gegnerischen Seite zu unseren anderen Lieblingen steht, schlussendlich ans Herz schließt.

Das Ende wirft nach einem spannenden Finale mehr Fragen auf, als es beantwortet und stellt somit sicher, dass wir gespannt auf das Erscheinen von "Wie Träume bluten" warten, welches im Juli nächstes Jahr erscheint. Bis dahin bleibt nur noch zu sagen, "Tamquam, Alter Idem".

"Nach und nach schläft alles ein. Spatzen regnen vom Himmel. Hirsche sinken mitten im Galopp auf die Knie. Bäume hören auf zu wachsen. Kinder fallen in sanften Schlummer. All die Kreaturen, die einst diese Welt bevölkert haben, schlafen, und die Fantasie kommt zum Stillstand. Unter der Erde liegen Drachen, die sich nie wieder regen werden. Die Welt um uns schläft ein, aber niemand bemerkt es. Niemand schaut mehr aus dem Fenster. Träumer sterben."



Fazit:


In ihrem Raven-Cycle-Spinn-Off "Wie der Falke fliegt" erzählt Maggie Stiefvater gewohnt bildgewaltig und originell von Kunst, Träume, Individualität, Weltuntergang, Diebe, Mafia, Freundschaft, Hoffnung und Liebe. In ihre schrägen Figuren, das abwechslungsreiche und magische Setting, den unverwechselbaren Schreibstil und die interessante Grundidee musste ich mich einfach wieder verlieben!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.11.2022

Gewohnt bildgewaltig und originell!

Wie der Falke fliegt
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Seit ich "Wen der Rabe ruft" 2016 ganz aus Versehen gefunden und sofort ins Herz geschlossen habe, bin ich ein riesiger Fan von Maggie Stiefvater, die es immer wieder schafft, mich durch die eigenartige ...

Seit ich "Wen der Rabe ruft" 2016 ganz aus Versehen gefunden und sofort ins Herz geschlossen habe, bin ich ein riesiger Fan von Maggie Stiefvater, die es immer wieder schafft, mich durch die eigenartige Mischung aus klassischem Urban Fantasy und dem heimeligen Kleinstadtleben mit Geschichtlichem, Märchen, magischen Traumwelten und eine guten Prise Verrücktheit zu überzeugen. Die Reihe rund um ihre Raven Boys habe ich deshalb schon mehrere Male mit großer Begeisterung gelesen und war sehr gespannt auf den ersten Band der brandneuen Sequel-Reihe, die nicht nur nach Henrietta ins Raven-Boys-Universum, sondern auch speziell zu meinem Lieblingscharakter Ronan Lynch zurückkehrt. Wie nicht anders erwartet habe ich mich in diese Geschichte um Kunst, Träume, Individualität, Weltuntergang, Diebe, Mafia, Freundschaft, Hoffnung und Liebe geradezu schockverliebt!

Bevor ich mein erneutes Loblied auf Maggie Stiefvaters Fantasie beginne, wie immer ein paar Worte zum Cover. Anders als die kühlblaue Aquarell-Optik der Hauptreihe hat sich der Verlag dieses Mal für eine rot-orangene Farbgebung entschieden, wodurch das Cover weniger verträumt und deutlich dramatischer wirkt. Zu sehen ist genau wie auf dem Originalcover die Silhouette eines Falken im Sturzflug. Der Falke lässt sich auch im Titel wiederfinden, welcher von Klang und Satz an die Titel der Hauptreihe erinnert. Mit den Flügelspitzen des Falken, welche an einen brennenden Wald erinnern, wird außerdem der drohende Weltuntergang durch einen Weltbrand aufgegriffen, welche wie ein Damoklesschwert über der Geschichte schwebt. Passend dazu sind die 79 Kapitelanfänge jeweils von einem angedeuteten Wald umgeben. Kurzum: auch wenn ich die Gestaltung der Hauptreihe rein optisch ansprechender finde, bin ich sehr zufrieden von dem Gesamtkonzept der Gestaltung!

Erster Satz: "Das hier wird eine Geschichte über die Lynch-Brüder"

"Wie der Falke fliegt" beginnt etwas mehr als ein Jahr nach dem Ende des Raven Cycles. Gansey und Blue sind gemeinsam mit dem Camaro auf Reisen, Adam studiert in Harvard und Ronan wohnt alleine in den Schobern und lernt, das Träumen zu kontrollieren. Neben ihm bekommen wir noch zwei weitere, neue Hauptfiguren vorgestellt, die aus der Perspektive eines personalen Er-Erzählers erzählen dürfen. Wie gewohnt setzt Maggie Stiefvater dabei ein sehr geringes Erzähltempo an und auch ihre Handlungsdichte ist zunächst sehr gering. Die eigentliche Rahmenhandlung wird durch den Klapptext nur in sehr geringem Ausmaß umrissen und viel darüber, was hier eigentlich passiert, möchte ich auch gar nicht sagen, da ich dann viel zu viel vorwegnehmen würde. Die Geschichte lebt von den Perspektivwechseln zwischen den drei im Fokus stehenden Figuren und der Frage, wie alles miteinander verbunden ist. Dadurch, dass wir angesichts geheimnisvoller Träume, düsterer Vorhersagen und neuer Gegenspieler lange Zeit im Dunkeln gelassen werde, entsteht ein surreales Lesegefühl, das sich anfühlt, als sei man in einem Traum einer anderen Person und würde zwar nicht hundertprozentig verstehen, was passiert, könnte angesichts der lyrischen Schönheit und Mystik des Ganzen nicht den Blick abwenden.

"Hast du schonmal ins Feuer gestarrt, bis du den Blick nicht mehr abwenden konntest? Darum geht es? Hast du schonmal die Berge betrachtet, bis es dir den Atem verschlagen hat? Darum geht es. Hast du schonmal zum Mond hochgeguckt, bis dir die Tränen kamen. Darum geht es. Es geht um den Stoff zwischen den Sternen, um den Raum zwischen den Wurzeln, dieses Ding, das morgens die Elektrizität aus dem Bett lockt. Magie."


Die Atmosphäre ist neben diesem surrealen Lesegefühl von einem düstereren Einschlag geprägt als die Hauptreihe es war. Wo der Raven Cycle noch humorvoll, spritzig und abenteuerlustig war, ist "Wie der Falke fliegt" nun melancholisch, blutig, zynisch und apokalyptisch. Trotz all der Unterschiede erkennt man in jeder Zeile der unverwechselbare Schreibstil Maggie Stiefvaters wieder. Mit ruhigen, aber eindringlichen Worten lässt sie die Charaktere und das Setting für einen kurzen Moment wahr werden und schenkt uns einige Stunden voller Fantasie, Magie, Liebe, Freundschaft und düsteren Geheimnissen. Dabei setzt die Autorin Gefühlsbeschreibungen nur ganz dezent und gezielt ein - ganz im Gegensatz zu manch anderen Romanautorinnen wie zum Beispiel Colleen Hoover, deren Gefühlswucht fast erdrückt. Manchen mag das zu spärlich sein, doch ich finde die zarten Andeutungen und leisen Annäherungen sind viel berührender als brodelnde Leidenschaft. Da sich hier sowohl emotional als auch inhaltlich viele auf der Ebene noch An- und Vorausdeutungen abspielt, kann ich allen zukünftigen LeserInnen dieses Buches nur ans Herz legen, es sehr aufmerksam zu lesen und sich dabei viel Zeit zu lassen, denn es gibt im Laufe der komplexen Erzählung so viele Andeutungen, die später nochmal eine tragende Rolle spielen. In ganz eigener Handschrift schreibt sie mal erklärend, mal kurz angebunden, mal emotional, mal kalt, mal melancholisch, mal locker, mal traurig, mal glücklich, mal wütend, mal resigniert - ein kunterbuntes Durcheinander, das vor allem eines ist: magisch. Dann noch ein paar skurrile Wendungen und überraschende Gedanken und fertig ist die unkonventionelle, magische und einzigartige Geschichte.

"Es wird schon klappen, Hennessy." Und letztendlich war wohl das der entscheidende Unterschied zwischen ihnen beiden. Während Hennessy darüber nachdachte, vom nächsten Dach zu springen, dachte Jordan darüber nach, vom nächsten Dach zu springen und davonzufliegen"


Teil dieses Gesamtkunstwerks ist hier natürlich wieder das unglaublich magische Setting, welches die kleine Stadt Henrietta im Herzen des ländlichen Virginias mit all seinen magischen Traumorten durch die Großstadt Washington ergänzt. Der Autorin gelingt es, uns im Laufe der Zeit an verschiedene Handlungsorte innerhalb ihres Settings mitzunehmen, die sich so gegensätzlich gegenüberstehen, dass sie beinahe wie unterschiedliche Dimensionen wirken: Der magische Wald Lindemere, welcher hier als Nachfolger Cabeswaters eingeführt wird, die träumerischen Schobern der Familie Lynch, in denen sich Ronans und Nialls Traumwesen tummeln, Declans ordentliches Stadthaus in New York, die prunkvolle Künstlervilla von Jordan Hennessy und ihren Mitbewohnerinnen sowie nicht zuletzt eine Vielzahl an Fantasie- und Traumwelten. Diese Geschichte erscheint vielseitig und einmal mehr wie eine Ansammlung kunstvoll miteinander verwobener Einzelgeschichten, die mich aufs Neue mit ihrem Ideenreichtum verzaubert hat.

Auch die Grundidee von Träumern, die Dinge aus ihren Träumen mitnehmen können, muss ich hier nochmal positiv hervorheben. In Zeiten von überdimensioniert häufig verwendeten Vampirmythen und Zaubermotiven sind eine Ley-Linie, durch deren Magie erwachende magische Kraftorte, eine Riege von Träumern und eine Gesellschaft, welche diese jagt um den Weltuntergang zu verhindern eine herrlich originelle und unverbrauchte Idee. Im Fokus der Geschichte steht jedoch nicht die Grundidee oder etwa ein Abenteuer, sondern die Dynamiken zwischen den Figuren. Am meisten gefreut hat mich, dass wir hier Einblicke in das Familienleben der drei Lynch-Brüder Ronan, Declan und Matthew erhalten. Ronan, welcher mit seinem kultivierten Walls aus Aggressivität und Wut, der das starke Bedürfnis nach Zuneigung und Bestätigung nur schlecht verbergen kann, auf mich in der Hauptreihe wie ein Kind gewirkt hat, ist hier deutlich reiferund erwachsener geworden und kann mit seinen eigenen Emotionen und Gedanken deutlich besser umgeben. Ich habe den Träumer natürlich schon im Raven Cycle lieben gelernt, hier wird jedoch deutlich, wie vielschichtig seine Charakterisierung wirklich ist.

"Als Ronan noch jünger war und es nicht besser wusste, dachte er, jeder müsste wie er sein. Auf Basis seiner Beobachtungen stellte er Regeln für den Rest der Welt auf, da nur wahr sein konnte, was innerhalb seines Erfahrungshorizonts lag. Jeder musste schlafen und essen. Jeder hatte Hände, Füße. (...) Jedes Haus war von geheimnisvollen Feldern und uralten Scheunen umgeben, jede Weide wurde von blauen Hügeln behütet, jede noch so schmale Straße führte in eine verborgene Welt. Jeder wachte manchmal aus dem Schlaf auf und hielt einen seiner Träume in den Händen."

Auch sein Bruder Declan ist mir hier viel mehr ans Herz gewachsen, da wir zu verstehen lernen, dass er seine Empfindsamkeit genau wie sein Bruder Ronan hinter einer Maske versteckt. Während Ronan auf Krawall gebürstet scheint, hat sich Declan einen Schutzmantel aus Kälte, Professionalität und Langweile angelegt, um sich und seine Brüder zu schützen. Der dritte im Bunde, der Sonnenschein Matthew, bringt ebenfalls einen äußerst spannenden Konflikt mit sich, da er hier erfahren muss, dass er nicht echt, sondern von Ronan geträumt ist... Die drei alleine wären in Kombination mit einem kurzen Wiederauftauchen von Gansey, Adam und Blue in meinen Augen schon interessant genug, um eine ganze Spin-Off-Reihe zu füllen. Neben den Lynch Brüdern erhalten wir aber außerdem einen äußerst spannenden Eindruck von Jordan Hennessys Beziehung zu ihren ganz speziellen Mitbewohnerinnen. Was die Autorin sich hier ausgedacht hat, ist wirklich unfassbar und weit von allem entfernt, was ich schonmal irgendwo gelesen habe. Zu sagen, dass ich wahnsinnig gespannt bin, wie sich der Handlungsstrang hier weiterentwickeln wird, wäre ein große Untertreibung. Vom dritten Handlungsstrang rund um die Träumerjägerin Carmen Farooq-Lane und ihren sozial schwieriger Visionär Parsifal war ich zunächst am wenigsten begeistert, da dieser am düstersten und am rätselhaftesten ist. Interessant dabei ist, dass Carmen immer nur bei ihrem Nachnamen genannt wird, was eine gewisse Distanz zu uns LeserInnen kreiert, man sie aber trotz der Tatsache, dass sie die Träumer jagt und damit auf der gegnerischen Seite zu unseren anderen Lieblingen steht, schlussendlich ans Herz schließt.

Das Ende wirft nach einem spannenden Finale mehr Fragen auf, als es beantwortet und stellt somit sicher, dass wir gespannt auf das Erscheinen von "Wie Träume bluten" warten, welches im Juli nächstes Jahr erscheint. Bis dahin bleibt nur noch zu sagen, "Tamquam, Alter Idem".

"Nach und nach schläft alles ein. Spatzen regnen vom Himmel. Hirsche sinken mitten im Galopp auf die Knie. Bäume hören auf zu wachsen. Kinder fallen in sanften Schlummer. All die Kreaturen, die einst diese Welt bevölkert haben, schlafen, und die Fantasie kommt zum Stillstand. Unter der Erde liegen Drachen, die sich nie wieder regen werden. Die Welt um uns schläft ein, aber niemand bemerkt es. Niemand schaut mehr aus dem Fenster. Träumer sterben."



Fazit:


In ihrem Raven-Cycle-Spinn-Off "Wie der Falke fliegt" erzählt Maggie Stiefvater gewohnt bildgewaltig und originell von Kunst, Träume, Individualität, Weltuntergang, Diebe, Mafia, Freundschaft, Hoffnung und Liebe. In ihre schrägen Figuren, das abwechslungsreiche und magische Setting, den unverwechselbaren Schreibstil und die interessante Grundidee musste ich mich einfach wieder verlieben!

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Veröffentlicht am 04.10.2022

Der krönende Abschluss einer humorvollen, emotionalen und mitreißenden New-Adult-Reihe

Crushing Colors
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Heute erscheint endlich "Crushing Colors", welches die Fletcher-University-Reihe von Tami Fischer fortsetzt und die Geschichte von Summer und Brigham erzählt, auf die ich mich schon seit Band 1 freue. ...

Heute erscheint endlich "Crushing Colors", welches die Fletcher-University-Reihe von Tami Fischer fortsetzt und die Geschichte von Summer und Brigham erzählt, auf die ich mich schon seit Band 1 freue. Bis auf Band 4 habe ich alle Bücher der Reihe bereits gelesen und da Sofia von @SofiasWorldofBooks mich dazu gebracht hat, die Reihe zu beginnen, ist es nur passend, dass wir das Finale zusammen als Buddyread gelesen haben.

Das Cover von "Crushing Colors" ist für mich mit Abstand das Schönste der Reihe. Schon auf Band 1-4 waren in Nahaufnahme Texturen in unterschiedlichen Farben mit goldenen Farbakzenten vor dem geschwungenen Titel abgebildet. Der Hintergrund dieses Reihenabschlusses ist nun in einem sanften grau-blau mit einigen rosafarbenen Farbtupfern gehalten und zeigt ein Muster, das an Federn erinnert. Einen direkten Bezug zur Handlung kann ich dabei zwar nicht feststellen, ich liebe aber den hypnotisierenden Effekt, den das Cover bei genauerer Betrachtung hat. Sehr schön sind auch die Charakterkarten mit angedeutetem Bild, welche in der vorderen Leselasche zu finden sind. Passend zur Queerness der beiden Hauptfiguren und dem Titel, der ebenfalls Schubladendenken, Farbcode und Labels ausbrechen möchte, sind die Steckbriefe mit Regenbogenfarben umrandet. I love it!

Erster Satz:"Wenn ich eins über die Jahre gelernt hate, dann, dass Intimwaxing dabei half, schlechte alltägliche Erlebnisse besser dastehen zu lassen."

Wie schon beim Cover gilt auch beim Inhalt von "Crushing Colors": das Beste kommt zum Schluss! Mein bisheriger Lieblingsband der Reihe - "Sinking Ships" über Carla und Mitchell - wurde hier von Lollipop und Schmiercules eindeutig von seinem Podest gestoßen. Zwar ist die Handlung ein wenig basic und von einigen Tropes getragen, dafür erhalten wir hier aber eine irrsinnige Chemie und Tiefe, die durch den Enemies to Lovers-Trope sowie die beiden sympathischen Figuren getragen wird. Der dahinplätschernde Alltag der beiden wird durch eine gemeinsame Wette aufgepeppt und strukturiert, ansonsten verläuft der Plot aber stark im Hintergrund und bildet nur die Kulissen für die Figuren und deren Chemie. Wer also wie bei Band 1 oder Band 3 eine action- und wendungsreiche Handlung erwartet, wird unweigerlich enttäuscht werden. Dafür kann "Crushing Colors" aber mit tollem Humor und unterhaltsamen Schlagabtäuschen punkten und wird auch ohne große Spannung zum Pageturner.

Dafür ist vor allem Tami Fischers flüssiger, humorvoller und emotionaler Schreibstil verantwortlich. Die Dialoge sind knackig, Popkulturreferenzen und Anspielungen erweichen das Nerdherz, Summers Direktheit sowie Brigs provokante Flirtversuche fahren konstant den ein oder anderen Lacher ein und in den romantischen Szenen knistert es ordentlich. Neben lockerer Romantik rockt "Crushing Colors" jedoch auch ernstere, tiefgründigere Szenen. Besonders eine, in der sich Summer gemeinsam mit ihren besten Freundinnen Sav und Ella ihren Dämonen stellt, hat mich sehr berührt! Zusätzlich verstärkt wird die heimelige, intime Atmosphäre dadurch, dass die Geschichte im Herbst und in der Weihnachtszeit spielt. Schnee, heiße Schokolade, Lichterketten, Weihnachtseinkäufe, gemeinsame Kochabende und duftendes Gebäck - die Autorin weiß einfach, was wir LeserInnen um diese Jahreszeit lesen möchten!

"Mit dir ist alles in Ordnung. Du bist nicht kaputt. Du funktionierst nur anders und das ist okay."

Auch die Charakterisierungen haben sich von Band zu Band gesteigert und die beiden Hauptfiguren sind geradezu Kunstwerke. Zunächst einige Wort zu Brigham, welcher zwar einen etwas gewöhnungsbedürftigen Namen hat (I mean, Brigham Bugley klingt doch wie ein hässlicher Bösewicht aus einer Cartoon-Serie, oder nicht?), sich aber bald als rundum liebenswerter Bookboyfriend entpuppt. Er ist ein veganer Hobbykoch, erfolgreicher Foodblogger, traumhaft gebauter Sportfreak und obendrein noch aufmerksam, respektvoll und hat einen großartigen Humor? Wo bitte kann ich mir genauso ein Exemplar bestellen??? Sofia und ich sind während des Buddyreads an mehreren Stellen geradezu dahingeschmolzen...

Doch auch Summer ist eine tolle Protagonistin, auf deren Geschichte ich schon seit Band 1 gespannt warte. Sie geht direkt, unabhängig, sexy und mit unverwüstlichem roten Lippenstift (Tami muss uns dringend die Marke verraten) durchs Leben, dass ich mich sehr darauf gefreut habe, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und zu sehen, was sie im Inneren bewegt. Auch wenn sie für mich persönlich nur wenig Identifikationspotenzial geboten hat, da ihre Themen, Konflikte sowie ihre Herangehensweise, Probleme erstmal zu verdrängen, mich persönlich nicht so sehr angesprochen haben, ist sie wirklich sehr nahbar und nachvollziehbar gestaltet, dass man mit ihr fühlt und sich nach dem Moment sehnt, in dem sie genug Mut fasst, ihre Probleme offen anzusprechen.

Sehr gut gefallen hat mir obendrein, dass beide Hauptfiguren hier queer sind, das jedoch nur am Rand beiläufig erwähnt wird und für die Handlung an sich keine Rolle spielt. So ist Diversität unaufdringlich und authentisch umgesetzt und die bunte Fletcher Clique wird noch lebendiger. Die anderen Mitglieder der Fletcher-Found-Family, die wir schon aus den Vorgängerbänden kennen, kommen hier leider nicht ganz so viel vor, dafür macht aber ein zuckersüßer Epilog mehr als wett, der uns einen Ausblick auf das Leben der Fletcher Gang 3 Jahre nach Ende des Buches gibt.



Fazit:


"Crushing Colors" ist der krönende Abschluss einer humorvollen, emotionalen und mitreißenden New-Adult-Reihe. Besonders überzeugen konnten mich der Schreibstil von Tami Fischer, die Chemie der Figuren und die beiden sympathischen Figuren.

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