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Veröffentlicht am 21.03.2022

Ein überraschend tiefgründiges und sehr unterhaltsames New Adult Debüt

Blossom
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"Blossom" ist der Auftakt einer neuen College-Romance-Dilogie, die heute ihren Erscheinungstermin feiert. Da das Bloggerportal mir schon letzte Woche ein Exemplar zugeschickt hat, kann ich heute pünktlich ...

"Blossom" ist der Auftakt einer neuen College-Romance-Dilogie, die heute ihren Erscheinungstermin feiert. Da das Bloggerportal mir schon letzte Woche ein Exemplar zugeschickt hat, kann ich heute pünktlich zum Buchgeburtstag meine Meinung verkünden. In meinen Augen ist "Blossom" ein überraschend tiefgründiges und sehr unterhaltsames New Adult Debüt mit leichten Schwächen gegen Ende.

Doch beginnen wir beim Cover. Zu sehen ist eine rot-violette Farbexplosion, deren Formen entfernt an eine Blüte erinnert und damit perfekt zum Titel passt. Am besten gefällt mir an der Gestaltung jedoch die metallic-schimmernde Oberfläche des Covers, welches die Farben leuchten und das Buch aus jeder Perspektive und bei jedem Licht strahlend und hochwertig aussehen lässt. Der Titel, "Blossom", klingt auf den ersten Blick sehr süß und einfach, hinterlässt nach dem Lesen jedoch einen bitteren Geschmack auf der Zunge, da sich hinter dem vermeintlich simplen Wort eine dunkle Geschichte verbirgt...


Erster Satz: "Habt Ihr alles?", frage ich und zerzause meinen Geschwistern das blonde Haar."


Die Geschichte beginnt wie eine typische NA-Romanze. In spritzigem, lockeren Erzählton stellt Amelia Cadan ihre beiden auf dem Campus berühmten Hauptfiguren während des Beginns des neuen Semesters vor und lässt sie als Dates einer Gala das erste Mal aufeinandertreffen. Während Leith vor allem im Doppelpack mit seiner Ex-Langzeitfreundin Ella bekannt ist, ist Jun ein aufgehender Stern am Schauspielhimmel. Keiner weiß jedoch, dass sie auch außerhalb des Theaters ständig eine Rolle zu spielen hat und nie wäre sie darauf gekommen, dass ausgerechnet der Golden Boy der Baseballmannschaft Leith es vermag, hinter diese Fassade zu blicken...

Nach den ersten beiden Kapiteln hatte ich mit einer Enemies-to-Lovers-Geschichte á la L.J. Shen gerechnet, in dem sich die doch sehr unterschiedlichen Figuren ordentlich aneinander reiben. Schnell wurde jedoch klar, dass die Autorin mit ihrem Auftakt in eine ganz andere Richtung geht. Die Klischees des goldenen Baseballstars und der Eisprinzessin werden schon bald aufgeweicht und wir erkennen, dass sich hinter Juns eisiger Fassade der verzweifelte Versuch, den Schein aufrechtzuerhalten und der Außenwelt nicht zu zeigen, was bei ihr zuhause los ist, verbirgt, während Leith alles andere als ein Aufreißer ist und sich nach nichts mehr sehnt, als einer festen Beziehung. Da auch die beiden vom jeweils anderen überrascht sind, verläuft die Annäherung relativ schnell und wir können den beiden zusehen, wie sie sich in einem Zeitraum von wenigen Tagen ineinander verlieben. Besonders im Mittelteil konnte mich die Chemie der beiden sehr gut erreichen und die Lovestory hat irrsinnig viel Spaß gemacht! Statt Feindseligkeit und Fremdheit können wir hier beobachten, wie die beiden sich füreinander öffnen und Jun in Leith einen überraschenden sicheren Hafen findet.


Jun: "Mir ist schlecht. Die gute Art von schlecht. Gut-schlechte Art von schlecht. Die Art, bei der man sich fühlt, als flatterten einem eine Million wild gewordener Schmetterlinge im Magen herum, deren Flügelschläge bis in die eigenen Fingerspitzen hinein zu spüren sind und einem die Gedanken durcheinanderwirbeln."


Begleitet wird die Liebesgeschichte durch einen modernen Schreibstil mit vielen englischen Ausdrücken und großartigem Humor. Eigentlich finde ich es eher anstrengend, wenn zu viele fremdsprachige Ausdrücke oder Jugendsprache verwendet wird. Da die Geschichte jedoch auf einem amerikanischen College angesiedelt ist und die genutzte Sprache gut zu den beiden Figuren passt, hat es mich hier nicht gestört. Man merkt dem Schreibstil übrigens auch überhaupt nicht an, dass es sich hier um Amelia Cadans Debüt handelt. Im Gegenteil - die Art und Weise, wie die Autorin die Gedanken und Gefühle ihrer Figuren prägnant und einfach auf den Punkt bringt, wirkte sehr routiniert und hat mir sehr gut gefallen. Leith und Jun dürfen hier abwechselnd aus der Ich-Perspektive erzählen und sind mir auf diese Weise sehr schnell ins Herz gewachsen. Während Jun hier ganz schön zu kämpfen hat und vor allem Mitleid, aber auch Bewunderung in uns LeserInnen hervorruft, machte sich Leith durch sein großes Herz, seine Verletzlichkeit und Authentizität unentbehrlich. Natürlich kann man kritisieren, dass ihm vielleicht ein paar Ecken und Kanten fehlen, aber alles in allem ist er ein wunderbarer Bookboyfriend, der durch die Abwesenheit eigener Probleme genügend Raum lässt, damit Juns ausreichend ausgebreitet werden können.

Und das ist auch dringend notwendig, denn neben der Liebesgeschichte steht nicht nur die Tablettenabhängigkeit von Juns Mutter und deren Auswirkungen auf die Familie im Vordergrund - "Blossom" wagt auch eine überraschend intensive Auseinandersetzung mit der #MeToo-Bewegung. Diesen thematischen Fokus hätte ich unter dem Tarnmantel einer College-Romance so nicht erwartet und war doppelt überrascht, da dies auch im Klapptext mit keinem Wort erwähnt wird. In meinem Fall handelte es sich jedoch um eine absolut positive Überraschung, da mir sehr gut gefallen hat, wie die Autorin verschiedene Perspektiven beleuchtet, für das Thema sensibilisiert und ihrer Erzählung damit überraschend viel Tiefe verleiht. Da das aber sicherlich nicht für alle LeserInnen gilt und einige der geschilderten Szenen verstörend oder triggernd wirken können, hätte ich mir hier definitiv eine Triggerwarnung gewünscht.


Leith: "Irgendwann sind Juns Tränen gefroren. Sie hat jede einzelne genommen, Eisblöcke daraus geformt und damit eine Mauer um sich errichtet."


Ich halte also schon mal fest, dass die Geschichte eine süße, aber prickelnde Lovestory bereithält und einen überraschenden thematischen Fokus setzt. Weniger gut gefallen hat mir an "Blossom" leider das Ende. Das lag nicht nur daran, dass Leiths Fehler, der zum großen, unvermeidlichen Prä-Happy-End-Drama führt, absolut dämlich ist und mich nicht nur zum genervten Augenrollen gebracht, sondern ihn auch ein paar Sympathiepunkte gekostet hat, sondern vor allem daran, dass die bis zu diesem Zeitpunkt sehr engmaschige Erzählung durch große Zeitsprünge ausgedünnt wird. Während zuvor in wenigen Tagen das Gerüst einer Beziehung aufgebaut wurde, wagt die Autorin hier gleich zwei große Zeitsprünge, sodass uns insgesamt ganze 12 Monate fehlen. Das führt dazu, dass wir wichtige Entwicklungen nicht mitbekommen und das Happy End ein wenig überzogen wirkt (denn können 12 Monate Drama und Trennung wirklich gegen wenige Tage Liebe bestehen....?). Trotzdass mich das Ende nicht komplett überzeugen konnte, bin ich nun sehr gespannt auf den zweiten Band der Dilogie, in dem es um Leiths besten Freund Ryder und seine kleine Schwester Lizzy gehen wird, welche mir in "Blossom" beide schon sehr ans Herz gewachsen sind.



Fazit:


"Blossom" ist ein überraschend tiefgründiges und sehr unterhaltsames New Adult Debüt mit leichten Schwächen gegen Ende. Ich bin schon sehr gespannt auf Band 2!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.03.2022

Eine tolle Geschichte mit dem schalen Beigeschmack, dass die Autorin es eigentlich besser kann...

Für immer ein Teil von dir
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Colleen Hoover ist die Autorin, von der ich am meisten Bücher gelesen habe. Um genau zu sein sind es inklusive ihres neusten Werks, "Für immer ein Teil von dir", genau 23 Bücher. Davon hat mich bisher ...

Colleen Hoover ist die Autorin, von der ich am meisten Bücher gelesen habe. Um genau zu sein sind es inklusive ihres neusten Werks, "Für immer ein Teil von dir", genau 23 Bücher. Davon hat mich bisher jedes einzelne überzeugen können - eins mal mehr, das andere mal weniger, aber unterm Strich kann ich alle weiterempfehlen. Kein Wunder also, dass die Erwartungen und Ansprüche mit jedem weiteren Roman von ihr ansteigen. Dem ist "Für immer ein Teil von dir" vermutlich etwas zum Opfer geworden. Wäre die Geschichte von Kenna und Ledger aus einer anderen Feder entstanden, hätte ich sie vermutlich wegen der tiefen Gefühle, des komplizierten Hauptkonflikts und der herzzerreißende Liebesgeschichte in den Himmel gelobt. Als Werk von Colleen Hoover blieb aufgrund von einigen kleineren Schnitzen jedoch der etwas schale Beigeschmack, dass die "Queen of Hearts" es eigentlich besser kann...


Kenna: "Manchmal frage ich mich, ob wir vielleicht alle mit der gleichen Menge von Gut und Böse geboren werden. Könnte es nicht sein, dass kein Mensch böswilliger ist als der andere und wir alle das Schlechte in uns nur zu unterschiedlichen Zeiten und auf unterschiedliche Weise von uns geben?"


Doch beginnen wir wie immer mit dem Cover. Jenes ist mal wieder im typischen "Colleen Hoover meets dtv Verlag Style" gehalten. Das bedeutet ein farbiger, dominanter Titel in Lila vor einem durchgängigen, schlichten Hintergrund. Die Silhouetten eines Schwarm fliegender Vögel geben den Hinweis darauf, dass es sich bei dem blauen Hintergrund um einen wolkenlosen Himmel handelt. Bei genauer Betrachtung fällt außerdem auf, dass in der unterschiedlichen Farbintensität des Titels Konturen eines Menschen zu erkennen sind. Damit ist die Gestaltung sehr nah am Originalcover und greift die Themen Trauer, Verlust und Erinnerung gut auf. Auffallend ist, dass die Seiten hier wieder ungewöhnlich dick sind, sodass der Roman mit seinen 400 Seiten relativ umfangreich aussieht, sich jedoch wie im Fluge weggelesen lässt.


Erster Satz: "Am Straßenrand steht ein kleines Holzkreuz mit dem Datum seines Todestages."


Wie so oft ist auch dieser Colleen-Hoover-Roman aus zwei Perspektiven erzählt. Wir steigen mit der Ankunft unserer ersten Protagonistin Kenna in ihrer ehemaligen Heimatstadt in die Geschichte ein. Nach 5 Jahren im Gefängnis wegen fahrlässiger Tötung möchte sie jetzt ein neues Leben beginnen und das beinhaltet, nach ihrer Tochter Diem zu suchen, welche ihr vor vier Jahren direkt nach der Geburt genommen wurde. All die Jahre hinter Gitter war es ihr ein Trost, dass Diem bei den Eltern des Kindsvaters Scott aufwächst, da sie diesen über alles geliebt hat und sich darauf verlassen kann, dass sich seine Eltern gut um Diem kümmern. Nun da sie in Freiheit ist, möchte sie aber nichts lieber, als ihre Tochter endlich sehen. Als sie an ihrem ersten Abend in der Stadt in einer Bar den gutaussehenden Ledger kennenlernt und beinahe einen One-Night-Stand mit ihm hat, weiß sie noch nicht, dass er der beste Freund ihrer Jugendliebe war und den Schlüssel zu ihrer Zukunft in den Händen hält...


Ledger: "Anziehung ist schon etwas Seltsames. Was genau ist es eigentlich, das einen anderen Menschen anziehen für uns macht? Wie kann es sein, dass jede Woche Dutzende Frauen durch die Tür dieser Bar kommen und nicht eine einzige den Drang in mir weckt, ihr auch nur einen zweiten Blick zu schenken. Aber dann kommt dieses Mädchen hereinspaziert und ich kann meinen verdammten Blick einfach nicht mehr von ihr losreißen."


Mit den ersten Kapiteln habe ich mir sehr schwergetan, da die sogleich körperliche erste Begegnung von Kenna und Ledger weder zu einer Frau, die gerade aus dem Gefängnis kommt und mit klarem Ziel vor Augen in einer neuen Stadt anfängt, noch zu einem Mann, der gewarnt ist, weil die Mutter des Kindes, das er mit großzieht, aus dem Gefängnis entlassen wurde, zu passen schien. Dazu kommt, dass wir zunächst einen gemischten Eindruck von Kenna erhalten und aufgrund ihrer abgestumpften Art und den eher negativen Rückblicken auf ihre Taten das Schlimmste von ihr annehmen müssen. Dieses Bild wird dann erst mit der Zeit widerlegt und wir erkennen durch eingeschobene Briefe an ihre Jugendliebe Scotty, dass hinter ihrer scheinbaren Emotionslosigkeit jede Menge Schmerz, Orientierungslosigkeit und Gebrochenheit steckt. Je mehr ich über sie lernte, erfuhr, wer sie war und wer sie sein will, je mehr sie mein Herz erobert hat, desto näher gingen mir dann auch die vermittelten Emotionen, bis ich völlig in dieser Geschichte um Trauer, Schuld, Vergebung und Neuanfang gefangen war.


Kenna: "Er dreht sich ein wenig mehr zu mir. "Als du an diesem ersten Abend in die Bar gekommen bist, dachte ich, ich hätte noch nie eine so faszinierende Frau getroffen wie dich. Aber als ich dich dann am nächsten Tag vor Patricks und Grace´ Haus gesehen habe, warst du in meinen Augen der verabscheuungswürdigste Mensch, dem ich je begegnet bin." Er ist wirklich schonungslos ehrlich, das muss man ihm lassen. "Und wie ist es heute?", frage ich leise. Er sieht mich eindringlich an. "Heute... frage ich mich, ob du nicht der traurigste Mensch bist, den ich kenne."


Neben Kennas Seite lernen wir durch unseren zweiten Ich-Erzähler, Ledger, aber auch noch die Perspektive von Scottys Familie kennen, welche in Kenna nur die egoistische, gedankenlose Frau sieht, die ihren geliebten Sohn blutend dem Tod überlassen hat. Nachdem sein bester Freund Scott ums Leben kam, hat Ledger Diem wie eine eigene Tochter behandelt und zusammen mit den Großeltern Grace und Patrick sein ganzes Leben nach der Kleinen ausgerichtet. Für die drei gleicht Kennas Auftauchen in der Stadt dem Aufreißen alter, noch lange nicht verheilter Wunden. Kein Wunder also, dass sie zunächst mit Wut, Angst und Ablehnung reagieren, als sie plötzlich bei ihnen auftaucht und verlangt, Diem zu sehen. Während wir LeserInnen gemeinsam mit Ledger versuchen, Kenna besser kennenzulernen und ihre Perspektive zu verstehen, haben Grace und Patrick nicht die emotionale Kapazität, sich mit der Mörderin ihres Sohnes befassen und lehnen einen Kontakt strikt ab. Schon bald haben sich Kenna, Ledger und die Großeltern in eine schwierige Situation mit klaren Fronten manövriert, bei denen keiner richtig im Unrecht ist und es demnach auch keine einfachen Lösungen gibt.


Ledger: "Sie scheint ein stiller Mensch zu sein, aber nicht, weil sie schüchtern ist. Ihre Stille ist wild - ein Sturm, der sich ungesehen anschleicht und den du erst bemerkst, wenn der Donner deine Knochen vibrieren lässt."


Während sich meine Beziehung zu Kenna über das Buch hinweg stark verändert und von Irritation zu starkem Mitgefühl und auch Bewunderung wechselte, fand ich Ledger von Beginn an grundsätzlich sympathisch, habe ihn aber nicht so tief ins Herz geschlossen, wie andere Figuren vor ihm. Das liegt zum einen daran, dass ich seine Gefühle für Diem nur schwer nachvollziehen konnte, da wir die beiden auch nur selten zusammen erleben. Und zum anderen fand ich ein wenig unglaubwürdig, dass er sich so schnell für Kenna öffnet. Ich hatte nach ihrer zweiten Begegnung, bei der er versteht, dass Kenna für den Tod seines besten Freundes verantwortlich ist, mit einer Art Enemies to Lovers Geschichte gerechnet, bei der Kenna Ledger Stück für Stück von ihrer Gutherzigkeit und ihren guten Absichten überzeugen muss. Leider ging das aus meiner Sicht viel zu schnell und reibungslos über die Bühne. Dafür, dass er sie hasst, weil er ihr die Schuld am Tod seines Freundes gibt, ringt er viel zu wenig mit seinen Gefühlen für sie und dementsprechend unspektakulär verläuft auch die Liebesgeschichte. Da diese hier jedoch nicht im Vordergrund steht und dem Familiendrama viel Platz einräumt, ist das weniger problematisch.


Kenna: "Wie viele Verluste kann ein Mensch ertragen, bevor er das Handtuch wirft, Scotty? Es fühlt sich nämlich mehr und mehr so an, als könnte ich das hier nicht gewinnen."


Denn Colleen Hoover hat sich für ihre Geschichte mal wieder einen komplexen und hochemotionalen Grundkonflikt überlegt, welcher jede Menge Drama verspricht - immerhin geht es um das Wohl eines Kindes - und eine ganze Wagenladung an unterschiedlichen Gefühlen transportiert. Dabei hilft natürlich der Schreibstil der Autorin ungemein. Schon so oft habe ich das geschrieben: Wenn ich ein Buch von dieser Autorin aufschlage und die ersten paar Zeilen lese, dann komme ich nach Hause. Es ist ein wohlig warmes Gefühl und ich fühle mich in der Atmosphäre jedes einzelnen Buches der Autorin absolut geborgen und möchte gar nicht mehr auftauchen. Wie gewohnt spielt die Autorin nur so mit Worten. Sie findet in jeder Situation genau die richtigen Formulierungen, um nur so mit unseren Emotionen zu spielen und kennt dabei kein Tabu, wenn es darum geht, uns Leser zu quälen. Colleen Hoover schafft es mal wieder, schwierige Themen anzusprechen und aus ihnen eine leidenschaftliche, mitreißende und authentische Geschichten zu zaubern, die noch jedes Leserherz berührt.


Ledger: "Ich hätte mir nie vorstellen können, wie es ist, wenn eine Mutter ihr Kind zum ersten Mal sieht. Der Anblick von Diem auf dem kleinen Bildschirm raubt Kenna den Atem. Sie schlägt sich eine Hand vor den Mund und fängt an zu weinen. Sie weint so sehr, dass sie das Handy auf ihre Beine legen muss, damit sie sich mit ihrem Shirt die Tränen aus den Augen wischen kann. Kenna verwandelt sich direkt vor meinen Augen in einen anderen Menschen. Es ist, als würde ich beobachten, wie sie Mutter wird. Ich glaube, es ist das Schönste, was ich jemals gesehen habe."


Die Grundidee erinnert dabei ein wenig an ihren Roman "Love and Confess", in welchem ebenfalls eine Frau versuchte, das Sorgerecht für ihr Kind zu bekommen und sich nebenbei aber in einen Mann verliebte, der ihr dabei im Weg stehen könnte. Bei näherer Betrachtung fallen jedoch mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Geschichten auf. Auch der Einsatz der tagebuchartigen Briefe, die Kenna an Scotty schreibt und die uns dabei helfen, ihre Sicht der Dinge besser zu verstehen sind leider keine besonders neue oder originelle Idee. Zusätzlich ist "Für immer ein Teil von dir" zwar gewohnt mitreißend, aber insgesamt leider auch vorhersehbar und gradlinig erzählt. Anders als in anderen Werken von Colleen Hoover gibt es hier kaum Überraschungen oder Wendungen und ab der Hälfte tauchen auch keine neuen Informationen mehr auf, sodass im Mittelteil die Handlung für einige Seiten etwas auf der Stelle tritt. Da der Roman weniger von der Handlung und vielmehr von den Emotionen getragen wird, ist das nicht weiter schlimm. Ärgerlich nur, wenn man genau weiß, dass die Autorin es eigentlich besser kann!


Kenna: "Ein kleiner Teil meines Schmerzes hat an sein Mitleid angedockt, und es fühlt sich tatsächlich so an, als würde er mich in die Höhe heben, damit ich Luft holen und ein paar Minuten lang frei atmen kann."


Auch das Ende konnte mich nicht wirklich überzeugen. Während die Handlung im Mittelteil wie gesagt durch viele Wiederholungen und Ledgers Hin- und Hergerissenheit zwischen seiner Loyalität zu den Großeltern und zu Kenna stagniert, lösen sich gegen Ende dann plötzlich alle Probleme viel zu einfach in Luft auf. Schade finde ich auch, dass Kenna am Ende nicht selbst die Möglichkeit bekommt, aktiv zu sein, sondern Ledger das für sie übernimmt. Ab dem Zeitpunkt, als sich alles problemlos zu fügen beginnt, wirken die vorher authentisch scheinenden Probleme plötzlich überzogen und künstlich dramatisiert, da man sich zu fragen beginnt, warum diese Lösung nicht schon zuvor möglich gewesen wäre. Für diese zwei Unregelmäßigkeiten im Erzähltempo - die Stagnation im Mittelteil und das überhastete Ende - ziehe ich insgesamt also einen Stern ab.

Abschließen möchte ich meine Rezension mit einem weiteren tollen Zitat, welches meiner Meinung nach die Hauptaussage der Geschichte sehr treffend wiedergibt:


Ledger: "Das zeigt in meinen Augen, wie Zeit, Abstand und Trauer Menschen dazu bringen können, Bösewichte aus Leuten zu machen, die sie überhaupt nicht kennen. Aber Kenna war nie der Bösewicht. Sie war ein Opfer. Genau wie wir alle."



Fazit:


In "Für immer ein Teil von dir" hat Colleen Hoover mal wieder schwierige Themen angesprochen und aus ihnen eine leidenschaftliche, mitreißende und authentische Geschichten gezaubert. Trotz des toll ausgearbeiteten Hauptkonflikts ist der Roman lange nicht der beste der Autorin. Dafür tauchen zu viele kleine Schnitzer auf, die ich von der Autorin sonst nicht gewohnt bin...

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.03.2022

Eine tolle Geschichte mit dem schalen Beigeschmack, dass die Autorin es eigentlich besser kann...

Für immer ein Teil von dir
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Colleen Hoover ist die Autorin, von der ich am meisten Bücher gelesen habe. Um genau zu sein sind es inklusive ihres neusten Werks, "Für immer ein Teil von dir", genau 23 Bücher. Davon hat mich bisher ...

Colleen Hoover ist die Autorin, von der ich am meisten Bücher gelesen habe. Um genau zu sein sind es inklusive ihres neusten Werks, "Für immer ein Teil von dir", genau 23 Bücher. Davon hat mich bisher jedes einzelne überzeugen können - eins mal mehr, das andere mal weniger, aber unterm Strich kann ich alle weiterempfehlen. Kein Wunder also, dass die Erwartungen und Ansprüche mit jedem weiteren Roman von ihr ansteigen. Dem ist "Für immer ein Teil von dir" vermutlich etwas zum Opfer geworden. Wäre die Geschichte von Kenna und Ledger aus einer anderen Feder entstanden, hätte ich sie vermutlich wegen der tiefen Gefühle, des komplizierten Hauptkonflikts und der herzzerreißende Liebesgeschichte in den Himmel gelobt. Als Werk von Colleen Hoover blieb aufgrund von einigen kleineren Schnitzen jedoch der etwas schale Beigeschmack, dass die "Queen of Hearts" es eigentlich besser kann...


Kenna: "Manchmal frage ich mich, ob wir vielleicht alle mit der gleichen Menge von Gut und Böse geboren werden. Könnte es nicht sein, dass kein Mensch böswilliger ist als der andere und wir alle das Schlechte in uns nur zu unterschiedlichen Zeiten und auf unterschiedliche Weise von uns geben?"


Doch beginnen wir wie immer mit dem Cover. Jenes ist mal wieder im typischen "Colleen Hoover meets dtv Verlag Style" gehalten. Das bedeutet ein farbiger, dominanter Titel in Lila vor einem durchgängigen, schlichten Hintergrund. Die Silhouetten eines Schwarm fliegender Vögel geben den Hinweis darauf, dass es sich bei dem blauen Hintergrund um einen wolkenlosen Himmel handelt. Bei genauer Betrachtung fällt außerdem auf, dass in der unterschiedlichen Farbintensität des Titels Konturen eines Menschen zu erkennen sind. Damit ist die Gestaltung sehr nah am Originalcover und greift die Themen Trauer, Verlust und Erinnerung gut auf. Auffallend ist, dass die Seiten hier wieder ungewöhnlich dick sind, sodass der Roman mit seinen 400 Seiten relativ umfangreich aussieht, sich jedoch wie im Fluge weggelesen lässt.


Erster Satz: "Am Straßenrand steht ein kleines Holzkreuz mit dem Datum seines Todestages."


Wie so oft ist auch dieser Colleen-Hoover-Roman aus zwei Perspektiven erzählt. Wir steigen mit der Ankunft unserer ersten Protagonistin Kenna in ihrer ehemaligen Heimatstadt in die Geschichte ein. Nach 5 Jahren im Gefängnis wegen fahrlässiger Tötung möchte sie jetzt ein neues Leben beginnen und das beinhaltet, nach ihrer Tochter Diem zu suchen, welche ihr vor vier Jahren direkt nach der Geburt genommen wurde. All die Jahre hinter Gitter war es ihr ein Trost, dass Diem bei den Eltern des Kindsvaters Scott aufwächst, da sie diesen über alles geliebt hat und sich darauf verlassen kann, dass sich seine Eltern gut um Diem kümmern. Nun da sie in Freiheit ist, möchte sie aber nichts lieber, als ihre Tochter endlich sehen. Als sie an ihrem ersten Abend in der Stadt in einer Bar den gutaussehenden Ledger kennenlernt und beinahe einen One-Night-Stand mit ihm hat, weiß sie noch nicht, dass er der beste Freund ihrer Jugendliebe war und den Schlüssel zu ihrer Zukunft in den Händen hält...


Ledger: "Anziehung ist schon etwas Seltsames. Was genau ist es eigentlich, das einen anderen Menschen anziehen für uns macht? Wie kann es sein, dass jede Woche Dutzende Frauen durch die Tür dieser Bar kommen und nicht eine einzige den Drang in mir weckt, ihr auch nur einen zweiten Blick zu schenken. Aber dann kommt dieses Mädchen hereinspaziert und ich kann meinen verdammten Blick einfach nicht mehr von ihr losreißen."


Mit den ersten Kapiteln habe ich mir sehr schwergetan, da die sogleich körperliche erste Begegnung von Kenna und Ledger weder zu einer Frau, die gerade aus dem Gefängnis kommt und mit klarem Ziel vor Augen in einer neuen Stadt anfängt, noch zu einem Mann, der gewarnt ist, weil die Mutter des Kindes, das er mit großzieht, aus dem Gefängnis entlassen wurde, zu passen schien. Dazu kommt, dass wir zunächst einen gemischten Eindruck von Kenna erhalten und aufgrund ihrer abgestumpften Art und den eher negativen Rückblicken auf ihre Taten das Schlimmste von ihr annehmen müssen. Dieses Bild wird dann erst mit der Zeit widerlegt und wir erkennen durch eingeschobene Briefe an ihre Jugendliebe Scotty, dass hinter ihrer scheinbaren Emotionslosigkeit jede Menge Schmerz, Orientierungslosigkeit und Gebrochenheit steckt. Je mehr ich über sie lernte, erfuhr, wer sie war und wer sie sein will, je mehr sie mein Herz erobert hat, desto näher gingen mir dann auch die vermittelten Emotionen, bis ich völlig in dieser Geschichte um Trauer, Schuld, Vergebung und Neuanfang gefangen war.


Kenna: "Er dreht sich ein wenig mehr zu mir. "Als du an diesem ersten Abend in die Bar gekommen bist, dachte ich, ich hätte noch nie eine so faszinierende Frau getroffen wie dich. Aber als ich dich dann am nächsten Tag vor Patricks und Grace´ Haus gesehen habe, warst du in meinen Augen der verabscheuungswürdigste Mensch, dem ich je begegnet bin." Er ist wirklich schonungslos ehrlich, das muss man ihm lassen. "Und wie ist es heute?", frage ich leise. Er sieht mich eindringlich an. "Heute... frage ich mich, ob du nicht der traurigste Mensch bist, den ich kenne."


Neben Kennas Seite lernen wir durch unseren zweiten Ich-Erzähler, Ledger, aber auch noch die Perspektive von Scottys Familie kennen, welche in Kenna nur die egoistische, gedankenlose Frau sieht, die ihren geliebten Sohn blutend dem Tod überlassen hat. Nachdem sein bester Freund Scott ums Leben kam, hat Ledger Diem wie eine eigene Tochter behandelt und zusammen mit den Großeltern Grace und Patrick sein ganzes Leben nach der Kleinen ausgerichtet. Für die drei gleicht Kennas Auftauchen in der Stadt dem Aufreißen alter, noch lange nicht verheilter Wunden. Kein Wunder also, dass sie zunächst mit Wut, Angst und Ablehnung reagieren, als sie plötzlich bei ihnen auftaucht und verlangt, Diem zu sehen. Während wir LeserInnen gemeinsam mit Ledger versuchen, Kenna besser kennenzulernen und ihre Perspektive zu verstehen, haben Grace und Patrick nicht die emotionale Kapazität, sich mit der Mörderin ihres Sohnes befassen und lehnen einen Kontakt strikt ab. Schon bald haben sich Kenna, Ledger und die Großeltern in eine schwierige Situation mit klaren Fronten manövriert, bei denen keiner richtig im Unrecht ist und es demnach auch keine einfachen Lösungen gibt.


Ledger: "Sie scheint ein stiller Mensch zu sein, aber nicht, weil sie schüchtern ist. Ihre Stille ist wild - ein Sturm, der sich ungesehen anschleicht und den du erst bemerkst, wenn der Donner deine Knochen vibrieren lässt."


Während sich meine Beziehung zu Kenna über das Buch hinweg stark verändert und von Irritation zu starkem Mitgefühl und auch Bewunderung wechselte, fand ich Ledger von Beginn an grundsätzlich sympathisch, habe ihn aber nicht so tief ins Herz geschlossen, wie andere Figuren vor ihm. Das liegt zum einen daran, dass ich seine Gefühle für Diem nur schwer nachvollziehen konnte, da wir die beiden auch nur selten zusammen erleben. Und zum anderen fand ich ein wenig unglaubwürdig, dass er sich so schnell für Kenna öffnet. Ich hatte nach ihrer zweiten Begegnung, bei der er versteht, dass Kenna für den Tod seines besten Freundes verantwortlich ist, mit einer Art Enemies to Lovers Geschichte gerechnet, bei der Kenna Ledger Stück für Stück von ihrer Gutherzigkeit und ihren guten Absichten überzeugen muss. Leider ging das aus meiner Sicht viel zu schnell und reibungslos über die Bühne. Dafür, dass er sie hasst, weil er ihr die Schuld am Tod seines Freundes gibt, ringt er viel zu wenig mit seinen Gefühlen für sie und dementsprechend unspektakulär verläuft auch die Liebesgeschichte. Da diese hier jedoch nicht im Vordergrund steht und dem Familiendrama viel Platz einräumt, ist das weniger problematisch.


Kenna: "Wie viele Verluste kann ein Mensch ertragen, bevor er das Handtuch wirft, Scotty? Es fühlt sich nämlich mehr und mehr so an, als könnte ich das hier nicht gewinnen."


Denn Colleen Hoover hat sich für ihre Geschichte mal wieder einen komplexen und hochemotionalen Grundkonflikt überlegt, welcher jede Menge Drama verspricht - immerhin geht es um das Wohl eines Kindes - und eine ganze Wagenladung an unterschiedlichen Gefühlen transportiert. Dabei hilft natürlich der Schreibstil der Autorin ungemein. Schon so oft habe ich das geschrieben: Wenn ich ein Buch von dieser Autorin aufschlage und die ersten paar Zeilen lese, dann komme ich nach Hause. Es ist ein wohlig warmes Gefühl und ich fühle mich in der Atmosphäre jedes einzelnen Buches der Autorin absolut geborgen und möchte gar nicht mehr auftauchen. Wie gewohnt spielt die Autorin nur so mit Worten. Sie findet in jeder Situation genau die richtigen Formulierungen, um nur so mit unseren Emotionen zu spielen und kennt dabei kein Tabu, wenn es darum geht, uns Leser zu quälen. Colleen Hoover schafft es mal wieder, schwierige Themen anzusprechen und aus ihnen eine leidenschaftliche, mitreißende und authentische Geschichten zu zaubern, die noch jedes Leserherz berührt.


Ledger: "Ich hätte mir nie vorstellen können, wie es ist, wenn eine Mutter ihr Kind zum ersten Mal sieht. Der Anblick von Diem auf dem kleinen Bildschirm raubt Kenna den Atem. Sie schlägt sich eine Hand vor den Mund und fängt an zu weinen. Sie weint so sehr, dass sie das Handy auf ihre Beine legen muss, damit sie sich mit ihrem Shirt die Tränen aus den Augen wischen kann. Kenna verwandelt sich direkt vor meinen Augen in einen anderen Menschen. Es ist, als würde ich beobachten, wie sie Mutter wird. Ich glaube, es ist das Schönste, was ich jemals gesehen habe."


Die Grundidee erinnert dabei ein wenig an ihren Roman "Love and Confess", in welchem ebenfalls eine Frau versuchte, das Sorgerecht für ihr Kind zu bekommen und sich nebenbei aber in einen Mann verliebte, der ihr dabei im Weg stehen könnte. Bei näherer Betrachtung fallen jedoch mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Geschichten auf. Auch der Einsatz der tagebuchartigen Briefe, die Kenna an Scotty schreibt und die uns dabei helfen, ihre Sicht der Dinge besser zu verstehen sind leider keine besonders neue oder originelle Idee. Zusätzlich ist "Für immer ein Teil von dir" zwar gewohnt mitreißend, aber insgesamt leider auch vorhersehbar und gradlinig erzählt. Anders als in anderen Werken von Colleen Hoover gibt es hier kaum Überraschungen oder Wendungen und ab der Hälfte tauchen auch keine neuen Informationen mehr auf, sodass im Mittelteil die Handlung für einige Seiten etwas auf der Stelle tritt. Da der Roman weniger von der Handlung und vielmehr von den Emotionen getragen wird, ist das nicht weiter schlimm. Ärgerlich nur, wenn man genau weiß, dass die Autorin es eigentlich besser kann!


Kenna: "Ein kleiner Teil meines Schmerzes hat an sein Mitleid angedockt, und es fühlt sich tatsächlich so an, als würde er mich in die Höhe heben, damit ich Luft holen und ein paar Minuten lang frei atmen kann."


Auch das Ende konnte mich nicht wirklich überzeugen. Während die Handlung im Mittelteil wie gesagt durch viele Wiederholungen und Ledgers Hin- und Hergerissenheit zwischen seiner Loyalität zu den Großeltern und zu Kenna stagniert, lösen sich gegen Ende dann plötzlich alle Probleme viel zu einfach in Luft auf. Schade finde ich auch, dass Kenna am Ende nicht selbst die Möglichkeit bekommt, aktiv zu sein, sondern Ledger das für sie übernimmt. Ab dem Zeitpunkt, als sich alles problemlos zu fügen beginnt, wirken die vorher authentisch scheinenden Probleme plötzlich überzogen und künstlich dramatisiert, da man sich zu fragen beginnt, warum diese Lösung nicht schon zuvor möglich gewesen wäre. Für diese zwei Unregelmäßigkeiten im Erzähltempo - die Stagnation im Mittelteil und das überhastete Ende - ziehe ich insgesamt also einen Stern ab.

Abschließen möchte ich meine Rezension mit einem weiteren tollen Zitat, welches meiner Meinung nach die Hauptaussage der Geschichte sehr treffend wiedergibt:


Ledger: "Das zeigt in meinen Augen, wie Zeit, Abstand und Trauer Menschen dazu bringen können, Bösewichte aus Leuten zu machen, die sie überhaupt nicht kennen. Aber Kenna war nie der Bösewicht. Sie war ein Opfer. Genau wie wir alle."



Fazit:


In "Für immer ein Teil von dir" hat Colleen Hoover mal wieder schwierige Themen angesprochen und aus ihnen eine leidenschaftliche, mitreißende und authentische Geschichten gezaubert. Trotz des toll ausgearbeiteten Hauptkonflikts ist der Roman lange nicht der beste der Autorin. Dafür tauchen zu viele kleine Schnitzer auf, die ich von der Autorin sonst nicht gewohnt bin...

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.03.2022

Eine tolle Geschichte mit dem schalen Beigeschmack, dass die Autorin es eigentlich besser kann...

Für immer ein Teil von dir
0

Colleen Hoover ist die Autorin, von der ich am meisten Bücher gelesen habe. Um genau zu sein sind es inklusive ihres neusten Werks, "Für immer ein Teil von dir", genau 23 Bücher. Davon hat mich bisher ...

Colleen Hoover ist die Autorin, von der ich am meisten Bücher gelesen habe. Um genau zu sein sind es inklusive ihres neusten Werks, "Für immer ein Teil von dir", genau 23 Bücher. Davon hat mich bisher jedes einzelne überzeugen können - eins mal mehr, das andere mal weniger, aber unterm Strich kann ich alle weiterempfehlen. Kein Wunder also, dass die Erwartungen und Ansprüche mit jedem weiteren Roman von ihr ansteigen. Dem ist "Für immer ein Teil von dir" vermutlich etwas zum Opfer geworden. Wäre die Geschichte von Kenna und Ledger aus einer anderen Feder entstanden, hätte ich sie vermutlich wegen der tiefen Gefühle, des komplizierten Hauptkonflikts und der herzzerreißende Liebesgeschichte in den Himmel gelobt. Als Werk von Colleen Hoover blieb aufgrund von einigen kleineren Schnitzen jedoch der etwas schale Beigeschmack, dass die "Queen of Hearts" es eigentlich besser kann...


Kenna: "Manchmal frage ich mich, ob wir vielleicht alle mit der gleichen Menge von Gut und Böse geboren werden. Könnte es nicht sein, dass kein Mensch böswilliger ist als der andere und wir alle das Schlechte in uns nur zu unterschiedlichen Zeiten und auf unterschiedliche Weise von uns geben?"


Doch beginnen wir wie immer mit dem Cover. Jenes ist mal wieder im typischen "Colleen Hoover meets dtv Verlag Style" gehalten. Das bedeutet ein farbiger, dominanter Titel in Lila vor einem durchgängigen, schlichten Hintergrund. Die Silhouetten eines Schwarm fliegender Vögel geben den Hinweis darauf, dass es sich bei dem blauen Hintergrund um einen wolkenlosen Himmel handelt. Bei genauer Betrachtung fällt außerdem auf, dass in der unterschiedlichen Farbintensität des Titels Konturen eines Menschen zu erkennen sind. Damit ist die Gestaltung sehr nah am Originalcover und greift die Themen Trauer, Verlust und Erinnerung gut auf. Auffallend ist, dass die Seiten hier wieder ungewöhnlich dick sind, sodass der Roman mit seinen 400 Seiten relativ umfangreich aussieht, sich jedoch wie im Fluge weggelesen lässt.


Erster Satz: "Am Straßenrand steht ein kleines Holzkreuz mit dem Datum seines Todestages."


Wie so oft ist auch dieser Colleen-Hoover-Roman aus zwei Perspektiven erzählt. Wir steigen mit der Ankunft unserer ersten Protagonistin Kenna in ihrer ehemaligen Heimatstadt in die Geschichte ein. Nach 5 Jahren im Gefängnis wegen fahrlässiger Tötung möchte sie jetzt ein neues Leben beginnen und das beinhaltet, nach ihrer Tochter Diem zu suchen, welche ihr vor vier Jahren direkt nach der Geburt genommen wurde. All die Jahre hinter Gitter war es ihr ein Trost, dass Diem bei den Eltern des Kindsvaters Scott aufwächst, da sie diesen über alles geliebt hat und sich darauf verlassen kann, dass sich seine Eltern gut um Diem kümmern. Nun da sie in Freiheit ist, möchte sie aber nichts lieber, als ihre Tochter endlich sehen. Als sie an ihrem ersten Abend in der Stadt in einer Bar den gutaussehenden Ledger kennenlernt und beinahe einen One-Night-Stand mit ihm hat, weiß sie noch nicht, dass er der beste Freund ihrer Jugendliebe war und den Schlüssel zu ihrer Zukunft in den Händen hält...


Ledger: "Anziehung ist schon etwas Seltsames. Was genau ist es eigentlich, das einen anderen Menschen anziehen für uns macht? Wie kann es sein, dass jede Woche Dutzende Frauen durch die Tür dieser Bar kommen und nicht eine einzige den Drang in mir weckt, ihr auch nur einen zweiten Blick zu schenken. Aber dann kommt dieses Mädchen hereinspaziert und ich kann meinen verdammten Blick einfach nicht mehr von ihr losreißen."


Mit den ersten Kapiteln habe ich mir sehr schwergetan, da die sogleich körperliche erste Begegnung von Kenna und Ledger weder zu einer Frau, die gerade aus dem Gefängnis kommt und mit klarem Ziel vor Augen in einer neuen Stadt anfängt, noch zu einem Mann, der gewarnt ist, weil die Mutter des Kindes, das er mit großzieht, aus dem Gefängnis entlassen wurde, zu passen schien. Dazu kommt, dass wir zunächst einen gemischten Eindruck von Kenna erhalten und aufgrund ihrer abgestumpften Art und den eher negativen Rückblicken auf ihre Taten das Schlimmste von ihr annehmen müssen. Dieses Bild wird dann erst mit der Zeit widerlegt und wir erkennen durch eingeschobene Briefe an ihre Jugendliebe Scotty, dass hinter ihrer scheinbaren Emotionslosigkeit jede Menge Schmerz, Orientierungslosigkeit und Gebrochenheit steckt. Je mehr ich über sie lernte, erfuhr, wer sie war und wer sie sein will, je mehr sie mein Herz erobert hat, desto näher gingen mir dann auch die vermittelten Emotionen, bis ich völlig in dieser Geschichte um Trauer, Schuld, Vergebung und Neuanfang gefangen war.


Kenna: "Er dreht sich ein wenig mehr zu mir. "Als du an diesem ersten Abend in die Bar gekommen bist, dachte ich, ich hätte noch nie eine so faszinierende Frau getroffen wie dich. Aber als ich dich dann am nächsten Tag vor Patricks und Grace´ Haus gesehen habe, warst du in meinen Augen der verabscheuungswürdigste Mensch, dem ich je begegnet bin." Er ist wirklich schonungslos ehrlich, das muss man ihm lassen. "Und wie ist es heute?", frage ich leise. Er sieht mich eindringlich an. "Heute... frage ich mich, ob du nicht der traurigste Mensch bist, den ich kenne."


Neben Kennas Seite lernen wir durch unseren zweiten Ich-Erzähler, Ledger, aber auch noch die Perspektive von Scottys Familie kennen, welche in Kenna nur die egoistische, gedankenlose Frau sieht, die ihren geliebten Sohn blutend dem Tod überlassen hat. Nachdem sein bester Freund Scott ums Leben kam, hat Ledger Diem wie eine eigene Tochter behandelt und zusammen mit den Großeltern Grace und Patrick sein ganzes Leben nach der Kleinen ausgerichtet. Für die drei gleicht Kennas Auftauchen in der Stadt dem Aufreißen alter, noch lange nicht verheilter Wunden. Kein Wunder also, dass sie zunächst mit Wut, Angst und Ablehnung reagieren, als sie plötzlich bei ihnen auftaucht und verlangt, Diem zu sehen. Während wir LeserInnen gemeinsam mit Ledger versuchen, Kenna besser kennenzulernen und ihre Perspektive zu verstehen, haben Grace und Patrick nicht die emotionale Kapazität, sich mit der Mörderin ihres Sohnes befassen und lehnen einen Kontakt strikt ab. Schon bald haben sich Kenna, Ledger und die Großeltern in eine schwierige Situation mit klaren Fronten manövriert, bei denen keiner richtig im Unrecht ist und es demnach auch keine einfachen Lösungen gibt.


Ledger: "Sie scheint ein stiller Mensch zu sein, aber nicht, weil sie schüchtern ist. Ihre Stille ist wild - ein Sturm, der sich ungesehen anschleicht und den du erst bemerkst, wenn der Donner deine Knochen vibrieren lässt."


Während sich meine Beziehung zu Kenna über das Buch hinweg stark verändert und von Irritation zu starkem Mitgefühl und auch Bewunderung wechselte, fand ich Ledger von Beginn an grundsätzlich sympathisch, habe ihn aber nicht so tief ins Herz geschlossen, wie andere Figuren vor ihm. Das liegt zum einen daran, dass ich seine Gefühle für Diem nur schwer nachvollziehen konnte, da wir die beiden auch nur selten zusammen erleben. Und zum anderen fand ich ein wenig unglaubwürdig, dass er sich so schnell für Kenna öffnet. Ich hatte nach ihrer zweiten Begegnung, bei der er versteht, dass Kenna für den Tod seines besten Freundes verantwortlich ist, mit einer Art Enemies to Lovers Geschichte gerechnet, bei der Kenna Ledger Stück für Stück von ihrer Gutherzigkeit und ihren guten Absichten überzeugen muss. Leider ging das aus meiner Sicht viel zu schnell und reibungslos über die Bühne. Dafür, dass er sie hasst, weil er ihr die Schuld am Tod seines Freundes gibt, ringt er viel zu wenig mit seinen Gefühlen für sie und dementsprechend unspektakulär verläuft auch die Liebesgeschichte. Da diese hier jedoch nicht im Vordergrund steht und dem Familiendrama viel Platz einräumt, ist das weniger problematisch.


Kenna: "Wie viele Verluste kann ein Mensch ertragen, bevor er das Handtuch wirft, Scotty? Es fühlt sich nämlich mehr und mehr so an, als könnte ich das hier nicht gewinnen."


Denn Colleen Hoover hat sich für ihre Geschichte mal wieder einen komplexen und hochemotionalen Grundkonflikt überlegt, welcher jede Menge Drama verspricht - immerhin geht es um das Wohl eines Kindes - und eine ganze Wagenladung an unterschiedlichen Gefühlen transportiert. Dabei hilft natürlich der Schreibstil der Autorin ungemein. Schon so oft habe ich das geschrieben: Wenn ich ein Buch von dieser Autorin aufschlage und die ersten paar Zeilen lese, dann komme ich nach Hause. Es ist ein wohlig warmes Gefühl und ich fühle mich in der Atmosphäre jedes einzelnen Buches der Autorin absolut geborgen und möchte gar nicht mehr auftauchen. Wie gewohnt spielt die Autorin nur so mit Worten. Sie findet in jeder Situation genau die richtigen Formulierungen, um nur so mit unseren Emotionen zu spielen und kennt dabei kein Tabu, wenn es darum geht, uns Leser zu quälen. Colleen Hoover schafft es mal wieder, schwierige Themen anzusprechen und aus ihnen eine leidenschaftliche, mitreißende und authentische Geschichten zu zaubern, die noch jedes Leserherz berührt.


Ledger: "Ich hätte mir nie vorstellen können, wie es ist, wenn eine Mutter ihr Kind zum ersten Mal sieht. Der Anblick von Diem auf dem kleinen Bildschirm raubt Kenna den Atem. Sie schlägt sich eine Hand vor den Mund und fängt an zu weinen. Sie weint so sehr, dass sie das Handy auf ihre Beine legen muss, damit sie sich mit ihrem Shirt die Tränen aus den Augen wischen kann. Kenna verwandelt sich direkt vor meinen Augen in einen anderen Menschen. Es ist, als würde ich beobachten, wie sie Mutter wird. Ich glaube, es ist das Schönste, was ich jemals gesehen habe."


Die Grundidee erinnert dabei ein wenig an ihren Roman "Love and Confess", in welchem ebenfalls eine Frau versuchte, das Sorgerecht für ihr Kind zu bekommen und sich nebenbei aber in einen Mann verliebte, der ihr dabei im Weg stehen könnte. Bei näherer Betrachtung fallen jedoch mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Geschichten auf. Auch der Einsatz der tagebuchartigen Briefe, die Kenna an Scotty schreibt und die uns dabei helfen, ihre Sicht der Dinge besser zu verstehen sind leider keine besonders neue oder originelle Idee. Zusätzlich ist "Für immer ein Teil von dir" zwar gewohnt mitreißend, aber insgesamt leider auch vorhersehbar und gradlinig erzählt. Anders als in anderen Werken von Colleen Hoover gibt es hier kaum Überraschungen oder Wendungen und ab der Hälfte tauchen auch keine neuen Informationen mehr auf, sodass im Mittelteil die Handlung für einige Seiten etwas auf der Stelle tritt. Da der Roman weniger von der Handlung und vielmehr von den Emotionen getragen wird, ist das nicht weiter schlimm. Ärgerlich nur, wenn man genau weiß, dass die Autorin es eigentlich besser kann!


Kenna: "Ein kleiner Teil meines Schmerzes hat an sein Mitleid angedockt, und es fühlt sich tatsächlich so an, als würde er mich in die Höhe heben, damit ich Luft holen und ein paar Minuten lang frei atmen kann."


Auch das Ende konnte mich nicht wirklich überzeugen. Während die Handlung im Mittelteil wie gesagt durch viele Wiederholungen und Ledgers Hin- und Hergerissenheit zwischen seiner Loyalität zu den Großeltern und zu Kenna stagniert, lösen sich gegen Ende dann plötzlich alle Probleme viel zu einfach in Luft auf. Schade finde ich auch, dass Kenna am Ende nicht selbst die Möglichkeit bekommt, aktiv zu sein, sondern Ledger das für sie übernimmt. Ab dem Zeitpunkt, als sich alles problemlos zu fügen beginnt, wirken die vorher authentisch scheinenden Probleme plötzlich überzogen und künstlich dramatisiert, da man sich zu fragen beginnt, warum diese Lösung nicht schon zuvor möglich gewesen wäre. Für diese zwei Unregelmäßigkeiten im Erzähltempo - die Stagnation im Mittelteil und das überhastete Ende - ziehe ich insgesamt also einen Stern ab.

Abschließen möchte ich meine Rezension mit einem weiteren tollen Zitat, welches meiner Meinung nach die Hauptaussage der Geschichte sehr treffend wiedergibt:


Ledger: "Das zeigt in meinen Augen, wie Zeit, Abstand und Trauer Menschen dazu bringen können, Bösewichte aus Leuten zu machen, die sie überhaupt nicht kennen. Aber Kenna war nie der Bösewicht. Sie war ein Opfer. Genau wie wir alle."



Fazit:


In "Für immer ein Teil von dir" hat Colleen Hoover mal wieder schwierige Themen angesprochen und aus ihnen eine leidenschaftliche, mitreißende und authentische Geschichten gezaubert. Trotz des toll ausgearbeiteten Hauptkonflikts ist der Roman lange nicht der beste der Autorin. Dafür tauchen zu viele kleine Schnitzer auf, die ich von der Autorin sonst nicht gewohnt bin...

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Veröffentlicht am 10.03.2022

Ein erschreckend reales Drogendrama!

Roxy
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Genau wie schon der Apokalypse-Thriller "Dry" ist "Roxy" wieder als Gemeinschaftsprojekt von Neal und dessen Sohn Jarrod Shusterman entstanden. Neal Shusterman ist in den letzten Jahren mit seinen beiden ...

Genau wie schon der Apokalypse-Thriller "Dry" ist "Roxy" wieder als Gemeinschaftsprojekt von Neal und dessen Sohn Jarrod Shusterman entstanden. Neal Shusterman ist in den letzten Jahren mit seinen beiden Reihen "Vollendet" und "Scythe" sowie dem Sozialthriller "Game Changer" in meine persönliche Hall-of-Fame eingezogen und hat bewiesen, dass er ein absoluter Meister in Sachen Dystopien für junge Erwachsene ist. Kein Wunder also, dass ich nach dem Lesen des Klapptextes annahm, dass es sich auch bei "Roxy" um eine Science-Fiction-Geschichte handelt, in denen im Labor gezüchtete Menschen drogengleich ihre Opfer verführen. Diesen Eindruck unterstreicht auch das schillernde, futuristische Cover, auf dem sich eine künstliche, in blau-violettes Licht getauchte Frauenfigur mit kinnlangen Haaren und metallischer Haut von einem schwarz-glänzenden Hintergrund abhebt. Auf ihrem ausgestreckten Finger steht die Silhouette eines Mannes, der in den schwarzen Abgrund blickt, während eine Frau mit wehenden Haaren auf ihn zuläuft.


Erste Sätze: "Ich bin kein Superheld. Aber ich kann dich vor denjenigen retten, die das von sich behaupten. Ich bin kein Zauberer. Aber ich habe die Macht, die Toten wieder aufstehen zu lassen. Manchmal zumindest. Und nie oft genug."


Schon nach wenigen Sätzen landete ich dann aber hart auf dem Boden der Tatsachen und erkannte, dass Cover, Klapptext und meine Vorerfahrung mit dem Autor mich auf eine falsche Fährte geführt haben. Denn statt eines futuristischen Fantasy-Thrillers erzählen die beiden Shustermans hier von einem erschreckend realen Drogendrama, dessen fantastischer Zusatz eher metaphorisch verstanden werden kann. Die Grundidee ist dabei so simpel wie originell: um der Entstehung einer Sucht auf den Grund zu gehen erwecken die beiden Autoren hier die bekanntesten Drogen zum Leben und lassen sie als gottähnliche Persönlichkeiten mit eigenen Interessen, Plänen und Eigenschaften, also als handelnde Figuren in der Geschichte auftreten. Jede der vorgestellten chemischen Substanzen hat dabei einen Namen und eine fest zugeteilte Aufgabe, die diese jedoch nicht alle ernst nehmen. Statt sich auf den Bereich zu konzentrieren, für diesen sie im Labor erschaffen wurden, haben es sich manche Drogen zum Ziel gemacht, Menschen zu verführen, ihre Opfer an höhergestellte Drogen weiterzureichen oder bis in den Tod zu begleiten.


Roxy: "Wir sind die Schrittmacher und im Augenblick bin ich diejenige, die den Takt angibt Es gibt keine bessere Zeit, um ich selbst zu sein."


Diese Personalisierung von chemischen Substanzen scheint zunächst befremdlich, funktioniert aber bei näherem Hinsehen ganz wunderbar, ohne Drogen allgemein zu dämonisieren oder die Eigenverantwortung der Menschen herunterzuspielen. Es bleibt zu jedem Zeitpunkt klar, dass es im Endeffekt die Menschen sind, die die Substanzen zu sich einladen, ihnen die Tür öffnen und Entscheidungen treffen, die sie deren Verführungen aussetzen. Dennoch wird auf sehr eindrückliche Art und Weise verdeutlicht, wie tückisch und verführerisch Drogen wirken, welche sozialen Faktoren bei der Entstehung einer Sucht eine Rolle spielen und welch verheerende Wirkung sie auf das menschliche Denken und Verhalten haben können.


Isaac: "Sein Fuß braucht die Tabletten nicht mehr, aber der Rest von ihm. Und dieser Rest wird nicht aufhören, ihm das vor Augen zu halten. Die roten Lichter des Krankenwagens blitzen auf seinem Gesicht auf, während die Alarmglocken in seinem Kopf schrillen. Denn das Leben, das er sich so sorgfältig aufgebaut hatte, ist komplett vom Kurs abgekommen und driftet in eine völlig unbekannte Richtung."


Die beiden Autoren nutzen dabei bildhafte Metaphern und generieren zusätzlich zu ihren vermenschlichten Drogen eine schillernde Parallelwelt, sodass die Grenze zwischen Realität und Fantasie an vielen Stellen stark verschwimmt. So wird die einsetzende Wirkung einer Substanz zu einem goldenen Fahrstuhl, der Drogentrip zu einer strahlenden Party in der Lounge über den Wolken und die Süchtige selbst zum "Plus-Eins" der dort wie Götter lebenden Drogen. Wenn der Trip ihrer Zielpersonen zu entgleisen droht, nehmen die Drogen ihn oder sie mit in die "VIP-Lounge", aus welcher es nur selten eine Wiederkehr gibt. Eine Figur kann also gleichzeitig weggetreten in einem verlassenen Crackhaus auf einer gammligen Matratze liegen und auf der "Party" um sein Leben tanzen. Diese teilweise verwirrende Überlappungen von Ort, Zeit und Wirklichkeit spiegeln die Wirkung der Drogen auf interessante und treffende Art und Weise wider.


Roxy: "Ich wandele wie benommen durch die Party und merke, dass die Ausgelassenheit in den Hintergrund tritt und ich stattdessen sehe, was unsere menschlichen Opfer sehen: Crack-Häuser und Hinterhöfe. Einsame Zimmer und Toilettenkabinen, Orte, an denen sie mit uns verkehren. Diese Szenen sind immer präsent, doch es ist so leicht, sie unsichtbar zu machen, wenn man sich auf die Party konzentriert. Wer sieht den Schmutz auf der Fensterscheibe, wenn dahinter eine derart spektakuläre Aussicht liegt?"


Organisiert sind die Drogen in Familienclans, welche den großen Klassen der Pharmazie entsprechen - Halluzinogene, Schmerzmittel und Aufputschmittel - und in den vorderen Leselaschen graphisch dargestellt sind. Diese Übersicht über die "Familienclans der Drogen" ist auch dringend notwendig, um durchgängig zu verstehen, welche Droge hinter welcher Person steckt und zu welcher Klasse gehört. Zwar sind manche Namen wie "Al" (Alkohol), Mary Jane (Marihuana), Molly (MDMA) oder Crys (Crystal Meth) recht selbsterklärend, bei anderen wie zum Beispiel "´Lude" (Methaqualon), "Phineas" (Morphium) oder "Charly und Dusty" (Kokain) braucht man aber ein bisschen Hilfe, um am Ball zu bleiben. Besonders im Vordergrund der Geschichte stehen dabei "Roxy" (Oxycodon, ein Schmerzmittel aus der Klasse der Opioide) und "Addison" (Adderall, ein Aufputschmittel, das bei ADHS verschrieben wird), welche mit einer Wette die Rahmenhandlung der Geschichte definieren: Aus dem Wunsch nach Größe und Anerkennung ihrer jeweiligen "Vorgesetzten" möchten beide beweisen, wie tödlich sie sein können und wetten deshalb, dass sie einen Menschen ganz ohne Hilfe stärkerer Substanzen in den Ruin treiben können.


Addison: "Lass uns zusammen rausgehen und der Welt in den Arsch treten." Ivy öffnet die Augen, resigniert, regeneriert. Sie schnappt sich ihren Rucksack und eilt nach unten, um sich fertig zu machen. Ich muss einfach bewundern, was sie für einen starken Willen hat. Aber meiner ist stärker."


Als Opfer haben sich die beiden die Geschwister Ivy und Isaac Ramey ausgesucht. Durch diese Wette und den Prolog, in dem wir aus der Sicht des Opiod-Antagonisten Naloxon (ein Notfallmedikament, das von Rettungskräften bei einer akuten Vergiftung oder Überdosis eingesetzt wird) miterleben, wie ein Leichensack mit der Aufschrift "Ramey, I." aus einem verlassenen Haus getragen wird, ist also von der ersten Seite an klar, dass die Geschichte kein gutes Ende haben wird. Offen bleibt hingegen, welchen der beiden Geschwister es erwischen wird. Da die Namen der beiden Hauptprotagonisten beide mit einem "I" beginnen und ebenfalls beide im Verlauf der Geschichte in Kontakt mit unterschiedlichen Drogen kommen, kann man bis zum Ende kaum sagen, wessen Schicksal es ist, in diesem Leichensack zu enden. Die Gewissheit, dass das Ringen der beiden ein schlechtes Ende nehmen wird in Zusammenhang mit der Frage, welchen der beiden es kostet, generiert eine Spannung, die kaum auszuhalten ist und dafür sorgt, dass man weiterliest, auch wenn im Mittelteil auf der reinen Handlungsebene nicht viel passiert.


Ivy: "Das Medikament ist technisch gesehen ein Aufputschmittel, das einen entwässert und den Hunger hemmen kann. Keine große Sache. So lautet in diesen Tagen ihr Motto. In der Schule übertrifft sie sich selbst, wie könnte sie sich beschweren?"


Wohlwissend, dass ich mich auf einen dunklen Weg mit den beiden begebe, der für mindestens einen von ihnen kein gutes Ende nimmt, habe ich versucht, mich beim Lesen emotional von Ivy und Isaac zu distanzieren. Der Schreibstil der beiden Shustermans machte dieses Vorhaben aber leider unmöglich. Je mehr ich versucht habe, mich nicht zu sehr emotional mitreißen zu lassen, desto intensiver wurde ich in den Bann der Geschichte gezogen. Mit Ivy und Isaac haben wir zwei sehr vielschichte und lebensechte Figuren, die deine eigenen Nachbarn sein könnten und deren Geschichte deshalb auch sofort zugänglich und nachvollziehbar ist. Während die beiden Geschwister trotz ihrer teilweise fragwürdigen Handlungen also klare Sympathieträger sind, hat man es mit Addison und Roxy schon schwerer. Mit der Zeit konnte ich mich aber immer besser auf die Idee einlassen und in die beiden hineinfühlen. Sehr interessant fand ich, dass die Persönlichkeiten von Roxy und Isaac sowie von Ivy und Addison im Laufe der Handlung immer mehr miteinander verschmelzen. So wird dargestellt, wie der Einfluss von Drogen die Persönlichkeit verändern kann. Gleichzeitig lösen die Geschwister jedoch auch in ihren jeweiligen Drogen etwas aus. Addison können wir dabei zusehen, wie er zunehmend mit seinem Gewissen kämpft, während bei Roxy vor allem deren emotionale Beziehung zu Isaac im Vordergrund steht.


Roxy: "Wie ist es, ich zu sein? Es ist wild. Es ist frenetisch. Es ist überlebensgroß auf einer überdimensionierten Skala. Dennoch kam mir auf die Frage das Wort einsam in den Sinn, und selbst das ist nur die Spitze des Eisbergs. Das Wort, das nun an dieser steht, sagt alles. Nicht erfüllend."


Bei der angedeuteten Liebesgeschichte von Roxy und Isaac werden - genau wie bei manch anderen Aspekten der Handlung (z.B. Roxys Ausflug auf das "Dach") - die Grenzen der Realität für meinen Geschmack etwas zu stark überstrapaziert. Auf diese, zwar sehr kreativen, der Dramaturgie zuträglichen Stellen, hätte ich gerne verzichten können, wenn stattdessen noch einige konkrete Informationen und eine genauere Einordnung der einzelnen Wirkstoffe vorgenommen worden wäre. Ich hatte aufgrund meines sachlichen Vorwissens keine Verständnisschwierigkeiten, kann aber schlecht einschätzen, wie die Geschichte auf LeserInnen mit weniger Vorwissen wirkt. Fest steht für mich jedoch, dass eine etwas sachlichere Herangehensweise aus meiner Sicht mehr Mehrwert gehabt hätte als die Ausführung des Familiendramas der Drogen.

Nichtdestotrotz ist "Roxy" definitiv ein lehrreiches Buch in mehrerlei Hinsicht. Neben dem verbesserten Überblick über die Klassen und Wirkweisen von Drogen werden zwei wichtige Botschaften auf sehr eingängige Art und Weise vermittelt. Als erstes räumen die beiden Autoren mit Vorurteilen über Drogensucht auf und machen klar, dass die Sucht eine heimtückische Krankheit ist, die einen in jedem Milieu, in jeder Familie und jeder Lebenssituation kalt erwischen kann. Und zweitens wird hier immer wieder betont, wie wichtig es ist, aufmerksam zu sein, die Anzeichen zu kennen und richtig zu reagieren. Um den Blickwinkel des Romans etwas zu erweitern, das Voranschreiten der Handlung jedoch nicht zu behindern, werden zwischen den einzelnen Kapiteln Intermezzos aus der Sicht von anderen Drogen, die hier nicht direkt vorkommen, deren Machenschaften jedoch alle in gewisser Weise mit der Geschichte in Verbindung stehen, eingeflochten. Zusätzlich sind zu Beginn der Kapitel durch fett gedruckte Buchstaben kleine Botschaften versteckt, was zu dieser verschachtelten, komplizierten, entrückten Geschichte wunderbar passt. Besonders hier fällt auf: Statt wie viele andere Anti-Drogen-Bücher im Rundumschlag alle Drogen als böse zu verurteilen oder ein plumpes Negativbeispiel zu liefern, versucht das Vater-Sohn-Autorenduo den Missbrauch von Drogen und verschreibungspflichtigen Medikamenten von verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. In welchen Kontexten bieten Drogen Chancen? Welche zerstörerische Abgründe tun sich jedoch auch auf? In der Logik von "Roxy" also: welche Droge ist unser Freund, welche unser Feind, welche beides? Welche verstrickt uns in toxische Romanzen...? Welche setzt ihre Macht gegen uns ein?


Ivy: "Man sagt, es könnte die CIA gewesen sein oder vielleicht die Chinesen", verkündete Tess. "Ich behaupte nicht, dass es so war; es ist nur das, was mag sagt." Es ist dasselbe namenlose man, das behauptet, Impfungen wären eine Form der Gedankenkontrolle durch die Regierung und die Welt würde heimlich von Echsenmenschen beherrscht. Für Ivy ist es bloß ein Beweis dafür, dass die Idiotie sich bester Gesundheit erfreut."


Ganz nach dem Untertitel "Ein kurzer Rausch, ein langer Schmerz" wird zwar der Drogenrausch als exklusiver Club, als schillernde Erfahrung dargestellt, die dem gegenüberstehende Düsternis und Darstellung des Schmerzes, garantiert jedoch ausreichend, dass man beim Lesen mehr abgeschreckt als fasziniert wird. Emotional hat die Geschichte bei mir beim Lesen deshalb vor allem viele ungute Gefühle wie Bedrückung, Angst, Unruhe, Wut, Ekel und Entsetzen ausgelöst. Besonders die sehr wahrheitsgetreue Darstellung eines Entzugs hat mich sehr mitgenommen. Stellenweise wollte ich sogar gar nicht mehr weiterlesen, da ich ja genau wusste, dass das Ende weh tun wird. Diese Annahme hat sich dann schlussendlich auch erfüllt. Neben dem Schmerz und der Tragödie bleibt vor allem das drängende Gefühl, dass diese hätten verhindert werden können und der Wunsch, sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen. "Roxy" mag also vielleicht kein besonders schönes Leseerlebnis sein, aber definitiv eines, das zum Nachdenken anregt, emotional mitnimmt und dem Thema gerecht wird.



Fazit:


Auch wenn "Roxy" in eine ganz andere Richtung ging, als ich zunächst angenommen hatte, wurden meine Erwartungen an die Geschichte haushoch übertroffen. Neal und Jarrod Shusterman haben nicht nur eine originelle Grundidee gesellschaftskritisch und intelligent zu einem spannenden Fantasy-Thriller umgesetzt, sondern schildern dabei auch noch sehr eindrücklich und wahrheitsgetreu den Weg in eine Sucht.

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