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Veröffentlicht am 06.01.2022

Ein lesenswertes, aber etwas schwächeres Finale!

Legend 3 - Berstende Sterne
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Nachdem mir Band 1, "Legend - Fallender Himmel" und Band 2 "Legend - Schwelender Sturm" so gut gefallen haben, musste ich zum Abschluss des Lesejahr 2021 natürlich auch noch zum dritten und letzten Band ...

Nachdem mir Band 1, "Legend - Fallender Himmel" und Band 2 "Legend - Schwelender Sturm" so gut gefallen haben, musste ich zum Abschluss des Lesejahr 2021 natürlich auch noch zum dritten und letzten Band greifen, um die Geschichte um Day und June weiterzuverfolgen. Die gesamte "Legend"-Trilogie von Marie Lu habe ich zwar schon 2016 in meiner Dystopien-Phase gelesen, da ich sie aber als eine der besten Dystopien aller Zeiten in Erinnerung behalten habe (und in Relation dazu nur noch erschreckend wenig über den Inhalt weiß), habe ich beschlossen, das Jahr mit einem Reread ausklingen zu lassen. Auch das Finale der Trilogie hat mir noch besser gefallen, als ich es erwartet hatte und mir gezeigt, dass sich mein Buchgeschmack in den letzten 5 Jahren wohl doch nicht so sehr verändert hat, wie ich das gedacht hatte. Im Gegensatz zu Band 1 und 2 habe ich aber deutlich länger gebraucht, bis ich die 448 Seiten durchgelesen hatte und komme deshalb zum Schluss, dass der Finalband zwar alles in allem überzeugend, aber dennoch der schwächste Teil der Reihe ist.


June: "Verzweifelt sehe ich mich um, mein Blick tränenverschleiert, die Welt ein Gewirr aus Blut und Qualm, Licht und Asche. Alles, was ich höre, sind Schreie und Schüsse und blanker Hass, und ich bin so erschöpft nach dem Kampf, so frustriert, wütend und hilflos. Sag mir, ob es das Gute auf der Welt noch gibt. Sag mir, ob es noch Hoffnung für uns gibt."


Die gesamten Cover der Reihe bestechen durch minimalistische Eleganz. Vor dem Hintergrund, der bei Band 3 im Taschenbuchformat weiß ist, während einem vom gebundenen und dem Ebookformat ein violetter Hintergrund entgegenblickt, ist dieses Mal eine goldene, stilisierte Flamme zu sehen. Auch beim Cover des dritten Bandes ist das Motiv demnach dem englischen Original stark nachempfunden. Schade ist hier jedoch, dass der Titel recht nichtssagend ist. Ich habe ja schon bei meinen Rezensionen zum ersten und zweiten Teil geschrieben, dass mich die deutsche Gegebenheit, englischsprachigen Titel des ersten Bandes als Reihenname zu übernehmen und dann einen mehr oder weniger bedeutungslosen Untertitel für jeden Band zu erfinden, mittlerweile ziemlich nervt. Nach meinem Geschmack hätte es sich hier besser angeboten, die englischen Titel von Band 2 "Prodigy" (Wunderkind) und Band 3 "Champion" zu übernehmen, anstatt die ganze Reihe "Legend" zu taufen.


Erster Satz: "Von all meinen bisherigen Verkleidungen ist mir diese möglicherweise die liebste."


Anders als zu Beginn von Band 2 beginnt die Handlung von "Legend - Berstende Sterne" erst einige Monate nach Ende des vorangegangenen Teils, was schon der erste Indikator dafür ist, dass die Autorin nicht ganz nahtlos an die spannende Handlung der beiden ersten Bände anknüpfen kann. Während zuvor Day und June in einem ständig wechselnden, kampfumtosten Setting von einer Bedrohung zur nächsten rannten und sich laufend damit auseinandersetzen mussten, welche Seite nun die richtige ist und wie sie zueinander stehen, bricht zu Beginn des dritten Teils der für die Reihe so typische und mitreißende Erzählfluss erstmal ab. Anstatt wie gewohnt gemeinsam die Probleme anzugehen, sind die beiden zu Beginn von "Legend - Berstende Sterne" seit acht Monaten getrennt und versuchen, ihren eigenen Weg in der immer noch auf der Kippe stehenden Republik zu finden. Genau wie in Band 1 und 2 hat sich Marie Lu deshalb wieder dazu entschieden, abwechselnd aus der Ich-Perspektive von Day und June zu erzählen. Während Day seinen Bruder Eden wieder hat, in einem schicken Apartment wohnt und gegen seine Kopfschmerzen betäubende Zigaretten raucht, muss sich June durch die Intrigen des Senats kämpfen, um als Princeps-Anwärterin an der Seite von Anden die Reformen durchzusetzen, die die Republik dringend braucht. Erst als die Kolonien nach einem unerwarteten Seuchenausbruch der Republik erneut den Krieg erklären, treffen Day und June wieder aufeinander und das Ringen um Einheit, Freiheit und einer besseren Zukunft beginnt erneut.


June: "Alles, was er tut ist aufrichtig, und aus diesem Grund lieben ihn die Menschen. Er kann es sich leisten, auf sein Herz zu hören."


Neben der Tatsache, dass der Erzählfluss durch den anfänglichen Zeitsprung unterbrochen wurde und die Figuren eine Weile getrennt bleiben, spielt auch die Tatsache, dass gegen Ende von Band 2 ja schon eine Menge der Handlung (definitiv mehr als bei anderen Dystopien üblich, wo das große Drama erst in Band 3 startet) in trockenen Tüchern war, eine negative Rolle beim Spannungsaufbau. Wir erinnern uns: Gegen Ende von "Legend - Schwelender Sturm" hat Day seine Unterstützung für den jungen Elektor Anden erklärt, sodass der sich anbahnende Volksauftand gerade noch verhindert und die intriganten Patriotenführer Razor und Commander Jameson festgenommen werden konnten. Der Weg ist nun also frei für Reformationen und ein langsamer Prozess des Umkrempelns. Für Band 3 blieb nun also nur noch zu klären, wie sich der schwelende Konflikt mit den Kolonien weiterentwickelt, welche Rolle June in der zukünftigen Republik einnimmt und was es mit der Erkrankung auf sich hat, die gegen Ende von Band 2 bei Day festgestellt wurde.


Day: "Glauben Sie denn im Ernst, dass ein Volk seine Entscheidungen allein treffen kann? Was für eine beängstigende Vorstellung. Menschen können oft gar nicht selbst beurteilen, was sie wirklich brauchen. Das sollten Sie besser als jeder andere wissen, Day."


Etwas dürftig für das große Finale einer Reihe, die sich zuvor vor lauter Problemen und Bedrohungen fast überschlagen hat - und das schlägt sich leider auch im Spannungsbogen nieder. Zwar bietet Marie Lu auch hier wieder politische Intrigen vom Feinsten und mischt ihre Handlung ordentlich mit Verfolgungsjagden, Explosionen und gefährlichen Missionen auf, trotzdem gab es lange zähere Passagen im Mittelteil, in denen die Charaktere begannen, sich im Kreis zu drehen. Kritisieren möchte ich zum Beispiel die angeteaserten Dreiecksgeschichte, die ich persönlich wirklich nicht gebraucht hätte und die angesichts der noch sehr frischen und wackligen Liebesgeschichte alles zu sehr verkomplizieren und vom Plot ablenken. Mir hätte es besser gefallen, wenn die Autorin sich erstmal mehr darauf konzentriert hätte, die Beziehung von June und Day weiterzuentwickeln, da diese in diesem letzten Band ja durch genügend Hürden und Hindernisse auf die Probe gestellt wird. So erscheint die zuvor aufgrund der fehlenden Zeit und der ständigen Rennerei von A nach B immer nur sehr nebenbei mit eingebrachten Liebesgeschichte hier viel Raum einzunehmen, ohne aber sichtbar einen Schritt nach vorne zu machen, oder wirkliche Tiefe zu erreichen.


June: "Vor mir liegt der Junge, der in den Straßen von Lake meine Wunden versorgt hat, der mit jeder Faser seines Körpers seine Familie verteidigt hat, der trotz allem, was passiert ist, an meiner Seite geblieben ist, so voller Licht und Lachen und Leben, voller Trauer und Wut und Leidenschaft, der Junge, dessen Schicksal auf ewig mit meinem verbunden ist. "Ich liebe dich", flüstert er. "Kannst du noch ein bisschen bei mir bleiben?"


Trotz dieser kleinen Schwächen, die Band 3 für mich zum schlechtesten der Reihe machen, hat mir vieles an "Berstende Sterne" aber wieder gut gefallen. Als erstes kann ich Marie Lu positiv zusprechen, dass sie ihr dystopisches Worldbuilding hier nochmals weiterentwickelt. Nachdem sich Band 1 ausschließlich auf den Straßen des futuristischen San Francisco abgespielt hat, wir in Band 2 mit den beiden Figuren auch ins staubtrockene Vegas, in die verschneite Republikhauptstadt Denver und in die Kolonien reisen durften, wagen wir in diesem dritten Teil nun auch mal einen Blick über die Grenzen des ehemaligen Amerikas hinaus und landen im aufstrebenden Industriestaat Antarktis. Mehr als einen kurzen Einblick in die dortige Lebensweise, die Technik und die Weltpolitik außerhalb des amerikanischen Territoriums passt zwar nicht in diese immer noch sehr handlungszentrierte Geschichte, dennoch hat diese Erweiterung des Blickwinkels die Handlung aus meiner Sicht sehr bereichert. Wie jede gut erzählte Dystopie wird hier also allein durch das Worldbuilding, das viele beunruhigend realistische Szenarien und Ideen enthält, schon eine Menge Spannung erzeugt.


June: "Du treibst mich noch in den Wahnsinn, June", murmelt er in mein Haar. "Du bist der Furcht einflößendste, cleverste, mutigste Menschen, den ich kenne, und manchmal bin ich einfach fix und fertig, weil ich mir solche Mühe gebe, mit dir mitzuhalten. Jemanden wie dich werde ich nie wieder finden. Das ist dir doch klar, oder?" Ich hebe das Gesicht und blicke ihn an. In seinen Augen spiegelt sich das ferne Leuchten der JumboTrons, ein Regenbogen aus Abendlichtern. "Es werden noch Milliarden von Menschen nach uns diese Welt bevölkern", sagt er leise, "aber keiner davon wird so sein wie du."


Auch die Figuren haben der Geschichte mal wieder einige Pluspunkte eingebracht. June und Day sind starken, mutigen und schlagfertigen Persönlichkeiten, die die Geschichte tragen und sich durch die zurückliegenden Strapazen spürbar weiterentwickelt haben. Sehr für mich eingenommen hat mich in diesem Band auch der junge Elektor Anden, welcher zwar in Band 2 kurz nach seinem ersten Auftritt in ein wenig schmeichelhaftes Liebesdreieck eingebaut wurde, hier aber endlich ein bisschen von seinem Potential zu spannender Ambivalenz ausschöpfen kann. Zerrissen zwischen seinem Stolz, seiner Wut, der Liebe zu seinem verstorbenen Vater und seinem Wunsch, ein besserer Herrscher zu sein als er, gibt er sein Bestes, tänzelt aber lange Zeit an der Grenze zur Dunkelheit entlang, ohne dass uns Lesern klar ist, in welche Richtung er sich entwickeln wird. Neben seiner Charakterisierung gibt es auch weitere grandios vorbereitete Wendungen, sodass "Gut und Böse" ständig wechseln. Die Autorin manövriert die Geschichte geschickt zwischen allen Fronten hindurch und hat mich ebenfalls das ein oder andere Mal aufs Glatteis geführt.


June: "Gut möglich, dass sein Vater als junger Mann ganz ähnlich war: ein Idealist, voller Hoffnungen und Wünsche, mit den besten Abschichten, mutig und ehrgeizig. Wie konnte er zu einem Elektor werden, der ein solch düsteres Land geschaffen hat? An welcher Stelle hat er diese Richtung eingeschlagen? Und mit einem Mal, wenn auch nur für eine Sekunde, habe ich das Gefühl, die frühere Republik zu begreifen. Und gleichzeitig weiß ich ganz sicher, dass Anden nicht denselben Weg gehen wird. Anden erwidert meinen Blick, so als hätte er meine unausgesprochenen Worte gehört. Und zum ersten Mal seit Monaten sehe ich, wie sich die dunkle Wolke von seinen Augen hebt, jene Schwärze, die den Momenten blinder Wut den Weg bereitet. Ohne den Schatten seines Vaters, der über ihm hängt, ist er einfach umwerfend.
"Ich werde mein Bestes versuchen", flüstert er."


Gegen Ende fährt die Autorin dann nochmal alle Geschütze auf und lässt den Krieg mit den Kolonien, Days Krankheit, Junes Loyalitätskonflikt und andere Erzählstränge in einem Höhepunkt zusammenlaufen, der es ganz schön in sich hat und auch nochmal altbekannte Gegenspieler auf den Plan bringt. Auch wenn der Showdown definitiv zum Buch passt und am Ende alle wichtigen Fragen geklärt sind, finde ich es schade, dass auf den letzten Seiten alle Probleme gleichzeitig gelöst werden und gerade die zuvor lange vorbereiteten politischen Schachzüge nur in Nebensätzen vorbeiziehen. Was das direkte Schicksal der beiden Figuren angeht hat Marie Lu in meinen Augen aber das perfekte Ende gefunden: realistisch, hoffnungsvoll und mit genau der richtigen Priese Offenheit.



Fazit:


Mit "Legend - Berstende Sterne" geht eine hochspannende, wendungsreiche und intelligent erzählte Dystopie in einem lesenswerten, aber etwas schwächeren Finale zu Ende. Marie Lu gelingt es hier, ihr Setting nochmals weiterzuentwickeln, die Nebenfiguren auszubauen und dabei ein wendungsreiches, originelles Handlungskonstrukt aufzustellen. Etwas schade ist nur, dass im Mittelteil einige Längen auftauchen und das Ende etwas überstürzt alle Probleme gleichzeitig löst.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.01.2022

Ein lesenswertes, aber etwas schwächeres Finale!

Legend 3 - Berstende Sterne
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Nachdem mir Band 1, "Legend - Fallender Himmel" und Band 2 "Legend - Schwelender Sturm" so gut gefallen haben, musste ich zum Abschluss des Lesejahr 2021 natürlich auch noch zum dritten und letzten Band ...

Nachdem mir Band 1, "Legend - Fallender Himmel" und Band 2 "Legend - Schwelender Sturm" so gut gefallen haben, musste ich zum Abschluss des Lesejahr 2021 natürlich auch noch zum dritten und letzten Band greifen, um die Geschichte um Day und June weiterzuverfolgen. Die gesamte "Legend"-Trilogie von Marie Lu habe ich zwar schon 2016 in meiner Dystopien-Phase gelesen, da ich sie aber als eine der besten Dystopien aller Zeiten in Erinnerung behalten habe (und in Relation dazu nur noch erschreckend wenig über den Inhalt weiß), habe ich beschlossen, das Jahr mit einem Reread ausklingen zu lassen. Auch das Finale der Trilogie hat mir noch besser gefallen, als ich es erwartet hatte und mir gezeigt, dass sich mein Buchgeschmack in den letzten 5 Jahren wohl doch nicht so sehr verändert hat, wie ich das gedacht hatte. Im Gegensatz zu Band 1 und 2 habe ich aber deutlich länger gebraucht, bis ich die 448 Seiten durchgelesen hatte und komme deshalb zum Schluss, dass der Finalband zwar alles in allem überzeugend, aber dennoch der schwächste Teil der Reihe ist.


June: "Verzweifelt sehe ich mich um, mein Blick tränenverschleiert, die Welt ein Gewirr aus Blut und Qualm, Licht und Asche. Alles, was ich höre, sind Schreie und Schüsse und blanker Hass, und ich bin so erschöpft nach dem Kampf, so frustriert, wütend und hilflos. Sag mir, ob es das Gute auf der Welt noch gibt. Sag mir, ob es noch Hoffnung für uns gibt."


Die gesamten Cover der Reihe bestechen durch minimalistische Eleganz. Vor dem Hintergrund, der bei Band 3 im Taschenbuchformat weiß ist, während einem vom gebundenen und dem Ebookformat ein violetter Hintergrund entgegenblickt, ist dieses Mal eine goldene, stilisierte Flamme zu sehen. Auch beim Cover des dritten Bandes ist das Motiv demnach dem englischen Original stark nachempfunden. Schade ist hier jedoch, dass der Titel recht nichtssagend ist. Ich habe ja schon bei meinen Rezensionen zum ersten und zweiten Teil geschrieben, dass mich die deutsche Gegebenheit, englischsprachigen Titel des ersten Bandes als Reihenname zu übernehmen und dann einen mehr oder weniger bedeutungslosen Untertitel für jeden Band zu erfinden, mittlerweile ziemlich nervt. Nach meinem Geschmack hätte es sich hier besser angeboten, die englischen Titel von Band 2 "Prodigy" (Wunderkind) und Band 3 "Champion" zu übernehmen, anstatt die ganze Reihe "Legend" zu taufen.


Erster Satz: "Von all meinen bisherigen Verkleidungen ist mir diese möglicherweise die liebste."


Anders als zu Beginn von Band 2 beginnt die Handlung von "Legend - Berstende Sterne" erst einige Monate nach Ende des vorangegangenen Teils, was schon der erste Indikator dafür ist, dass die Autorin nicht ganz nahtlos an die spannende Handlung der beiden ersten Bände anknüpfen kann. Während zuvor Day und June in einem ständig wechselnden, kampfumtosten Setting von einer Bedrohung zur nächsten rannten und sich laufend damit auseinandersetzen mussten, welche Seite nun die richtige ist und wie sie zueinander stehen, bricht zu Beginn des dritten Teils der für die Reihe so typische und mitreißende Erzählfluss erstmal ab. Anstatt wie gewohnt gemeinsam die Probleme anzugehen, sind die beiden zu Beginn von "Legend - Berstende Sterne" seit acht Monaten getrennt und versuchen, ihren eigenen Weg in der immer noch auf der Kippe stehenden Republik zu finden. Genau wie in Band 1 und 2 hat sich Marie Lu deshalb wieder dazu entschieden, abwechselnd aus der Ich-Perspektive von Day und June zu erzählen. Während Day seinen Bruder Eden wieder hat, in einem schicken Apartment wohnt und gegen seine Kopfschmerzen betäubende Zigaretten raucht, muss sich June durch die Intrigen des Senats kämpfen, um als Princeps-Anwärterin an der Seite von Anden die Reformen durchzusetzen, die die Republik dringend braucht. Erst als die Kolonien nach einem unerwarteten Seuchenausbruch der Republik erneut den Krieg erklären, treffen Day und June wieder aufeinander und das Ringen um Einheit, Freiheit und einer besseren Zukunft beginnt erneut.


June: "Alles, was er tut ist aufrichtig, und aus diesem Grund lieben ihn die Menschen. Er kann es sich leisten, auf sein Herz zu hören."


Neben der Tatsache, dass der Erzählfluss durch den anfänglichen Zeitsprung unterbrochen wurde und die Figuren eine Weile getrennt bleiben, spielt auch die Tatsache, dass gegen Ende von Band 2 ja schon eine Menge der Handlung (definitiv mehr als bei anderen Dystopien üblich, wo das große Drama erst in Band 3 startet) in trockenen Tüchern war, eine negative Rolle beim Spannungsaufbau. Wir erinnern uns: Gegen Ende von "Legend - Schwelender Sturm" hat Day seine Unterstützung für den jungen Elektor Anden erklärt, sodass der sich anbahnende Volksauftand gerade noch verhindert und die intriganten Patriotenführer Razor und Commander Jameson festgenommen werden konnten. Der Weg ist nun also frei für Reformationen und ein langsamer Prozess des Umkrempelns. Für Band 3 blieb nun also nur noch zu klären, wie sich der schwelende Konflikt mit den Kolonien weiterentwickelt, welche Rolle June in der zukünftigen Republik einnimmt und was es mit der Erkrankung auf sich hat, die gegen Ende von Band 2 bei Day festgestellt wurde.


Day: "Glauben Sie denn im Ernst, dass ein Volk seine Entscheidungen allein treffen kann? Was für eine beängstigende Vorstellung. Menschen können oft gar nicht selbst beurteilen, was sie wirklich brauchen. Das sollten Sie besser als jeder andere wissen, Day."


Etwas dürftig für das große Finale einer Reihe, die sich zuvor vor lauter Problemen und Bedrohungen fast überschlagen hat - und das schlägt sich leider auch im Spannungsbogen nieder. Zwar bietet Marie Lu auch hier wieder politische Intrigen vom Feinsten und mischt ihre Handlung ordentlich mit Verfolgungsjagden, Explosionen und gefährlichen Missionen auf, trotzdem gab es lange zähere Passagen im Mittelteil, in denen die Charaktere begannen, sich im Kreis zu drehen. Kritisieren möchte ich zum Beispiel die angeteaserten Dreiecksgeschichte, die ich persönlich wirklich nicht gebraucht hätte und die angesichts der noch sehr frischen und wackligen Liebesgeschichte alles zu sehr verkomplizieren und vom Plot ablenken. Mir hätte es besser gefallen, wenn die Autorin sich erstmal mehr darauf konzentriert hätte, die Beziehung von June und Day weiterzuentwickeln, da diese in diesem letzten Band ja durch genügend Hürden und Hindernisse auf die Probe gestellt wird. So erscheint die zuvor aufgrund der fehlenden Zeit und der ständigen Rennerei von A nach B immer nur sehr nebenbei mit eingebrachten Liebesgeschichte hier viel Raum einzunehmen, ohne aber sichtbar einen Schritt nach vorne zu machen, oder wirkliche Tiefe zu erreichen.


June: "Vor mir liegt der Junge, der in den Straßen von Lake meine Wunden versorgt hat, der mit jeder Faser seines Körpers seine Familie verteidigt hat, der trotz allem, was passiert ist, an meiner Seite geblieben ist, so voller Licht und Lachen und Leben, voller Trauer und Wut und Leidenschaft, der Junge, dessen Schicksal auf ewig mit meinem verbunden ist. "Ich liebe dich", flüstert er. "Kannst du noch ein bisschen bei mir bleiben?"


Trotz dieser kleinen Schwächen, die Band 3 für mich zum schlechtesten der Reihe machen, hat mir vieles an "Berstende Sterne" aber wieder gut gefallen. Als erstes kann ich Marie Lu positiv zusprechen, dass sie ihr dystopisches Worldbuilding hier nochmals weiterentwickelt. Nachdem sich Band 1 ausschließlich auf den Straßen des futuristischen San Francisco abgespielt hat, wir in Band 2 mit den beiden Figuren auch ins staubtrockene Vegas, in die verschneite Republikhauptstadt Denver und in die Kolonien reisen durften, wagen wir in diesem dritten Teil nun auch mal einen Blick über die Grenzen des ehemaligen Amerikas hinaus und landen im aufstrebenden Industriestaat Antarktis. Mehr als einen kurzen Einblick in die dortige Lebensweise, die Technik und die Weltpolitik außerhalb des amerikanischen Territoriums passt zwar nicht in diese immer noch sehr handlungszentrierte Geschichte, dennoch hat diese Erweiterung des Blickwinkels die Handlung aus meiner Sicht sehr bereichert. Wie jede gut erzählte Dystopie wird hier also allein durch das Worldbuilding, das viele beunruhigend realistische Szenarien und Ideen enthält, schon eine Menge Spannung erzeugt.


June: "Du treibst mich noch in den Wahnsinn, June", murmelt er in mein Haar. "Du bist der Furcht einflößendste, cleverste, mutigste Menschen, den ich kenne, und manchmal bin ich einfach fix und fertig, weil ich mir solche Mühe gebe, mit dir mitzuhalten. Jemanden wie dich werde ich nie wieder finden. Das ist dir doch klar, oder?" Ich hebe das Gesicht und blicke ihn an. In seinen Augen spiegelt sich das ferne Leuchten der JumboTrons, ein Regenbogen aus Abendlichtern. "Es werden noch Milliarden von Menschen nach uns diese Welt bevölkern", sagt er leise, "aber keiner davon wird so sein wie du."


Auch die Figuren haben der Geschichte mal wieder einige Pluspunkte eingebracht. June und Day sind starken, mutigen und schlagfertigen Persönlichkeiten, die die Geschichte tragen und sich durch die zurückliegenden Strapazen spürbar weiterentwickelt haben. Sehr für mich eingenommen hat mich in diesem Band auch der junge Elektor Anden, welcher zwar in Band 2 kurz nach seinem ersten Auftritt in ein wenig schmeichelhaftes Liebesdreieck eingebaut wurde, hier aber endlich ein bisschen von seinem Potential zu spannender Ambivalenz ausschöpfen kann. Zerrissen zwischen seinem Stolz, seiner Wut, der Liebe zu seinem verstorbenen Vater und seinem Wunsch, ein besserer Herrscher zu sein als er, gibt er sein Bestes, tänzelt aber lange Zeit an der Grenze zur Dunkelheit entlang, ohne dass uns Lesern klar ist, in welche Richtung er sich entwickeln wird. Neben seiner Charakterisierung gibt es auch weitere grandios vorbereitete Wendungen, sodass "Gut und Böse" ständig wechseln. Die Autorin manövriert die Geschichte geschickt zwischen allen Fronten hindurch und hat mich ebenfalls das ein oder andere Mal aufs Glatteis geführt.


June: "Gut möglich, dass sein Vater als junger Mann ganz ähnlich war: ein Idealist, voller Hoffnungen und Wünsche, mit den besten Abschichten, mutig und ehrgeizig. Wie konnte er zu einem Elektor werden, der ein solch düsteres Land geschaffen hat? An welcher Stelle hat er diese Richtung eingeschlagen? Und mit einem Mal, wenn auch nur für eine Sekunde, habe ich das Gefühl, die frühere Republik zu begreifen. Und gleichzeitig weiß ich ganz sicher, dass Anden nicht denselben Weg gehen wird. Anden erwidert meinen Blick, so als hätte er meine unausgesprochenen Worte gehört. Und zum ersten Mal seit Monaten sehe ich, wie sich die dunkle Wolke von seinen Augen hebt, jene Schwärze, die den Momenten blinder Wut den Weg bereitet. Ohne den Schatten seines Vaters, der über ihm hängt, ist er einfach umwerfend.
"Ich werde mein Bestes versuchen", flüstert er."


Gegen Ende fährt die Autorin dann nochmal alle Geschütze auf und lässt den Krieg mit den Kolonien, Days Krankheit, Junes Loyalitätskonflikt und andere Erzählstränge in einem Höhepunkt zusammenlaufen, der es ganz schön in sich hat und auch nochmal altbekannte Gegenspieler auf den Plan bringt. Auch wenn der Showdown definitiv zum Buch passt und am Ende alle wichtigen Fragen geklärt sind, finde ich es schade, dass auf den letzten Seiten alle Probleme gleichzeitig gelöst werden und gerade die zuvor lange vorbereiteten politischen Schachzüge nur in Nebensätzen vorbeiziehen. Was das direkte Schicksal der beiden Figuren angeht hat Marie Lu in meinen Augen aber das perfekte Ende gefunden: realistisch, hoffnungsvoll und mit genau der richtigen Priese Offenheit.



Fazit:


Mit "Legend - Berstende Sterne" geht eine hochspannende, wendungsreiche und intelligent erzählte Dystopie in einem lesenswerten, aber etwas schwächeren Finale zu Ende. Marie Lu gelingt es hier, ihr Setting nochmals weiterzuentwickeln, die Nebenfiguren auszubauen und dabei ein wendungsreiches, originelles Handlungskonstrukt aufzustellen. Etwas schade ist nur, dass im Mittelteil einige Längen auftauchen und das Ende etwas überstürzt alle Probleme gleichzeitig löst.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.12.2021

Leicht schwächer als Band 1!

Legend (Band 2) - Schwelender Sturm
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Nachdem mir Band 1, "Legend - Fallender Himmel" so gut gefallen hat, musste ich natürlich sofort zum zweiten Band "Legend - Schwelender Sturm" greifen, um die Geschichte um Day und June weiterzuverfolgen. ...

Nachdem mir Band 1, "Legend - Fallender Himmel" so gut gefallen hat, musste ich natürlich sofort zum zweiten Band "Legend - Schwelender Sturm" greifen, um die Geschichte um Day und June weiterzuverfolgen. Die gesamte "Legend"-Trilogie von Marie Lu habe ich zwar schon 2016 in meiner Dystopien-Phase gelesen, da ich sie aber als eine der besten Dystopien aller Zeiten in Erinnerung behalten habe (und in Relation dazu nur noch erschreckend wenig über den Inhalt weiß), habe ich beschlossen, das Jahr mit einem Reread ausklingen zu lassen. Auch der Mittelteil der Trilogie hat mir noch besser gefallen, als ich es erwartet hatte und mir gezeigt, dass sich mein Buchgeschmack in den letzten 5 Jahren wohl doch nicht so sehr verändert hat, wie ich das gedacht hatte.

Die gesamten Cover der Reihe bestechen durch minimalistische Eleganz. Vor dem Hintergrund, der bei Band 2 im Taschenbuchformat weiß ist, während einem vom gebundenen und dem Ebookformat ein malvenfarbener Hintergrund entgegenblickt, ist dieses Mal der Adler der Kolonien in goldener Farbe zu sehen. Auch beim Cover des zweiten Bandes ist das Motiv demnach dem englischen Original stark nachempfunden. Schade ist hier jedoch, dass der Titel recht nichtssagend ist. Ich habe ja schon bei meiner Rezension zum ersten Teil geschrieben, dass mich die deutsche Gegebenheit, englischsprachigen Titel des ersten Bandes als Reihenname zu übernehmen und dann einen mehr oder weniger bedeutungslosen Untertitel für jeden Band zu erfinden, mittlerweile ziemlich nervt. Nach meinem Geschmack hätte es sich hier besser angeboten, die englischen Titel von Band 2 "Prodigy" (Wunderkind) und Band 3 "Champion" zu übernehmen, anstatt die ganze Reihe "Legend" zu taufen.


Erster Satz: "Neben mir schreckt Day aus dem Schlaf hoch"


Genau wie in Band 1 kehren wir sehr rapide zum Geschehen zurück. Wir erinnern uns: am Ende des ersten Teils hat June Day vor der Hinrichtung bewahrt, nachdem sie ihn in den Slums ausfindig gemacht und verraten hat. Während seiner Gefangenschaft hat sie jedoch erfahren, dass gar nicht er, sondern ihr Vertrauter Thomas ihren Bruder Metias getötet hat und die Republik außerdem für den Tod ihrer Eltern verantwortlich war, weil diese dahintergekommen sind, dass die Republik die Seuchen und den Großen Test als Unterdrückungswerkzeug und Maßnahme zur Bevölkerungskontrolle einsetzt. Nachdem die beiden mit der Hilfe der aufständischen Patrioten in San Francisco ein großes Durcheinander veranstaltet haben, sind sie nun gemeinsam auf der Flucht vor der Republik und müssen sich wohl oder übel erneut an die Patrioten wenden. Denn nicht nur Days Beinwunde muss endlich versorgt werden, auch sein kleiner Bruder Eden ist immer noch in Gefangenschaft der Republik. Als Gegenleistung sollen June und Day den Patrioten dabei helfen, den neuen Elektor Anden zu töten und June geht wieder einmal auf eine Undercover-Mission. Als sie dabei dem jungen Anden näherkommt, muss sie sich erneut fragen, ob sie auf der richtigen Seite steht...


June: "Ich bin jetzt eine Verbrecherin und werde niemals in mein altes bequemes Leben zurückkehren können. Der Gedanke hinterlässt ein unangenehm hohles Gefühl in meinem Bauch, so als bedauerte ich es, nicht mehr der Liebling der Republik zu sein. Und vielleicht ist das sogar die Wahrheit. Wenn ich nicht mehr der Liebling der Republik bin, wer bin ich dann?"


Nachdem sich Band 1 ausschließlich auf den Straßen des futuristischen San Francisco abgespielt hat, reisen wir mit den beiden Figuren dieses Mal auch ins staubtrockene Vegas, in die verschneite Republikhauptstadt Denver und wagen sogar einen kurzen Ausflug in die Kolonien. Diese Erweiterung des Blickwinkels nutzt Marie Lu sehr gekonnt aus, um ihr dystopisches Worldbuilding weiterzuentwickeln. Wir bekommen hier nicht nur Hintergrundinformationen zur Entstehung der Republik und der Kolonien geliefert, sondern erfahren auch endlich mehr über den Status Quo der restlichen Welt. Auch zu den internen Strukturen der totalitären Republik und den Patrioten werden einige offenen Fragen aus Band 1 beantwortet, sodass das Gesamtbild deutlich komplexer wird. Wie jede gut erzählte Dystopie wird hier also allein durch das Worldbuilding, das viele beunruhigend realistische Szenarien und Ideen enthält, schon eine Menge Spannung erzeugt. Die "Legend"-Reihe beginnt zu einem viel späteren Zeitpunkt als viele anderen Dystopien: die Machenschaften der Regierung werden fast vollständig schon im ersten Teil aufgedeckt, die Stimmung in der Bevölkerung ist kurz vorm Hochkochen, sodass nicht viel zur Eskalation fehlt und auch die beiden Figuren sind schon zu Symbolträgern ihrer jeweiligen Seite geworden. Im Vordergrund steht hier vielmehr die Frage, welchen Weg die Figuren einschlagen sollen und was ihre jeweilige Vision für die Republik ist.


Day: "Isolationistisch. Militärstaat. Aggressiv. Ich starre auf die Worte. Mir hat sich die Republik jeher als Inbegriff der Macht präsentiert, eine skrupellose, unaufhaltsame Militärgewalt. Kaede grinst, als sie meinen Gesichtsausdruck sieht, und wir drehen den Bildschirmen den Rücken zu. "Auf einmal kommt einem die Republik gar nicht mehr so mächtig vor, was? Mehr wie ein mickriger, kleiner, geheimnistuerischer Haufen, der sich nur mit internationaler Hilfe durchschlägt. Ich sage dir was, Day: Damit so etwas passiert, braucht es nur eine einzige Generation, die die Bevölkerung mit Gehirnwäsche unterzieht und sie davon überzeugt, dass die Realität gar nicht existiert."


Genau wie in Band 1 hat sich Marie Lu wieder dazu entschieden, abwechselnd aus der Ich-Perspektive von Day und June zu erzählen. Das passt hier wieder ganz gut, dass die beiden auch in diesem Band die meiste Zeit über getrennt voneinander sind. Während Day sich bei den Patrioten in seine Rolle als Widerstandskämpfer und Gallionsfigur der Rebellion einlebt, kehrt June als Spionin in den Schoß der Republik zurück und muss bald feststellen, dass der neue Elektor Anden ganz andere Ideen und Vorstellungen für ihr Land hat als sein diktatorischer Vater. In Band 1 war der Konflikt zwischen den beiden Seiten "Republik-Befürworter" und "Republik-Gegner" schon ein wichtiger Bestandteil der Handlung, wurde aber noch von der rasanten Verfolgungsjagd zwischen Day und June überschattet. Hier rückt das Hinterfragen der beiden Seiten mehr in den Vordergrund und politische Intrigen, Beziehungskrisen und neue Informationen machen es Day und June zunehmen schwer, Entscheidungen zu treffen. Das daraus entstehende Dilemma täuscht auch über handlungsärmere Passagen hinweg, sodass die Autorin die Spannung des ersten Teils durchgängig halten kann.


June: "Kann ich Anden vertrauen? Oder vertraue ich Razor? Ich stütze mich auf die Tischkante. Was auch immer die Wahrheit ist, ich werde bei diesem Spiel äußerst vorsichtig vorgehen müssen."


Genau wie im Auftakt gibt es auch in "Schwelender Sturm" wieder eine Menge grandios vorbereiteter Wendungen, sodass "Gut und Böse" ständig wechseln. Die Autorin manövriert die Geschichte geschickt zwischen allen Fronten hindurch und hat mich ebenfalls das ein oder andere Mal aufs Glatteis geführt. Während also das Handlungskonstrukt nochmal stärker ist als in Band 1 (die Handlung ist ungewöhnlicher, besser durchdacht und definitiv wendungsreicher) und das Setting wunderbar weiterentwickelt wird, sind es in diesem Zwischenteil vor allem die Figuren, die aus meiner Sicht ein wenig schwächeln. Zwar sind mir die beiden starken, mutigen und schlagfertigen Persönlichkeiten schon in Band 1 sehr ans Herz gewachsen, hier passiert aber einfach zu viel in zu kurzer Zeit und der Erzählzeitraum ist viel zu kurz, um die Entwicklungen und Entscheidungen glaubwürdig zu vermitteln.


Day: "Ich verachte die Republik, oder etwa nicht? Ich will sehen, wie sie zusammenbricht. Oder nicht? Erst jetzt bin ich in der Lage, eine wichtige Unterscheidung zu machen - ich verachte die Gesetze der Republik, die Republik selbst liebe ich. Ich liebe das Volk. Ich tue das alles nicht bloß für den Elektor, ich tue es für die Menschen."


Kritisieren möchte ich auch die angeteaserten Dreiecksgeschichte, die ich persönlich wirklich nicht gebraucht hätte und die angesichts der noch sehr frischen und wackligen Liebesgeschichte alles zu sehr verkomplizieren und vom Plot ablenken. Mir hätte es besser gefallen, wenn die Autorin sich erstmal mehr darauf konzentriert hätte, die Beziehung von June und Day weiterzuentwickeln, da diese im letzten Band ja noch durch genügend Hürden und Hindernisse auf die Probe gestellt werden wird. Auch hinsichtlich der involvierten Nebenfiguren hat sich die Autorin mit den Dreiecksgeschichten keinen Gefallen getan. Während ich die hilfsbereite und stets gut gelaunte Tess in Band 1 als ständige Begleiterin an Days Seite noch sehr liebenswert fand, entwickelte sie sich hier innerhalb von wenigen Tagen (!!!) während ihrer kurzen Zeit bei den Patrioten zu einer eifersüchtigen, plötzlich doch sooo erwachsenen Sanitäterin, sodass beim Wiedersehen mit Day und June jede Menge unnötiges Drama entsteht. Dass sich das junge Waisenmädchen aus Days Schatten traut und sich selbst eine Meinung aneignet, fand ich ja grundsätzlich ein sehr guter Gedanke, an dieser Stelle kam mir ihre Entwicklung aber wie ein rapider Persönlichkeitswechsel zum Dramagenerieren vor, und das fand ich schade. Auch der junge Elektor Anden wird kurz nach seinem ersten Auftritt in das Liebesdreieck eingebaut. Da gerade er eine eigentlich sehr vielseitige Figur mit Potential zu spannender Ambivalenz wäre, fand ich die Reduktion auf einen errötenden Idealisten an dieser Stelle ein wenig schwach. Aus dieser Rolle hätte man weit mehr machen können!


June: "Die Welt außerhalb dieser Republik ist auch nicht perfekt, aber es gibt da draußen die Freiheit und zumindest die Chance auf Selbstbestimmung und alles, was wir tun müssen, ist, dieses Licht auch in der Republik scheinen zu lassen. Unser Land befindet sich auf der Schwelle - alles, was jetzt noch fehlt, ist eine Hand, die es hinüber auf die andere Seite schubst." Razor steht halb von seinem Stuhl auf und tippt sich auf die Brust. "Und diese Hand könnten wir sein."


Ein weiterer die Charaktergestaltung betreffender Kritikpunkt, welchen ich noch aus meiner Rezension zu Band 1 übernehmen muss, ist das sehr junge Alter der beiden Hauptfiguren. Auch wenn es sich hier um ein Jugendbuch handelt, dass eine 14+-Zielgruppe ansprechen soll, empfand ich es als extrem unlogisch, dass die Hauptpersonen erst 15 Jahre alt sind. Zwar verhalten sich die beiden gelegentlich schon ihres Alters entsprechend, aber diese Zahl im Kopf behaltend sind die beiden Grundvoraussetzungen, dass June die beste Soldatin und Day der meistgesuchte Verbrecher der Republik sein soll, äußerst fragwürdig. Als letztes muss ich noch negativ anmerken, dass das Ende kurz vor dem Happy End nochmal eine heftige Komplikation auf den Tisch bringt, die erstmal etwas künstlich wirkt, so als hätte die Autorin Angst gehabt, dass die LeserInnen nicht mehr zu Band 2 greifen würden, wenn sie es zu gut enden ließe. Ich hätte Cliffhanger hin oder her auf jeden Fall weitergelesen, da sich genügend offene Fragen und eine Menge überdauernder Klärungsbedarf ergeben und hätte mir gewünscht, mit dieser Offenbarung bis zum nächsten Teil zu warten. Für diese beiden Kritikpunkte - das Ende und die Schwächen in der Weiterentwicklung der Figuren - ziehe ich bei dieser tollen Geschichte 1 Stern ab und lande in der Gesamtbewertung bei 4 Sternen.




Fazit:


Mit "Legend - Schwelender Sturm" gelingt es Marie Lu, die Spannung des ersten Teils zu halten, ihr Setting weiterzuentwickeln und dabei ein wendungsreiches, originelles Handlungskonstrukt aufzustellen. Etwas schade ist nur, dass in diesem Zwischenteil die Figuren wenig Zeit bekommen, sich weiterzuentwickeln, unnötige Liebesdreiecke im Weg stehen und Nebenfiguren ihr Potential nicht ausschöpfen können.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.12.2021

Leicht schwächer als Band 1!

Legend - Schwelender Sturm
0

Nachdem mir Band 1, "Legend - Fallender Himmel" so gut gefallen hat, musste ich natürlich sofort zum zweiten Band "Legend - Schwelender Sturm" greifen, um die Geschichte um Day und June weiterzuverfolgen. ...

Nachdem mir Band 1, "Legend - Fallender Himmel" so gut gefallen hat, musste ich natürlich sofort zum zweiten Band "Legend - Schwelender Sturm" greifen, um die Geschichte um Day und June weiterzuverfolgen. Die gesamte "Legend"-Trilogie von Marie Lu habe ich zwar schon 2016 in meiner Dystopien-Phase gelesen, da ich sie aber als eine der besten Dystopien aller Zeiten in Erinnerung behalten habe (und in Relation dazu nur noch erschreckend wenig über den Inhalt weiß), habe ich beschlossen, das Jahr mit einem Reread ausklingen zu lassen. Auch der Mittelteil der Trilogie hat mir noch besser gefallen, als ich es erwartet hatte und mir gezeigt, dass sich mein Buchgeschmack in den letzten 5 Jahren wohl doch nicht so sehr verändert hat, wie ich das gedacht hatte.

Die gesamten Cover der Reihe bestechen durch minimalistische Eleganz. Vor dem Hintergrund, der bei Band 2 im Taschenbuchformat weiß ist, während einem vom gebundenen und dem Ebookformat ein malvenfarbener Hintergrund entgegenblickt, ist dieses Mal der Adler der Kolonien in goldener Farbe zu sehen. Auch beim Cover des zweiten Bandes ist das Motiv demnach dem englischen Original stark nachempfunden. Schade ist hier jedoch, dass der Titel recht nichtssagend ist. Ich habe ja schon bei meiner Rezension zum ersten Teil geschrieben, dass mich die deutsche Gegebenheit, englischsprachigen Titel des ersten Bandes als Reihenname zu übernehmen und dann einen mehr oder weniger bedeutungslosen Untertitel für jeden Band zu erfinden, mittlerweile ziemlich nervt. Nach meinem Geschmack hätte es sich hier besser angeboten, die englischen Titel von Band 2 "Prodigy" (Wunderkind) und Band 3 "Champion" zu übernehmen, anstatt die ganze Reihe "Legend" zu taufen.


Erster Satz: "Neben mir schreckt Day aus dem Schlaf hoch"


Genau wie in Band 1 kehren wir sehr rapide zum Geschehen zurück. Wir erinnern uns: am Ende des ersten Teils hat June Day vor der Hinrichtung bewahrt, nachdem sie ihn in den Slums ausfindig gemacht und verraten hat. Während seiner Gefangenschaft hat sie jedoch erfahren, dass gar nicht er, sondern ihr Vertrauter Thomas ihren Bruder Metias getötet hat und die Republik außerdem für den Tod ihrer Eltern verantwortlich war, weil diese dahintergekommen sind, dass die Republik die Seuchen und den Großen Test als Unterdrückungswerkzeug und Maßnahme zur Bevölkerungskontrolle einsetzt. Nachdem die beiden mit der Hilfe der aufständischen Patrioten in San Francisco ein großes Durcheinander veranstaltet haben, sind sie nun gemeinsam auf der Flucht vor der Republik und müssen sich wohl oder übel erneut an die Patrioten wenden. Denn nicht nur Days Beinwunde muss endlich versorgt werden, auch sein kleiner Bruder Eden ist immer noch in Gefangenschaft der Republik. Als Gegenleistung sollen June und Day den Patrioten dabei helfen, den neuen Elektor Anden zu töten und June geht wieder einmal auf eine Undercover-Mission. Als sie dabei dem jungen Anden näherkommt, muss sie sich erneut fragen, ob sie auf der richtigen Seite steht...


June: "Ich bin jetzt eine Verbrecherin und werde niemals in mein altes bequemes Leben zurückkehren können. Der Gedanke hinterlässt ein unangenehm hohles Gefühl in meinem Bauch, so als bedauerte ich es, nicht mehr der Liebling der Republik zu sein. Und vielleicht ist das sogar die Wahrheit. Wenn ich nicht mehr der Liebling der Republik bin, wer bin ich dann?"


Nachdem sich Band 1 ausschließlich auf den Straßen des futuristischen San Francisco abgespielt hat, reisen wir mit den beiden Figuren dieses Mal auch ins staubtrockene Vegas, in die verschneite Republikhauptstadt Denver und wagen sogar einen kurzen Ausflug in die Kolonien. Diese Erweiterung des Blickwinkels nutzt Marie Lu sehr gekonnt aus, um ihr dystopisches Worldbuilding weiterzuentwickeln. Wir bekommen hier nicht nur Hintergrundinformationen zur Entstehung der Republik und der Kolonien geliefert, sondern erfahren auch endlich mehr über den Status Quo der restlichen Welt. Auch zu den internen Strukturen der totalitären Republik und den Patrioten werden einige offenen Fragen aus Band 1 beantwortet, sodass das Gesamtbild deutlich komplexer wird. Wie jede gut erzählte Dystopie wird hier also allein durch das Worldbuilding, das viele beunruhigend realistische Szenarien und Ideen enthält, schon eine Menge Spannung erzeugt. Die "Legend"-Reihe beginnt zu einem viel späteren Zeitpunkt als viele anderen Dystopien: die Machenschaften der Regierung werden fast vollständig schon im ersten Teil aufgedeckt, die Stimmung in der Bevölkerung ist kurz vorm Hochkochen, sodass nicht viel zur Eskalation fehlt und auch die beiden Figuren sind schon zu Symbolträgern ihrer jeweiligen Seite geworden. Im Vordergrund steht hier vielmehr die Frage, welchen Weg die Figuren einschlagen sollen und was ihre jeweilige Vision für die Republik ist.


Day: "Isolationistisch. Militärstaat. Aggressiv. Ich starre auf die Worte. Mir hat sich die Republik jeher als Inbegriff der Macht präsentiert, eine skrupellose, unaufhaltsame Militärgewalt. Kaede grinst, als sie meinen Gesichtsausdruck sieht, und wir drehen den Bildschirmen den Rücken zu. "Auf einmal kommt einem die Republik gar nicht mehr so mächtig vor, was? Mehr wie ein mickriger, kleiner, geheimnistuerischer Haufen, der sich nur mit internationaler Hilfe durchschlägt. Ich sage dir was, Day: Damit so etwas passiert, braucht es nur eine einzige Generation, die die Bevölkerung mit Gehirnwäsche unterzieht und sie davon überzeugt, dass die Realität gar nicht existiert."


Genau wie in Band 1 hat sich Marie Lu wieder dazu entschieden, abwechselnd aus der Ich-Perspektive von Day und June zu erzählen. Das passt hier wieder ganz gut, dass die beiden auch in diesem Band die meiste Zeit über getrennt voneinander sind. Während Day sich bei den Patrioten in seine Rolle als Widerstandskämpfer und Gallionsfigur der Rebellion einlebt, kehrt June als Spionin in den Schoß der Republik zurück und muss bald feststellen, dass der neue Elektor Anden ganz andere Ideen und Vorstellungen für ihr Land hat als sein diktatorischer Vater. In Band 1 war der Konflikt zwischen den beiden Seiten "Republik-Befürworter" und "Republik-Gegner" schon ein wichtiger Bestandteil der Handlung, wurde aber noch von der rasanten Verfolgungsjagd zwischen Day und June überschattet. Hier rückt das Hinterfragen der beiden Seiten mehr in den Vordergrund und politische Intrigen, Beziehungskrisen und neue Informationen machen es Day und June zunehmen schwer, Entscheidungen zu treffen. Das daraus entstehende Dilemma täuscht auch über handlungsärmere Passagen hinweg, sodass die Autorin die Spannung des ersten Teils durchgängig halten kann.


June: "Kann ich Anden vertrauen? Oder vertraue ich Razor? Ich stütze mich auf die Tischkante. Was auch immer die Wahrheit ist, ich werde bei diesem Spiel äußerst vorsichtig vorgehen müssen."


Genau wie im Auftakt gibt es auch in "Schwelender Sturm" wieder eine Menge grandios vorbereiteter Wendungen, sodass "Gut und Böse" ständig wechseln. Die Autorin manövriert die Geschichte geschickt zwischen allen Fronten hindurch und hat mich ebenfalls das ein oder andere Mal aufs Glatteis geführt. Während also das Handlungskonstrukt nochmal stärker ist als in Band 1 (die Handlung ist ungewöhnlicher, besser durchdacht und definitiv wendungsreicher) und das Setting wunderbar weiterentwickelt wird, sind es in diesem Zwischenteil vor allem die Figuren, die aus meiner Sicht ein wenig schwächeln. Zwar sind mir die beiden starken, mutigen und schlagfertigen Persönlichkeiten schon in Band 1 sehr ans Herz gewachsen, hier passiert aber einfach zu viel in zu kurzer Zeit und der Erzählzeitraum ist viel zu kurz, um die Entwicklungen und Entscheidungen glaubwürdig zu vermitteln.


Day: "Ich verachte die Republik, oder etwa nicht? Ich will sehen, wie sie zusammenbricht. Oder nicht? Erst jetzt bin ich in der Lage, eine wichtige Unterscheidung zu machen - ich verachte die Gesetze der Republik, die Republik selbst liebe ich. Ich liebe das Volk. Ich tue das alles nicht bloß für den Elektor, ich tue es für die Menschen."


Kritisieren möchte ich auch die angeteaserten Dreiecksgeschichte, die ich persönlich wirklich nicht gebraucht hätte und die angesichts der noch sehr frischen und wackligen Liebesgeschichte alles zu sehr verkomplizieren und vom Plot ablenken. Mir hätte es besser gefallen, wenn die Autorin sich erstmal mehr darauf konzentriert hätte, die Beziehung von June und Day weiterzuentwickeln, da diese im letzten Band ja noch durch genügend Hürden und Hindernisse auf die Probe gestellt werden wird. Auch hinsichtlich der involvierten Nebenfiguren hat sich die Autorin mit den Dreiecksgeschichten keinen Gefallen getan. Während ich die hilfsbereite und stets gut gelaunte Tess in Band 1 als ständige Begleiterin an Days Seite noch sehr liebenswert fand, entwickelte sie sich hier innerhalb von wenigen Tagen (!!!) während ihrer kurzen Zeit bei den Patrioten zu einer eifersüchtigen, plötzlich doch sooo erwachsenen Sanitäterin, sodass beim Wiedersehen mit Day und June jede Menge unnötiges Drama entsteht. Dass sich das junge Waisenmädchen aus Days Schatten traut und sich selbst eine Meinung aneignet, fand ich ja grundsätzlich ein sehr guter Gedanke, an dieser Stelle kam mir ihre Entwicklung aber wie ein rapider Persönlichkeitswechsel zum Dramagenerieren vor, und das fand ich schade. Auch der junge Elektor Anden wird kurz nach seinem ersten Auftritt in das Liebesdreieck eingebaut. Da gerade er eine eigentlich sehr vielseitige Figur mit Potential zu spannender Ambivalenz wäre, fand ich die Reduktion auf einen errötenden Idealisten an dieser Stelle ein wenig schwach. Aus dieser Rolle hätte man weit mehr machen können!


June: "Die Welt außerhalb dieser Republik ist auch nicht perfekt, aber es gibt da draußen die Freiheit und zumindest die Chance auf Selbstbestimmung und alles, was wir tun müssen, ist, dieses Licht auch in der Republik scheinen zu lassen. Unser Land befindet sich auf der Schwelle - alles, was jetzt noch fehlt, ist eine Hand, die es hinüber auf die andere Seite schubst." Razor steht halb von seinem Stuhl auf und tippt sich auf die Brust. "Und diese Hand könnten wir sein."


Ein weiterer die Charaktergestaltung betreffender Kritikpunkt, welchen ich noch aus meiner Rezension zu Band 1 übernehmen muss, ist das sehr junge Alter der beiden Hauptfiguren. Auch wenn es sich hier um ein Jugendbuch handelt, dass eine 14+-Zielgruppe ansprechen soll, empfand ich es als extrem unlogisch, dass die Hauptpersonen erst 15 Jahre alt sind. Zwar verhalten sich die beiden gelegentlich schon ihres Alters entsprechend, aber diese Zahl im Kopf behaltend sind die beiden Grundvoraussetzungen, dass June die beste Soldatin und Day der meistgesuchte Verbrecher der Republik sein soll, äußerst fragwürdig. Als letztes muss ich noch negativ anmerken, dass das Ende kurz vor dem Happy End nochmal eine heftige Komplikation auf den Tisch bringt, die erstmal etwas künstlich wirkt, so als hätte die Autorin Angst gehabt, dass die LeserInnen nicht mehr zu Band 2 greifen würden, wenn sie es zu gut enden ließe. Ich hätte Cliffhanger hin oder her auf jeden Fall weitergelesen, da sich genügend offene Fragen und eine Menge überdauernder Klärungsbedarf ergeben und hätte mir gewünscht, mit dieser Offenbarung bis zum nächsten Teil zu warten. Für diese beiden Kritikpunkte - das Ende und die Schwächen in der Weiterentwicklung der Figuren - ziehe ich bei dieser tollen Geschichte 1 Stern ab und lande in der Gesamtbewertung bei 4 Sternen.




Fazit:


Mit "Legend - Schwelender Sturm" gelingt es Marie Lu, die Spannung des ersten Teils zu halten, ihr Setting weiterzuentwickeln und dabei ein wendungsreiches, originelles Handlungskonstrukt aufzustellen. Etwas schade ist nur, dass in diesem Zwischenteil die Figuren wenig Zeit bekommen, sich weiterzuentwickeln, unnötige Liebesdreiecke im Weg stehen und Nebenfiguren ihr Potential nicht ausschöpfen können.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.12.2021

Leicht schwächer als Band 1!

Legend - Schwelender Sturm
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Nachdem mir Band 1, "Legend - Fallender Himmel" so gut gefallen hat, musste ich natürlich sofort zum zweiten Band "Legend - Schwelender Sturm" greifen, um die Geschichte um Day und June weiterzuverfolgen. ...

Nachdem mir Band 1, "Legend - Fallender Himmel" so gut gefallen hat, musste ich natürlich sofort zum zweiten Band "Legend - Schwelender Sturm" greifen, um die Geschichte um Day und June weiterzuverfolgen. Die gesamte "Legend"-Trilogie von Marie Lu habe ich zwar schon 2016 in meiner Dystopien-Phase gelesen, da ich sie aber als eine der besten Dystopien aller Zeiten in Erinnerung behalten habe (und in Relation dazu nur noch erschreckend wenig über den Inhalt weiß), habe ich beschlossen, das Jahr mit einem Reread ausklingen zu lassen. Auch der Mittelteil der Trilogie hat mir noch besser gefallen, als ich es erwartet hatte und mir gezeigt, dass sich mein Buchgeschmack in den letzten 5 Jahren wohl doch nicht so sehr verändert hat, wie ich das gedacht hatte.

Die gesamten Cover der Reihe bestechen durch minimalistische Eleganz. Vor dem Hintergrund, der bei Band 2 im Taschenbuchformat weiß ist, während einem vom gebundenen und dem Ebookformat ein malvenfarbener Hintergrund entgegenblickt, ist dieses Mal der Adler der Kolonien in goldener Farbe zu sehen. Auch beim Cover des zweiten Bandes ist das Motiv demnach dem englischen Original stark nachempfunden. Schade ist hier jedoch, dass der Titel recht nichtssagend ist. Ich habe ja schon bei meiner Rezension zum ersten Teil geschrieben, dass mich die deutsche Gegebenheit, englischsprachigen Titel des ersten Bandes als Reihenname zu übernehmen und dann einen mehr oder weniger bedeutungslosen Untertitel für jeden Band zu erfinden, mittlerweile ziemlich nervt. Nach meinem Geschmack hätte es sich hier besser angeboten, die englischen Titel von Band 2 "Prodigy" (Wunderkind) und Band 3 "Champion" zu übernehmen, anstatt die ganze Reihe "Legend" zu taufen.


Erster Satz: "Neben mir schreckt Day aus dem Schlaf hoch"


Genau wie in Band 1 kehren wir sehr rapide zum Geschehen zurück. Wir erinnern uns: am Ende des ersten Teils hat June Day vor der Hinrichtung bewahrt, nachdem sie ihn in den Slums ausfindig gemacht und verraten hat. Während seiner Gefangenschaft hat sie jedoch erfahren, dass gar nicht er, sondern ihr Vertrauter Thomas ihren Bruder Metias getötet hat und die Republik außerdem für den Tod ihrer Eltern verantwortlich war, weil diese dahintergekommen sind, dass die Republik die Seuchen und den Großen Test als Unterdrückungswerkzeug und Maßnahme zur Bevölkerungskontrolle einsetzt. Nachdem die beiden mit der Hilfe der aufständischen Patrioten in San Francisco ein großes Durcheinander veranstaltet haben, sind sie nun gemeinsam auf der Flucht vor der Republik und müssen sich wohl oder übel erneut an die Patrioten wenden. Denn nicht nur Days Beinwunde muss endlich versorgt werden, auch sein kleiner Bruder Eden ist immer noch in Gefangenschaft der Republik. Als Gegenleistung sollen June und Day den Patrioten dabei helfen, den neuen Elektor Anden zu töten und June geht wieder einmal auf eine Undercover-Mission. Als sie dabei dem jungen Anden näherkommt, muss sie sich erneut fragen, ob sie auf der richtigen Seite steht...


June: "Ich bin jetzt eine Verbrecherin und werde niemals in mein altes bequemes Leben zurückkehren können. Der Gedanke hinterlässt ein unangenehm hohles Gefühl in meinem Bauch, so als bedauerte ich es, nicht mehr der Liebling der Republik zu sein. Und vielleicht ist das sogar die Wahrheit. Wenn ich nicht mehr der Liebling der Republik bin, wer bin ich dann?"


Nachdem sich Band 1 ausschließlich auf den Straßen des futuristischen San Francisco abgespielt hat, reisen wir mit den beiden Figuren dieses Mal auch ins staubtrockene Vegas, in die verschneite Republikhauptstadt Denver und wagen sogar einen kurzen Ausflug in die Kolonien. Diese Erweiterung des Blickwinkels nutzt Marie Lu sehr gekonnt aus, um ihr dystopisches Worldbuilding weiterzuentwickeln. Wir bekommen hier nicht nur Hintergrundinformationen zur Entstehung der Republik und der Kolonien geliefert, sondern erfahren auch endlich mehr über den Status Quo der restlichen Welt. Auch zu den internen Strukturen der totalitären Republik und den Patrioten werden einige offenen Fragen aus Band 1 beantwortet, sodass das Gesamtbild deutlich komplexer wird. Wie jede gut erzählte Dystopie wird hier also allein durch das Worldbuilding, das viele beunruhigend realistische Szenarien und Ideen enthält, schon eine Menge Spannung erzeugt. Die "Legend"-Reihe beginnt zu einem viel späteren Zeitpunkt als viele anderen Dystopien: die Machenschaften der Regierung werden fast vollständig schon im ersten Teil aufgedeckt, die Stimmung in der Bevölkerung ist kurz vorm Hochkochen, sodass nicht viel zur Eskalation fehlt und auch die beiden Figuren sind schon zu Symbolträgern ihrer jeweiligen Seite geworden. Im Vordergrund steht hier vielmehr die Frage, welchen Weg die Figuren einschlagen sollen und was ihre jeweilige Vision für die Republik ist.


Day: "Isolationistisch. Militärstaat. Aggressiv. Ich starre auf die Worte. Mir hat sich die Republik jeher als Inbegriff der Macht präsentiert, eine skrupellose, unaufhaltsame Militärgewalt. Kaede grinst, als sie meinen Gesichtsausdruck sieht, und wir drehen den Bildschirmen den Rücken zu. "Auf einmal kommt einem die Republik gar nicht mehr so mächtig vor, was? Mehr wie ein mickriger, kleiner, geheimnistuerischer Haufen, der sich nur mit internationaler Hilfe durchschlägt. Ich sage dir was, Day: Damit so etwas passiert, braucht es nur eine einzige Generation, die die Bevölkerung mit Gehirnwäsche unterzieht und sie davon überzeugt, dass die Realität gar nicht existiert."


Genau wie in Band 1 hat sich Marie Lu wieder dazu entschieden, abwechselnd aus der Ich-Perspektive von Day und June zu erzählen. Das passt hier wieder ganz gut, dass die beiden auch in diesem Band die meiste Zeit über getrennt voneinander sind. Während Day sich bei den Patrioten in seine Rolle als Widerstandskämpfer und Gallionsfigur der Rebellion einlebt, kehrt June als Spionin in den Schoß der Republik zurück und muss bald feststellen, dass der neue Elektor Anden ganz andere Ideen und Vorstellungen für ihr Land hat als sein diktatorischer Vater. In Band 1 war der Konflikt zwischen den beiden Seiten "Republik-Befürworter" und "Republik-Gegner" schon ein wichtiger Bestandteil der Handlung, wurde aber noch von der rasanten Verfolgungsjagd zwischen Day und June überschattet. Hier rückt das Hinterfragen der beiden Seiten mehr in den Vordergrund und politische Intrigen, Beziehungskrisen und neue Informationen machen es Day und June zunehmen schwer, Entscheidungen zu treffen. Das daraus entstehende Dilemma täuscht auch über handlungsärmere Passagen hinweg, sodass die Autorin die Spannung des ersten Teils durchgängig halten kann.


June: "Kann ich Anden vertrauen? Oder vertraue ich Razor? Ich stütze mich auf die Tischkante. Was auch immer die Wahrheit ist, ich werde bei diesem Spiel äußerst vorsichtig vorgehen müssen."


Genau wie im Auftakt gibt es auch in "Schwelender Sturm" wieder eine Menge grandios vorbereiteter Wendungen, sodass "Gut und Böse" ständig wechseln. Die Autorin manövriert die Geschichte geschickt zwischen allen Fronten hindurch und hat mich ebenfalls das ein oder andere Mal aufs Glatteis geführt. Während also das Handlungskonstrukt nochmal stärker ist als in Band 1 (die Handlung ist ungewöhnlicher, besser durchdacht und definitiv wendungsreicher) und das Setting wunderbar weiterentwickelt wird, sind es in diesem Zwischenteil vor allem die Figuren, die aus meiner Sicht ein wenig schwächeln. Zwar sind mir die beiden starken, mutigen und schlagfertigen Persönlichkeiten schon in Band 1 sehr ans Herz gewachsen, hier passiert aber einfach zu viel in zu kurzer Zeit und der Erzählzeitraum ist viel zu kurz, um die Entwicklungen und Entscheidungen glaubwürdig zu vermitteln.


Day: "Ich verachte die Republik, oder etwa nicht? Ich will sehen, wie sie zusammenbricht. Oder nicht? Erst jetzt bin ich in der Lage, eine wichtige Unterscheidung zu machen - ich verachte die Gesetze der Republik, die Republik selbst liebe ich. Ich liebe das Volk. Ich tue das alles nicht bloß für den Elektor, ich tue es für die Menschen."


Kritisieren möchte ich auch die angeteaserten Dreiecksgeschichte, die ich persönlich wirklich nicht gebraucht hätte und die angesichts der noch sehr frischen und wackligen Liebesgeschichte alles zu sehr verkomplizieren und vom Plot ablenken. Mir hätte es besser gefallen, wenn die Autorin sich erstmal mehr darauf konzentriert hätte, die Beziehung von June und Day weiterzuentwickeln, da diese im letzten Band ja noch durch genügend Hürden und Hindernisse auf die Probe gestellt werden wird. Auch hinsichtlich der involvierten Nebenfiguren hat sich die Autorin mit den Dreiecksgeschichten keinen Gefallen getan. Während ich die hilfsbereite und stets gut gelaunte Tess in Band 1 als ständige Begleiterin an Days Seite noch sehr liebenswert fand, entwickelte sie sich hier innerhalb von wenigen Tagen (!!!) während ihrer kurzen Zeit bei den Patrioten zu einer eifersüchtigen, plötzlich doch sooo erwachsenen Sanitäterin, sodass beim Wiedersehen mit Day und June jede Menge unnötiges Drama entsteht. Dass sich das junge Waisenmädchen aus Days Schatten traut und sich selbst eine Meinung aneignet, fand ich ja grundsätzlich ein sehr guter Gedanke, an dieser Stelle kam mir ihre Entwicklung aber wie ein rapider Persönlichkeitswechsel zum Dramagenerieren vor, und das fand ich schade. Auch der junge Elektor Anden wird kurz nach seinem ersten Auftritt in das Liebesdreieck eingebaut. Da gerade er eine eigentlich sehr vielseitige Figur mit Potential zu spannender Ambivalenz wäre, fand ich die Reduktion auf einen errötenden Idealisten an dieser Stelle ein wenig schwach. Aus dieser Rolle hätte man weit mehr machen können!


June: "Die Welt außerhalb dieser Republik ist auch nicht perfekt, aber es gibt da draußen die Freiheit und zumindest die Chance auf Selbstbestimmung und alles, was wir tun müssen, ist, dieses Licht auch in der Republik scheinen zu lassen. Unser Land befindet sich auf der Schwelle - alles, was jetzt noch fehlt, ist eine Hand, die es hinüber auf die andere Seite schubst." Razor steht halb von seinem Stuhl auf und tippt sich auf die Brust. "Und diese Hand könnten wir sein."


Ein weiterer die Charaktergestaltung betreffender Kritikpunkt, welchen ich noch aus meiner Rezension zu Band 1 übernehmen muss, ist das sehr junge Alter der beiden Hauptfiguren. Auch wenn es sich hier um ein Jugendbuch handelt, dass eine 14+-Zielgruppe ansprechen soll, empfand ich es als extrem unlogisch, dass die Hauptpersonen erst 15 Jahre alt sind. Zwar verhalten sich die beiden gelegentlich schon ihres Alters entsprechend, aber diese Zahl im Kopf behaltend sind die beiden Grundvoraussetzungen, dass June die beste Soldatin und Day der meistgesuchte Verbrecher der Republik sein soll, äußerst fragwürdig. Als letztes muss ich noch negativ anmerken, dass das Ende kurz vor dem Happy End nochmal eine heftige Komplikation auf den Tisch bringt, die erstmal etwas künstlich wirkt, so als hätte die Autorin Angst gehabt, dass die LeserInnen nicht mehr zu Band 2 greifen würden, wenn sie es zu gut enden ließe. Ich hätte Cliffhanger hin oder her auf jeden Fall weitergelesen, da sich genügend offene Fragen und eine Menge überdauernder Klärungsbedarf ergeben und hätte mir gewünscht, mit dieser Offenbarung bis zum nächsten Teil zu warten. Für diese beiden Kritikpunkte - das Ende und die Schwächen in der Weiterentwicklung der Figuren - ziehe ich bei dieser tollen Geschichte 1 Stern ab und lande in der Gesamtbewertung bei 4 Sternen.




Fazit:


Mit "Legend - Schwelender Sturm" gelingt es Marie Lu, die Spannung des ersten Teils zu halten, ihr Setting weiterzuentwickeln und dabei ein wendungsreiches, originelles Handlungskonstrukt aufzustellen. Etwas schade ist nur, dass in diesem Zwischenteil die Figuren wenig Zeit bekommen, sich weiterzuentwickeln, unnötige Liebesdreiecke im Weg stehen und Nebenfiguren ihr Potential nicht ausschöpfen können.

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