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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.08.2018

Übers Erwachsenwerden, launig erzählt von einer altklugen 13jährigen

Weit weg von Verona
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Bücher liest man ja mit den unterschiedlichsten Erwartungen. Sie sollen einem Gefühle vermitteln, Spannung, Lehrreiches und/oder schlicht die Zeit vertreiben. Dieses Buch entspricht wohl mehr dem Letzteren, ...

Bücher liest man ja mit den unterschiedlichsten Erwartungen. Sie sollen einem Gefühle vermitteln, Spannung, Lehrreiches und/oder schlicht die Zeit vertreiben. Dieses Buch entspricht wohl mehr dem Letzteren, wobei es jedoch unfair wäre, es als 'bloße' Unterhaltungsliteratur abzutun, denn dafür ist es viel zu schön geschrieben. Vielleicht ist es eher ein Jugendbuch, denn eine 13jährige erzählt hier von ihrem Leben in England während des II. Weltkrieges. Und das so unglaublich schnodderig und altklug, wie 13jährige halt mal so sind - offenbar nicht allzu viel anders als heutzutage.
Die 13jährige Jessica lebt mit ihren eher unkonventionellen Eltern in einem kleinen Ort an der Küste, wo sie ein Leben führt wie vermutlich viele andere 13jährige auch. Doch sie ist anders als die meisten ihrer gleichaltrigen Schulkameradinnen. Zum einen weiß sie stets, wann jemand lügt, zum andern muss sie immer die Wahrheit sagen - nicht unbedingt zur Freude aller Anwesenden. Doch das stört Jessica nicht, denn sie hat eine unglaubliche Abneigung gegen jede Form der Anpassung. Eine ungemein sympathische 'Heldin' - unerschrocken und neugierig, die selbst in den brenzligsten Situationen (wie beispielsweise einem Bombenangriff) nicht den Kopf verliert.
Jane Gardam trifft den Ton dieses jungen Mädchens so überzeugend, dass ich keine Minute daran zweifelte, ihr persönlich zuzuhören. Wunderbar zu lesen, auch wenn es keine großartigen Höhepunkte gibt, wie Manche bemängeln. Einfach eine schöne Geschichte!

Veröffentlicht am 26.07.2018

Bücher können Leben verändern

Das Mädchen, das in der Metro las
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Die junge Juliette lebt in Paris ein eintöniges Leben: neben ihrer ungeliebten Arbeit geht sie einmal in der Woche ins Kino, ins Schwimmbad und isst Sonntags mit ihrem Vater zu Mittag. Sie fühlt, dass ...

Die junge Juliette lebt in Paris ein eintöniges Leben: neben ihrer ungeliebten Arbeit geht sie einmal in der Woche ins Kino, ins Schwimmbad und isst Sonntags mit ihrem Vater zu Mittag. Sie fühlt, dass ihr Leben an ihr vorübergleitet, nur Bücher reißen sie aus ihrer Lethargie; doch ihr fehlt der Mut, daran etwas zu ändern. Als sie eines Morgens spontan einen anderen Weg zur Arbeit nimmt, lernt sie den merkwürdigen Soliman und seine zehnjährige Tochter Zaïde kennen, was ihr Leben verändern wird. Er lebt ausschließlich inmitten unvorstellbarer Bücherberge und ist davon überzeugt, dass das richtige Buch zur richtigen Zeit das Leben eines Menschen zum Guten verändert. Zaïde hingegen liebt Bücher, weil sie ihr Lust auf Abenteuer machen, auch wenn sie noch zu klein ist, um eigenständig welche zu erleben.
Es ist ein Büchlein, das Mut machen will zu leben - und dazu können Bücher eine Anregung bieten. 'Das richtige Buch zur richtigen Zeit und schwupps krempelt man sein Leben um' mag als Botschaft ganz klar zu überschwenglich sein, aber dem Grunde nach stimmt die Aussage. Wer liest, hat mehr vom Leben - zumindest im eigenen Kopf. Und wem es gelingt, das Gelesene als Inspiration für das eigene Leben zu sehen, wird sich über Änderungen kaum zu wundern brauchen. Doch es sind nicht nur Bücher, die inspirieren können; auch andere Menschen, Gegenstände, Farben, Formen. Die Welt ist voll von Wundern, Geschichten und Abenteuern, für die man lediglich die bekannten und ausgetretenen Pfade verlassen und etwas Mut aufbringen muss.
Auch wenn es sich jetzt vielleicht so liest: Dies ist keine Gute-Laune-Lektüre, dafür sind manche der Geschehnisse schlicht zu traurig. Dennoch ist die Botschaft klar: Das Leben ist schön, traue Dich es zu leben. All dies erzählt die Autorin Christine Féret-Fleury in einer wunderbar poetischen Sprache, sodass es dem Ganzen eine fast schon märchenhafte Atmosphäre verleiht.

Veröffentlicht am 20.07.2018

Ein spannendes Überraschungspaket

Opfer
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Die Sache scheint klar, die Videoaufnahmen der Einkaufspassage Monier zeigen ein eindeutiges Bild: den bewaffneten Überfall auf ein Juweliergeschäft und (sozusagen als Kollateralschaden) das Zusammenschlagen ...

Die Sache scheint klar, die Videoaufnahmen der Einkaufspassage Monier zeigen ein eindeutiges Bild: den bewaffneten Überfall auf ein Juweliergeschäft und (sozusagen als Kollateralschaden) das Zusammenschlagen sowie die versuchte Tötung von Anne Forestier, der Lebensgefährtin Camille Verhoevens, Leiter der Mordkommission. Obwohl der Fall nicht in seine Zuständigkeit fällt, zieht Camille ihn an sich und beginnt zu ermitteln, weit über seine zuständigen Befugnisse hinausgehend.
Aufgrund des zu Beginn klaren Sachverhaltes war die Spannung erst einmal eher verhalten. Der Täter scheint klar, die schwer verletzte Anne konnte ihn identifizieren. Doch nach und nach schleichen sich kleine Ungereimtheiten in den Text, die ich eher beiläufig registrierte und mich zum Zurückblättern animierten. Das passt doch nicht ….? Die Unsicherheit ist eher unterschwellig, ich ahnte, dass da etwas nicht so war wie es schien. Doch klar wird es erst nach gut zwei Dritteln des Buches, was jedoch nicht bedeutet, dass man der Auflösung des Vorgefallenen nun bedeutend näher ist. Ganz im Gegenteil: Die Verwirrung steigt.
Was die zu Beginn eher verhaltene Spannung mehr als wett macht, ist der Stil dieses Thrillers. Erzählt wird zum Einen aus der Sicht Camilles, wobei hier die Lesenden auch direkt angesprochen werden. Ein Beispiel: "Denn Ihr Denkvermögen ist derart blockiert, dass Sie meistens rein reflexartig reagieren. Zum Beispiel, wenn die Frau, die Sie lieben, vor den drei Schüssen buchstäblich zu Brei geschlagen wird und Sie deutlich sehen, wie der Killer anschließend deutlich sein Gewehr mit einer knappen Bewegung durchlädt und anlegt." Durch diese 'Ansprache' intensiviert sich das Geschehene, was einem das Gelesene manchmal fast schon unerträglich macht (mir zumindest ging es so), da der Autor vor Details nicht zurückschreckt, die er jedoch in einer fast schon gewählten Sprache wiedergibt.
Im zweiten Erzählstrang berichtet der Täter aus der Ich-Perspektive, ungerührt und fast schon belustigt von seinen Leistungen, die er im Laufe des Buches vollbringen wird. Wobei hier bald klar wird, dass etwas nicht stimmt - doch was?
Ein richtig klasse Thriller, der Teil der bisher vier Bände umfassenden Reihe um Kommissar Camille Verhoeven ist und 2015 den CWA International Dagger gewonnen hat. Weshalb man aber mit 'Opfer' nun vorab den vierten Band der Reihe auf Deutsch veröffentlicht und nicht mit dem ersten beginnt, bleibt ein Geheimnis des Verlages.

Veröffentlicht am 20.07.2018

Auf der Suche nach einem Zuhause

Blanca
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Blanca ist 15 Jahre jung und bereits einiges gewohnt in ihrem Leben. Seit sie sich erinnern kann, ist sie gemeinsam mit ihrer Mutter Anna auf der Flucht - vor zu viel Nähe, Vertrautheit, Geborgenheit. ...

Blanca ist 15 Jahre jung und bereits einiges gewohnt in ihrem Leben. Seit sie sich erinnern kann, ist sie gemeinsam mit ihrer Mutter Anna auf der Flucht - vor zu viel Nähe, Vertrautheit, Geborgenheit. Denn Anna will frei und ungebunden sein, keinen Pflichten und Konventionen unterworfen; was manchmal etwas schwierig ist, wenn man eine kleine Tochter hat. So lässt sie die kleine Blanca immer wieder mutterseelenallein, nur mit dem Satz: Warte hier, ich komme wieder. Mit zunehmendem Alter wird Blancas Bedürfnis nach Beständigkeit und einem Ort, an dem sie zuhause ist, immer größer und die Zusammenstöße mit ihrer Mutter immer heftiger. Nach einem besonders erbitterten Streit packt Blanca ihre Sachen und macht sich auf die Reise zu dem einzigen Ort, wo sie sich jemals geborgen und sicher gefühlt hat: eine kleine Insel in Italien.
Es ist ein Roadmovie der ganz eigenen Art. Als 15jährige allein unterwegs, irgendwann dazu ohne Geld, gelangt sie in schwierige und zeitweise auch aussichtslos wirkende Situationen. Doch das Glück scheint auf ihrer Seite zu sein, im richtigen Moment trifft sie Menschen, die es gut mit ihr meinen. Was die Geschichte jedoch so besonders macht, ist Blanca selbst, in deren Kopf die unterschiedlichsten Gedanken ohne Pause ständig kursieren. Sie stellt sich Fragen über Fragen, meist ohne Antworten, um die Welt und sich selbst zu verstehen.
Ihre Sprache wie auch ihre Handlungen wechseln zwischen kindlich unbedarft und erwachsen und mündig, sodass man manchmal fast vergessen kann, dass es sich hier um ein 15jähriges Mädchen handelt. Der Autorin gelingt es wirklich meisterhaft, den Lesenden die Gedankenwelt eines jungen Menschen nahezubringen, dem viel zu früh zu viel Verantwortung auf die jungen Schultern geladen wurde.
Blancas Schicksal wird mir sicherlich noch eine geraume Zeit im Gedächtnis bleiben, ebenso wie die Frage: Wie viele solcher Kinder gibt es noch da draußen?

Veröffentlicht am 20.07.2018

Samiras grausamer Start ins Leben

Kukolka
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Es gibt Bücher, die verschlagen einem die Sprache, machen einen atemlos. Aus Begeisterung, Faszination und/oder Entsetzen. Letzteres trifft auf Kukolka zu, denn die Geschichte, die hier erzählt wird, ist ...

Es gibt Bücher, die verschlagen einem die Sprache, machen einen atemlos. Aus Begeisterung, Faszination und/oder Entsetzen. Letzteres trifft auf Kukolka zu, denn die Geschichte, die hier erzählt wird, ist so grausam, dass ich mir immer wieder wünschte, sie sei reine Phantasie. Vermutlich bleibt es bei einem frommmen Wunsch.
Die siebenjährige Samira flieht aus dem Waisenhaus, in dem sie (wie auch die anderen Kinder) eher als lästige Objekte wie als zu umsorgende Lebewesen behandelt werden. Schikanen und Schläge sind an der Tagesordnung, und als ihre beste Freundin Marina von deutschen Eltern adoptiert wird, beschließt Samira, ihr nachzureisen. Sie gerät an Rocky, der sie unter seine Fittiche nimmt, und sie, wie auch andere Kinder und Jugendliche, betteln, stehlen und arbeiten lässt, um damit sein Leben zu finanzieren. Doch Samira ist glücklich, denn endlich scheint sie frei zu sein und mit Rocky einen Menschen zu haben, der sich wirklich um sie kümmert. Mit dreizehn trifft sie Dima, einen jungen Mann, der von ihr ebenso fasziniert ist wie sie von ihm und sie tatsächlich nach Deutschland bringt. Samira scheint fast am Ziel, doch ihr Glück währt nicht lange.
Es ist eine Geschichte, wie man sie vermutlich schon unzählige Male in der Kurzversion im Fernsehen gesehen oder in irgendwelchen Zeitschriften gelesen hat. Doch hier wird das Erlebte aus der Perspektive eines betroffenen Kindes geschildert, das einen scheinbar unverrückbaren Glauben an das Gute im Leben hat - und im Menschen. Sie wird ausgebeutet, verraten und missbraucht - und dennoch bleibt sie im Grunde ihres Wesens eine Optimistin.
Bei einer derartigen Geschichte und einer solchen Heldin besteht die Gefahr, dass das Ganze schnell kippt: in eine allzu mitleidsvolle, vielleicht schon kitschige Gefühlslage. Doch der Autorin gelingt das Kunststück, die Sprache dieser Heldin so natürlich wiederzugeben, als stünde sie neben einem und würde alles direkt erzählen, ohne Bitterkeit, einfach grausam-sachlich: "Ich sollte ihn mit beiden Händen reiben. Rocky sagte, er braucht das. Das wäre das Mindeste, was ich für ihn tun kann, um ihm Schmerzen zu nehmen und damit er sich erholen kann. Er sagte, es wäre gut, wenn ich früh lerne, wie ein männlicher Körper funktioniert und wie man einem Mann Freude bereitet. Denn irgendwann würde ich einen Freund haben, und er würde enttäuscht sein von mir, wenn ich keine Erfahrung habe. Er sagte, dass er mir einen Gefallen tut, indem er mir das alles beibringt."
Keine Gute-Laune-Literatur, aber eine äußerst intensive und berührende Lektüre!