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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.08.2019

Als Film vermutlich grandios, als Buch 'nur' 3,5 Sterne

Der Kinderflüsterer
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In dem kleinen beschaulichen Örtchen Featherbank verschwindet ein Kind. Sofort werden Erinnerungen wach an die Geschehnisse, die sich vor zwanzig Jahren ereignet haben: Fünf Kinder wurden damals entführt ...

In dem kleinen beschaulichen Örtchen Featherbank verschwindet ein Kind. Sofort werden Erinnerungen wach an die Geschehnisse, die sich vor zwanzig Jahren ereignet haben: Fünf Kinder wurden damals entführt und getötet, der Täter sitzt seit langem hinter Gittern. Beginnt das Grauen nun von Neuem? Von all dem ahnen Tom und sein kleiner Sohn Jake nichts, als sie ihr neues Haus in Featherbank beziehen. Doch bald beginnt Jake sich seltsam zu verhalten und erzählt, er höre Stimmen am Fenster. Und da sei ein Junge im Boden ...
Bei diesen Vorschusslorbeeren ('bester Spannungsroman der letzten zehn Jahre" oder "anspruchsvoller, extrem überzeugender Thriller") kann ein Buch fast nur verlieren, denn die Erwartungen sind natürlich immens. Ob man dem Autor und seinem Werk damit einen Gefallen getan hat? Ich bin mir nicht sicher.
Auch wenn die Vermarktung des 'Kinderflüsterers' sehr auf einen Thriller hindeutet, ist es meiner Meinung nach viel mehr ein Roman (wie es auch auf dem Cover steht) mit Krimi- und mystischen Elementen. Zwar ist ein Teil des Buches der Suche nach dem verschwundenen Kind gewidmet, doch der Grossteil beschäftigt sich mit der Geschichte von Tom und seinem Sohn. Hier versucht der Autor eine unterschwellige Gefahr zu beschreiben, die sich leider aber nur ansatzweise abzeichnet. Wesentlich nachdrücklicher empfand ich die geheimnisvolle Atmosphäre um Jake, der über scheinbar übernatürliche Wahrnehmungen verfügt.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass bei einer Verfilmung die Umsetzung dieser Umgebung deutlich intensiver vermittelt werden kann, als es in diesem Buch der Fall ist. Zu kurz kommen wird mit grosser Wahrscheinlichkeit hingegen die Darstellung des 'Innenlebens' von Tom, der in der Ich-Form recht ausführlich und detailliert erzählt, wie er mit dem frühen Tod seiner Frau und dem Alleinleben mit Jake zurechtkommt bzw. eben nicht.
"Der Kinderflüsterer" ist weder ein reiner Spannungs- oder Gruselroman noch eine Vater-Sohn-Geschichte, sondern ein bisschen von Allem und wird damit leider keinem der Themen ganz gerecht. So ist es eine ganz angenehme Unterhaltung, aber bedauerlicherweise auch nicht mehr

Veröffentlicht am 02.08.2019

In einer Welt voller Aberglauben und Geheimdienste

Die geheime Mission des Kardinals
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Kurz vor seinem Ruhestand muss Kommissar Barudi einen brisanten Fall lösen: In einem Fass mit Olivenöl, das an die italienische Botschaft in Damaskus geliefert wurde, befindet sich die Leiche eines italienischen ...

Kurz vor seinem Ruhestand muss Kommissar Barudi einen brisanten Fall lösen: In einem Fass mit Olivenöl, das an die italienische Botschaft in Damaskus geliefert wurde, befindet sich die Leiche eines italienischen Kardinals, der auf einer geheimen Mission in Syrien unterwegs war. Verdächtige gibt es mehr als genug: 'einfache' Kriminelle, Islamisten, der Geheimdienst, Widersacher in den eigenen Reihen. Und wem kann man vertrauen? Der Geheimdienst hat seine Ohren überall.
Auch wenn das Buch wie ein typischer Kriminalroman beginnt (mit der Entdeckung des Toten), ist es viel mehr als das. Rafik Schami nutzt die Suche nach den Mördern, den Lesenden ein Bild des Syriens aus dem Jahr 2010 zu vermitteln. Noch herrscht Frieden, doch es wirkt mehr wie die Ruhe vor dem Sturm. Die Menschen sind arm, rechtlos und sie wissen, dass sie überall und ständig von Lauschern und Horchern des Geheimdienstes umgeben sind und jedes kritische Wort gegen den Präsidenten sie sofort ins Gefängnis bringen kann. Sicher sind nur die, die sich zu seinen Verwandten zählen können, und so suchen immer mehr Menschen ihr Heil in einem Aberglauben, um sich zu schützen.
Dies ist das zweite grosse Thema des Buches: wie Aberglaube und Religion Menschen dazu bringen kann, die unglaublichsten Dinge zu tun und zu ertragen - und nicht im positiven Sinn. Wer nun denkt: 'Na klar, diese zurückgebliebenen BewohnerInnen entfernt liegender Bergdörfer, kein Wunder, dass die Alles glauben.', der/die irrt. Hierzu ein schöner Satz, weshalb der Aberglaube auch in übersättigten Gesellschaften gedeiht (wenn auch in anderer Form): "Weil die Menschen dort durch nichts mehr Befriedigung finden. Unerträgliche Leere breitet sich in ihrer Seele aus. Deshalb suchen die Menschen in fernen Welten oder Sphären Befriedigung." Eine wirklich aufschlussreiche Lektüre zu diesem Thema.
Das hört sich nun vielleicht Alles ziemlich trist an - ist es aber überhaupt nicht. Rafik Schami schreibt sehr unterhaltsam, wenn auch für meinen Geschmack gelegentlich etwas weitschweifig, was aber wohl den orientalischen Gegebenheiten entspricht. Zudem kommt auch der Humor nicht zu kurz, denn trotz des allgegenwärtigen Geheimdienstes können sich Barudi sowie sein Freund, der Chef der Spurensicherung, ihre spitzen Kommentare nicht verkneifen und der hinzugezogene italienische Kollege hält sich ebenfalls nicht zurück.
Wer klare, stringente Handlungen mag, tut sich mit diesem Buch vermutlich keinen Gefallen. Denn der Autor nutzt bei jeder Gelegenheit die Chance etwas zu erzählen, was mit der eigentlichen Geschichte nichts zu tun hat. Und so erfährt man irgendwie nebenbei die Lebensläufe fast aller Beteiligten und viele viele Anekdoten. Mir hat es jedenfalls gefallen

Veröffentlicht am 02.08.2019

Traurig, düster, ohne Hoffnung

Der Gott am Ende der Straße
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Es sind schwierige Zeiten. Die Welt scheint sich zurück zu entwickeln. Tiere, Pflanzen, auch die Menschen bringen Arten früherer Spezies zur Welt: Säbelzahnkatzen, urtümliche Gewächse. Und Cedar erwartet ...

Es sind schwierige Zeiten. Die Welt scheint sich zurück zu entwickeln. Tiere, Pflanzen, auch die Menschen bringen Arten früherer Spezies zur Welt: Säbelzahnkatzen, urtümliche Gewächse. Und Cedar erwartet ihr erstes Kind. Um mögliche Erbkrankheiten zu erkennen, nimmt sie Kontakt zu ihrer indianischen Mutter auf, die sie als Baby zur Adoption freigab. Die Begegnung ebenso wie ihr Stiefvater Eddie beeindrucken sie sehr und trotz der unsicheren Zeit um sie herum kehrt Cedar halbwegs ruhig zurück. Doch dann beginnt man, Schwangere festzunehmen ohne Angabe von Gründen; niemand weiß Genaueres. Cedar versucht mit ihrem noch ungeborenen Kind zu entkommen, doch die Gefahr rückt immer näher.
Sie schreibt all das Geschehene ebenso wie ihre Gedanken und Gefühle in einen Brief an ihr Ungeborenes, wobei Letzteres vielleicht der Grund ist, dass ich mich nicht so richtig begeistern konnte. Zum Einen verliert sie sich immer wieder in religiösen Überlegungen, die fast esoterisch anmuten; zum Andern werden die verschiedenen Entwicklungsstadien eines Embryos derart detailliert beschrieben, dass ich mich zeitweise beinahe in einem Biologiebuch wähnte.
Die zentrale Geschichte beginnt tatsächlich erst nach circa 100 Seiten. Bis dahin steht die Begegnung Cedars mit ihrer biologischen Mutter im Vordergrund und es gibt nur indirekte Hinweise, dass etwas Ungeheures in der Gesellschaft vor sich geht. Was genau geschieht, klärt sich jedoch auch nicht bis zum Ende. Alles, der Zustand des Landes, der Welt, werden lediglich angedeutet und klar ist nur: Gebärfähige Frauen sind eine Gefahr, werden aber dringend gebraucht. Da Alles ausschließlich aus der Perspektive Cedars erzählt wird, bleibt der Blick nach draußen sehr begrenzt.
Eigentlich ist es keine schlechte Idee für eine Dystopie: Die Evolution läuft rückwärts, wir entwickeln uns nach und nach oder auch schneller wieder zurück. Doch leider ist die Idee in diesem an sich gut zu lesenden Buch nicht ausgereift, sodass es in der Hauptsache bei einer düsteren Geschichte einer werdenden Mutter bleibt. Schade!

Veröffentlicht am 01.08.2019

Herrliche Bilder und eine lesenswerte Geschichte

Du träumst wohl?
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Wer kennt nicht dieses Gefühl, dass es da Andere gibt, die Alles haben und man selbst praktisch nichts? Selbst den Kleinen dürfte diese Form von Neid und Selbstmitleid nicht fremd sein und damit das nicht ...

Wer kennt nicht dieses Gefühl, dass es da Andere gibt, die Alles haben und man selbst praktisch nichts? Selbst den Kleinen dürfte diese Form von Neid und Selbstmitleid nicht fremd sein und damit das nicht so bleibt, hilft es vielleicht, dieses Bilderbuch zu lesen.
Der kleine Hund verliert sich in Tagträumen, in denen er plötzlich so ist wie der von ihm beneidete große Hund Bully: stark, reich, mutig, schön. Und Bully steht an seiner Stelle und beneidet ihn nun um Alles. Aber nur, bis .... Und das ist die Überraschung, die wahrscheinlich auch die Kleinen verstehen werden.
Erzählt wird auf jeder Doppelseite in kindgerechten vierzeiligen Versen, die schöne und amüsante Wortkreationen beinhalten:
"Weil ICH dann hochhausriesig wär
und DU ganz schnirkelschneckchenklein.
ICH wär ein Bratwurstmillionär,
DU fändest das gemein!"
Die dazugehörigen Illustrationen sind herzallerliebst Die Seiten mit dem tollen Hund sind bunt mit relativ viel rot, die anderen eher dunkel gehalten in grau-braun. Dazu kommen viele kleine Details, die man nicht unbedingt gleich beim ersten Mal entdeckt, sodass auch beim zweiten und dritten Lesen immer wieder etwas Neues gefunden werden kann. Beispielsweise ein klitzekleines Zelt, aus dem zwei Augen hervorlugen und das auf jeder Doppelseite vorkommt. Oder die Verbots- und Erlaubnissschilder, die stets auf etwas Anderes hinweisen.
Eine richtig schöne Lektüre für Klein und Groß!

Veröffentlicht am 25.07.2019

Jugend im Dritten Reich - eindringlich und bedrückend erzählt

Wo die Freiheit wächst
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1942 nehmen wir für mehrere Monate teil am Leben der 16jährigen Lene aus Köln. Der II. Weltkrieg ist in vollem Gange, immer öfter fallen Bomben und die Menschen verbringen zahlreiche Nächte im Keller. ...

1942 nehmen wir für mehrere Monate teil am Leben der 16jährigen Lene aus Köln. Der II. Weltkrieg ist in vollem Gange, immer öfter fallen Bomben und die Menschen verbringen zahlreiche Nächte im Keller. Während Lene hauptsächlich damit beschäftigt ist ihre Ausbildung zu machen und ihre Mutter und kleinen Geschwister zu versorgen, versucht sie dennoch, sich etwas Freiraum zu beschaffen. Zeiten, in denen man sich einfach des Lebens freuen kann. Als sie Erich kennenlernt, verbringen sie immer mehr Zeit zu zweit sowie mit seinen FreundInnen zum Wandern und Singen abseits der Hitlerjugend, was nicht gerne gesehen wird. Und bald merkt sie, dass es noch mehr gibt, was die jungen Menschen verbindet.
Erzählt wird in Briefen, die sich Lene meist mit ihrer besten Freundin schreibt, die zum Arbeitsdienst nach Schlesien geschickt wurde, sowie mit ihrem großen Bruder Franz, der im Osten an der Front ist. Und natürlich nicht zu vergessen Erich, von dem sie wider Erwarten öfter getrennt ist als ihr lieb ist. Alle beschreiben sehr bildhaft die Schrecken in ihrer Umgebung, wobei insbesondere durch Franz' Berichte schnell deutlich wird, wie geschönt die Radiomeldungen über den Kriegsverlauf sind.
Am ausführlichsten fallen Lenes Briefe aus, die detailliert über die Angriffe auf Köln erzählt. Aber sie vergisst auch nicht die anderen Gräueltaten in dieser Zeit: wie Menschen einfach verschwinden, weil sie etwas Falsches gesagt haben oder keine Arier sind. Die junge Frau macht sich ihre eigenen Gedanken, die deutlich von der herrschenden Meinung abweichen und die sie aus lauter Empörung nicht bei sich behalten kann.
Der Autor hat diese entsetzliche Zeit durch die Augen der jungen Menschen nach meinem Empfinden gut wiedergegeben, sodass man beim Lesen nur denken kann: So etwas darf NIE WIEDER passieren!
Dennoch: Zwei kleine Dinge haben mich etwas gestört. Zum Einen ist der Tonfall aller Briefe der gleiche. Würde man nicht auf den Inhalt achten, könnte man nicht sagen, wer gerade schreibt, was ich mir bei einem Soldaten an der Front und einem 16jährigen Mädchen nicht so ganz vorstellen kann.
Das Andere ist, dass ich mir einen etwas anderen Schwerpunkt des Buches vorgestellt hatte. Laut Untertitel handelt es um den Widerstand der Edelweißpiraten, tatsächlich aber sind Lene und ihre Familie der Mittelpunkt. Schade darum, denn darüber hätte ich schon gerne mehr erfahren. Trotzdem: ein lesenswertes Werk!