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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.04.2019

Unterhaltsamer, spannender Schmöker mit einigen Schönheitsfehlern

Das Verschwinden der Stephanie Mailer
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In einer kleinen Stadt beschäftigt sich die talentierte Journalistin Stephanie Mailer mit einem Verbrechen, das 20 Jahre zurückliegt. Vier Menschen wurden damals ermordet und der Täter nach langen Untersuchungen ...

In einer kleinen Stadt beschäftigt sich die talentierte Journalistin Stephanie Mailer mit einem Verbrechen, das 20 Jahre zurückliegt. Vier Menschen wurden damals ermordet und der Täter nach langen Untersuchungen ermittelt. Doch Stephanie Mailer hat Zweifel an diesem Ergebnis und es gelingt ihr, die damals mit dieser Angelegenheit beauftragten Cops mit ihren Zweifeln anzustecken. Als sie auch noch als vermisst gemeldet wird, ist bald Allen klar: Dieser alte Fall ist noch immer nicht abgeschlossen.
Wer den Erstling ‚Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert‘ von Joël Dicker gelesen hat, wird schnell feststellen, dass eine Reihe von Ähnlichkeiten vorhanden ist: ein lang zurückliegender Fall; viele unerwartete Wendungen; die meisten Personen haben etwas zu verbergen; das Offensichtliche ist garantiert nicht die Wahrheit. Doch leider erreicht dieses dritte Buch des Autors nicht die Qualität von ‚Harry Quebert‘.
Je länger die Suche nach der Wahrheit andauert, umso mehr Figuren stehen zumindest zeitweise im Mittelpunkt, deren Geschichte ebenso wie die aller Anderen ausführlich erzählt wird. Leider auch dann, wenn sie mit dem eigentlichen Fall nichts bzw. nur wenig zu tun haben, sodass man sich fragt: Wozu dafür nun 50 oder mehr Seiten? Kein Zweifel, Joël Dicker kann erzählen. Aber warum bei einer derart komplexen Geschichte noch zusätzliche Episoden hinzugefügt werden, die zum eigentlichen Ganzen nichts beitragen, bleibt mir unverständlich. Vielleicht um die 600er-Seitenzahl zu überschreiten?
Das zweite Manko ist die Exzentrik einzelner Figuren, insbesondere die des ehemaligen Chief Kirk Harvey. Diese Witzfigur ist derart überzogen dargestellt, dass ich sie nicht ernst nehmen konnte und mich immer wieder kopfschüttelnd fragte: ‚Was soll das?‘ Völlig unglaubwürdig wird es, als er trotz seines abstrusen Verhaltens (erinnerte mich ein bisschen an Rumpelstilzchen) umschmeichelt und verehrt wird, anstatt ihn einfach vor die Luft zu setzen.
Doch trotz meiner Mäkeleien ist es ein spannender und unterhaltsamer Krimi, der darauf hoffen lässt, dass das vierte Buch des Autors es durchaus wieder mit der Qualität von ‚Harry Quebert‘ aufnehmen kann.

Veröffentlicht am 15.04.2019

Ein packender, abwechslungsreicher Einwanderinnenroman im New York der 40er Jahre

Eine eigene Zukunft
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Eine neue Heimat, eine unbekannte Sprache, fremde Gesichter - es ist wirklich eine neue Welt, die die drei spanischen Schwestern Victoria, Mona und Luz im Jahre 1936 in New York eher widerwillig betreten. ...

Eine neue Heimat, eine unbekannte Sprache, fremde Gesichter - es ist wirklich eine neue Welt, die die drei spanischen Schwestern Victoria, Mona und Luz im Jahre 1936 in New York eher widerwillig betreten. Ihr Vater hat sie und ihre Mutter aus dem armen Südeuropa geholt, um für sich und seine Familie in Amerika ein neues Leben aufzubauen. Ein Restaurant soll dies ermöglichen, El Capitán, und obwohl die Aussichten nicht sehr rosig sind, arbeiten sie weiter und weiter. Bis der Vater bei einem Unfall stirbt und keine der Frauen mehr weiß, wie es weitergehen soll. Zurück wollen sie, nach Spanien, doch sie haben Schulden und die Überfahrt ist teuer. Da eröffnet sich ihnen eine ungeahnte Möglichkeit, die sie umgehend nutzen wollen; doch plötzlich gibt es eine weitere Chance, die noch erfolgversprechender scheint.
Es sind aufregende Monate und Jahre, in denen man die sehr unterschiedlichen Schwestern auf ihren Wegen in der neuen Heimat begleitet. Die Autorin beschreibt das Leben der Drei beispielhaft für die vielen (sicherlich nicht nur) spanischen ImmigrantInnen, die mit viel Mühe danach streben, sich eine neue Existenz aufzubauen. Ohne die Hilfe und Solidarität ihrer schon länger dort lebenden Landsleute hätten sie vermutlich kaum eine Chance, denn immer wieder geraten sie an Menschen, die versuchen, ihre prekäre Existenz zum eigenen Vorteil auszunutzen. Obwohl alle Drei starke Persönlichkeiten mit einem unbeugsamen Willen sind, kommen sie angesichts windiger Künstleragenten und krimineller Rechtsanwälte doch an ihre Grenzen.
Ein allwissender Erzähler begleitet die Geschichte, sodass man nicht nur die Schwestern im Blick hat sondern auch jene, die sie unterstützen und ihnen zugetan sind. Vielleicht ist dies der Grund, weshalb man den Hauptfiguren nicht so nahe kommt, wie es in manch anderen Büchern der Fall ist. Die Szenenwechsel sind manchmal abrupt und es gilt so Vieles im Blick zu behalten, dass es auf diese Weise einfach schwierig ist, eine größere Nähe zu den Protagonistinnen aufzubauen. Trotzdem ist es eine unterhaltsame und lesenswerte Lektüre, die zudem zeigt, wie mühsam es ist, sich ein neues Leben in der Fremde aufzubauen.

Veröffentlicht am 05.04.2019

Unser Nächster ist jeder Mensch, besonders der, der unsere Hilfe braucht. (Luther)

Unter Heiligen
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Ein scheinbar einfacher Satz, der jedoch alles andere als einfach umzusetzen ist. Davon erzählt dieses Buch in einer ungewöhnlich schlichten Sprache, die vielleicht gerade deshalb umso eindringlicher wirkt.
Während ...

Ein scheinbar einfacher Satz, der jedoch alles andere als einfach umzusetzen ist. Davon erzählt dieses Buch in einer ungewöhnlich schlichten Sprache, die vielleicht gerade deshalb umso eindringlicher wirkt.
Während eines kalten Winters im Jahre 1888 im Staate Utah wartet Deborah wie jedes Jahr auf die Rückkehr ihres Mannes Samuel, der mehrere Monate zum Arbeiten unterwegs ist. Sie leben in einer kleinen Siedlung, die aus acht Familien besteht und ebenfalls Mormonen sind. Alle haben sich dort ein neues Leben aufgebaut, etwas entfernt von ihrer Kirche mit ihren autoritären und strengen Regularien. Doch sie fühlen sich weiter ihrer Glaubensgemeinschaft verbunden, sodass sie Mitgliedern, die wegen Polygamie auf der Flucht sind, helfen, auch wenn sie deren Einstellung nicht teilen. Als es eines Abends an Deborahs Tür klopft, ist ihr klar, dass sie helfen muss. Doch sie ahnt nicht, dass sie damit ihre ganze Umgebung in große Gefahr bringt. Und ihre Hilfe noch viel stärker beansprucht werden wird.
Beginnt man mit dem Lesen dieses Buches, ist man vermutlich zu Beginn etwas verwundert über die doch sehr einfache Sprache. Die Sätze sind häufig kurz, fast schon knapp: "Entsetzen durchfuhr mich. Ich stand auf. Der Raum schwankte. Ich setzte mich an den Tisch." Man sollte sich etwas Zeit lassen, um sich an diesen Stil zu gewöhnen, denn recht bald schon kann man sich gut in das Innenleben der Protagonisten hinein versetzen. Erzählt wird immer wieder abwechselnd nach mehreren Kapiteln aus der Sicht Deborahs und dem Stiefbruder ihres Mannes Nels, deren Erlebnisse sowie steten Gedanken (oder Selbstgesprächen) man begleitet.
Zu Beginn ist Deborah voller Angst, Samuel kehrt einfach nicht zurück, und sie überlegt ständig, was wäre wenn. Sie beschwört das Schlimmste herauf und vielleicht gerade durch diese schlichte Sprache entwickelt sich ein unterschwelliges Gefühl der Gefahr, die langsam aber unvermeidbar auf die Siedlung zukommt. Später begleitet sie ihre Handlungen mit stets wiederkehrenden Gedanken, die letzten Endes um die Frage kreisen: "Kümmere ich mich um den Menschen in Not, auch wenn es für meine Lieben Nachteile und/oder Gefahr bedeuten könnte?" Man spürt ihre Schwierigkeiten, hier eine Antwort zu finden, und fühlt sich selbst fast ebenso betroffen. Mir ist es zumindest so ergangen.
Eine Geschichte (nicht nur) über das Gebot der Nächstenliebe und wie schwierig es ist, tatsächlich danach zu leben.

Veröffentlicht am 05.04.2019

Actionreicher Thriller vor historischem Hintergrund

Sojus
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1956, während des Kalten Krieges, bietet ein ungarischer Geheimpolizist dem Westen ein Dossier an mit den Namen von KGB-Agenten und -Doppelagenten. Andreas Eckart, der sich nach einer verheerenden Gefangenschaft ...

1956, während des Kalten Krieges, bietet ein ungarischer Geheimpolizist dem Westen ein Dossier an mit den Namen von KGB-Agenten und -Doppelagenten. Andreas Eckart, der sich nach einer verheerenden Gefangenschaft in der US-amerikanischen Psychiatrie zurückgezogen hat, wird von einem früheren Mitstreiter kontaktiert, mit ihm gemeinsam dieses Dossier aus Budapest herauszuholen. Keine einfache Aufgabe, da nach der Invasion der Sowjetunion ein Aufstand tobt und bürgerkriegsähnliche Verhältnisse herrschen.
Im ersten Viertel des Buches geht es gleich richtig zur Sache: Andreas Eckart wird aus einer streng bewachten US-amerikanischen psychiatrischen Klinik in einem showdownähnlichen Schachzug befreit und in Sicherheit gebracht. Wow, für solch eine Aktion brauchen manch andere AutorInnen gut und gerne 300 Seiten
Ähnlich actionreich geht es weiter vor dem Hintergrund des Ungarnaufstandes. Keine Frage, der Autor weiß wovon er schreibt und schildert detailliert die Ursachen, die zu diesem Aufstand führten. Dennoch wirkte es auf mich mehr wie eine Kulisse, vor der sich die eigentliche Geschichte abspielt, denn es hätte sich genauso gut auch während der sowjetischen Invasion der Tschechoslowakei ereignen können. Vielleicht liegt es daran, dass die beiden Protagonisten kein Teil dieser Gesellschaft waren und somit sämtliche Ereignisse praktisch aus dritter Hand erfuhren.
Während ich die Actionszenen praktisch durchweg als packend und spannend empfand, hatte ich hingegen mit den 'gefühligen' Situationen Eckarts so meine Schwierigkeiten. Nicht dass ich so etwas nicht gerne lese. Aber in dieser Form passte es einfach nicht zu ihm: "Sammelte die Scherben seiner Liebe auf..." oder "Was die Waage zur Neigung brachte ...". Natürlich ist er ein nachdenklicher Mensch, der sich Gedanken über seine Vergangenheit und den Sinn des Lebens macht, aber nicht mit einer derart romantisierenden Attitüde.
Sieht man diesen Mäkeleien ab, ist es ein richtig actionreicher Thriller, bei dem ich nun nur noch frage: Wann kommt die Verfilmung?

Veröffentlicht am 26.03.2019

Ein Loblied auf die Dorfgemeinschaft

Der Wal und das Ende der Welt
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Wir leben in einer Welt voller Abhängigkeiten: Fällt ein Teil aus und es läuft gut, wird und muss es umgehend durch ein anderes ersetzt werden. Im Normalfall klappt das auch reibungslos, doch gelingt dies ...

Wir leben in einer Welt voller Abhängigkeiten: Fällt ein Teil aus und es läuft gut, wird und muss es umgehend durch ein anderes ersetzt werden. Im Normalfall klappt das auch reibungslos, doch gelingt dies nicht, können die Konsequenzen entsetzlich sein.
St. Piran, ein winziges Dorf in Cornwall. Dort wird ein lebloser junger Mann am Strand gefunden, der von den DorfbewohnerInnen wieder aufgepäppelt wird. Es ist der junge Joe Haak, der Analyst bei einer Bank war. Sein Job war es, Abhängigkeiten in der Welt zu erkennen und bei Veränderungen Prognosen anzufertigen. Er war gut darin, so gut, dass er gemeinsam mit KollegInnen ein Programm erstellte, das zahllose Abhängigkeiten überwacht und damit für ein paar Tage die Zukunft vorhersagen kann. Als die Prognosen seines Programms jedoch nicht zu stimmen scheinen, flüchtet er nach St. Piran, weil er glaubt, dass alle in den Ruin getrieben worden sind. Zuvor hatte er noch im Auftrag seines obersten Chefs einige Szenarien durchgespielt, um festzustellen, in welchen Fällen es zum Kollaps kommen könnte, und der Gedanke daran lässt ihn nicht in Ruhe. So ergreift er nach seiner Rettung am Strand Vorsorgemassnahmen - für das gesamte Dorf.
Wer eine Neigung verspürt, sich angstvoll Weltuntergangsszenarien hinzugeben, dürfte mit dieser Lektüre seine Ängste wahrscheinlich noch etwas vergrössern. Auch wenn der Grundtenor optimistisch stimmt, sind die Überlegungen des Protagonisten hinsichtlich eines Totalzusammenbruchs der Zivilisation nicht von der Hand zu weisen. Mehrfach wird dargestellt, wie wenig es eigentlich dazu braucht, dass unsere scheinbar so sichere Welt in Trümmer zerfällt. Ein, zwei Tage ohne Strom und schon versiegt der Nachschub an frischen Lebensmitteln, einige Tage mehr und auch haltbare Nahrungsgüter gehen zur Neige. Alles was mit Strom betrieben wird, fällt aus: kein Wasser, keine Heizung, kein Sprit, kein Licht. Und der Kampf ums Überleben beginnt. So in etwa ist die Vorstellung von Joe Haak und dennoch hofft er, dass er mit seinen Vorsorgemassnahmen in St. Piran das Schlimmste verhindern kann.
Auch wenn das Buch sehr hoffnungsvoll und zuversichtlich auf das Überleben der Menschheit blickt, fand ich es dennoch nicht allzu überzeugend. Zu positiv sind all die BewohnerInnen des kleinen Dorfes St. Piran beschrieben, nicht ein Mensch ist darunter, der gegen die Gemeinschaft handelt (wenn, dann kommt er von aussen, wie eh alles Schlechte). Und selbst wenn es in diesem kleinen Ort funktioniert, was ist mit den Grossstädten? Dort, wo Selbstversorgung praktisch nicht möglich ist und Hunger und Not viel viel früher eintreten?
So ist es eine gut geschriebene, nette, unterhaltsame und gefühlvolle Geschichte, die ein Loblied auf die dörfliche Gemeinschaft und deren Zusammenhalt anstimmt. Während das eigentliche Thema (Der Mensch ist des Menschen Wolf - oder nicht?) bedauerlicherweise nur oberflächlich gestreift wird.