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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.09.2018

Spannender Krimi mit viel Zeitgeschichte

Die Tote im Wannsee
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Heller, 32jähriger Kommissar der Berliner Mordkommission, ermittelt im Jahre 1968 in einem Mordfall einer jungen Frau. Eigentlich eher Routine, doch von allen Seiten werden ihm bei den Ermittlungen Steine ...

Heller, 32jähriger Kommissar der Berliner Mordkommission, ermittelt im Jahre 1968 in einem Mordfall einer jungen Frau. Eigentlich eher Routine, doch von allen Seiten werden ihm bei den Ermittlungen Steine in den Weg gelegt, bis er sogar von dem Fall abgezogen wird. Doch Heller gibt nicht auf: Irgendetwas ist hier faul, oberfaul.
All dies geschieht vor dem Hintergrund der studentischen Unruhen, die die Autoren gekonnt mit dem Kriminalfall verknüpfen. Auch die Schilderung der gesellschaftlichen Verhältnisse ebenso wie die damaligen Arbeitsbedingungen der Berliner Mordkommission wirken glaubwürdig und authentisch, wenn auch kaum vorstellbar. Ermittlungen ohne Handy und DNA-Spuren? Unglaublich
Die Hauptfigur Heller ist erfreulicherweise im Vergleich zu vielen anderen KrimikollegInnen erstaunlich bodenständig und erfreut sich bester Gesundheit - keinerlei Alkohol- oder Drogenprobleme Doch er ist ausreichend komplex angelegt, um auch über sein Arbeitsgebiet hinauszudenken, was Raum für zusätzliche Spannungselemente offen lässt.
Wolf Heller als ermittelnder Kommissar gibt hier ein überzeugendes Debüt mit jeder Menge Potential für weitere Folgen. Ich würde mich freuen!

Veröffentlicht am 09.09.2018

Eine grauenerregende Zukunftsvision

Die Hochhausspringerin
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Julia von Lucadou entwirft in ihrem ersten Roman eine Welt, in der Alles und Jedes dem ökonomischen Prinzip unterworfen ist, ganz im Sinne der herrschenden Unternehmen. Die Menschen verpflichten sich (scheinbar ...

Julia von Lucadou entwirft in ihrem ersten Roman eine Welt, in der Alles und Jedes dem ökonomischen Prinzip unterworfen ist, ganz im Sinne der herrschenden Unternehmen. Die Menschen verpflichten sich (scheinbar freiwillig!), ihr Dasein in Gänze den Unternehmen zu widmen, mit denen sie einen Vertrag schließen. Dazu stehen sie unter permanenter Überwachung, ob sie auch alles dafür tun, gesund und leistungsfähig zu bleiben. Also Sport, Entspannung, gesundes Essen usw. Verstöße werden umgehend in Form von Vermerken und medizinischen Pflichtterminen geahndet, schlimmstenfalls erfolgt eine Degradierung. Da sich selbst die 'Aufzucht' der Menschen nach ökonomischen Kriterien richtet (Brutmaschinen, Internate - natürliche Familien vermindern die Leistungsfähigkeit durch Schwangerschaft, Pflege der Kinder usw.), vermissen die Leistungsträger jedoch nichts und genießen ihre scheinbaren Privilegien wie saubere Umgebung, schöne Wohnung, Ausstattung usw., leben jedoch ständig unter Druck, nicht mehr zu genügen und vielleicht absteigen zu müssen; in die Peripherien, wo die Unterschicht lebt.
Riva ist eine dieser Leistungsträgerinnen und scheint alles zu haben, wovon der Rest nur träumt. Doch eines Tages verweigert sie ohne Angaben von Gründen ihre Arbeit, das Hochhausspringen. Hitomi, eine junge, karriereorientierte Psychologin, soll Riva wieder motivieren, doch das gestaltet sich wesentlich komplizierter als erwartet. Statt Verbesserungen bei ihrer Patientin zu erreichen, geht es Hitomi immer schlechter, je mehr sie sich mit diesem Fall befasst.
Es ist eine grauenvolle Welt, die hier entworfen wird, ohne Gefühle und soziale Bindungen, denn diese haben keinen ökonomischen Nutzen. Doch sind wir tatsächlich noch so weit davon entfernt? Riva erinnert mit ihrer ständigen Verfügbarkeit auf sämtlichen Mediakanälen, sehr manchen (PseudCelebrities, die rund um die Uhr online zu sein scheinen. Und die permanente gesundheitliche Überwachung unter dem Deckmantel einer mütterlichen/väterlichen Fürsorge (Ich meine es doch nur gut mit Dir - damit Du ganz schnell auch wieder ganz viel arbeiten kannst) existiert doch heute bereits, wenn auch (noch) nicht in dieser übertriebenen Form. Noch erfolgt die Bekanntgabe der eigenen Leistungs- und Gesundheitsdaten freiwillig; man muss sich nur in den diversen Sportforen umschauen. Doch schon längst sind sie auch zu Kriterien bei der Beurteilung potentieller BewerberInnen geworden.
Julia von Lucadous Buch ist ein Warnsignal vor einer Zukunft, deren erste Anzeichen sich bereits bei uns entdecken lassen. Wehret den Anfängen!

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  • Cover
  • Geschichte
  • Erzählstil
  • Atmosphäre
  • Idee
Veröffentlicht am 25.08.2018

Mehr Psychogramm als Thriller

Ins Dunkel
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Wer einen packenden Thriller lesen möchte, ist bei dem zweiten Band dieser Reihe definitiv falsch. Spannung baut sich hier nur langsam auf, und das große Bibbern wird man beim Lesen vermutlich auch nicht ...

Wer einen packenden Thriller lesen möchte, ist bei dem zweiten Band dieser Reihe definitiv falsch. Spannung baut sich hier nur langsam auf, und das große Bibbern wird man beim Lesen vermutlich auch nicht bekommen
Einige MitarbeiterInnen eines großen Finanzunternehmens machen, getrennt nach Geschlecht, eine Wochenendwanderung in einem riesigen Waldgebiet. Zum vereinbarten Treffpunkt am Ende trifft die Frauengruppe schwer mitgenommen mit deutlicher Verspätung ein - doch eine Teilnehmerin fehlt. Sofort werden aufwändige Suchmaßnahmen eingeleitet, auch vor dem Hintergrund, dass ausgerechnet diese Frau die Informantin der Steuerfahndung ist, die kurz davor steht, dem Unternehmen umfangreiche Geldwäscheaktivitäten nachweisen zu können.
SteuerfahnderInnen als Hauptfiguren in einem Thriller? Mutet erst einmal etwas seltsam an, doch auch dieses Thema kann vermutlich sehr spannend sein. In diesem Buch jedoch spielen Carmen und Aaron, beide bei der Steuerfahndung, eher schon eine Nebenrolle. In zwei sich abwechselnden Erzählsträngen wird zum einen über die Suche nach der vermissten Alice berichtet, was zumindest zu Beginn eher etwas langatmig daherkommt. Was soll man auch schon groß über eine Suchaktion berichten? Im Gegensatz dazu rollt der zweite Teil das Geschehen von hinten auf: der Aufbruch der Frauengruppe, die ersten Reibereien untereinander usw.. Diesen Part fand ich deutlich interessanter und auch spannender, denn es knirschte an allen Ecken und Ecken und ich fragte mich, wann und zwischen wem es zum großen Knall kommt.
Die Autorin legt zudem eine ganze Reihe möglicher Spuren zu eventuellen TäterInnen, von denen sich zumindest manche etwas allzu beliebig in Luft auflösen. Von den Beteiligten hat in gewisser Weise wirklich beinahe jede/r irgendwie Dreck am Stecken, aber bedauerlicherweise wird dies, ebenso wie viele der Konflikte, nur oberflächlich dargestellt. Schade, denn ich glaube, etwas mehr Tiefe hätte der Geschichte gut getan.
So bleibt es bei einer netten, mal mehr, mal weniger spannenden Unterhaltung, die in den tiefen Wäldern Australiens spielt.

Veröffentlicht am 11.08.2018

NUR eine neue Verschwörungstheorie? Wer weiß - auf jeden Fall spannende Zeitgeschichte

Die letzte Terroristin
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Zwanzig Jahre ist es her, dass die Rote Armee Fraktion (RAF) ihre Selbstauflösung verkündet hat. Doch bis heute sind nur wenige Täter und Täterinnen der Dritten Generation von 1985 bis 1993 bekannt und ...

Zwanzig Jahre ist es her, dass die Rote Armee Fraktion (RAF) ihre Selbstauflösung verkündet hat. Doch bis heute sind nur wenige Täter und Täterinnen der Dritten Generation von 1985 bis 1993 bekannt und verhaftet worden. Viele der Morde und Attentate dieser damaligen Zeit sind noch immer unaufgeklärt und lassen somit viel Raum für Theorien jeglicher Art.
Auch André Georgi nutzt diesen Freiraum und stellt eine fiktive Terroristin in den Mittelpunkt seines neuen Thrillers, während viele der weiteren handelnden Figuren deutlich realen Personen zuzuordnen sind. Schnell lassen sich die im Buch beschriebenen Attentate den ermordeten Managern Alfred Herrhausen und Detlev Karsten Rohwedder zuordnen; zwei der Terroristen stellen mit großer Wahrscheinlichkeit Birgit Hogefeld und Wolfgang Grams dar. Georgi hält sich bei den Beschreibungen der Tatabläufe eng an die bekanntgegebenen Ereignisse, wohingegen sich die im Hintergrund ablaufenden Geschehnisse vermutlich an dem Buch 'Das RAF-Phantom' von Gerhard Wisnewski, Wolfgang Landgraeber und Ekkehard Sieker orientieren.
Gekonnt verbindet er diese beiden Ebenen zu einem bis ans Ende spannenden Thriller, der eine Enthüllung anbietet, die unglaublich klingt, aber auf den zweiten Blick vielleicht doch überhaupt nicht so abwegig scheint. Hinzu kommt ein für ein solches Genre ungewöhnlicher Schreibstil: Manche der Sätze tropfen geradezu vor Ironie, Sarkasmus und teilweise sogar ein bisschen Bösartigkeit, dass es eine wahre Freude ist Dass sie dabei gelegentlich etwas ausufern und ein wenig zu komplex geraten - geschenkt. Ein packendes Leseerlebnis!

Veröffentlicht am 11.08.2018

Übers Erwachsenwerden, launig erzählt von einer altklugen 13jährigen

Weit weg von Verona
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Bücher liest man ja mit den unterschiedlichsten Erwartungen. Sie sollen einem Gefühle vermitteln, Spannung, Lehrreiches und/oder schlicht die Zeit vertreiben. Dieses Buch entspricht wohl mehr dem Letzteren, ...

Bücher liest man ja mit den unterschiedlichsten Erwartungen. Sie sollen einem Gefühle vermitteln, Spannung, Lehrreiches und/oder schlicht die Zeit vertreiben. Dieses Buch entspricht wohl mehr dem Letzteren, wobei es jedoch unfair wäre, es als 'bloße' Unterhaltungsliteratur abzutun, denn dafür ist es viel zu schön geschrieben. Vielleicht ist es eher ein Jugendbuch, denn eine 13jährige erzählt hier von ihrem Leben in England während des II. Weltkrieges. Und das so unglaublich schnodderig und altklug, wie 13jährige halt mal so sind - offenbar nicht allzu viel anders als heutzutage.
Die 13jährige Jessica lebt mit ihren eher unkonventionellen Eltern in einem kleinen Ort an der Küste, wo sie ein Leben führt wie vermutlich viele andere 13jährige auch. Doch sie ist anders als die meisten ihrer gleichaltrigen Schulkameradinnen. Zum einen weiß sie stets, wann jemand lügt, zum andern muss sie immer die Wahrheit sagen - nicht unbedingt zur Freude aller Anwesenden. Doch das stört Jessica nicht, denn sie hat eine unglaubliche Abneigung gegen jede Form der Anpassung. Eine ungemein sympathische 'Heldin' - unerschrocken und neugierig, die selbst in den brenzligsten Situationen (wie beispielsweise einem Bombenangriff) nicht den Kopf verliert.
Jane Gardam trifft den Ton dieses jungen Mädchens so überzeugend, dass ich keine Minute daran zweifelte, ihr persönlich zuzuhören. Wunderbar zu lesen, auch wenn es keine großartigen Höhepunkte gibt, wie Manche bemängeln. Einfach eine schöne Geschichte!