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Veröffentlicht am 16.07.2023

Entlarvender Kriminalroman aus dem Salzburger Land

Bleiche Erben
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"Bleiche Erben - Inspektor Ruprecht und die Schönheit" ist der zweite Band einer Salzburger Krimireihe von Ernst Kaufmann. Erschienen ist das Buch im Salzburger Traditionsverlag Anton Pustet. Das Cover ...

"Bleiche Erben - Inspektor Ruprecht und die Schönheit" ist der zweite Band einer Salzburger Krimireihe von Ernst Kaufmann. Erschienen ist das Buch im Salzburger Traditionsverlag Anton Pustet. Das Cover hebt sich vom üblichen Krimi-Cover B - Kein Wunder, ist es doch ein Werk des Autors, wie der Klappentext verrät. Die Gestaltung des Vorgänger- und Nachfolgebandes sind im ähnlichen Stil, was ich bei einer Reihe nicht unwichtig finde. Auch erfahren wir dort, dass es gewisse Parallelen zwischen Ernst Kaufmann und Inspektor Martin Ruprecht gibt. Der Text zum Buch ist ein angenehmer Teaser, es wird nicht zu viel verraten. Auch die Haptik des Buches gefällt mir, es liegt gut in der Hand.

Das Buch liest sich angenehm, der Sprachstil ist flüssig und es gibt keine inhaltlichen Brüche.

Da ich den ersten Band (noch) nicht kenne, waren alle auftretenden Personen neu für mich. Hier liegt eine Schwachstelle des Buches, denn es war für mich anfangs nicht so einfach, mir den Inspektor und andere Protagonisten vorzustellen. Eine Person konnte ich bis zum Schluss nicht richtig einordnen. Mit Martin Ruprecht bin ich dennoch warm geworden, ein angenehmer und gebildeter Mensch mit ein paar netten bourgeoisen Marotten und Vorlieben (Oldtimer, gutes Essen, Zigarre, Jazz).

Mir gefällt wie langsam und akribisch sich aus ersten Splittern ein Fall herauskristallisiert. Wie genau Ruprecht recherchiert, untersucht und analysiert. Wie ein Jagdhund, der eine Fährte aufgenommen hat. Darin liegt aus meiner Sicht die eigentliche Spannung des Buches. Es geht darum, wer eigentlich verantwortlich ist für das Unrecht, welches hier aufgezeigt wird, und wer zur Verantwortung gezogen werden kann. Dabei geht es um internationale Verstrickungen, einen Konzernchef, die Aufsichtsbehörde und weitere Personen, die für Geld bereit sind alles zu tun.

Fazit: ich bin neugierig geworden auf den ersten Band, ebenso wie auf den angekündigten Folgeband. Sehr gerne vergebe ich für "Bleiche Erben" 4,5 Sterne.

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Veröffentlicht am 16.07.2023

Ein Meisterwerk der Erzählkunst über einen Menschen am Rande der Gesellschaft

Im Tal
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"Sich wegdenken, nichts an sich heranlassen und einfach nur tun. Wie blind handeln, wie taub. Keine Vergangenheit, keine Zukunft, einfach sein."
Die Fränkische Schweiz, heute ein beleibte Tourismus- und ...

"Sich wegdenken, nichts an sich heranlassen und einfach nur tun. Wie blind handeln, wie taub. Keine Vergangenheit, keine Zukunft, einfach sein."
Die Fränkische Schweiz, heute ein beleibte Tourismus- und Wanderregion, war bis weit in das 20. Jahrhundert hinein eine karge und abgelegene Region, Das Leben dort war hart und geprägt von Entbehrungen. Tommie Goerz nimmt uns in seinem Roman "Im Tal" mit auf eine Zeitreise, die im Jahr 1968 endet. Wir erleben die Welt aus der Sicht von Anton Rosser, einem einfachen Mann, der unter widrigsten Umständen aufwächst und sein Leben lang keine Chance auf ein glückliches Leben erhält. Goerz beschreibt in einer Sprache, die diesem Leben angemessen ist, die vielen traumatischen Erlebnisse, die dieser Mensch erleiden muss. Man hat das Gefühl, dem Toni über die Schulter zu blicken. Das macht die Lektüre so intensiv. Sein Leben ist ein stetiges Überleben, sein Sterben so trostlos wie sein Leben. Ein Leben am Rande der Gesellschaft, ein Leben in der Natur, die nicht romantisierend dargestellt wird, ein Leben voll harter Arbeit, durchbrochen von zwei Weltkriegen und ihren Grausamkeiten. Dieses Buch hat mich tief berührt und gehört mit Sicherheit zu den besten Neuerscheinungen dieses Jahres.

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Veröffentlicht am 16.05.2023

Flowerpower und Behördenmief - Spannender Auftakt einer neuen Krimiserie um die ersten Frauen bei der Düsseldorfer Kriminalpolizei 1969

Die Kriminalistinnen. Der Tod des Blumenmädchens
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"Wenn du es bei der Polizei zu etwas bringen willst, musst du die Spielchen beherrschen und mitspielen. Das ist kein Kindergarten, das ist Hierarchie mit Hauen und Stechen. Und für euch Frauen wird es ...

"Wenn du es bei der Polizei zu etwas bringen willst, musst du die Spielchen beherrschen und mitspielen. Das ist kein Kindergarten, das ist Hierarchie mit Hauen und Stechen. Und für euch Frauen wird es nicht einfacher werden." (S. 307)
Düsseldorf 1969; Lucia Specht gehört zu der Handvoll Frauen, die erstmalig die Möglichkeit erhalten, als Quereinsteigerinnen in den gehobenen Polizeidienst einzusteigen. Die jungen Frauen treffen dabei auf die miefige Behördenatmosphäre der damaligen Zeit. Kaffee und Zigaretten, Hierarchie und der eine oder andere alte Nazi, Intrigen und Seilschaften - eine Männerwelt par excellence. Doch Lucia und ihre Kolleginnen sind mutig, eigenwillig und stark, und bereit neue Wege zu gehen.

Meine anfängliche Skepsis, ob es einem männlichen Autor gelingen kann, einen Krimi aus der Sicht einer Frau zu schreiben, hat sich schnell in das Gegenteil verwandelt. Berg gelingt es ganz vorzüglich, die Situation und das Empfinden der Frauen in der damaligen Zeit darzustellen. Chapeau! Emanzipation und Feminismus waren noch nicht sehr weit fortgeschritten, die rechtliche Situation gerade der verheirateten Frauen war katastrophal. Man kann gar nicht oft genug daran erinnern, dass die heutigen Freiheiten nicht vom Himmel gefallen sind, sondern hart erkämpft werden mussten. Das Recht auf Berufstätigkeit und freie Berufswahl, das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und die Möglichkeit ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Lucia und ihre Kolleginnen sind - manchmal schmerzhaft - mit diesen Herausforderungen konfrontiert.

Mathias Berg beschreibt die damalige Zeit sehr atmosphärisch und detailreich. Ich fühlte mich beim Lesen in meine Kindheit zurückversetzt. Berg trifft es auf den Punkt, die Zeit so zu beschreiben, wie sie war: Kneipen und Clubs, Hippiefeten, Sex & Drugs & die Musik von Mendocino bis Aquarius, damalige Inn-Getränke und Rauchgewohnheiten (über zwei kleine Fehlerchen bei der damaligen Technik konnte ich ohne Probleme hinwegsehen). Einfach super!

Als Auftakt einer neuen Serie nimmt auch das Privatleben von Lucia und ihren Kolleginnen einen breiten Raum ein. Das stört mich überhaupt nicht, denn gerade dadurch wird die Zeit plastisch und lebendig. Ich freue mich jetzt schon auf die Fortsetzung!

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Veröffentlicht am 15.05.2023

Mord mit Dialekt und Lederhosen

Salzburger Männerherzen
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Bereits zum dritten Mal hat mich Natascha Keferböck nach Koppelried, jenes fiktive Dorf im Salzburger Umland, in dem Raphi Aigner für Recht und Ordnung sorgt. Und offenbar geht ihm die Arbeit nicht aus. ...

Bereits zum dritten Mal hat mich Natascha Keferböck nach Koppelried, jenes fiktive Dorf im Salzburger Umland, in dem Raphi Aigner für Recht und Ordnung sorgt. Und offenbar geht ihm die Arbeit nicht aus. Gut so, denn so ist wieder ein hervorragender Cozy Krimi entstanden, der mich wunderbar unterhalten hat.

Ganz Koppelried ist auf den Beinen, die - wenn sie männlich sind - in Lederhosen und Haferlschuhen stecken. Auch Raphi kommt anfangs als Trachtler daher, wenn auch nicht ganz freiwillig. Und es geht wild zu auf dem Volksfest. Die Autorin versteht es wieder einmal großartig mit viel schrägem Humor das Dorf zum Leben zu erwecken. Jede Menge schräge Typen begegnen uns auf den 336 Seiten. Hier wäre ein kleines Personenregister hilfreich gewesen. Sie sind detailreich beschrieben, so dass das Dorf und seine Bewohner mir nach nun drei Bänden fast so vertraut sind wie meine Nachbarn. Und natürlich wird Dialekt gesprochen, wie es sich im Regionalkrimi gehört! Ein Glossar erleichtert das Verständnis, aber eigentlich braucht man das gar nicht, denn man versteht den Sinn des Gesagten in der Regal auch dann, wenn man ein Wort dazwischen nicht kennt. Und wenn das so weitergeht, dann kann ich bald österreichisch fluchen! Herrlich.

Das Privatleben von Raphi und seiner Familie kommt auch nicht zu kurz. Wie üblich ist es ganz schön verwickelt, und am Ende kommt noch ein neuer Erzählfaden hinzu, und lässt auf eine Fortsetzung hoffen.

Der Kriminalfall ist gewohnt spannend: am Morgen nach dem Volksfest liegt der schöne Lokalpolitiker Lammer erschossen in seinem Pool. Und in seinem Bett liegt neben der Dorfschönheit Klara der kreuzbrave Polizist Schorsch, mit Schmauchspuren an den Fingern. Aber ist er wirklich der Täter? Darüber hinaus beunruhigt eine Einbruchserie die Landbevölkerung. Es gibt also genug zu ermitteln für Raphi und seine Kollegen, die dabei ins Visier des Landeskriminalamts geraten. Die Ermittlerin vom LKA ist heuer meine Lieblingsfigur, denn sie hat meine Lachmuskeln ordentlich arbeiten lassen.

Fazit: 5 Sterne für ein Lesevergnügen, dass hoffentlich seine Fortsetzung findet!

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Veröffentlicht am 12.04.2023

Menschen, die auf Bildschirme starren - eine verworrene Klima-Dystopie

°C – Celsius
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In Marc Elsbergs neuestem Buch "°C - Celsius" gibt es ein Motiv, dass sich ständig wiederholt: Menschen starren auf Bildschirme, Monitore, Handys oder in ihre AR-Brillen und lassen die Lesenden aus dieser ...

In Marc Elsbergs neuestem Buch "°C - Celsius" gibt es ein Motiv, dass sich ständig wiederholt: Menschen starren auf Bildschirme, Monitore, Handys oder in ihre AR-Brillen und lassen die Lesenden aus dieser Perspektive teilhaben an den spektakulären Ereignissen globalen Ausmaßes. Alle starren sie: Journalisten, Politiker und Regierungen, Wissenschaftler, Klimaaktivisten - sie starren viel und handeln wenig.


Es geht um ein sehr aktuelles Thema. Schon auf dem Einband wird die Frage gestellt: “Wenn Sie das Klima beeinflussen könnten, wen würden Sie vor der Katastrophe retten?” Der Mensch beeinflusst das Klima spätestens seit der industriellen Revolution (tatsächlich schon viel länger) in einer Art und Weise, die den Fortbestand der Welt, wie wir sie kennen, bedroht. Erderwärmung und Klimawandel, die daraus resultierenden sozialen und globalen Konflikte scheinen aktuell trotz aller Lippenbekenntnisse politisch nicht lösbar zu sein. Aber gibt es vielleicht eine technische Lösung? Das Zauberwort heißt Geoengineering und meint die vorsätzliche Beeinflussung des Klimas. In Elsbergs Klima-Dystopie beginnt China ohne Absprache mit den anderen Nationen der Welt mit einem spektakulären Projekt: Unser vulnerabler Planet soll eine Art Schutzschild erhalten, einen Sonnenschirm. Kann das gelingen und wird der Rest der Welt dabei einfach tatenlos zusehen? Wie wirken sich Klimaveränderungen auf die globale Wohlstandsverteilung aus? Und was ist technisch möglich und ethisch vertretbar?


Wie gewohnt, hat sich Marc Elsberg sehr intensiv in die wissenschaftlichen Grundlagen und das Für und Wider des Themas eingearbeitet. Es gelingt ihm auch gut, seine Recherchen allgemeinverständlich darzustellen - allerdings viel zu ausführlich und viel zu oft mit einem erhobenen Zeigefinger. In einem Interview mit der Kulturzeit auf 3sat vom 10.03.23 sagt Elsberg selbst, dass es die Kunst des Autors sei, die recherchierten Informationen zu verdichten. Er hätte auch 2000 Seiten zu diesem Thema schreiben können.


Tatsächlich sind es 608 Seiten geworden, und aus meiner Sicht ist es Elsberg eben nicht gelungen, die Materie ausreichend zu verdichten. Aber das ist nicht der einzige Grund, warum mir das Buch leider gar nicht gefällt. Ich möchte nicht zu viel vom Inhalt verraten, deshalb kann und will ich in dieser Rezension nicht ins Detail gehen. Was uns in "°C - Celsius" begegnet ist eine Ansammlung dystopisch-apokalyptischer Szenarien, die teilweise aus einem Science-Fiction-Film stammen könnten. Was als spannender Thriller beginnt, verliert sich in verworrenen Handlungsfetzen, unterbrochen von Zeitsprüngen, chaotischen Perspektivwechseln und nicht immer nachvollziehbaren Wechseln zwischen der Realität de Buches und reiner Fiktion. Dabei benutzt Elsberg redundante Stilmittel, Worte, Gespräche, ganze Szenarien wiederholen sich.


Ein weiteres Manko des Buches besteht für mich darin, dass die zahlreichen Protagonisten nicht wirklich als Charaktere auftraten. Sie wirken wie Schablonen, ohne Tiefgang, ohne innere Entwicklung. Da verwundert es nicht, dass die meisten Figuren nicht einmal Namen erhalten, sondern nur in ihrer Funktion beschrieben werden. Die namentlich erwähnten Protagonisten tauchen in einem Personenregister am Anfang des Buches auf, welches eher so wirkt wie ein Schmierzettel, den jemand beim Lesen erstellt hat, um nicht den Überblick zu verlieren. Was fehlt ist ein Glossar, in dem die zahlreichen englischsprachigen Fachbegriffe des internationalen politischen Diskurses erklärt werden. Selbst wer des Englischen mächtig und mit der Thematik vertraut ist, muss sich deshalb den einen oder anderen Ausdruck ergoogeln.


Für einen Thriller hatte diese Dystopie leider zu wenig Handlung. Mich hat Elsberg ab S. 285 leider nicht mehr begeistern können, und so verschwand nach und nach nicht nur die Leselust - das Lesen wurde tatsächlich zur Qual. 285 von 608 Seiten reichen leider nicht aus, um ein Buch noch empfehlen zu können. Schade, denn das Buch hätte das Potential für einen bewegenden Thriller in sich getragen. Und der Autor hat z.B. mit Blackout bewiesen, dass er eigentlich auch dazu in der Lage ist, einen Pageturner zu schreiben.

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