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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.02.2023

Kitsch und Kuscheln kann so schön sein

Der Mordclub von Shaftesbury – Eine Tote bleibt selten allein
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Manchmal braucht es einen bestimmten Moment um sich in einem Buch wohl zu fühlen. Zum Glück habe ich den ersten Band von "Der Mordclub von Sheftesbury - eine Tote bleibt selten allein" diesen Moment erwischt. ...

Manchmal braucht es einen bestimmten Moment um sich in einem Buch wohl zu fühlen. Zum Glück habe ich den ersten Band von "Der Mordclub von Sheftesbury - eine Tote bleibt selten allein" diesen Moment erwischt. Nach einigen themenschweren Romanen kam mir die locker flockige Erzählung von Emily Winston gerade recht.
Doch hoppla, hier sollte man direkt aufklären:
1. Emily Winston ist das Pseudonym von Angela Lautenschläger
2. So wenig britisch wie die Autorin ist auch das Buch, in dem es nur so von Klischees über das britische Landleben wimmelt, quasi Inspector-Barnaby hochpotenziert - aber dabei wird immer wieder deutlich, dass die Autorin aus Deutschland kommt.
3. Es ist eigentlich kein Kriminalroman, denn der Kriminalfall spielt nur eine untergeordnete Rolle. Es gibt auch nicht reihenweise Tote, wie der Titel vermuten lässt. Und auch den Mordclub sucht man vergeblich.

Warum das Buch trotzdem 3,5 Sterne von mir erhält?
Es ist ein kuscheliger Landhausroman, flott geschrieben, oft witzig, und bevölkert von lauter netten Menschen. Und manchmal ist das genau das Richtige fürs Gemüt. Das fängt bereits beim schön gestalteten Cover an. Mir gefällt die grelle Gestaltung in orange und pink, und ich bin froh, dass auf dem Titel keine Frau mit Hut oder langen Haaren in der Landschaft herumsteht und auf ein Schloss blickt ;=)

Allerdings sollte das Buch nicht unter Kriminalroman firmieren, wenn es eigentlich nur cozy und kein bisschen crime ist. Dem Folgeband würde ich dennoch eine Chance geben.

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Veröffentlicht am 09.02.2023

Ein Buch über die Unterdrückung einer Religion

Der Kreis
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Die Jesiden sind eine ethnisch-religiöse Gruppe, die ursprünglich im nördlichen Irak, im nördlichen Syrien und in der südöstlichen Türkei lebten. Die Geschichte dieser Ethnie ist eine Geschichte der Unterdrückung ...

Die Jesiden sind eine ethnisch-religiöse Gruppe, die ursprünglich im nördlichen Irak, im nördlichen Syrien und in der südöstlichen Türkei lebten. Die Geschichte dieser Ethnie ist eine Geschichte der Unterdrückung und Verfolgung. Dies setzt sich bis heute fort - zuletzt durch den sogenannten Islamischen Staat (IS), der die Versklavung und Ermordung der Jesiden mit dem Ziel ihrer Auslöschung propagiert hat.

Der Autor Jan Ilhan Kizilhan, Orientalist und Psychologe, hat sich auf den Schwerpunkt Traumatologie spezialisiert. Er beschäftigt sich hauptberuflich mit den Opfern der Terrormiliz IS und hat neben diversen Fachbüchern auch populärwissenschaftliche Bücher und Romane veröffentlicht In "Der Kreis" (einem symbolhaften Titel, deessen Bedeutung ich hier nicht auflösen möchte) bleibt der Thematik der religiösen und ethnischen Verfolgung aber auch hier treu. Nach dem Vorbild der jesidischen Heiligen Begê Samur (1894-1956) hat er seine Hauptfigur, die Heilerin Aziza erschaffen. Die Geschichte ist fiktiv und Kizilhan wechselt in einer interessanten Mischung zwischen der sachlichen Beschreibung der historischen und politischen Spannungslage zum Ende des Osmanischen Reiches und der manchmal fast märchenhaften tiefenpsychologischen Erzählung von Azizas Visionen hin und her. Das Buch ist anspruchsvoll und dennoch sehr gut zu lesen. Die Lesenden erfahren die Hintergründe der bis heute währenden Konflikte innerhalb des türkischen Staates. Nicht leicht zu verkraften sind die Beschreibungen der sexualisierten Gewalt gegen Frauen.

Ein großes Thema ist die Zwangsislamisierung der jesidischen Dörfer gegen Ende des Osmanischen Reiches. Aziza bleibt trotz aller Verlockungen und Widrigkeiten dem jesidischen Glauben treu. Hier beginnt für mich die schwierige Gratwanderung, denn auch der jesidische Glaube ist monotheistisch und weist strenge Regeln auf, die - nicht nur - Frauen bis heute unterdrücken. Aus diesem Grund bin ich bis zum Ende des Buches mit der Protagonistin Aziza nicht warm geworden. Auch sie ist nicht frei von Intoleranz, und bricht aus religiösen Gründen mit ihrer eigenen Familie. Auch ihre Visionen waren für mich eher befremdlich.

Insgesamt ist die Beschreibung der Wirren und der Gewalt in dieser historischen Umbruchphase zugleich lehrreich als auch dystopisch. Auf 366 Seiten beschreibt Kizilhan, was Menschen einander antun können, und wie die Religionen dazu missbraucht werden, dieses Handeln zu rechtfertigen. Keine leichte Unterhaltungslektüre, aber eine lesenswerte und verständliche Einführung in eine schwierige Thematik.

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Veröffentlicht am 08.02.2023

Actionthriller im Eis der Antarktis

Der Riss
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Ein Antarktis-Thriller - Ausgangsort der Handlung ist die deutsche Polarforschungsstation Neymayer III. Hierhin begibt sich die Vulkanologin Antonia Rauwolf, um ihren verschollenen Kollegen Pietro Malatesta ...

Ein Antarktis-Thriller - Ausgangsort der Handlung ist die deutsche Polarforschungsstation Neymayer III. Hierhin begibt sich die Vulkanologin Antonia Rauwolf, um ihren verschollenen Kollegen Pietro Malatesta zu ersetzen. Die Zeit drängt, denn sie soll vor dem Einbruch des antarktischen Winters erforschen, wie aktiv die neu entdeckten Vulkane sind und welche - unter Umständen - globale Gefahr von Ihnen ausgeht. Doch Antonia verfolgt ihr eigenes Ziel. Sie will ihren mit Malatesta ebenfalls verschollenen Bruder Emilio finden und retten. Schnell wird klar, dass es sich bei dem Verschwinden der beiden nicht um einen tragischen Unfall gehandelt hat, sondern dass skrupellose Kriminelle am Werk sind.

Autor des Buches ist ein deutscher Schriftsteller und Wissenschaftsjournalist, der mit "Der Riss” unter dem Pseudonym Thilo Winter im Genre der Thriller debütiert.

Meine Erwartungshaltung an das Buch war hoch, denn die Antarktis mit ihrer wundervollen und einmaligen Landschaft und eine Polarstation mit einer interdisziplinären Besatzung ließen mich auf einen realitätsnahen und dennoch spannenden Roman hoffen. Leider wurde diese Hoffnung sehr schnell enttäuscht.

So hält sich der Autor nicht lange mit Naturbeschreibungen auf. Die Antarktis ist im Wesentlichen nur eine Kulisse, in der es kalt und lebensbedrohlich zugeht. Man merkt dem Buch durchaus an, dass Thilo Winter sich mit der Antarktis auseinandergesetzt und zu diesem Setting recherchiert hat. An manchen Stellen überfrachtet er das Buch geradezu mit all seinen Erkenntnissen: die neuere Geschichte der Antarktis, die Geologie, die Bedeutung des arktischen Eisschildes für die Weltbevölkerung, die Rohstoffvorkommen, der moderne Tourismus - all das wird thematisch angerissen und miteinander verwoben. Aber Winter bleibt dabei immer an der Oberfläche, kein Thema wird tiefgehender thematisiert. Für einen Wissenschaftsthriller - denn als solcher wird der Roman durch den Verlag beworben - ist mir das nicht genug. Zudem wird im Verlauf der Geschichte weder geforscht noch benehmen sich die Protagonisten so, wie man es im Kontext einer Polarstation erwarten würde.

Thilo Winter schafft es aus meiner Sicht nicht, überzeugende Charaktere zu erschaffen, mit denen ich hätte mitfiebern können. Antonia Rauwolf als Hauptperson der Geschichte ist ein gutes Beispiel dafür. Sie agiert von Anfang an wie eine einsame Actionheldin, teilt verbal aus, noch bevor jemand die Möglichkeit hat, ihr die Hand zu reichen und liefert sich nervtötende verbale Schlachten anstelle von zielführenden Dialogen. Keine der Figuren reflektiert das eigene Handeln, niemand entwickelt sich. Dadurch ist einiges im Handlungsablauf vorhersehbar. Der Schreibstil ist schnell und für meinen Geschmack zu hektisch. Häufige Perspektivwechsel und immer dramatischere Entwicklungen lassen den Lesenden wenig Spielraum für eigene Vermutungen. Aus dem Wissenschaftsthriller wird zunehmend ein Actionthriller mit Elementen aus SciFi und Fantasy.

Fazit: “Der Riss” ist ein Buch, das alles zugleich sein möchte und mich dadurch sehr enttäuscht hat.

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Veröffentlicht am 18.01.2023

Über das Leben in der Eifel zwischen 1919 und 1949

Ginsterhöhe
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"Es ist so schön hier, so friedlich", sagte Leni leise. "Man kann kaum glauben, dass so schreckliche Dinge passieren."

Wollseifen in der Eifel, 1919 - der Kriegsheimkehrer Albert kommt in sein Heimatdorf ...

"Es ist so schön hier, so friedlich", sagte Leni leise. "Man kann kaum glauben, dass so schreckliche Dinge passieren."

Wollseifen in der Eifel, 1919 - der Kriegsheimkehrer Albert kommt in sein Heimatdorf zurück. Nicht nur ihn hat der Krieg schwer gezeichnet. Mit der Kutsche bringt sein Vater ihn zurück auf den Hof, und im Tempo einer Kutschfahrt erzählt Anna Maria Caspari eine beeindruckende Geschichte. Ruhig und unaufgeregt beschreibt sie das dörfliche Leben und die sozialen und politischen Veränderungen in der Zeit zwischen 1919 und 1949. Dabei gelingt es ihr, den realen Schauplatz Wollseifen mit einer fiktiven Bevölkerung zu beleben. Im Mittelpunkt steht eben jener Albert mit seiner Familie, aber nach und nach führt die Autorin auch andere Personen ein.

Das Tempo ist so ereignisreich oder ereignislos, wie das damalige Dorfleben, in dem es vor allem körperlich anstrengende Arbeit gab. Schon die Kinder mussten mit anpacken, und die Jahreszeiten gaben den Rhythmus vor. Es gab weder Elektrizität noch ein Wasserklosett, ein Telefon und ein Auto waren die große Ausnahme. Das Leben in einem Eifeldorf hatte damals noch weniger mit dem Leben in Köln oder Berlin zu tun als heute. Und so ist auch die Erzählung nicht hektisch, sondern unaufgeregt. Erzählt wird, was in Erinnerung bleibt, Geburten, Hochzeiten, Todesfälle. Das Leben ist karg und die Menschen nehmen ihr Schicksal an.

Die große Politik wirkt sich auch auf das Dorfleben aus, Krieg, Inflation, der Versailler Vertrag mit seinen Grenzziehungen, aber es sind eben hier nicht die vielbeschworenen Goldenen Zwanziger. Die Außenwelt begegnet uns durch die Tagebuchaufzeichnungen des Dorflehrers. Sie gefallen mir als stilistisches Mittel sehr gut, da sie noch einmal eine andere Perspektive einfließen lassen. Auch die kleinen Zeitsprünge in der Erzählung finde ich passend.

Unberührt vom aufkommenden Nationalsozialismus bleibt das Dorf nicht. Ein NSDAP-Mitglied der ersten Stunde lässt sich in Wollseifen nieder und trägt - fiktiv - mit dazu bei, dass in unmittelbarer Nähe die sogenannte Ordensburg Vogelsang errichtet wird. Für Wollseifen bringt dies zwar zunächst einen wirtschaftlichen Aufschwung, am Ende aber nur Unheil. Vor allem aber verändert sich der einst gegebene Zusammenhalt der Dörfler. Caspari beschreibt, wie der Nationalsozialismus das Dorf schleichend spaltet, und die Menschen sich immer weniger trauen, offen miteinander zu sprechen. Wie Gewalt und Willkürakte zunehmen, und es dadurch immer gefährlich wird, wie zuvor füreinander einzustehen und miteinander zu leben.

Die persönlichen Schicksale werden erzählt und sie sind bewegend - Krieg, Gewalt, Euthanasie, Rassenwahn. Caspari beschreibt auch hier fast schon sachlich und lässt dadurch der Leserschaft Raum für eigenes Empfinden und eigene Emotionen.

Anna Maria Caspari hat mit ihrem Erstlingswerk “Ginsterhöhe” einen Roman geschaffen, der ganz in der Tradition der Antikriegsliteratur steht. Man merkt dem Buch an, dass sie sich eingehend mit der ungewöhnlichen Geschichte des Dorfes beschäftigt hat. Ergänzt wird der Roman durch sehr schön gestaltete Umschlagklappen mit alten Fotos von Wollseifen und einer Karte der Region.

"Ginsterhöhe" ist der erste Teil einer Trilogie. Band 2 mit dem Titel "Perlenbach" erscheint im Juli 2023 und steht bereits auf meiner Wunschliste. Band 1 erhält von mir eine klare Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 18.01.2023

Einfach Liebe - warum kann es nicht einfach sein?

Die Liebe an miesen Tagen
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Ein Roman über die Liebe? Droht da nicht jede Menge Kitsch zwischen zwei Buchdeckeln, seichtes Dahinplätschern auf rosaroten Wolken?

Ewald Arenz mach bereits mit dem Titel "Die Liebe an miesen Tagen" ...

Ein Roman über die Liebe? Droht da nicht jede Menge Kitsch zwischen zwei Buchdeckeln, seichtes Dahinplätschern auf rosaroten Wolken?

Ewald Arenz mach bereits mit dem Titel "Die Liebe an miesen Tagen" klar, dass seine Erzählung nicht diesem Klischee folgt. Das hätte man bei Arenz aber auch nicht erwartet. Der Autor ist spätestens seit " Alte Sorten" bekannt für seine sensible und poetische Sprache, für authentische Figuren mit all ihren Ecken und Kanten, und dafür, dass die Realität vor seinen Büchern nicht halt macht.

"Die Liebe an miesen Tagen" ist ein Beziehungsroman über Menschen, die mitten im Leben stehen, und dennoch das Wagnis einer neuen Liebe eingehen. Wie tief kann man sich fallen lassen, wenn man bereits Beziehungen durchlebt hat, kein Neuling mehr in Liebesdingen ist?

Es geht um Clara und Elias, die sich begegnen und ineinander verlieben. Clara ist Ende 40, Fotografin, verwitwet und Elias, Schauspieler und ein Jahrzehnt jünger, und voller Lebensgier. Ewald Arenz erzählt eine wunderschöne Liebesgeschichte, beschreibt zwei Menschen, die sich fallen lassen, und doch immer wieder reflektieren. Beiden ist gemein, dass sie mit der Sprache jonglieren, sich selbst offenbaren, ihre Ängste und Hoffnungen zum Ausdruck bringen.

Doch es wäre nicht Arenz, wenn das alles wäre. Seine Protagonisten sind authentisch, Menschen mittleren Alters, die einem Beruf nachgehen, die familiär gebunden sind , die Probleme bewältigen müssen wie Arbeitslosigkeit oder Erkrankungen naher Angehöriger - und noch viel mehr.

Man denkt immer, es trifft einen nicht. Tut es aber. Und dann denkt man, dass man dem Schicksal seine Schuld doch bezahlt hat und es einen dann nicht mehr trifft. Weil das erste Mal schon so unfair war. Aber es trifft einen doch. Ein zweites Mal und dann vielleicht auch ein drittes Mal, und es hört überhaupt niemals auf, weil es dem Schicksal oder Gott oder dem Leben einfach scheißegal ist, wie oft es dich trifft. " (S. 338)

Und das alles in einem Buch von 378 Seiten? Hier zeigt sich die Erzählkunst von Ewald Arenz, der spielerisch und dennoch feinfühlig auch die dramatischen und unvorhergesehenen Ereignis beschreibt, manchmal detailreich, dann wieder mit herbem, fast sarkastischen Humor, aber immer berührend, intensiv und lebensnah.

Ich habe mich wohlgefühlt bei der Lektüre. Abgerundet wird das Leseerlebnis durch das sehr schön gestaltete Cover, einen Buchdeckel mit einem haptisch erfahrbaren Stillleben, und - zu meiner Freude - einem Lesebändchen.

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