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Veröffentlicht am 16.08.2023

Gartenkrimi? - Ein Buch für alle Sinne

Perle vom Wienerwald
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Was bitte ist ein Gartenkrimi? Ein Krimi für Gartenliebhaber*innen? Ein Roman, in dem der Tatort in einem garten situiert ist? Und ist nicht am Ende sowieso der Gärtner immer der Mörder (m/w/d)?

"Die ...

Was bitte ist ein Gartenkrimi? Ein Krimi für Gartenliebhaber*innen? Ein Roman, in dem der Tatort in einem garten situiert ist? Und ist nicht am Ende sowieso der Gärtner immer der Mörder (m/w/d)?

"Die Perle vom Wienerwald" entpuppt sich nicht nur als eine historische österreichische Prachtrosenzüchtung, sondern liefert auch den Titel für den ersten Band einer neuen österreichischen Gartenkrimireihe um die Gärtnerin Toni und ihren Familienclan. Ein Wiener Cozy Crime mit vielen spannenden und liebenswerten Charakteren, bei dem es die Autorin Barbara Smrzka problemlos schafft, weder in die Kitschfallen des Cozy Crime noch in die Oberflächlichkeiten mancher Regionalkrimis hineinzutappen, die nur aus einer Aneinanderreihung regionaler Stereotypen in Kombination mit Straßen- und Restaurantnamen zu bestehen. Frau Smrzka kann mehr! Und sie hat die Pandemie dazu genutzt, dies unter Beweis zu stellen. Sie brilliert mit ihrem Debütroman vollkommen überzeugend und präsentiert der Leserschaft einen durch und durch gelungen Kriminalroman. Die Handlung ist stimmig. schlüssig und durchdacht, die Hintergründe sind erkennbar gut recherchiert, so wie man es sich von einer Ingenieurin und Bibliothekarin erhofft. Es ist ein spannender Krimi zum Miträtseln - das klassische Whodunit - und doch zugleich ein Wohlfühlkrimi.

Die Hauptperson Toni Schubert ist Teil einer Mehrgenerationen-Patchwork-Familie mit starken Frauen, interessanten Konstellationen und wirklich liebenswerten und lebensechten Charakteren, in der es aber natürlich auch Differenzen und zum teil ungelöste Konflikte gibt. Hier ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Die Familienkonstellation ist modern, und auch das Thema der sexuellen Orientierung nimmt einen Raum ein, der der heutigen Lebensrealität entspricht. Der klassische Bruderzwist kommt ebenso vor wie der Konflikt zwischen Generationen, und auch ein Nachbarschaftsstreit darf nicht fehlen. Es gibt historische Bezüge, botanische und kulturelle Wissensvermittlung und das ganze immer getragen von einer angenehmen Portion Humor und Wiener Schmäh.

An mancher Stelle hätte mir als "Piefke" (gibt es dafür eigentliche eine weibliche Form?) ein Glossar gewünscht, aber zumeist hat sich der Sinn aus dem Zusammenhang erschlossen. Dafür gibt es sowohl ein Personenverzeichnis, was anfangs recht hilfreich ist, als auch einen Faktencheck am Ende des Buches, was ich hervorragend finde, um aus der Romanfiktion wieder in die Realität zurückzukehren. Rein optisch und gestalterisch möchte ich das Cover erwähnen, welches tatsächlich zum Buchtitel und -inhalt passt, ebenso wie die schöne Idee der Kapiteluntertitel, die jeweils eine im Text vorkommende Pflanzenart beinhalten. So ist die "Perle vom Wienerwald" ein Buch für alle Sinne, optisch, linguistisch, kulinarisch, mit einer Idee vom Duft der Gartenwelt.

Voller Überzeugung vergebe ich 5 Sterne und freue mich auf einen Nachfolgeband.

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Veröffentlicht am 03.08.2023

Elbmarsch-Krimi Nummer sechs

Düstergrab
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Es fällt schwer, ein Buch zu bewerten, auf das mit großer Vorfreude gewartet hat, und das dann die hohen Erwartungen nicht ganz so erfüllt, wie erhofft. "Düstergrab" ist der sechste Band der Elbmarsch-Krimireihe ...

Es fällt schwer, ein Buch zu bewerten, auf das mit großer Vorfreude gewartet hat, und das dann die hohen Erwartungen nicht ganz so erfüllt, wie erhofft. "Düstergrab" ist der sechste Band der Elbmarsch-Krimireihe um Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn. Als Fan der Reihe und der Autorin weiß ich, dass ich bei Romy Fölck sehr gute und spannende Unterhaltung erwarten kann. Ich mag ihre Beschreibungen von Land und Leuten, ihre gekonnten Plots, die immer bis zum Ende spannend sind und die gut recherchierte Darstellung der polizeilichen Ermittlungsarbeit. All das begegnet uns auch in diesem Band. Romy Fölck spielt mit unterschiedlichen Zeit- und Handlungssträngen und schafft es immer wieder, die Leserschaft auf falsche Fährten zu führen. Auch die Erzählstränge zum Privatleben der beiden Hauptprotagonisten sind, wie gewohnt, gut in die Geschichte integriert. Frida und Bjarne sind sympathische Menschen, und wenn man die Vorbände gelesen hat, dann ist es ein bisschen wie ein Treffen mit alten Bekannten.
Aber leider kommt "Düstergrab" aus meiner Sicht nicht an die fünf Vorgänger heran. Der Plot wirkt mir zu konstruiert und die Auflösung kommt mir dann einfach zu schnell und überraschend. Ein bisschen wirkt es so, als ob das Buch unter Zeitdruck fertig werden musste. Außerdem gibt es diesmal einige Redundanzen im Text, die durch ein sorgfältigeres Lektorat hätten vermieden werden können.
Zudem bleibt ein wichtiger Charakter bis zum Ende für mich zu unscharf, seine inneren Konflikte und Beweggründe erschließen sich mir nicht.
Das macht "Düstergrab" nicht zu einem schlechten Buch, und ich vergebe vier Sterne. Ich freue mich auf Band 7 und werde ihn auf jeden Fall lesen.
Neulingen empfehle ich zuerst die anderen fünf Bände zu lesen und verspreche ihnen großartige Krimiunterhaltung.

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  • Spannung
Veröffentlicht am 23.07.2023

Geschichten, die die Armut schrieb

Dienstmädel in Bella Italia
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Sabine Peer hat erneut vier Lebensgeschichten aus Südtirol zu einem lesenswerten Buch zusammengefasst. Wie schon im ersten Band von "Dienstmädel in Bella Italia - Südtirolerinnen erzählen" begegnen wir ...

Sabine Peer hat erneut vier Lebensgeschichten aus Südtirol zu einem lesenswerten Buch zusammengefasst. Wie schon im ersten Band von "Dienstmädel in Bella Italia - Südtirolerinnen erzählen" begegnen wir in "Dienstmädel in Bella Italia - von den Bergdörfern in die Palazzi" jungen Frauen, die in den 50er und 60er Jahren als Haus- und Kindermädchen in die "Walsch" gegangen sind. "Walsch" ist der nicht freundliche gemeinte südtirolerische Ausdruck für das italienischsprachige Italien. Dank eines ausführlichen Glossars erklären sich solche Begriffe ebenso wie italienische Wörter, die in den Text eingeflossen sind. Schon allein dadurch wirken die Lebensgeschichte authentisch. Vor jeder Geschichte findet sich ein Foto aus der damaligen Zeit, so dass ich mir als Leserin auch optisch ein Bild von Rosa H., Waltraut, Lena und Rosa O. machen kann. Die Kapiteluntertitel verraten mir das Geburtsjahr und die Herkunft der jungen Frauen ebenso wie Zeitraum und Ort ihrer Dienstjahre.

So unterschiedlich die Lebensgeschichten auch sind, gemeinsam sind ihnen die Ausgangsbedingungen. Die Mädchen kamen allesamt aus armen Bergregionen Südtirols, aus kinderreichen Familien und waren an ein hartes bäuerliches Leben gewöhnt. Sie haben kaum eine Schulbildung erhalten, die den Namen verdient, sind dafür aber tief im katholischen Glauben verwurzelt und zu Gehorsam den Eltern gegenüber erzogen worden. Von Kindesbeinen an mussten sie in Haus und Hof mithelfen und sehr früh ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen. Gerade die Beschreibung dieses sozialen Hintergrunds ist eine der großen Stärken des Buches. Außerdem wird die Geschichte Südtirols, die damalige politische Lage aus zeitgenössischer Sicht erfahrbar.

Wie schon im ersten Band verdient auch hier eine jede Geschichte meine ganze Aufmerksamkeit und ich habe mir Zeit gelassen, diese nachwirken zu lassen. Ich würde mich sehr freuen, wenn es einen weiteren Folgeband geben würde.

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Veröffentlicht am 16.07.2023

Entlarvender Kriminalroman aus dem Salzburger Land

Bleiche Erben
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"Bleiche Erben - Inspektor Ruprecht und die Schönheit" ist der zweite Band einer Salzburger Krimireihe von Ernst Kaufmann. Erschienen ist das Buch im Salzburger Traditionsverlag Anton Pustet. Das Cover ...

"Bleiche Erben - Inspektor Ruprecht und die Schönheit" ist der zweite Band einer Salzburger Krimireihe von Ernst Kaufmann. Erschienen ist das Buch im Salzburger Traditionsverlag Anton Pustet. Das Cover hebt sich vom üblichen Krimi-Cover B - Kein Wunder, ist es doch ein Werk des Autors, wie der Klappentext verrät. Die Gestaltung des Vorgänger- und Nachfolgebandes sind im ähnlichen Stil, was ich bei einer Reihe nicht unwichtig finde. Auch erfahren wir dort, dass es gewisse Parallelen zwischen Ernst Kaufmann und Inspektor Martin Ruprecht gibt. Der Text zum Buch ist ein angenehmer Teaser, es wird nicht zu viel verraten. Auch die Haptik des Buches gefällt mir, es liegt gut in der Hand.

Das Buch liest sich angenehm, der Sprachstil ist flüssig und es gibt keine inhaltlichen Brüche.

Da ich den ersten Band (noch) nicht kenne, waren alle auftretenden Personen neu für mich. Hier liegt eine Schwachstelle des Buches, denn es war für mich anfangs nicht so einfach, mir den Inspektor und andere Protagonisten vorzustellen. Eine Person konnte ich bis zum Schluss nicht richtig einordnen. Mit Martin Ruprecht bin ich dennoch warm geworden, ein angenehmer und gebildeter Mensch mit ein paar netten bourgeoisen Marotten und Vorlieben (Oldtimer, gutes Essen, Zigarre, Jazz).

Mir gefällt wie langsam und akribisch sich aus ersten Splittern ein Fall herauskristallisiert. Wie genau Ruprecht recherchiert, untersucht und analysiert. Wie ein Jagdhund, der eine Fährte aufgenommen hat. Darin liegt aus meiner Sicht die eigentliche Spannung des Buches. Es geht darum, wer eigentlich verantwortlich ist für das Unrecht, welches hier aufgezeigt wird, und wer zur Verantwortung gezogen werden kann. Dabei geht es um internationale Verstrickungen, einen Konzernchef, die Aufsichtsbehörde und weitere Personen, die für Geld bereit sind alles zu tun.

Fazit: ich bin neugierig geworden auf den ersten Band, ebenso wie auf den angekündigten Folgeband. Sehr gerne vergebe ich für "Bleiche Erben" 4,5 Sterne.

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Veröffentlicht am 16.07.2023

Ein Meisterwerk der Erzählkunst über einen Menschen am Rande der Gesellschaft

Im Tal
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"Sich wegdenken, nichts an sich heranlassen und einfach nur tun. Wie blind handeln, wie taub. Keine Vergangenheit, keine Zukunft, einfach sein."
Die Fränkische Schweiz, heute ein beleibte Tourismus- und ...

"Sich wegdenken, nichts an sich heranlassen und einfach nur tun. Wie blind handeln, wie taub. Keine Vergangenheit, keine Zukunft, einfach sein."
Die Fränkische Schweiz, heute ein beleibte Tourismus- und Wanderregion, war bis weit in das 20. Jahrhundert hinein eine karge und abgelegene Region, Das Leben dort war hart und geprägt von Entbehrungen. Tommie Goerz nimmt uns in seinem Roman "Im Tal" mit auf eine Zeitreise, die im Jahr 1968 endet. Wir erleben die Welt aus der Sicht von Anton Rosser, einem einfachen Mann, der unter widrigsten Umständen aufwächst und sein Leben lang keine Chance auf ein glückliches Leben erhält. Goerz beschreibt in einer Sprache, die diesem Leben angemessen ist, die vielen traumatischen Erlebnisse, die dieser Mensch erleiden muss. Man hat das Gefühl, dem Toni über die Schulter zu blicken. Das macht die Lektüre so intensiv. Sein Leben ist ein stetiges Überleben, sein Sterben so trostlos wie sein Leben. Ein Leben am Rande der Gesellschaft, ein Leben in der Natur, die nicht romantisierend dargestellt wird, ein Leben voll harter Arbeit, durchbrochen von zwei Weltkriegen und ihren Grausamkeiten. Dieses Buch hat mich tief berührt und gehört mit Sicherheit zu den besten Neuerscheinungen dieses Jahres.

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