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Veröffentlicht am 15.09.2016

Unterschwelliger Horror vom Feinsten!

Das verlorene Dorf
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Das verlorene Dorf

Autor: Stephanie Kasper
Genre: Historisch, Mystery
Freigabe: keine
Erschienen: 20.04.2015
Seiten: 384
Einband: Taschenbuch
Verlag: Goldmann
ISBN: 978-3-442-47977-1
Preis: 9,99€ (D) ...

Das verlorene Dorf

Autor: Stephanie Kasper
Genre: Historisch, Mystery
Freigabe: keine
Erschienen: 20.04.2015
Seiten: 384
Einband: Taschenbuch
Verlag: Goldmann
ISBN: 978-3-442-47977-1
Preis: 9,99€ (D) / 10,30€ (A)

Rating: ♥♥♥♥


Inhalt

"Oberbayern 1843: Als sich die junge Waise Rosalie in den Bauern Romar verliebt, scheint sie ihr Glück gefunden zu haben. Doch die Waisenhausvorsteherin warnt Rosalie vor dieser Ehe und macht sonderbare Andeutungen. Rosalie heiratet Romar dennoch und folgt ihm in sein Heimatdorf, das tief im Wald verborgen liegt. Eines Nachts hört Rosalie ein Neugeborenes weinen, das am nächsten Tag als angebliche Totgeburt begraben wird. Dann kommt eine junge Frau, mit der Rosalie sich angefreundet hat, auf mysteriöse Weise zu Tode. Rosalie wird bald bewusst, dass in Romars Dorf nichts ist, wie es scheint – und dass auch sie selbst in tödlicher Gefahr schwebt ..." - Quelle: Verlag


Cover ♥♥♥♥♥

Das Cover von Das verlorene Dorf hat mich von Anfang an angesprochen: die düstere Farbgebung zwischen blau, grau und dunkelgrün trifft genau meinen Nerv und fühlt sich kühl und unheimlich an. Schaut man sich das Bild länger an, meint man beinahe die Feuchtigkeit des Nebels und die Kälte des wolkenverhangenen Himmels zu spüren und auch das raue 'KRAH KRAH' der Krähen und der erdige Geruch des Waldes kommen einem beim Betrachten ganz unwillkürlich in den Sinn. Zumindest geht es mir so. Aber vielleicht habe ich auch nur eine blühende Fantasie! Vergleicht man jedenfalls Cover und Inhalt wird man sehr schnell feststellen: kaum ein anderes Bild hätte die mulmig-düstere und bedrohlich-kalte Stimmung des Buches besser einfangen können als dieses. Man fühlt sich geradezu mitten im Wald, irgendwo in Haberatshofen und damit dem Grauen seiner Bewohner ausgesetzt. Wunderbar ausgewählt!


Charaktere ♥♥♥♥♥

Rosalie: Durch einen Gendefekt wurde Rosalie mit elfenbeinfarbener Haut, weißblonden Haaren und roten Augen geboren - sie ist ein Albino und damit damals wie heute ein äußerst seltener Anblick. Man kann sich sehr wohl vorstellen, in welche Schwierigkeiten sie ihr ungewöhnliches Äußeres bringt, besonders vor dem Hintergrund des noch immer sehr konservativen 19. Jahrhunderts: als Säugling von ihren Eltern mitten im Wald ausgesetzt, wurde sie von einer Kirchenschwester gefunden und im Waisenhaus großgezogen, doch bis auf ihre Ziehmutter und Retterin findet sie dort weder Zuneigung, Freunde oder irgendeinen Anschluss. Im Gegenteil - von so gut wie jedem um sie herum, seien es die anderen Schwestern oder die anderen Kinder, wird sie als "Nachmensch" und "Hexenkind" verstoßen und gefürchtet. Das ändert sich auch nicht, als Rosalie schließlich erwachsen wird und als Köchin in einem Waisenhaus versucht einen Platz im Leben zu finden. Als eines Tages Romar, ein Mann aus Haberatshofen, das Waisenhaus besucht und ihr schon nach kurzer Zeit seine tiefste Zuneigung beteuert, ändert sich ihr Leben drastisch. Sie wird seine Frau und geht mit ihm nach Haberatshofen, ein kleines Dorf mitten im Wald, das Fremde grundsätzlich ablehnt und dessen Einwohner kaum jemand zu Gesicht bekommt. Ich mag Rosalie, denn sie macht im Verlauf der Geschichte eine so unfassbare Wandlung durch, dass man nicht anders kann, als die ganze Zeit nur stolz auf sie zu sein: von der zurückgezogenen, wortkargen, unsicheren Rosalie ohne einen Platz in der Welt wird sie zu einer selbstbewussten, starken - und für das 19. Jahrhundert sogar "relativ" emanzipierten" - Ehefrau, die bereit ist alles zu geben, um die zu schützen, die sie liebt. Dabei ist sie manchmal sehr naiv, um nicht zu sagen gutgläubig, doch in Anbetracht der Tatsache, dass ihr oftmals nichts anderes übrig bleibt, als immer nur das Beste von allen zu denken, weil es sie sonst den einzigen Ort kosten könnte, der ihr je ein Zuhause war, ist psychologisch mehr als nachvollziehbar. Sie ging mir dabei niemals auf die Nerven und ich habe mit Rosalie gebangt, gelitten, gelacht und sie geliebt!

Romar: Als Romar das erste Mal auftaucht kam er mir schon suspekt vor: zotteliges Haar mit einem geflochtenen Bart, heruntergekommene Kleidung und mit dem Geruch des Waldes an seiner Haut, habe ich mir immer einen schrumpeligen Waldschrat vorgestellt. Mit der Zeit wandelte sich mein Bild von Romar, denn er entwickelt sich im Laufe des Buches sowohl für den Leser, als auch für Rosalie zu einem äußerst ambivalenten Charakter. Während man im einen Moment glaubt, dass er seine frisch angetraute Ehefrau liebt und ehrt, verhält er sich ihr gegenüber auf der anderen Seite immer wieder abweisend, hart und rau, sodass man plötzlich vom Gegenteil überzeugt ist. Genau wie alle anderen Dorfbewohner ignoriert er all ihre Fragen, all ihre Sorgen und Unsicherheiten und schweigt darüber, quält und grämt sich jedoch sichtlich dabei. Manchmal hätte ich ihn am liebsten geschüttelt oder geschlagen, damit er ihr endlich die Wahrheit sagt. Genau wie der Rest des Dorfes lässt Romar einen oft Zweifeln. Ist er eine Bedrohung für Rosalie? Wird er sie schützen? Liebt er sie? Liebt er sie nicht? Welche Verbrechen versucht er zu verstecken? Auch Romar habe ich geliebt. Trotz seiner stets Zweifel säenden Art hatte er etwas unfassbar Faszinierendes, das mich lange bei der Stange gehalten hat. Es fühlte sich an, als sei Romar der einzige Anhaltspunkt dafür, dass mit dem Dorf Haberatshofen etwas nicht stimmt und man erwartet ständig, dass die Wahrheit irgendwann aus ihm heraus bricht, während man gleichzeitig fürchtet, dass er Rosalie jederzeit in den Rücken fallen könnte. Trotz allem behandelt er sie, gerade für das noch immer patriarchalisch geprägte, deutsche 19. Jahrhundert, die meiste Zeit überraschend gut und auf ebenbürtiger Ebene. Nur in besonders verzweifelten Momenten erinnert er sie daran, dass sie seine Ehefrau ist und ihren Mann nicht hinterfragen sollte. Historisch nicht ganz korrekt oder vielleicht bloß eine ganz frische Liebe? Either way: Romar hat mir sehr gut gefallen!

Sara: Romars Cousine Sara war für mich genau wie Romar stets sehr ambivalent: Auf der einen Seite wirkt sie - anders als die anderen Haberatshofener - offen, aufgeschlossen, fröhlich und immer ehrlich und erschleicht sich damit nicht nur einen Platz in Rosalies Herzen, sondern auch in dem des Lesers. Auf der anderen Seite wirkt sie einfach immer zu perfekt, zu liebenswürdig und zu aufgeschlossen, sodass man die ganze Zeit Angst hat, dass Rosalie hier einer grandiosen Lügnerin auf den Leim geht, die bloß ihr Vertrauen erschleichen möchte. Dabei findet man weder beweise für Saras Unschuld, noch für ihre Schuld und das treibt einen durchweg in den Wahnsinn, besonders, wenn man Zeuge wird, welche Geheimnisse Rosalie ihrer Freundin Sara so alles anvertraut. Man ist darauf angewiesen, ihr einfach zu vertrauen, genau wie Rosalie es tut. Und trotzdem ist da immer dieser bohrende Zweifel, der besonders dann aufkeimt, wenn Sara genau wie Romar Rosalies Fragen einfach übergeht. Sehr gelungen!


Schreibstil ♥♥♥♥

Stefanie Kaspers Schreibstil ist zwar nicht übermäßig anspruchsvoll oder detailliert, dafür aber unglaublich feinfühlig, atmosphärisch und dem historischen Thema durchaus angemessen. Dabei fühlt er sich oft eigentümlich und genau im richtigen Maße altmodisch an, um genau in die Zeit zu passen, in der die Handlung spielt, ohne dabei die Zielgruppe 'Gelegenheitsleser' zu verfehlen. Dieser schmale Grad zwischen gut verständlicher und historisch angemessener Sprache hat mich sehr fasziniert. Besonders gut fand ich dabei die Beschreibungen des örtlichen und dörflichen Lebens, der hierarchisch-patriarchalisch geprägten Gesellschaft und der ärmlichen Einfachheit des Alltags. Gleichzeitig fühlt sich Kaspers Roman durch die relativ modern gezeichnete Figuren zeitlos an, sodass es mir - bevor ich die Jahreszahl kannte - relativ schwer viel, die Handlung einer bestimmten Epoche zuzuordnen. Die Geschichte hätte sich ebenso gut im 20. Jahrhundert abspielen können. Wichtige zeitgeschichtliche Themen wie Krieg, Krankheit, Armut, Hungersnot, etc. werden nur sehr leicht angerissen und weniger thematisiert. Das ist aber verzeihlich, denn die Handlung spielt sich ohnehin hauptsächlich in einem von der Gesellschaft abgeschiedenen Dorf ab, das unter seinen ganz eigenen Bedingungen und Regeln existiert. Erwartet man bei Das verlorene Dorf jedoch korrekte historische Fakten und Darstellungen, könnte man enttäuscht werden. Ansonsten hat mir die Mischung zwischen historisch, zeitlos und modern den Zugang zum Text eher erleichtert. Ganz besonders schön fand ich die sprachlichen Facetten "Emotion" und "Atmosphäre", die in diesem Roman besonders fein nuanciert ausgearbeitet sind. Man wird stets herausgefordert Worte und Handlungen einer Person start voneinander zu unterscheiden und dabei auf die kleinsten Veränderungen in ihrem Verhalten wahrzunehmen. Ein besonders schönes Beispiel hierfür ist die - in der Literaturgeschichte sehr, sehr bekannte - körperliche Reaktion auf die eigene Unehrlichkeit: Wenn ein Charakter ganz offensichtlich lügt, fährt er sich zumeist unbewusst mit den Fingern oder der Hand über den Mund. Als Literaturwissenschaftlerin habe ich mich über dieses sprachliche Detail in einem belletristischen Roman ganz besonders gefreut.


Handlung ♥♥♥♥

Es hat bei mir eine ganze Weile gedauert, bis ich so richtig in die Handlung des Buches reingekommen bin. Gerade zu Beginn hat es einige Längen, die sie für mich ganz besonders durch die Ungerechtigkeiten ergeben haben, denen Rosalie in ihrer Zeit im Waisenhaus ausgesetzt ist. Die ganze Zeit dachte ich: Nun ist es aber gut, wir wissen nun, dass Rosalie ein armes Mäuschen ist - aber was ist denn nun mit dem Dorf? Auch wollte ich mit Rosalies schüchterner Selbst-Ausgrenzung nicht so recht warm werden. Erst, als sie schließlich ins Dorf kommt, beginnt die Geschichte an Spannung zuzunehmen. Dabei vollführt die Handlung aber keinen rasanten, unfassbaren Schlenker, die einen vor Spannung fast vom Sitz pusten, sondern die Intensität - das "Gänsehaut-Feeling", das sich einstellt - steigt ganz langsam an und schickt dem Leser bohrende Zweifel, während sich Rosalie sich in ihrem gewöhnlichen Bäuerinnen-Dasein einlebt und dabei die Charaktere kennen und lieben lernt. Einzig und allein die Ahnung, dass etwas nicht stimmt und die dafür fehlenden Beweise halten den Leser bei der Stange und die gut gestreuten Vorfälle, die sowohl als Bedrohung, als auch als Zufall deutbar sind, erinnern einen regelmäßig daran, dass Rosalie sich in großer Gefahr befinden könnte. Mein Problem dabei: Sowohl Rosalie als auch der Leser werden sehr schnell gewarnt, das etwas mit dem Dorf nicht stimmt und die Hinweise sind zwar sporadisch gestreut, aber dabei oftmals so offensichtlich gestaltet, dass den Leser irgendwann nur noch die Naivität der Protagonistin Rosalie von der Wahrheit trennt. Soll heißen: Ich hatte das Geheimnis des Dorfes schon nach den ersten hundert Seiten entschlüsselt und musste darauf warten, dass Rosalie auch endlich dahinter kommt, oder zumindest anfängt, sich die Wahrheit einzugestehen. Nichtsdestotrotz sind Spannung und Atmosphäre des Buches so gut gewählt - und Rosalies Schicksal bleibt bis zum Schluss unvorhersehbar - dass ich das Lesen durchweg genossen habe.


Gesamtwertung ♥♥♥♥

Das verlorene Dorf hat mich mehr als nur überrascht. Da ich ohne große Erwartungen an das Buch herangegangen bin - und eigentlich auch gar keine Erfahrungen mit historischen oder mysteriösen Romanen habe - konnte ich eigentlich auch gar nicht groß enttäuscht werden. Mit seiner liebreizenden Protagonistin, seiner ungreifbaren gruselig-düsteren Atmosphäre, seiner schockierenden Grundthematik und seinem zeitlos-sprachlichen Aufbau hat mich Stefanie Kapers Roman komplett überzeugt und ich würde ihn sofort jedem ans Herz legen, der kein Problem mit moralisch verwerflichen oder grenzwertigen Themen und ein bisschen Grusel-Schauer hat. Wunderbar kurzweiliges Buch zur Halloween-Zeit und mit einem Ende, bei dem mir das Lachen im Hals stecken geblieben ist!


Spannung
♥♥♥♥
Romantik

Humor

Gewalt
♥♥♥
Action
♥♥

Veröffentlicht am 15.09.2016

Unterschwelliger Horror vom Feinsten!

Das verlorene Dorf
0

Das verlorene Dorf

Autor: Stephanie Kasper
Genre: Historisch, Mystery
Freigabe: keine
Erschienen: 20.04.2015
Seiten: 384
Einband: Taschenbuch
Verlag: Goldmann
ISBN: 978-3-442-47977-1
Preis: 9,99€ (D) ...

Das verlorene Dorf

Autor: Stephanie Kasper
Genre: Historisch, Mystery
Freigabe: keine
Erschienen: 20.04.2015
Seiten: 384
Einband: Taschenbuch
Verlag: Goldmann
ISBN: 978-3-442-47977-1
Preis: 9,99€ (D) / 10,30€ (A)

Rating: ♥♥♥♥


Inhalt

"Oberbayern 1843: Als sich die junge Waise Rosalie in den Bauern Romar verliebt, scheint sie ihr Glück gefunden zu haben. Doch die Waisenhausvorsteherin warnt Rosalie vor dieser Ehe und macht sonderbare Andeutungen. Rosalie heiratet Romar dennoch und folgt ihm in sein Heimatdorf, das tief im Wald verborgen liegt. Eines Nachts hört Rosalie ein Neugeborenes weinen, das am nächsten Tag als angebliche Totgeburt begraben wird. Dann kommt eine junge Frau, mit der Rosalie sich angefreundet hat, auf mysteriöse Weise zu Tode. Rosalie wird bald bewusst, dass in Romars Dorf nichts ist, wie es scheint – und dass auch sie selbst in tödlicher Gefahr schwebt ..." - Quelle: Verlag


Cover ♥♥♥♥♥

Das Cover von Das verlorene Dorf hat mich von Anfang an angesprochen: die düstere Farbgebung zwischen blau, grau und dunkelgrün trifft genau meinen Nerv und fühlt sich kühl und unheimlich an. Schaut man sich das Bild länger an, meint man beinahe die Feuchtigkeit des Nebels und die Kälte des wolkenverhangenen Himmels zu spüren und auch das raue 'KRAH KRAH' der Krähen und der erdige Geruch des Waldes kommen einem beim Betrachten ganz unwillkürlich in den Sinn. Zumindest geht es mir so. Aber vielleicht habe ich auch nur eine blühende Fantasie! Vergleicht man jedenfalls Cover und Inhalt wird man sehr schnell feststellen: kaum ein anderes Bild hätte die mulmig-düstere und bedrohlich-kalte Stimmung des Buches besser einfangen können als dieses. Man fühlt sich geradezu mitten im Wald, irgendwo in Haberatshofen und damit dem Grauen seiner Bewohner ausgesetzt. Wunderbar ausgewählt!


Charaktere ♥♥♥♥♥

Rosalie: Durch einen Gendefekt wurde Rosalie mit elfenbeinfarbener Haut, weißblonden Haaren und roten Augen geboren - sie ist ein Albino und damit damals wie heute ein äußerst seltener Anblick. Man kann sich sehr wohl vorstellen, in welche Schwierigkeiten sie ihr ungewöhnliches Äußeres bringt, besonders vor dem Hintergrund des noch immer sehr konservativen 19. Jahrhunderts: als Säugling von ihren Eltern mitten im Wald ausgesetzt, wurde sie von einer Kirchenschwester gefunden und im Waisenhaus großgezogen, doch bis auf ihre Ziehmutter und Retterin findet sie dort weder Zuneigung, Freunde oder irgendeinen Anschluss. Im Gegenteil - von so gut wie jedem um sie herum, seien es die anderen Schwestern oder die anderen Kinder, wird sie als "Nachmensch" und "Hexenkind" verstoßen und gefürchtet. Das ändert sich auch nicht, als Rosalie schließlich erwachsen wird und als Köchin in einem Waisenhaus versucht einen Platz im Leben zu finden. Als eines Tages Romar, ein Mann aus Haberatshofen, das Waisenhaus besucht und ihr schon nach kurzer Zeit seine tiefste Zuneigung beteuert, ändert sich ihr Leben drastisch. Sie wird seine Frau und geht mit ihm nach Haberatshofen, ein kleines Dorf mitten im Wald, das Fremde grundsätzlich ablehnt und dessen Einwohner kaum jemand zu Gesicht bekommt. Ich mag Rosalie, denn sie macht im Verlauf der Geschichte eine so unfassbare Wandlung durch, dass man nicht anders kann, als die ganze Zeit nur stolz auf sie zu sein: von der zurückgezogenen, wortkargen, unsicheren Rosalie ohne einen Platz in der Welt wird sie zu einer selbstbewussten, starken - und für das 19. Jahrhundert sogar "relativ" emanzipierten" - Ehefrau, die bereit ist alles zu geben, um die zu schützen, die sie liebt. Dabei ist sie manchmal sehr naiv, um nicht zu sagen gutgläubig, doch in Anbetracht der Tatsache, dass ihr oftmals nichts anderes übrig bleibt, als immer nur das Beste von allen zu denken, weil es sie sonst den einzigen Ort kosten könnte, der ihr je ein Zuhause war, ist psychologisch mehr als nachvollziehbar. Sie ging mir dabei niemals auf die Nerven und ich habe mit Rosalie gebangt, gelitten, gelacht und sie geliebt!

Romar: Als Romar das erste Mal auftaucht kam er mir schon suspekt vor: zotteliges Haar mit einem geflochtenen Bart, heruntergekommene Kleidung und mit dem Geruch des Waldes an seiner Haut, habe ich mir immer einen schrumpeligen Waldschrat vorgestellt. Mit der Zeit wandelte sich mein Bild von Romar, denn er entwickelt sich im Laufe des Buches sowohl für den Leser, als auch für Rosalie zu einem äußerst ambivalenten Charakter. Während man im einen Moment glaubt, dass er seine frisch angetraute Ehefrau liebt und ehrt, verhält er sich ihr gegenüber auf der anderen Seite immer wieder abweisend, hart und rau, sodass man plötzlich vom Gegenteil überzeugt ist. Genau wie alle anderen Dorfbewohner ignoriert er all ihre Fragen, all ihre Sorgen und Unsicherheiten und schweigt darüber, quält und grämt sich jedoch sichtlich dabei. Manchmal hätte ich ihn am liebsten geschüttelt oder geschlagen, damit er ihr endlich die Wahrheit sagt. Genau wie der Rest des Dorfes lässt Romar einen oft Zweifeln. Ist er eine Bedrohung für Rosalie? Wird er sie schützen? Liebt er sie? Liebt er sie nicht? Welche Verbrechen versucht er zu verstecken? Auch Romar habe ich geliebt. Trotz seiner stets Zweifel säenden Art hatte er etwas unfassbar Faszinierendes, das mich lange bei der Stange gehalten hat. Es fühlte sich an, als sei Romar der einzige Anhaltspunkt dafür, dass mit dem Dorf Haberatshofen etwas nicht stimmt und man erwartet ständig, dass die Wahrheit irgendwann aus ihm heraus bricht, während man gleichzeitig fürchtet, dass er Rosalie jederzeit in den Rücken fallen könnte. Trotz allem behandelt er sie, gerade für das noch immer patriarchalisch geprägte, deutsche 19. Jahrhundert, die meiste Zeit überraschend gut und auf ebenbürtiger Ebene. Nur in besonders verzweifelten Momenten erinnert er sie daran, dass sie seine Ehefrau ist und ihren Mann nicht hinterfragen sollte. Historisch nicht ganz korrekt oder vielleicht bloß eine ganz frische Liebe? Either way: Romar hat mir sehr gut gefallen!

Sara: Romars Cousine Sara war für mich genau wie Romar stets sehr ambivalent: Auf der einen Seite wirkt sie - anders als die anderen Haberatshofener - offen, aufgeschlossen, fröhlich und immer ehrlich und erschleicht sich damit nicht nur einen Platz in Rosalies Herzen, sondern auch in dem des Lesers. Auf der anderen Seite wirkt sie einfach immer zu perfekt, zu liebenswürdig und zu aufgeschlossen, sodass man die ganze Zeit Angst hat, dass Rosalie hier einer grandiosen Lügnerin auf den Leim geht, die bloß ihr Vertrauen erschleichen möchte. Dabei findet man weder beweise für Saras Unschuld, noch für ihre Schuld und das treibt einen durchweg in den Wahnsinn, besonders, wenn man Zeuge wird, welche Geheimnisse Rosalie ihrer Freundin Sara so alles anvertraut. Man ist darauf angewiesen, ihr einfach zu vertrauen, genau wie Rosalie es tut. Und trotzdem ist da immer dieser bohrende Zweifel, der besonders dann aufkeimt, wenn Sara genau wie Romar Rosalies Fragen einfach übergeht. Sehr gelungen!


Schreibstil ♥♥♥♥

Stefanie Kaspers Schreibstil ist zwar nicht übermäßig anspruchsvoll oder detailliert, dafür aber unglaublich feinfühlig, atmosphärisch und dem historischen Thema durchaus angemessen. Dabei fühlt er sich oft eigentümlich und genau im richtigen Maße altmodisch an, um genau in die Zeit zu passen, in der die Handlung spielt, ohne dabei die Zielgruppe 'Gelegenheitsleser' zu verfehlen. Dieser schmale Grad zwischen gut verständlicher und historisch angemessener Sprache hat mich sehr fasziniert. Besonders gut fand ich dabei die Beschreibungen des örtlichen und dörflichen Lebens, der hierarchisch-patriarchalisch geprägten Gesellschaft und der ärmlichen Einfachheit des Alltags. Gleichzeitig fühlt sich Kaspers Roman durch die relativ modern gezeichnete Figuren zeitlos an, sodass es mir - bevor ich die Jahreszahl kannte - relativ schwer viel, die Handlung einer bestimmten Epoche zuzuordnen. Die Geschichte hätte sich ebenso gut im 20. Jahrhundert abspielen können. Wichtige zeitgeschichtliche Themen wie Krieg, Krankheit, Armut, Hungersnot, etc. werden nur sehr leicht angerissen und weniger thematisiert. Das ist aber verzeihlich, denn die Handlung spielt sich ohnehin hauptsächlich in einem von der Gesellschaft abgeschiedenen Dorf ab, das unter seinen ganz eigenen Bedingungen und Regeln existiert. Erwartet man bei Das verlorene Dorf jedoch korrekte historische Fakten und Darstellungen, könnte man enttäuscht werden. Ansonsten hat mir die Mischung zwischen historisch, zeitlos und modern den Zugang zum Text eher erleichtert. Ganz besonders schön fand ich die sprachlichen Facetten "Emotion" und "Atmosphäre", die in diesem Roman besonders fein nuanciert ausgearbeitet sind. Man wird stets herausgefordert Worte und Handlungen einer Person start voneinander zu unterscheiden und dabei auf die kleinsten Veränderungen in ihrem Verhalten wahrzunehmen. Ein besonders schönes Beispiel hierfür ist die - in der Literaturgeschichte sehr, sehr bekannte - körperliche Reaktion auf die eigene Unehrlichkeit: Wenn ein Charakter ganz offensichtlich lügt, fährt er sich zumeist unbewusst mit den Fingern oder der Hand über den Mund. Als Literaturwissenschaftlerin habe ich mich über dieses sprachliche Detail in einem belletristischen Roman ganz besonders gefreut.


Handlung ♥♥♥♥

Es hat bei mir eine ganze Weile gedauert, bis ich so richtig in die Handlung des Buches reingekommen bin. Gerade zu Beginn hat es einige Längen, die sie für mich ganz besonders durch die Ungerechtigkeiten ergeben haben, denen Rosalie in ihrer Zeit im Waisenhaus ausgesetzt ist. Die ganze Zeit dachte ich: Nun ist es aber gut, wir wissen nun, dass Rosalie ein armes Mäuschen ist - aber was ist denn nun mit dem Dorf? Auch wollte ich mit Rosalies schüchterner Selbst-Ausgrenzung nicht so recht warm werden. Erst, als sie schließlich ins Dorf kommt, beginnt die Geschichte an Spannung zuzunehmen. Dabei vollführt die Handlung aber keinen rasanten, unfassbaren Schlenker, die einen vor Spannung fast vom Sitz pusten, sondern die Intensität - das "Gänsehaut-Feeling", das sich einstellt - steigt ganz langsam an und schickt dem Leser bohrende Zweifel, während sich Rosalie sich in ihrem gewöhnlichen Bäuerinnen-Dasein einlebt und dabei die Charaktere kennen und lieben lernt. Einzig und allein die Ahnung, dass etwas nicht stimmt und die dafür fehlenden Beweise halten den Leser bei der Stange und die gut gestreuten Vorfälle, die sowohl als Bedrohung, als auch als Zufall deutbar sind, erinnern einen regelmäßig daran, dass Rosalie sich in großer Gefahr befinden könnte. Mein Problem dabei: Sowohl Rosalie als auch der Leser werden sehr schnell gewarnt, das etwas mit dem Dorf nicht stimmt und die Hinweise sind zwar sporadisch gestreut, aber dabei oftmals so offensichtlich gestaltet, dass den Leser irgendwann nur noch die Naivität der Protagonistin Rosalie von der Wahrheit trennt. Soll heißen: Ich hatte das Geheimnis des Dorfes schon nach den ersten hundert Seiten entschlüsselt und musste darauf warten, dass Rosalie auch endlich dahinter kommt, oder zumindest anfängt, sich die Wahrheit einzugestehen. Nichtsdestotrotz sind Spannung und Atmosphäre des Buches so gut gewählt - und Rosalies Schicksal bleibt bis zum Schluss unvorhersehbar - dass ich das Lesen durchweg genossen habe.


Gesamtwertung ♥♥♥♥

Das verlorene Dorf hat mich mehr als nur überrascht. Da ich ohne große Erwartungen an das Buch herangegangen bin - und eigentlich auch gar keine Erfahrungen mit historischen oder mysteriösen Romanen habe - konnte ich eigentlich auch gar nicht groß enttäuscht werden. Mit seiner liebreizenden Protagonistin, seiner ungreifbaren gruselig-düsteren Atmosphäre, seiner schockierenden Grundthematik und seinem zeitlos-sprachlichen Aufbau hat mich Stefanie Kapers Roman komplett überzeugt und ich würde ihn sofort jedem ans Herz legen, der kein Problem mit moralisch verwerflichen oder grenzwertigen Themen und ein bisschen Grusel-Schauer hat. Wunderbar kurzweiliges Buch zur Halloween-Zeit und mit einem Ende, bei dem mir das Lachen im Hals stecken geblieben ist!


Spannung
♥♥♥♥
Romantik

Humor

Gewalt
♥♥♥
Action
♥♥

Veröffentlicht am 15.09.2016

Überschätzt!

Spiegelsplitter (Die Spiegel-Saga 1)
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Spiegelsplitter (Spiegelsaga Bd. 1)

Autor: Ava Reed
Genre: Romance, Fantasy
Freigabe: Jugendbuch (ab 14 Jahren)
Erschienen: 22.10.2015
Seiten: 438
Einband: eBook
Verlag: Carlsen
ISBN: 978-3-646-60186-2
Preis: ...

Spiegelsplitter (Spiegelsaga Bd. 1)

Autor: Ava Reed
Genre: Romance, Fantasy
Freigabe: Jugendbuch (ab 14 Jahren)
Erschienen: 22.10.2015
Seiten: 438
Einband: eBook
Verlag: Carlsen
ISBN: 978-3-646-60186-2
Preis: 3,99€

Rating: ♥♥♥


Inhalt

"Caitlin weiß nicht, was es bedeutet, sich in einem Spiegel zu sehen, denn sie erblickt nichts darin. Doch er zieht sie an, ruft sie zu sich, wo auch immer sie ist. Eines Tages steht sie dem geheimnisvollen Finn gegenüber, der eine Sehnsucht in ihr weckt, der sie nicht entkommen kann. Immer wieder begegnen sich die beiden, ohne zu wissen, was sie in Wirklichkeit verbindet. Bis Caitlins Erbe zu erwachen beginnt und sie erkennt, dass es mehr auf dieser Welt gibt, als sie ahnt ..." - Quelle: Verlag


Cover ♥♥♥♥

Dieses Cover war der Grund, wieso ich überhaupt erst auf Spiegelsplitter aufmerksam geworden bin! Die angenehm matte Farbgebung trifft nicht nur genau meinen Geschmack (ich habe eine Schwäche für jede Nuance von Blau-Grün!), sondern passt mit seiner Musterung auch sehr gut zum Titel: Während die weiße Maserung unten noch klar konturiert aussieht, lösen sich die Linien und Ränder nach oben hin in viele kleine und schmale "Splitter" auf, deren Gesamtbild damit an eine unruhige Wasseroberfläche erinnern. Es gefällt mir wirklich außerordentlich gut, wie das Cover mit der Spiegel-Optik des Titels spielt (das Wort 'Splitter' wird unter dem Wort 'Spiegel' an einer unsichtbaren Linie gespiegelt) und damit die Thematik des ganzen Buches erfasst. Das einzige, was mich ein wenig stört, ist die Kopf-über-Darstellung des Mädchens, das anscheinend Caitlin darstellen soll. Sie wirkt wie ein Fremdkörper und obwohl sie hübsch ist, finde ich sie merkwürdig verfremdet und unsauber ausgeschnitten, was die Optik ein bisschen stört. Schade!


Charaktere ♥♥♥

Caitlin: Rückwirkend betrachtet habe ich ein eher ambivalentes Verhältnis zu Caitlin: Zu Beginn der Geschichte fühlt sie sich eher an, wie ein unbeschriebenes Blatt. Weil ihre Mutter sie als Kind verlassen hat und ihr Vater erst vor Kurzem bei einem Autounfall ums Leben kam, lebt sie bei ihrem Kindermädchen in Irland und versucht, ihren Alltag zu bestreiten. In ihrer Freizeit hilft sie in dem Buchladen ihres guten Freundes Aidan aus, hat aber wegen ihrer 'Andersartigkeit', die immer nur betont, aber nie belegt wird, bisher noch keine Freunde in der Schule machen können. Sie ist immer zu allen freundlich und fühlt sich in ihrer Art und Weise für den Leser oft makellos zart, geradezu zerbrechlich an. Auf der anderen Seite ist sie manchmal unerwartet bissig und kopflos, was so gar nicht zu dem sonst so makellosen Bild passen will, das vorher von ihr gezeichnet wurde. Bis auf die in ihr verborgen liegenden Kräfte gibt es sonst leider nicht viel, das Caitlin ausmacht. Gerade für sie als Hauptperson hätte ich mir ein paar mehr Ecken und Kanten gewünscht, nicht nur, um mich mit ihr richtig mit ihr zu identifizieren, sondern auch, um sie als eine eigenständige, individuelle Figur wahrnehmen und liebgewinnen zu können. Sie fühlte sich austauschbar an, war mir aber auf diese Weise auch nicht unsympathisch. Ich konnte sie akzeptieren und habe ich ihre Geschichte interessiert verfolgt - leider konnte sie mich nicht berühren.

Finn: Ein unsichtbares, starkes Band verbindet Finn mit Caitlin und obwohl die beiden sich noch gar nicht kennen, fühlt er sich aus unerklärlichen Gründen stark zu ihr hingezogen. Mithilfe seiner Gestaltwandlerfähigkeiten, die in ihm fünf Tiere einschließen (Falke, Katze, Bär, Nebelparder und Wolf), jagt er magische Wesen, die sich manchmal aus dem Reich der Spiegel in unsere Welt verirren und allgemeine Ordnung bedrohen. Ich mochte Finn sehr gern. Seine freundliche, aber manchmal leicht reizbare Art haben mir das Lesen versüßt und die Art, wie er Caitlin auf Händen getragen hat, ohne dabei aufdringlich zu werden, hat nicht nur ihr Herz erobert. Leider fehlte mir, genau wie bei Caitlin, die Charaktertiefe. Schwächen, Fehler, Hobbies, Eigenheiten, Dinge, die Finn unabhängig von seiner Beziehung zu Caitlin ausmachen und definieren. Ein paar Fetzen aus der Vergangenheit, die wir durch seinen alten Freund Raphael erfahren, haben mir da leider nicht gereicht und ich hätte gern mehr von ihm erfahren. Trotzdem ich ihn und seine Innensicht sehr gern mochte, hätte ich mir einfach mehr gewünscht, als bloß seine ständige Sorge um Caitlin.

Raphael: Ein wunderbarer, uriger Charakter, bei dem ich ständig das Gesicht von Castiel aus der US-Serie Supernatural vor Augen hatte. Genau wie dieser ist Raphael nämlich ein Engel, der allerdings in der Welt hinter den Spiegeln lebt und dort, seit einem schrecklichen Vorfall, in den Finn verwickelt war, ein eher einsames Dasein fristet. Er ist aufbrausend, flucht - trotz seines Engel-Daseins - für sein Leben gern und hat, auch wenn er es niemals zugeben würde, immernoch tiefe, brüderliche Gefühle für Finn. Ihr gegenseitiges Necken und Sticheln hat mir sehr gut gefallen, auch wenn es sich dabei eher um eine Randerscheinung handelte. Auch bei ihm hätte ich mir gewünscht, mehr über ihn, seine Beweggründe und seine Vergangenheit zu erfahren, um als Leser eine tiefere Bindung zu ihm aufzubauen.


Schreibstil ♥♥♥

Ava Reed hat eine schöne, ausführliche und klare Sprache, die auf unnötig lange Beschreibungen verzichtet, aber mit kurzen, präzisen Formulierungen ganze Welten vor dem inneren Auge erscheinen lassen kann. Ihr Stil liest sich gut, fühlt sich aber manchmal ein bisschen unnatürlich und holprig an: die Vergangenheitsform wirkt an manchen Stellen krampfhaft erzwungen und während sich manche Passagen sprachlich flüssig lesen lassen, wirken andere wiederum unnatürlich hochgestochen. Auch die Charaktere schwanken in ihrer direkten Rede zwischen Umgangssprache, moderner Schriftsprache und altmodischer Schriftsprache, was die Gespräche weniger authentisch, sondern eher gekünstelt wirken lässt. Auch neigt die Autorin dazu, schöne, aber eher unwichtige Szenen ausgiebig und detailliert zu beschreiben, während wichtigere Szenen, wie spannende Kämpfe, Bedrohungen oder Fluchten nur oberflächlich abzuhandeln, sodass die Spannung meistens noch viel schneller verloren geht, als sie aufgekommen ist. Auf diese Weise hat man als Leser das Gefühl, durch die Geschichte zu rasen und das Geschehene dabei nur schemenhaft zu erfassen. Die daraus entstehende Frustration wird dadurch verstärkt, dass - wie schon häufig von anderen kritisiert - die Geschichte sowohl aus Caitlins, als auch aus Finns Sicht erzählt wird und diese Sichtweisen sich nicht immer zeitlich ergänzen, wohl aber überschneiden. Mehr als einmal kommt man in den Genuss, ein und die selbe Szene jeweils aus beiden Blickwinkeln heraus erzählt zu bekommen, ohne, dass man daraus mehr Informationen hätte ziehen können. Endet beispielsweise Caitlins Kapitel an einer sehr spannenden Stelle - und man will eigentlich nur wissen wie es weitergeht -, so muss man nicht selten feststellen, dass das nächste Kapitel das gerade Gelesene aus Finns Sicht eigentlich nur wiederholt und man unglaublich viel Geduld aufbringen muss, um die nächsten Seiten nicht einfach zu überspringen, um da weiterzulesen, wo Caitlins Kapitel aufgehört hat. Das stört nicht nur den Lesefluss, sondern führt auch zu ewigen Wiederholungen, die nur selten Spaß machen. Trotzdem war es sehr interessant beide Innensichten zu kennen und ich habe es gerne verfolgt, wie sich die jeweiligen Charaktere in besonderen Situationen gefühlt haben. Es hätte sicherlich gereicht, sich bei den Wiederholungen auf ein paar sehr markante Szenen zu beschränken.


Handlung ♥♥♥

Sowohl die Idee, als auch die Handlung von Spiegelsplitter hat sehr großes Potential. Die Fantasien, die Naturmagie, die Welt hinter den Spiegeln, das alles hat mir sehr viel Spaß gemacht und ich hätte sehr gerne noch viel mehr über die einzelnen Hintergründe erfahren. Wie ist diese andere Welt beschaffen? Wie entstehen Fantasien genau, was macht sie aus, warum existieren sie? War Finn schon immer ein Gestaltwandler? Leider wurden viele Themen nur am Rande behandelt und der Platz, der für die Ausarbeitung dieser Details dagewesen wäre, ging leider an die Wiederholungen und das sich gegenseitige Anschmachten der beiden Hauptcharaktere verloren, die ich zwar gerne verfolgt, aber nicht gebraucht habe. Wiederholungen gab es auch bei der Handlung, denn Caitlin geht nicht nur einmal, sondern gleich zwei Mal hilflos verloren und wir beobachten zwei Mal den vor Sorge verzweifelten Finn dabei, wie er heroisch alles stehen und liegen lässt, um ihr zur Hilfe zu eilen. Ich hätte mir gewünscht, dass Caitlin hier ein bisschen mehr aus sich selbst heraus kommt, ein bisschen aktiver wird, ein bisschen mehr aktiv zur Handlung beiträgt, als sie nur passiv über sich ergehen zu lassen. Schon allein deswegen bin ich sehr gespannt auf den zweiten Teil und darauf, ob und wie ihr Training dazu führt, dass sie stärker und selbstständiger wird, sie lernt mit ihren Kräften umzugehen und Seite an Seite mit den anderen zu kämpfen. Ich würde es mir auf jeden Fall wünschen! Ich habe die Interaktion der Charaktere untereinander auf jeden Fall sehr genossen und ich mochte die Stimmung, die in den jeweiligen Gesprächen aufkam, aber die wesentlichen, spannenden Stellen der Handlung waren einfach ein bisschen zu vorhersehbar und zu schnell vorbei.


Gesamtwertung ♥♥♥

Ich finde, Spiegelsplitter ist ein gutes Buch für jeden, der gerne in Geschichten mit viel Herz und wenig Drama oder in überraschend neue Ideen eintaucht. Ich habe die Geschichte sehr gerne verfolgt und mich dabei keine Sekunde gelangweilt, nur die immer wiederkehrenden Wiederholungen der Szenen aus zwei verschiedenen Perspektiven haben meinen Lesefluss zeitweise erschwert. Für die zukünftigen Teile würde ich mir ein bisschen mehr Tiefgang und Detailreichtum wünschen, sowohl, was die Zeichnung der einzelnen Charaktere, als auch die Darstellung von Szenen und die Vertiefung der Hintergrundgeschichte angeht. Gerne würde ich mehr über die Welt hinter dem Spiegel erfahren, welche Gesetze dort herrschen, welche Wesen dort leben und wie der Alltag für die Charaktere in Zukunft aussehen soll. Vielleicht findet sich im nächsten Band dann auch etwas mehr Zeit für spannende Szenen und Kämpfe und Caitlins Entwicklung zu einer starken Frau.


Spannung
♥♥♥♥
Romantik
♥♥♥♥
Humor
♥♥
Gewalt
♥♥♥
Action
♥♥♥


- Eure Bücherfüchsin

Veröffentlicht am 15.09.2016

Überschätzt!

Spiegelsplitter (Die Spiegel-Saga 1)
0

Spiegelsplitter (Spiegelsaga Bd. 1)

Autor: Ava Reed
Genre: Romance, Fantasy
Freigabe: Jugendbuch (ab 14 Jahren)
Erschienen: 22.10.2015
Seiten: 438
Einband: eBook
Verlag: Carlsen
ISBN: 978-3-646-60186-2
Preis: ...

Spiegelsplitter (Spiegelsaga Bd. 1)

Autor: Ava Reed
Genre: Romance, Fantasy
Freigabe: Jugendbuch (ab 14 Jahren)
Erschienen: 22.10.2015
Seiten: 438
Einband: eBook
Verlag: Carlsen
ISBN: 978-3-646-60186-2
Preis: 3,99€

Rating: ♥♥♥


Inhalt

"Caitlin weiß nicht, was es bedeutet, sich in einem Spiegel zu sehen, denn sie erblickt nichts darin. Doch er zieht sie an, ruft sie zu sich, wo auch immer sie ist. Eines Tages steht sie dem geheimnisvollen Finn gegenüber, der eine Sehnsucht in ihr weckt, der sie nicht entkommen kann. Immer wieder begegnen sich die beiden, ohne zu wissen, was sie in Wirklichkeit verbindet. Bis Caitlins Erbe zu erwachen beginnt und sie erkennt, dass es mehr auf dieser Welt gibt, als sie ahnt ..." - Quelle: Verlag


Cover ♥♥♥♥

Dieses Cover war der Grund, wieso ich überhaupt erst auf Spiegelsplitter aufmerksam geworden bin! Die angenehm matte Farbgebung trifft nicht nur genau meinen Geschmack (ich habe eine Schwäche für jede Nuance von Blau-Grün!), sondern passt mit seiner Musterung auch sehr gut zum Titel: Während die weiße Maserung unten noch klar konturiert aussieht, lösen sich die Linien und Ränder nach oben hin in viele kleine und schmale "Splitter" auf, deren Gesamtbild damit an eine unruhige Wasseroberfläche erinnern. Es gefällt mir wirklich außerordentlich gut, wie das Cover mit der Spiegel-Optik des Titels spielt (das Wort 'Splitter' wird unter dem Wort 'Spiegel' an einer unsichtbaren Linie gespiegelt) und damit die Thematik des ganzen Buches erfasst. Das einzige, was mich ein wenig stört, ist die Kopf-über-Darstellung des Mädchens, das anscheinend Caitlin darstellen soll. Sie wirkt wie ein Fremdkörper und obwohl sie hübsch ist, finde ich sie merkwürdig verfremdet und unsauber ausgeschnitten, was die Optik ein bisschen stört. Schade!


Charaktere ♥♥♥

Caitlin: Rückwirkend betrachtet habe ich ein eher ambivalentes Verhältnis zu Caitlin: Zu Beginn der Geschichte fühlt sie sich eher an, wie ein unbeschriebenes Blatt. Weil ihre Mutter sie als Kind verlassen hat und ihr Vater erst vor Kurzem bei einem Autounfall ums Leben kam, lebt sie bei ihrem Kindermädchen in Irland und versucht, ihren Alltag zu bestreiten. In ihrer Freizeit hilft sie in dem Buchladen ihres guten Freundes Aidan aus, hat aber wegen ihrer 'Andersartigkeit', die immer nur betont, aber nie belegt wird, bisher noch keine Freunde in der Schule machen können. Sie ist immer zu allen freundlich und fühlt sich in ihrer Art und Weise für den Leser oft makellos zart, geradezu zerbrechlich an. Auf der anderen Seite ist sie manchmal unerwartet bissig und kopflos, was so gar nicht zu dem sonst so makellosen Bild passen will, das vorher von ihr gezeichnet wurde. Bis auf die in ihr verborgen liegenden Kräfte gibt es sonst leider nicht viel, das Caitlin ausmacht. Gerade für sie als Hauptperson hätte ich mir ein paar mehr Ecken und Kanten gewünscht, nicht nur, um mich mit ihr richtig mit ihr zu identifizieren, sondern auch, um sie als eine eigenständige, individuelle Figur wahrnehmen und liebgewinnen zu können. Sie fühlte sich austauschbar an, war mir aber auf diese Weise auch nicht unsympathisch. Ich konnte sie akzeptieren und habe ich ihre Geschichte interessiert verfolgt - leider konnte sie mich nicht berühren.

Finn: Ein unsichtbares, starkes Band verbindet Finn mit Caitlin und obwohl die beiden sich noch gar nicht kennen, fühlt er sich aus unerklärlichen Gründen stark zu ihr hingezogen. Mithilfe seiner Gestaltwandlerfähigkeiten, die in ihm fünf Tiere einschließen (Falke, Katze, Bär, Nebelparder und Wolf), jagt er magische Wesen, die sich manchmal aus dem Reich der Spiegel in unsere Welt verirren und allgemeine Ordnung bedrohen. Ich mochte Finn sehr gern. Seine freundliche, aber manchmal leicht reizbare Art haben mir das Lesen versüßt und die Art, wie er Caitlin auf Händen getragen hat, ohne dabei aufdringlich zu werden, hat nicht nur ihr Herz erobert. Leider fehlte mir, genau wie bei Caitlin, die Charaktertiefe. Schwächen, Fehler, Hobbies, Eigenheiten, Dinge, die Finn unabhängig von seiner Beziehung zu Caitlin ausmachen und definieren. Ein paar Fetzen aus der Vergangenheit, die wir durch seinen alten Freund Raphael erfahren, haben mir da leider nicht gereicht und ich hätte gern mehr von ihm erfahren. Trotzdem ich ihn und seine Innensicht sehr gern mochte, hätte ich mir einfach mehr gewünscht, als bloß seine ständige Sorge um Caitlin.

Raphael: Ein wunderbarer, uriger Charakter, bei dem ich ständig das Gesicht von Castiel aus der US-Serie Supernatural vor Augen hatte. Genau wie dieser ist Raphael nämlich ein Engel, der allerdings in der Welt hinter den Spiegeln lebt und dort, seit einem schrecklichen Vorfall, in den Finn verwickelt war, ein eher einsames Dasein fristet. Er ist aufbrausend, flucht - trotz seines Engel-Daseins - für sein Leben gern und hat, auch wenn er es niemals zugeben würde, immernoch tiefe, brüderliche Gefühle für Finn. Ihr gegenseitiges Necken und Sticheln hat mir sehr gut gefallen, auch wenn es sich dabei eher um eine Randerscheinung handelte. Auch bei ihm hätte ich mir gewünscht, mehr über ihn, seine Beweggründe und seine Vergangenheit zu erfahren, um als Leser eine tiefere Bindung zu ihm aufzubauen.


Schreibstil ♥♥♥

Ava Reed hat eine schöne, ausführliche und klare Sprache, die auf unnötig lange Beschreibungen verzichtet, aber mit kurzen, präzisen Formulierungen ganze Welten vor dem inneren Auge erscheinen lassen kann. Ihr Stil liest sich gut, fühlt sich aber manchmal ein bisschen unnatürlich und holprig an: die Vergangenheitsform wirkt an manchen Stellen krampfhaft erzwungen und während sich manche Passagen sprachlich flüssig lesen lassen, wirken andere wiederum unnatürlich hochgestochen. Auch die Charaktere schwanken in ihrer direkten Rede zwischen Umgangssprache, moderner Schriftsprache und altmodischer Schriftsprache, was die Gespräche weniger authentisch, sondern eher gekünstelt wirken lässt. Auch neigt die Autorin dazu, schöne, aber eher unwichtige Szenen ausgiebig und detailliert zu beschreiben, während wichtigere Szenen, wie spannende Kämpfe, Bedrohungen oder Fluchten nur oberflächlich abzuhandeln, sodass die Spannung meistens noch viel schneller verloren geht, als sie aufgekommen ist. Auf diese Weise hat man als Leser das Gefühl, durch die Geschichte zu rasen und das Geschehene dabei nur schemenhaft zu erfassen. Die daraus entstehende Frustration wird dadurch verstärkt, dass - wie schon häufig von anderen kritisiert - die Geschichte sowohl aus Caitlins, als auch aus Finns Sicht erzählt wird und diese Sichtweisen sich nicht immer zeitlich ergänzen, wohl aber überschneiden. Mehr als einmal kommt man in den Genuss, ein und die selbe Szene jeweils aus beiden Blickwinkeln heraus erzählt zu bekommen, ohne, dass man daraus mehr Informationen hätte ziehen können. Endet beispielsweise Caitlins Kapitel an einer sehr spannenden Stelle - und man will eigentlich nur wissen wie es weitergeht -, so muss man nicht selten feststellen, dass das nächste Kapitel das gerade Gelesene aus Finns Sicht eigentlich nur wiederholt und man unglaublich viel Geduld aufbringen muss, um die nächsten Seiten nicht einfach zu überspringen, um da weiterzulesen, wo Caitlins Kapitel aufgehört hat. Das stört nicht nur den Lesefluss, sondern führt auch zu ewigen Wiederholungen, die nur selten Spaß machen. Trotzdem war es sehr interessant beide Innensichten zu kennen und ich habe es gerne verfolgt, wie sich die jeweiligen Charaktere in besonderen Situationen gefühlt haben. Es hätte sicherlich gereicht, sich bei den Wiederholungen auf ein paar sehr markante Szenen zu beschränken.


Handlung ♥♥♥

Sowohl die Idee, als auch die Handlung von Spiegelsplitter hat sehr großes Potential. Die Fantasien, die Naturmagie, die Welt hinter den Spiegeln, das alles hat mir sehr viel Spaß gemacht und ich hätte sehr gerne noch viel mehr über die einzelnen Hintergründe erfahren. Wie ist diese andere Welt beschaffen? Wie entstehen Fantasien genau, was macht sie aus, warum existieren sie? War Finn schon immer ein Gestaltwandler? Leider wurden viele Themen nur am Rande behandelt und der Platz, der für die Ausarbeitung dieser Details dagewesen wäre, ging leider an die Wiederholungen und das sich gegenseitige Anschmachten der beiden Hauptcharaktere verloren, die ich zwar gerne verfolgt, aber nicht gebraucht habe. Wiederholungen gab es auch bei der Handlung, denn Caitlin geht nicht nur einmal, sondern gleich zwei Mal hilflos verloren und wir beobachten zwei Mal den vor Sorge verzweifelten Finn dabei, wie er heroisch alles stehen und liegen lässt, um ihr zur Hilfe zu eilen. Ich hätte mir gewünscht, dass Caitlin hier ein bisschen mehr aus sich selbst heraus kommt, ein bisschen aktiver wird, ein bisschen mehr aktiv zur Handlung beiträgt, als sie nur passiv über sich ergehen zu lassen. Schon allein deswegen bin ich sehr gespannt auf den zweiten Teil und darauf, ob und wie ihr Training dazu führt, dass sie stärker und selbstständiger wird, sie lernt mit ihren Kräften umzugehen und Seite an Seite mit den anderen zu kämpfen. Ich würde es mir auf jeden Fall wünschen! Ich habe die Interaktion der Charaktere untereinander auf jeden Fall sehr genossen und ich mochte die Stimmung, die in den jeweiligen Gesprächen aufkam, aber die wesentlichen, spannenden Stellen der Handlung waren einfach ein bisschen zu vorhersehbar und zu schnell vorbei.


Gesamtwertung ♥♥♥

Ich finde, Spiegelsplitter ist ein gutes Buch für jeden, der gerne in Geschichten mit viel Herz und wenig Drama oder in überraschend neue Ideen eintaucht. Ich habe die Geschichte sehr gerne verfolgt und mich dabei keine Sekunde gelangweilt, nur die immer wiederkehrenden Wiederholungen der Szenen aus zwei verschiedenen Perspektiven haben meinen Lesefluss zeitweise erschwert. Für die zukünftigen Teile würde ich mir ein bisschen mehr Tiefgang und Detailreichtum wünschen, sowohl, was die Zeichnung der einzelnen Charaktere, als auch die Darstellung von Szenen und die Vertiefung der Hintergrundgeschichte angeht. Gerne würde ich mehr über die Welt hinter dem Spiegel erfahren, welche Gesetze dort herrschen, welche Wesen dort leben und wie der Alltag für die Charaktere in Zukunft aussehen soll. Vielleicht findet sich im nächsten Band dann auch etwas mehr Zeit für spannende Szenen und Kämpfe und Caitlins Entwicklung zu einer starken Frau.


Spannung
♥♥♥♥
Romantik
♥♥♥♥
Humor
♥♥
Gewalt
♥♥♥
Action
♥♥♥


- Eure Bücherfüchsin

Veröffentlicht am 15.09.2016

Nicht gut...

Make it count - Gefühlsgewitter
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Make it count: Gefühlsgewitter (1)
Autor: Ally Taylor
Genre: Romance, New Adult, Slice of Life
Freigabe: Keine
Erschienen: 01.10.2015
Seiten: 272
Einband: Taschenbuch
Verlag: Knaur
ISBN: 978-3-426-51811-3
Preis: ...

Make it count: Gefühlsgewitter (1)
Autor: Ally Taylor
Genre: Romance, New Adult, Slice of Life
Freigabe: Keine
Erschienen: 01.10.2015
Seiten: 272
Einband: Taschenbuch
Verlag: Knaur
ISBN: 978-3-426-51811-3
Preis: 8,99€

Rating: ♥♥


Inhalt

"Als Katie auf der Highschool den mysteriösen Bad Boy Dillen kennenlernt, zieht er sie an wie ein Magnet. Dabei war ihre Welt bisher alles andere als rosarot, denn seit dem plötzlichen Tod ihres Vaters lebt sie bei ihrer lieblosen Mutter in der Kleinstadt Oceanside. Dillen weckt in Katie eine nie gekannte Leidenschaft, und bald ist sie ihm mit Haut und Haaren verfallen. Obwohl Dillen sich zunächst kühl und abweisend gibt, verlieren sich die beiden in einem Strudel aus wilden Träumen und heißem Verlangen. Doch dann holt die Realität sie ein …" - Quelle: Verlag


Cover ♥♥♥♥

Wieder ein Fotocover, aber diesmal ein wirklich schönes! Ich liebe die Art und Weise, wie die Protagonisten in Szene gesetzt wurden: verträumt aneinandergeschmiegt, kurz bevor es zu einem lang ersehnten Kuss kommt - es spiegelt eine Szene im Buch so genau wieder, dass ich nur applaudieren kann. Das Schöne ist hier, dass durch die Darstellung der beiden Körper, ohne Abbildung Gesichts, genug Platz für die eigene Fantasie bleibt, sich die Charaktere selbst vorzustellen. Ich mag diesen voyeuristisch-vorsichtigen Blick von der Seite und musste während des Lesens immer wieder mal auf das Cover schauen, um meine Vorstellungen mit der Abbildung zu vergleichen. Dass die Kleidung der beiden genau zu dem passt, was auch im Text immer wieder beschrieben wird, finde ich hier ein schönes Schmankerl am Rande. Schönes Cover - ich mag's!


Charaktere ♥♥

Katie Williams: Was soll ich sagen? Mit Katie wurde ich während des Lesens einfach nicht wirklich warm. Wir beide hatten eine schwierige Zeit miteinander. Zu Beginn der Geschichte finden wir Katie als ein seelisch vollkommen zerstörtes Mädchen vor, das die Welt nur durch einen grauen Schleier der Melancholie, Trauer und Gleichgültigkeit betrachtet. Ich weiß, was es bedeutet, einen wichtigen Menschen im Leben zu verlieren und ich kann sehr gut nachvollziehen, wie man sich dabei fühlt. Trotzdem war ich nach mehreren duzend Seiten nicht mehr ganz so verständnisvoll für die ewig andauernden, tristen Innensichten, ihr bockiges, abweisendes Verhalten gegenüber den Menschen um sie herum und vor Allem für ihr ewiges Selbstmitleid. Das übrigens wie weggeblasen ist, als sie dem unglaublich gut aussehenden Dillen in die Arme stolpert und sich Hals über Kopf in ihn verliebt. Innerhalb von wenigen Tagen (ich glaube, es waren ungefähr 3) entwickelt sich eine heiße, herzzerreißende Liebesgeschichte mit ihm, voller Drama und ... Tränen. Katie weint viel. Sie weint selbst dann, wenn sie gar keinen Grund dazu hat. Irgendwann ist es einfach auch Mal gut. Trotz ihrer stoischen, abweisenden Art und dem vielen Geweine schafft sie es trotzdem, dass sich nicht nur Dillen, sondern gleich noch drei weitere Männer für sie interessieren oder wahlweise verlieben. Kaum - und das sagt sie selbst - hat sie mit Dillen etwas mehr als 8 Sätze gesprochen, ist sie erfüllt von Liebe und bereit, am zweiten Tag mit ihm ihr erstes Mal zu erleben, denn sie haben einen ganzen Nachmittag zusammen mit Reden verbracht ... und deshalb ist er der Richtige. Ich konnte darüber nur den Kopf schütteln. Ich hätte es verstanden, wenn die Autorin zumindest längere, klar erkenntliche Zeitsprünge von mehreren Wochen eingebaut hätte, aber so...? So wirkte es über alle Maßen unglaubwürdig.

Dillen Walker: Vom ersten Moment an ist er Katies Objekt der Begierde ... ja, gerade zu Obsession. Er ist ein unnahbarer Typ mit undurchdringlichem Blick, leicht nach unten verzogenen Lippen und einer traumhaft-muskulösen Statur. Doch natürlich verbirgt sich hinter seiner harten Schale nicht nur ein weicher Kern, sondern auch ein so dunkles Geheimnis, dass er die ganze Liebesgeschichte mit Katie nicht wirklich an sich heranlassen kann. Eigentlich ist er ein richtiger Womanizer, der gerne auch Mal für eine schnelle Nummer offen ist, aber die kurze Bekanntschaft mit Katie scheint ihn so zu berühren, dass er in ihr nicht nur Fleisch, sondern eine Frau sieht. Er hat einen außerordentlichen Beschützerinstinkt und eine in sich brodelnde Wut, die manchmal ganz unvorbereitet hervorbricht. Ein Herzensbrecher sondergleichen. Ich mochte ihn gern, aber er hat mich nicht wirklich überzeugt oder überrascht. Für ihn gilt das selbe, wie für Katie: nach ein paar kurzen Tagen, ein paar wenigen gewechselten Sätzen verliebt er sich Hals über Kopf und ist bereit, alles für sie zu tun. Gerne will ich an Liebe auf den ersten Blick glauben, aber so schnell ... geht das mit der Liebe und dem Vertrauen dann doch wieder nicht.

Andrew MacDougall: Und wieder mal ist es der Side-Kick, der mein Leserherz in Flammen setzt und nicht nicht die Erscheinung des eigentlichen Helden. Irgendwie passiert mir das ständig! Andrew ist Katies Stiefbruder, der Sohn ihres Stiefvaters und somit nicht mit ihr verwandt. Trotzdem leben sie gemeinsam mit der Familie in dem riesigen Familienanwesen und freunden sich gleich am ersten Abend an. Andrew kifft, säuft und steht auf illegale Autorennen, aber im Umgang mit Katie ist er ein wahrer Gentleman und zeigt seine wahre, weiche, fürsorgliche Seite. Im Gegensatz zu Dillen ist er stets gut gelaunt (was vielleicht oder vielleicht auch nicht an seinem Marihuana-Konsum liegen könnte), immer für Katie da und sieht dazu auch noch wahnsinnig gut aus. Natürlich verliebt er sich schon innerhalb der ersten zwei Tage Hals über Kopf in seine Stiefschwester, ist stets da, wenn sie jemanden zum Reden oder Weinen braucht und kümmert sich liebevoll. Gleich von Anfang an bietet er ihr seine Nummer mit den Worten 'Wo immer du auch bist, ich bin nur einen Anruf entfernt'. Wirklich ein lieber Kerl, der aber im Vergleich zu Dillen für Katie absolut uninteressant ist. Schade. Aber es wäre vielleicht einfach zu einfach gewesen!


Schreibstil ♥♥

Zuerst dachte ich: Wow! Was für eine tolle, bildgewaltige Sprache mit tollen Beschreibungen von Gedanken und Gefühlen, genauso, wie ich es am liebsten habe! Wirklich, Ally Taylor Schreibstil ist toll und hat ein großes Potential. Aber schon nach wenigen Seiten habe ich gemerkt, dass sich die schönsten (und manchmal auch die nichtigsten) immer und immer wiederholt haben. Immer das Ziehen in ihrem Bauch, immer seine Hände auf ihrem Körper, immer und immer wieder das selbe Bild, wie Lippen aneinander saugen oder sich Tränen in ihren Augen sammeln. Manche Formulieren kamen sogar drei oder vier Mal auf gleiche Weise oder nur leicht abgewandelt vor, sodass ich mir gegen Ende des Buches wirklich ein bisschen blöd vorkam und mich fragte, ob ich mir das vielleicht nur einbildete. Aber nein: Wiederholungen über Wiederholungen. Es ist, als habe die Autorin diese paar Formulierungen auswendig gelernt, um sie immer dann rauszuholen, wenn ihr gerade die Worte fehlen. Schade eigentlich, denn ich glaube, es gibt genug Worte auf der Welt, um das Liebesspiel zwischen zwei Menschen zu beschreiben, wenn auch niemals die richtigen, um es in all seiner Tiefe zu erfassen. Schade...


Handlung ♥♥

Für einen Liebesroman ist die Handlung sehr typisch und klischeebehaftet (daraus wird allerdings auch im Anhang des Buches kein großer Hehl gemacht, denn dort steht eigens geschrieben: "Ally Taylor ist die, die [...] im Klischee badet [...]." S. 265). Wie ich weiter oben schon angemerkt habe, verlieben sich die beiden Protagonisten auf den ersten Blick in einander und binnen weniger Tage geht es Schlag auf Schlag: ein Drama folgt auf das nächste, dann das erste Mal, dann der große Showdown mit Eifersuchtsszene, dann die schöne, romantische Versöhnung. So sind die meisten Bücher des Genres aufgebaut und für gewöhnlich habe ich damit auch kein großes Problem, solange es zumindest glaubwürdig bleibt. Die Tatsache, dass sich die komplette Handlung innerhalb von drei bis vier Tagen abspielen soll, da keine anderen zeitlichen Angaben gemacht wurden, und Katie schon nach 8 mit Dillen gewechselten Sätzen der Meinung ist, dass er der Mann fürs Leben ist, das kam mir so aus der Luft gegriffen vor, dass ich eher enttäuscht als beglückt zurückblieb. Auch, dass Katie - trotz dem sie mir schrecklich unsympathisch war - gleich drei Männern einen Korb geben musste trug nicht gerade zur Glaubwürdigkeit des Romans bei. Es war dann doch ein bisschen too much.


Gesamtwertung ♥♥

Ich hatte keine übermäßigen Erwartungen bei diesem Roman, das muss ich zugeben. Trotzdem hat er mich mit seiner übertriebenen Unglaubwürdigkeit, seiner unsympathischen Protagonistin und dem für mich viel zu schnellen Handlungsablauf trotzdem eher enttäuscht. Liebe auf den ersten Blick schön und gut, aber doch sollte man auch hier die Grenzen der Realität nicht überschreiten. Ich denke, für Leser, die sich gerne in Klischees verlieren (was ich ja auch gerne mal tue), sich von Romantik, Drama und Herzschmerz mitreißen lassen und sich dabei nicht von den Wiederholungen in der Beschreibung stören lassen, für die ist es bestimmt ein toller Roman für Zwischendurch. Auch ich habe das Buch interessiert verfolgt und musste gegen Ende feststellen, dass ich bei der finalen Versöhnung doch ein leichtes Lächeln auf den Lippen hatte, weil es irgendwie niedlich war. Auf jeden Fall sollte man hier nicht das größte romantische Abenteuer des Jahres erwarten.


Spannung
♥♥♥
Romantik
♥♥♥♥♥
Humor

Gewalt
♥♥
Action
♥♥


- Eure Bücherfüchsin