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Veröffentlicht am 10.01.2020

"Erste-Liebe-Story" eines Jedermanns

Sweet Sorrow
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"Ewig Zweiter" ("The Understudy") von David Nicholls ist eins der lustigsten Bücher, die ich je gelesen habe. Also habe ich seinen schriftstellerischen Werdegang weiterverfolgt. "Zwei an einem Tag", das ...

"Ewig Zweiter" ("The Understudy") von David Nicholls ist eins der lustigsten Bücher, die ich je gelesen habe. Also habe ich seinen schriftstellerischen Werdegang weiterverfolgt. "Zwei an einem Tag", das als Bestseller sehr gehyped wurde, hat mir noch ganz gut gefallen, auch wenn es mir stellenweise zu süßlich war.
"Drei auf Reisen" habe ich ausgelassen. Jetzt also "Sweet Sorrow".
Das Thema eines englischen Durchschnittsschülers (mit dem Allerweltsnamen Charlie Lewis, Jahrgang 1979), der nach dem Schulabschluss seiner großen Liebe begegnet und mit ihr in einer Laientheateraufführung von "Romeo und Julia" spielt, klang, als wäre es genau auf Nicholls zugeschnitten. Schließlich ist der Engländer ausgebildeter Schauspieler und hat auch als solcher gearbeitet. Dies merkt man an der Shakespeare-Rezeption, die im Buch allgegenwärtig ist und natürlich an der realitätsnahen Darstellung des Probenprozesses der Schauspieltruppe.
Nicholls ist ein Meister der Romantik des Augenblicks, der leisen Wehmut des Vergangenen und wenn es darum geht, die alltäglichen Niederlagen und kleinen Freuden des Lebens genau zu beschreiben. Fast jeder hat ja irgendwo in seiner Vergangenheit diesen einen Sommer, diese eine - erfüllte oder unerfüllte - große Liebe. Damit und mit seinem "Jedermann-Durchschnitts-Protagonisten" Charlie bietet das Buch ein breites Identifikationspotenzial für eine große Leserschaft.
Der Roman ist aus der Perspektive des älteren Charlie geschrieben, der kurz vor der "unspektakulären" Hochzeit mit seiner Langzeitfreundin steht, die ohne Drama, Strände und weiße Pferde stattfinden soll. Wenn es aber nach der augenzwinkernden Meinung seiner Verlobten Niamh gehen soll, sollte sie - für den gewissen Kick - mit Charlies "Julia", deren “Romeo” er nicht oder nur abseits der Bühne war, stattfinden: Fran Fisher.
Den Hauptteil von “Sweet Sorrow” nimmt also die Rückblende auf den Sommer des Jahres 1997 ein, in dem Charlie aus Zufall auf Fran trifft und trotz Talentfreiheit Mitglied der Schauspieltruppe wird. Die Probleme, die Charlie in seinem Elternhaus, das nach dem Auszug von Mutter und Schwester nur noch eine Wohnung ist, die er mit seinem glücklosen Musiker-Vater teilt, beschäftigen, nehmen auch einen großen Raum der Erzählung ein.
Den feinen und intelligenten Humor von "Ewig Zweiter" fand ich durchaus an einigen Stellen wieder. Das Problem des Buches ist allerdings, dass die Handlung sich im Kreis bzw. um
sich selbst dreht. Meiner Meinung nach könnte man ganze Kapitel streichen, ohne etwas Wesentliches aus Charlie Lewis' wichtigstem Sommer verpasst zu haben. Man hat vor allem ab der Mitte des Buches das Gefühl, die Handlung würde stagnieren. Es wird alles viel zu detailliert beschrieben, Dialoge und Konversationen erscheinen zunehmend redundant. Irgendwann hat jeder verstanden wie sich ein Haufen Jugendlicher in ihrem kurzen Sommer der Freiheit zwischen Schulabschluss und Uni oder Berufsleben aufführt. Man muss es nicht bis ins Kleinste zerkauen wie die Pille auf der Party im Hobbykeller, die Charlie und seine neuen Freunde sich dort teilen.
Das Drama des Buches ist nicht das geniale von Shakespeare, sondern die Tatsache, dass es über 500 Seiten hat. Um aus "Sweet Sorrow" selbst zu zitieren: "Drei Sterne von fünf".

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Veröffentlicht am 06.01.2020

Wisting und seine Tochter lösen das Puzzle erneut

Wisting und der fensterlose Raum
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Dies ist bereits der zweite Fall aus der “Cold-Cases-Reihe” rund um Kommissar Wisting vom norwegischen Autor und ehemaligen Kriminalpolizisten Jørn Lier Horst. Der erste Fall, “Wisting und der Tag der ...

Dies ist bereits der zweite Fall aus der “Cold-Cases-Reihe” rund um Kommissar Wisting vom norwegischen Autor und ehemaligen Kriminalpolizisten Jørn Lier Horst. Der erste Fall, “Wisting und der Tag der Vermissten”, hat mich total begeistert und dementsprechend hatte ich hohe Erwartungen an die Fortsetzung, der auch noch ein dritter Teil folgen wird.
Diesmal geht es wieder um ein Verbrechen aus der Vergangenheit, das zunächst mal nicht als Verbrechen daherkommt. In einer Blockhütte des kürzlich an Herzinfarkt verstorbenen sozialdemokratischen Politikers Bernhard Clausen werden mehrere Millionen in unterschiedlichen Währungen gefunden. Kommissar Wisting soll der Frage nachgehen, woher das Geld stammt und warum der ehemalige Minister es in seiner Blockhütte gebunkert hat.
Wie schon im ersten Teil der Reihe bezieht Wisting seine Tochter, die Journalistin Line, mit ein, die als alleinerziehende Mutter mittlerweile freiberuflich tätig ist. Diese gemeinsame “familiäre” Ermittlertätigkeit fand ich bereits im ersten Teil sehr angenehm und erfrischend anders. Wisting und seine Tochter arbeiten parallel und doch zusammen, so dass sie am Ende erfolgreich das Puzzle lösen können. Hier ist Line mit ihren Recherchen sogar noch etwas mehr im Vordergrund. Während Wisting den Weg der polizeilichen Routine geht, arbeitet seine Tochter “undercover”. Durch Wistings Enkeltochter Amalie kommt noch ein sehr realitätsnaher Aspekt mit hinein, denn das Kind muss schließlich betreut werden - dringender Fall hin oder her.
Wisting und Line durchforsten die Vergangenheit des hochrangigen Politikers und stoßen schließlich auf einen ungelösten Vermisstenfall, der sich in der Nähe der Hütte abgespielt hat.
Dass hier auch wieder eine vermisste Person eine Rolle spielt, fand ich gut, auch wenn das das Hauptthema von Teil 1 war. So wird der “Cold Case” des Millionenfundes um einen zusätzlichen Aspekt erweitert und um die Frage: Was passierte mit Simon Meier?
Die Kapitel sind wieder angenehm kurz, der Fall ist schön verschachtelt und die Auflösung auch für den Leser von “Nicht-Cold-Case-Krimis” zufriedenstellend. Die Tatsache, dass es zwischendrin ein wenig mehr “Längen” gibt (auch wenn sie mancher vielleicht nicht als solche empfinden wird) als noch im ersten Teil, lässt mich nicht die volle, aber doch eine sehr gute Punktzahl geben.
Ich bleibe Jørn Lier Horst weiter treu, kann seine Werke uneingeschränkt empfehlen und freue mich auf einen neuen Fall von Line und Wisting.

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Veröffentlicht am 04.01.2020

Grün und urban, kunterbunt und einfühlsam

Käthe, Band 1: Der Gorilla-Garten
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Dieses Kinderbuch aus dem Ravensburger-Verlag, für Kinder ab 5 Jahren, ist einfach bezaubernd. Sehr einfühlsam greift es die Themen urbanes Leben, Umzug, Multikulturalismus, arbeitende Eltern, neue Freundschaften, ...


Dieses Kinderbuch aus dem Ravensburger-Verlag, für Kinder ab 5 Jahren, ist einfach bezaubernd. Sehr einfühlsam greift es die Themen urbanes Leben, Umzug, Multikulturalismus, arbeitende Eltern, neue Freundschaften, Natur in der Stadt, Trauer und Freude, etc., auf. Wundervolle farbenfrohe Illustrationen (von Màriam Ben-Arab) runden das positive Gesamtpaket ab.
Zum Inhalt: Käthe, ein Grundschulkind in der zweiten Klasse, zieht mit ihren Eltern vom "Apfelhof" auf dem Land in Pommeranzen in die Metropole Berlin. Dort fangen Käthes Eltern jeweils neue Jobs an - der Vater als Universitätsdozent für Biologie, die Mutter als Journalistin bei einer Zeitschrift. Sehr positiv finde ich das Frauenbild, das hier gezeichnet wird. Nicht nur dass die Mutter arbeitet, sie scheut sich auch nicht, einen Bohrer in die Hand zu nehmen oder lenkt ganz selbstverständlich das Auto. Auch die Oma wird als sehr starke Frau dargestellt und ist somit eine positive Identifikationsfigur für junge Mädchen. Auch dass Käthes Familie ganz selbstverständlich aus drei Leuten besteht, finde ich gut. Nicht jedes Kind hat schließlich Geschwister und als Familie ist man auch mit einem Kind komplett.
Käthe lernt in der Stadt ganz neue Sachen kennen: Verschenkartons, Bücherbäume, Insektenhotels, Wochenmärkte und als Höhepunkt sogar einen “Gorilla-Garten” also einen “Guerilla-Garten”, der von der unkonventionellen Bernadette betrieben wird. Auch in der Grundschule macht ein Garten-Projekt die Abwesenheit des Landlebens für Käthe erträglicher. Neue Freunde wie Nachbarin Amira und Schulfreund Theo helfen dem sympathischen und neugierigen Mädchen, sich in seiner neuen urbanen Umwelt einzuleben.
Dass wie im echten Leben nicht alles immer rosig und positiv ist, wird ebenfalls thematisiert. Käthe hat vor kurzer Zeit ihren Opa verloren. Seine Fliege trägt sie anstatt einer Schleife als Glücksbringer in ihren lockigen Haaren. Auch mit dem grummeligen älteren Herrn Schulz aus Käthes Nachbarschaft, der keine lauten Kinder mag, gerät Käthe aneinander. Eine versöhnliche Geste von Käthe, in der ein Haken und ein paar Blümchen eine Rolle spielen, kann den Streit schließlich beilegen.
Das Buch ist fortlaufend erzählt, die einzelnen Kapitel aber in sich abgeschlossen. Sehr schön finde ich auch die fettgedruckten, sich reimenden Sinnsprüche bzw. Lebensweisheiten der Oma. Sie geben dem Buch eine gewisse Struktur und Käthe einen Halt. Am Ende des Buches findet sich noch eine tolle Anleitung, wie man Gummistiefel selbst bepflanzen kann.
Alles in allem ist dieses Buch einfach perfekt für kleine Menschen ab 5 Jahren (Meine Tochter wird in 4 Monaten 4 Jahre und konnte der Geschichte noch nicht lange folgen, da pro Seite bzw. Doppelseite immer nur eine, in der Größe variierende Illustration vorhanden ist und zudem viel Text). Ich freue mich besonders, dass aus dieser bezaubernden Buchidee eine Reihe wird.


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Veröffentlicht am 03.01.2020

Gemächlicher Cosy-Krimi mit Witz

Hamish Macbeth und der tote Witzbold
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Die Reihe um den schottischen Dorf-Constable Hamish Macbeth von der “Vielschreiberin” Marion Chesney alias M. C. Beaton ist nun schon gute dreißig Jahre alt, der erste Band erschien 1985. Bis zum Jahr ...

Die Reihe um den schottischen Dorf-Constable Hamish Macbeth von der “Vielschreiberin” Marion Chesney alias M. C. Beaton ist nun schon gute dreißig Jahre alt, der erste Band erschien 1985. Bis zum Jahr 2018 hat Beaton sage und schreibe 38 “Hamish Macbeth-Krimis” vorgelegt - eine beeindruckende Anzahl! Der Bastei Lübbe-Verlag übersetzt die Reihe seit dem Jahr 2016 und mit “Hamish Macbeth und der tote Witzbold” liegt nun schon der siebte deutsche Band vor, im Mai folgt Nummer 8.
Hamish Macbeth ist ein richtig sympathischer “Highland-Ermittler”, der sich gut mit den lokalen Besonderheiten seiner Heimat auskennt. Also wird er auch gerne mal zu Verbrechens-Schauplätzen gerufen, die gar nicht in seinen Zuständigkeitsbereich fallen. Wie zum Beispiel im vorliegenden Krimi, wo ein alter Herrenhausbesitzer mit großem Vermögen, der anderen gerne fiese Streiche spielt, ermordet aufgefunden wird. Die Situation ist herrlich skurril, denn der alte Mr. Trent hat alle seine Anverwandten zu einer außerordentlichen Sitzung einberufen. Praktisch, denn so sind alle Verdächtigen unter einem Dach versammelt. Dafür dass sie nicht wegkönnen vom Schauplatz des Verbrechens, sorgt ein Kunstgriff, der in der Krimiliteratur nicht gerade selten angewandt wird: ein Schneesturm kappt zunächst jegliche Verbindung zur Außenwelt. Aber irgendwann bahnt sich Hamish Macbeth doch seinen Weg zu “Arrat House” und findet dort eine äußerst bizarre Situation vor, die - zumindest bei mir - für einige Lacher gesorgt hat. Das Aufeinandertreffen von polizeilicher Routinearbeit und den unorthodoxen Verhaltensweisen des Hauspersonals - angestiftet von einem Familienmitglied Trents - mündet unzweifelhaft in eine humorvolle Situation, die dann für mich auch schon der Höhepunkt dieses “Wohlfühl-Krimis” war. Den richtigen Täter hatte ich aufgrund seiner “Unverdächtigkeit” schnell in Verdacht, allein das Motiv hat für einige Überraschung gesorgt. Die Auseinandersetzung Hamishs mit dem Unsympathen Blair aus Glasgow hat noch für ein bisschen Zündstoff gesorgt. Hier kommt besonders die Tatsache zum Tragen, dass der Krimi Anfang der Neunziger Jahre geschrieben wurde. Hamishs Arbeitsweise mit dem Notizblock deklariert Blair als veraltet, Diktiergeräte und Fax waren damals moderne technische Errungenschaften, die heute anachronistisch wirken.
Ein wenig schade fand ich, dass Hamish bereits im vorletzten Kapitel zur Lösung des Falls kommt und dies dem Leser auch mitgeteilt wird. So wird dem typischen “Cosy-Krimi-Showdown” in der Bibliothek, bei dem sich alle Verdächtigen zusammen mit dem Ermittler versammeln, ein wenig die Spannung genommen.
Da die Charaktere herrlich skurril und einige Situationen sehr witzig waren, fand ich diesen Krimi aber durchaus lesenswert und ich möchte auf jeden Fall weitere Seiten von Hamish Macbeth kennenlernen.
Zur Gestaltung ist zu sagen, dass das Cover - wie auch die der anderen Bände - vor Witz und Ironie nur so sprüht. Chapeau an die Layoutabteilung des Lübbe-Verlags! Sehr toll finde ich auch die Tatsache, dass jedes deutsche Hamish-Cover ein anderes schottisches Tartan-Muster “featured” - auf dem Buchrücken und im Coverlogo mit dem süßen Highland-Terrier! Sehr coole Idee, die das Sammeln der Reihe in der Taschenbuch-Ausgabe erstrebenswert macht.

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Veröffentlicht am 30.12.2019

Magischer Realismus

Der magische Adventskalender
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Die Idee, eine Adventskalender-Geschichte mit 24 Kapiteln zu schreiben mag vielleicht nicht neu sein (ich habe nicht recherchiert, ob es ähnliche Stories gibt), Jan Brandt hat sie aber zusammen mit den ...

Die Idee, eine Adventskalender-Geschichte mit 24 Kapiteln zu schreiben mag vielleicht nicht neu sein (ich habe nicht recherchiert, ob es ähnliche Stories gibt), Jan Brandt hat sie aber zusammen mit den Illustrator Daniel Faller auf einzigartige und sehr lesenswerte Weise umgesetzt. Die Geschichte des Halbwaisen Jonas Klaasen, der mit seiner Schwester Sonja und seinem Vater im (fiktiven) Kleinstädtchen Ravenhagen wohnt, steckt voller Wärme und Phantasie und geht in jedem Fall ans Herz.
An einem 1. Dezember findet Jonas einen Holzkasten vor seiner Haustür. Schnell stellt sich heraus, dass es sich dabei um einen Adventskalender handelt. Auf den einzelnen Türchen sind Symbole abgebildet, die Jonas auf eine magische Schnitzeljagd durch Ravenhagen führen, bei der er die Bewohner seiner Stadt besser kennenlernen wird - und irgendwie auch sich selbst…
Dieses Buch ist am ehesten der Strömung "Magischer Realismus" zuzuordnen, denn hier existieren die Welten des Alltäglichen und Phantastischen nebeneinander. Ich mag die Symbolkraft und das Geheimnisvolle an diesem kleinen Büchlein. Es geht in erster Linie ums Teilen und damit um Menschlichkeit, die wir alle in diesen "modernen" Zeiten umso nötiger haben.
Allzu viel möchte ich aber nicht verraten über das Buch, das sich am besten jeder - ob jung oder alt - selbst erschließen sollte. Meine Adventszeit hat es jedenfalls ein bisschen magischer gemacht!

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