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Veröffentlicht am 18.10.2019

"Eine Wunderbarkeit" - Bewegende Gedankengänge

Laufen
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Literarische Moden wiederholen sich. Vor roundabout 100 Jahren war der innere Monolog bzw. sein enger Verwandter, der "Bewusstseinsstrom", ein gern verwendetes Stilmittel von Autoren der literarischen ...

Literarische Moden wiederholen sich. Vor roundabout 100 Jahren war der innere Monolog bzw. sein enger Verwandter, der "Bewusstseinsstrom", ein gern verwendetes Stilmittel von Autoren der literarischen Moderne. James Joyce, Marcel Proust und Arthur Schnitzler waren Vorreiter auf diesem Gebiet. Hier wurde eine neue Form der Unmittelbarkeit geboren, indem Gedankengänge eines Ich-Erzählers quasi wie "gedacht" wiedergegeben wurden.

Jetzt scheint diese Erzählweise wieder sehr en vogue zu sein, immerhin war Lucy Ellmann 2019 mit einem reinen "Stream-of-Consciousness"-Roman ("Ducks, Newburyport") für den Booker Prize nominiert. Auch Isabel Bogdan bedient sich in "Laufen", ihrem zweiten Roman nach "Der Pfau", dieser Erzählperspektive.

Es geht um eine Frau aus Hamburg, klassische Musikerin, sie hat die 40 leicht überschritten, die ca. ein Jahr nach dem Verlust ihres langjährigen Lebensgefährten wieder anfängt zu joggen. Wir erleben, wie sie innerlich die Trauer mit sich rumschleppt und gleichsam einfach dagegen anläuft. Dabei spricht sie ihren Lebensgefährten immer wieder direkt an, es ist quasi ein innerer Monolog, der einen bestimmten Adressaten hat - ihren verstorbenen Freund. Im Verlauf des Textes wird dann auch klar, an welcher Krankheit ihr Partner litt. Diese Offenbarung hat mich als Leser zusätzlich betroffen gemacht. Also das Wissen, um welchen Tod es ging, hat aller Leichtigkeit, die das Laufen bringt, nochmal eine gewisse Schwere verliehen.

Ihre Trauer - nicht nur über das Ausverkauftsein von gewissen Taschentüchern. Ihre Wut. Darüber, dass sie nicht offiziell "verwitwet" sein darf weil ihr Freund nicht ihr Ehemann war und dass ihre "Schwiegereltern" sie deswegen nicht für "voll" nehmen. Auch die Wut auf ihren Partner, der sie zur "Hinterbliebenen" gemacht hat. Ihre Verzweiflung angesichts des neuen Gefühls der Unvollständigkeit, des "Halbseins" bzw. der Lücke, die ihr Partner hinterlassen hat. Was anfangen mit diesem "neuen" Leben ohne? Wie kann man dem Glück der anderen begegnen? Gibt es eine Zukunft? Das alles ist so unbedingt nachvollziehbar, so authentisch. Und dann natürlich die Liebe, die immer noch da ist und sich in so alltäglichen Dingen wie verschrumpeltem Gemüse manifestiert, das man selbst nicht so mag, wie der Partner es gemocht hätte, für den man es eigentlich eingekauft hat.

Ich mag die moderne, lebensnahe Erzählweise von Isabel Bogdan sehr und ihren feinen Humor, der das Leben an sich trotz allem in ein positives Licht stellt. Die Momente des Glücks, die sich in einem Musikstück manifestieren, in der netten Geste von Freunden oder in der profanen Kugel Eis. Bogdan scheut auch nicht vor Kraftausdrücken zurück, die ihre Protagonistin denkt. Das macht das Ganze vielleicht noch etwas authentischer. Dann diese tollen Neologismen ("Wunderbarkeiten", "Ekligkeiten"). Sehr oft habe ich mir Stellen markiert. Und dann philosophiert sie auch noch über das Ginkgo-Gedicht von Goethe. Damit hat mich Isabel Bogdan dann ganz gekriegt. "Dass ich eins und doppelt bin", ja ja...

Mir hat das Buch sehr gefallen. Ich kann es allen empfehlen, die den inneren Monolog schätzen, Humor "trotz allem" und Isabel Bogdan als Autorin. Ich hoffe sie schreibt neben ihrer Tätigkeit als Übersetzerin bald wieder einen Roman. Sie ist einfach eine sehr gute Schriftstellerin.

Veröffentlicht am 15.10.2019

Hommage an die Kunst der Fotografie

Die Zeit des Lichts
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“Die Zeit des Lichts” ist ein Künstlerroman über die Fotografin Lee Miller (1907-1977) und der Erstlingsroman der amerikanischen Schriftstellerin Whitney Scharer.

Die Erzählweise ist enigmatisch, ...

“Die Zeit des Lichts” ist ein Künstlerroman über die Fotografin Lee Miller (1907-1977) und der Erstlingsroman der amerikanischen Schriftstellerin Whitney Scharer.

Die Erzählweise ist enigmatisch, elegant, die Briten würden sagen sophisticated, ein Wort, für das es keine wortgetreue Übersetzung ins Deutsche gibt. Dicht und atmosphärisch ist die Metaphorik, die Scharer verwendet. Ihre wortgewaltigen Sprachbilder sind keinesfalls ausgelutscht, sondern bestechend klar, messerscharf und auf den Punkt. Diese Bildlichkeit schafft es absolut den Leser für sich einzunehmen. Ich habe mich gefühlt, als würde ich selber ein Pfeifchen in den Pariser Opiumhöhlen rauchen oder mit Man Ray in der Dunkelkammer stehen und ihm bei seiner Arbeit über die Schultern schauen. Gleichzeitig wahrt die personale Erzählstimme eine gewisse Distanz zu ihren Protagonisten, es wirkt zuweilen, als würde sie von oben auf sie draufschauen.

Die Story? Lee Millers Biografie gibt die Schauplätze und die Handlung dieses Buches weitgehend vor. Whitney Scharer konzentriert sich auf die Pariser Zeit und die intime Zusammenarbeit mit dem Künstler und Fotografen Man Ray (1890-1976), bildet doch die Aufforderung der Vogue-Chefredakteurin zum Artikel über ihre Beziehung in der Rahmenhandlung den Aufhänger für die Haupthandlung. Scharer schaut quasi durchs Schlüsselloch dieser schillernden Beziehung und das wirkt an manchen Stellen etwas voyeuristisch.

Lee Miller war eine kühle junge Schönheit, Man Ray der chaotisch-verschwenderisch-geniale Künstler, beide waren sie vielseitig begabt, ihre Beziehung war symbiotisch. So wie Man Rays Werk arbeitet auch der Roman mit dem Stilmittel "Erotik" - ein wichtiger Aspekt bei Miller und Man Ray, deren körperliche und intellektuelle Anziehung von Anfang an vorhanden war. Mir persönlich ist es stellenweise zu viel der Erotik und "Bettgeschichtliches". Nicht nur erotisch sondern auch sehr sinnlich ist der vorliegende Roman, indem er die Sinne (Sehen - Fotografie; Fühlen, riechen, schmecken - Essen und Trinken, Liebesakte, Haut, Düfte; Hören - das gesprochene Wort und die Musik in den Pariser Salons, Varietés und Bars aber auch der Lärm der Kriegsschauplätze) ganz genau destilliert und damit auch feiert.

Die Erzählstruktur bzw. den Aufbau des Romans, finde ich sehr ansprechend. Da wären die bereits erwähnte Rahmenhandlung, die 1966 spielt und die Haupthandlung. Letztere besteht aus einer Haupterzählung, nämlich Lee Millers Pariser Jahren ab 1928. Diese wird durch Vorschaukapitel unterbrochen, die Lee in den Jahren des zweiten Weltkriegs als Kriegsfotografin zeigen. Sie sind sehr kurz und man könnte sie als etwas längere Momentaufnahmen bezeichnen.

"Die Zeit des Lichts" ist ein sehr gutes Buch über eine interessante Frau und Künstlerin in politisch und menschlich aufwühlenden Zeiten - allerdings kein Selbstläufer, der sich mal eben so "weglesen" lässt! Man sollte schon ein gewisses Interesse oder sogar Faible für Kunst und Künstlermilieus, Fotografie bzw. die Kunstströmungen des Art Déco, Dadaismus und Surrealismus im Besonderen und Romanbiographien im Allgemeinen aufbringen, sonst wird einen das Buch nicht glücklich machen. Dafür ist die Handlung etwas zu spröde und wenig spannend im klassischen Sinne. Wenn man allerdings Freude an bildlicher, ausdrucksstarker Sprache und schriftlicher Erotik hat, sollte man dem Buch eine Chance geben.


Veröffentlicht am 14.10.2019

Tierliebe in Buchform

Die Eulenflüsterin
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An eine Autobiografie muss man andere Maßstäbe anlegen als an ein literarisches Werk. Hier wird nichts Fiktives oder Semi-Fiktives kunstvoll beschrieben, sondern die Lebensrealität einer Person wird sprachlich ...

An eine Autobiografie muss man andere Maßstäbe anlegen als an ein literarisches Werk. Hier wird nichts Fiktives oder Semi-Fiktives kunstvoll beschrieben, sondern die Lebensrealität einer Person wird sprachlich aufbereitet - und zwar von ihr selbst. Man kann also die "Handlung" schon mal gar nicht kritisieren, denn wie soll man das erlebte Leben einer anderen Person kritisieren? Höchstens die Schwerpunkte, die die Person setzt, kann man bewerten.

Bei Tanja Brandts Autobiografie "Die Eulenflüsterin. Was ich von meinen Tieren über das Leben lernte" fällt mir das Bewerten etwas schwer. Natürlich erwartet man das, was im Untertitel steht, nämlich eine Geschichte darüber, wie Tiere das Leben der Autorin, Falknerin und Fotografin beeinflusst haben und wie sie zur "Eulenflüsterin" wurde. Im ersten Teil des Buches geht es zwar am Rande und später zunehmend auch um ihre Tiere, aber vor allem handelt es von ihrer Kindheit und Jugend in Baden-Württemberg, die im Großen und Ganzen alles andere als glücklich war. Das ist traurig zu lesen, wird von der Autorin aber mit einer gewissen abgeklärten Gelassenheit erzählt. Sie hat ihren Frieden mit den Ereignissen gemacht und so manche Anekdote ist dann auch sehr humorvoll.

Letzteres liegt am Charakter der Autorin, die durchaus Sinn für Humor besitzt. Das spürt man dann auch im zweiten Abschnitt, dem über ihre Tiere. Allein schon die Namenswahl für so manchen Greifvogel lässt Freude aufkommen (Leonard Hofstadter aka "Lenny", Klaus-Bärbel, etc.) Liebevoll beschreibt sie deren Charakterzüge und Eigenheiten und auch die Highlights der Zeit mit dem jeweiligen Tier. Diese sind sowohl dramatischer als auch witziger und manchmal ganz alltäglicher Natur - wie das Leben (auch das mit Greifvögeln und anderen Tieren) eben so ist! Ab und an hätte ich mir mehr Hintergrundinfos zu der Haltung der Tiere gewünscht (Wo kriegt man die ganzen Mäuse her? Wie viel Platz braucht man um eine artgerechte Voliere aufzustellen? Darf jeder mit Falknerschein Greifvögel halten?, etc.)
Berührend sind dann auch ihre abschließenden Berichte über ihr Engagement in der Wildtierrettung. Man muss wirklich den Hut ziehen vor so viel Einsatz für die Tiere, bei jeder Tages- und Nachtzeit und bei jedem Wetter!

Die wundervollen Fotos, die Tanja Brandt von und mit ihren Tieren gemacht hat, finden sich in der Mitte des Buches. Hier hätte ich mir gewünscht, dass auch die jeweiligen Tierkapitel bebildert gewesen wären. So muss man immer zurückblättern und suchen, wenn man sich ein Foto des jeweiligen Tieres ansehen möchte.

Grau hinterlegte Kästen mit Informationen im Lexikonstil zu den einzelnen Tierarten finden sich im jeweiligen "Tierkapitel". Diese sind super als Hintergrundinformation. Denn wer weiß schon auf Anhieb, was die Eigenheiten einer bestimmten Eulenart sind, ohne im Internet nachzusehen. Das erspart man sich durch die Infokästen.

Alles in allem hat mir das Buch sehr gut gefallen und Tanja Brandt, die sich selber als "chaotischen Waldschrat" bezeichnet, kommt als sehr sympathische, verletzliche und witzige Persönlichkeit rüber. Allen Tierfreunden sei dieses Buch wärmstens empfohlen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Thema
  • Geschichte
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 05.10.2019

She does it again!

Madame le Commissaire und der tote Liebhaber
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Ich habe alle Bände rund um die toughe Madame le Commissaire alias Isabelle Bonnet, gelesen. Sie zieht nach einem Trauma aus Paris in ihr südfranzösisches Heimatstädtchen, das fiktive Fragolin, um dort ...

Ich habe alle Bände rund um die toughe Madame le Commissaire alias Isabelle Bonnet, gelesen. Sie zieht nach einem Trauma aus Paris in ihr südfranzösisches Heimatstädtchen, das fiktive Fragolin, um dort noch einmal als Provinzpolizistin von vorne anzufangen. Dort kreuzen nicht nur interessante Männer ihren Weg, sondern auch die ein oder andere Leiche.

In diesem 6ten Band aus der Feder Pierre Martins - ein Pseudonym, das viele nur allzu gerne aufdecken würden - ist die Leiche leider Isabelles langjähriger Freund und Liebhaber Thierry Blès - merde! Der sympathische und geschäftstüchtige Bürgermeister von Fragolin wurde erstochen am Hafen von Sanary-sur-mer aufgefunden. Was hat er mit diesem Ort, den viele verfolgte deutsche Künstler und Intellektuelle während des Naziregimes zeitweise als Heimat ansehen, zu tun gehabt. Warum wurde er dort ermordet?

Ich muss sagen dieser Band hat mir ausnehmend gut gefallen, auch wenn ich es schade fand, dass ausgerechnet Thierry nun nicht mehr vorkommen wird. Der Fall war richtig spannend, es gibt viele Verdächtige und die Lösung ist überraschend! Isabelles persönliche Verquickung mit dem Fall als direkt betroffene "Angehörige" ist gut erzählt. Dass sie trotzdem selbst ermitteln will, war natürlich klar! Sie schafft es trotzdem die professionelle Distanz zu wahren und den Fall zu lösen: chapeau! Ich freue mich auf Band Sieben!


Veröffentlicht am 03.10.2019

Netter historischer Jugendkrimi

Teestunde mit Todesfall
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Vor kurzem habe ich diese Jugendkrimireihe der Autorin Robin Stevens für mich entdeckt, bislang aber nur diesen zweiten Band gelesen: "Teestunde mit Todesfall"! Es sind bereits viele weitere Bände erschienen, ...

Vor kurzem habe ich diese Jugendkrimireihe der Autorin Robin Stevens für mich entdeckt, bislang aber nur diesen zweiten Band gelesen: "Teestunde mit Todesfall"! Es sind bereits viele weitere Bände erschienen, als Hardcover im Kneseneck-Verlag und das besondere ist: alle haben eine andere knallige Farbe als Einband.

Hazel (die Ich-Erzählerin) und Daisy, zwei Teenager-Mädchen im England der 1930er Jahre, haben in Band 1 ("Mord ist nichts für junge Damen") eine Detektei gegründet und bereits einen Mordfall gelöst - und zwar in dem Internat, in dem sie leben.

Das Ganze ist also sowas wie TKKG, nur mit Kapitalverbrechen und historisch, außerdem liegt der Anteil der DetektivINNEN bei 100%.
Die Idee gefällt mir schon mal. Dieser zweite Teil spielt nun im Zuhause von Daisy, der Vorsitzenden der Detektei. Dieses Zuhause ist ein altes englischee Herrenhaus. Daisys Vater ist nämlich ein waschechter Lord. Da sie Geburtstag hat, findet an einem Frühlingsnachmittag ein Teekränzchen zu ihren Ehren statt bei dem, man ahnt es schon, ein Mord passiert. Dessen nehmen sich die Detektvinnen natürlich prompt an.

Ein wirklich sehr netter Jugendkrimi und ich denke auch genau für das Alter 10 plus passend.