Guter Auftakt zur Reihe
Scythe – Die Hüter des TodesIn Neal Shustermans „Scythe – Die Hüter des Todes“ geht es um eine Zukunft, in der eine künstliche Intelligenz, der Thunderhead, die Kontrolle über alles innehat und es geschafft hat, alles Schlechte wie ...
In Neal Shustermans „Scythe – Die Hüter des Todes“ geht es um eine Zukunft, in der eine künstliche Intelligenz, der Thunderhead, die Kontrolle über alles innehat und es geschafft hat, alles Schlechte wie Armut, Krankheit, Kriege und Tod zu besiegen. Er entscheidet alles bis auf, welche Menschen sterben müssen. Denn auch in dieser Welt muss es den Tod geben, aber die Macht darüber hat der Thunderhead den Menschen gelassen. Eine bestimmte Gruppe an Personen trägt die Aufgabe, Menschen für den Tod auszuwählen. Citra und Rowan werden ausgewählt eine Ausbildung zu absolvieren, um genau diese Aufgabe erfüllen zu können. Der Haken ist, dass nur einer von beiden die Ausbildung bestehen kann und der Gewinner als erst Handlung als Scythe den Anderen töten muss.
Gleich zu Beginn taucht der Leser in den Beruf der Nachlese ein – sowohl bei Citra als auch bei Rowan kommt Scythe Faraday durch eine Nachlese mit ihnen in Kontakt. Nachdem er sie zur Ausbildung ausgewählt hat, ziehen sie schnell bei ihrem Mentor ein und beginnen in verschiedensten Künsten zu lernen. Bis zum ersten Konklave, einer Art Hauptversammlung für Scythe lernt der Leser das Setting und das Scythtum kennen. Doch genau bei diesem Event zeigt sich der Hauptspannungsbogen – weil Scythe Faraday zwei Lehrlinge ausgewählt hatte, die sich einander zugetan fühlen beschließen die versammelten Scythe diese Zuneigung zu unterbinden. Es wird beschlossen, dass nur einer der beiden die Ausbildung bestehen kann und der Gewinner denn anderen nachlesen muss.
Scythe Faraday sucht einen Ausweg für seine zwei Lehrlinge und liest sich selbst nach, in der Hoffnung, dass dann die Ausbildung für beendet erklärt wird. Entgegen seiner Vermutung, werden Citra und Rowan jeweils zu einem anderen Scythe in die Lehre geschickt, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Während Citra von einer Scythe unterrichtet wird, die die alten Werte in den Fokus stellt, bekommt Rowan eine Ausbildung darin, dass töten Spaß machen soll. Letzteres spiegelt eine neue Generation von Scythe wieder, die sich über die Menschheit erhaben fühlen.
Der Leser begleitet die Ausbildungen und beobachtet die Entwicklungen, besonders Rowans innerer Kampf sich nicht von seinem neuen Mentor brechen zu lassen. Beide suchen laufend nach Möglichkeiten und Schlupflöchern, den anderen nicht am Ende umbringen zu müssen. Dann bricht Rowan dann aus seiner Lehre aus, was die Veränderung in seinem Charakter verdeutlicht.
Beim dritten Konklave, an dem Citra und Rowan ihre Abschlussprüfungen ablegen müssen, begegnen sie sich wieder, mit dem Wissen, dass einer den anderen nachlesen muss.
Die Charaktere haben mir sehr gut gefallen. Besonders bei den verschiedenen Scythe kam deutlich das Alter und die Erfahrung rüber, während ich Citra und Rowan noch „grün hinter den Ohren“ sind.
Citra ist eine temperamentvolle junge Frau, die gerne ausspricht was sie gerade denkt. Sie ist in einer heilen Familie aufgewachsen und möchte eigentlich keine Scythe werden. Im Laufe der Handlung findet sie ihre Werte in dieser Aufgabe wieder und schlüpft im Endeffekt in eines neue Rolle.
Rowan hingegen ist eher eine ruhige Person, die unentschlossen im Leben wirkt. Seine Familie ist groß und er nimmt keine zentrale Rolle als Mitglied darin ein. Er ist schlau und nachdenklich, aber auch loyal bzw. Standfest in seiner Überzeugung.
Scyhte Faraday ist Mysterium. Der Leser erfährt sehr wenig über ihn, doch was ich erfahren habe, hat mich nur noch neugieriger auf seine Vergangenheit gemacht.
Diese scheinbar perfekte Welt, die von dem Thunderhead geleitet wird und nur die Scythe nicht unter seiner Kontrolle stehen hat mir sehr gut gefallen. Das regt viel zum Nachdenken an, gerade jetzt in der Corona-Zeit. Das ganze Konzept der Trennung zwischen Thunderhead und dem Scythtum und dem Grundgedanken der Scythe fand ich total interessant und durchdacht. An manchen Stellen hätte ich mir mehr Input gewünscht, z.B. bei der Formulierung „über den Berg kommen“ oder den selbstfahrenden Autos – diese Dinge wurden als normal in den Textfluss eingebaut, allerdings nie erklärt, sondern der Leser entnimmt dem Kontext, was darunter zu verstehen ist.
Zwischen Citra und Rowan soll sich laut Klappentext eine tiefe Verbindung entwickeln. Bis zum Ende gibt es immer wieder Andeutungen und Gedankengänge der Protagonisten, die zeigen, dass sie mehr füreinander empfinden könnten, das allerdings durch das Verbot unterbunden wird. Allerdings kam bei mir diese tiefe Verbundenheit nie wirklich an.
Der Spannungsbogen im Buch lässt an manchen Stellen nach und kam mir dann ohne klaren roten Faden vor. Das letzte Drittel war dann aber voll mit Überraschungen und Spannungsmomenten –besonders am Ende konnte ich das Buch dann kaum mehr aus der Hand legen. Das ganze dritte Konklave hat mich richtig gefesselt. Besonders die Schlussszene hatte ich so überhaupt nicht erwartet und wurde so unvorhersehbar gelöst. Zum Schluss kam mir das erste Buch dieser Reihe eher wie ein Auftakt für die kommenden Bücher vor, weil jetzt erst die Charaktere von Citra und Rowan entwickelt sind und der Leser die Scythe nun kennt, aber noch nicht viel hinter den Kulissen.
Sprachlich war das Buch sehr flüssig und schnell zu lesen. Allerdings ist die Sprache eher sachlich gehalten, wodurch auch die Erzählung aus dritter Sicht möglich ist. Der Erzähler ist nicht am Geschehen beteiligt, sodass wohl auch die Emotionen der beiden Protagonisten nicht übergesprungen sind. Auf der einen Seite ist dieser Schreibstil für mich konsequent und passend, andererseits finde ich es auch schade, dass die emotionalen Aspekte der Handlung dadurch abgestumpft werden. Am Ende von jedem Kapitel ist ein Tagebucheintrag eines für die Handlung relevanten Scythe eingebaut, der die meist Handlung aus einer anderen Sicht nochmal darstellt.
Das erste Scythe-Buch ist für mich ein guter Auftakt für (hoffentlich) weitere spannende Bücher. Trotz mancher langatmigen Stellen haben mir die Grundidee, die Charaktere und die Handlung gut gefallen. Das Konzept einer perfekten Welt in der der Tod trotzdem noch sichergestellt muss, ist moralisch tiefgründig – wenn der Leser sich darauf einlässt, mich hat es zum Nachdenken angeregt. Obwohl die angekündigte Liebesgeschichte in den Hintergrund gerückt ist, habe ich sie nicht groß vermisst. Am Ende wurde sie dann aber auch nochmal aufgegriffen und ich bin gespannt, wie es im nächsten Buch weitergeht.