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Veröffentlicht am 05.09.2020

Unbedingt hören!

Cryptos
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Allgemeines:

Die ungekürzte Hörbuchausgabe von Cryptos ist im August 2020 beim Hörverlag erschienen und hat eine Laufzeit von 12h und 53min. Die Printausgabe des Buches ist im Loewe Verlag erschienen. ...

Allgemeines:

Die ungekürzte Hörbuchausgabe von Cryptos ist im August 2020 beim Hörverlag erschienen und hat eine Laufzeit von 12h und 53min. Die Printausgabe des Buches ist im Loewe Verlag erschienen. Gelesen wird das Hörbuch von der bereits vielfach ausgezeichneten Hörbuchsprecherin Laura Maire.

Inhalt:

Kerrybrook ist Janas Lieblingswelt: ein idyllisches Fischerdorf mit viel Grün, geduckten Häuschen und einer Burgruine. Es gibt Schafe, gemütliche Pubs und vom Meer her weht ein kühler Wind. Manchmal lässt Jana es regnen. Meistens dann, wenn an ihrem Arbeitsplatz mal wieder die Kühlung ausfällt und es schon vor elf Uhr so heiß ist, dass man kaum mehr atmen kann.

Jana ist Weltendesignerin. Auf ihrem Desktop entstehen die alternativen Realitäten, in denen jeder spannende Abenteuer erleben kann, während er sich eigentlich in einer Art VR-Kapsel befindet. Denn in einer Wirklichkeit, in der das Klimasystem bereits gekippt ist, bleibt für die meisten Menschen nur die Flucht ins Virtuelle … (Quelle: Verlagsgruppe Random House)

Meine Meinung:

Ich habe vermutlich so ziemlich jedes Buch von Ursula Poznanski gelesen oder gehört. Auf meiner Liste fehlt mittlerweile nur noch Thalamus, aber das hoffe ich auch bald zu ändern. Erebos, Aquila, Elanus, … sie alle haben mich begeistert und auf ihre ganz eigene Art und Weise gefesselt. Cryptos geht jedoch einen Schritt weiter. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, kein Buch für Jugendliche zu hören. Erebos 2 hat ebenfalls bereits diese Richtung eingeschlagen, in Cryptos schreibt Poznanski nun aber wirklich für eine deutlich ältere Leserschaft. Ich würde es erst ab einem Lesealter von 16 Jahren empfehlen.

Ich habe Cryptos nicht gelesen, sondern das Hörbuch gehört. Laura Maires Stimme begleitete mich schon in verschiedenste Welten. Sie liest für mich auf einem Level mit Rufus Beck und es ist immer wieder ein Vergnügen, ihr zuzuhören.

Während des Hörens begleiteten mich die unterschiedlichsten Gefühle. Wir leben in einer Welt, in der der Klimawandel voranschreitet, immer präsenter wird. Die entsprechenden Klimabewegungen finden zwar Gehör, viele Bemühungen verlaufen aber im Sande, die Dinge werden nicht so ernst genommen. Die Gletscher schmelzen, die Erde erwärmt sich. In Cryptos ist dieser Zustand so weit fortgeschritten, dass auf der Erde so gut wie kein Leben mehr möglich ist. Deshalb werden Ressourcen gespart, die Menschen werden über Nährlösungen ernährt und bewegen sich so gut wie gar nicht mehr. Sie leben nicht mal mehr wirklich in der realen Welt. Die meiste Zeit verbringen sie im virtuellen Raum. Sie finden das nicht schlimm, stehen ihnen doch unendliche Welten zur Verfügung. Kinder lernen nicht länger in der Schule, sie besuchen virtuelle Welten, die echte historische Geschehnisse zeigen oder lernen Sprachen in Welten, in denen sie auch gesprochen werden. Ein Realitätsstopp ist noch immer vonnöten, mutet unter den aktuellen Lebensbedingungen sehr hart an. Es gibt jedoch auch einige wenige Menschen, die nach wie vor in der Realität leben müssen. Zu ihnen zählt die Protagonistin, Jana.

Jana ist Weltendesignerin, eine ziemlich erfolgreiche noch dazu. Anders als so manch anderer steht sie nicht auf brutale Welten, in denen Fantasien ausgelebt werden können. Sie kreiert auch keine Vampirwelten, in denen nachts die Bewohner mit Pfählen losziehen. Sie erschafft verschiedene Welten, von denen zwei so wirken, als wenn man tatsächlich in ihnen leben möchte. Doch plötzlich verschwinden die Leute… Was es damit auf sich hat, kann und möchte ich euch an dieser Stelle nicht verraten. Lest oder hört selbst!

Ich habe Cryptos stets auf dem Weg zur Arbeit gehört und konnte es von Tag zu Tag kaum abwarten. So schnell wie möglich wollte ich in die vielen Welten versinken. Besonders fasziniert hat mich dabei, dass man als Hörer oder Leser nicht nur eine Welt kennenlernt, sondern durch viele Welten reist. Dabei waren einige Welten recht stereotypisch aufgebaut, anderen haftete etwas Besonderes an. Durch einen relativ schnellen Wechsel der Handlungsorte gelingt es Poznanski nicht nur eine Spannung innerhalb der Handlung, sondern auch eine Spannung, in welche Welt sie uns als nächstes entführen wird, aufzubauen.

Die Handlung spitzt sich immer mehr zu, bis sie einem spannenden Showdown entgegenstrebt, den ich so nicht erwartet hätte. Danach empfand ich alles als ein wenig zu seicht und schnell gelöst. Deshalb kann ich für dieses Buch keine fünf Herzen vergeben. Obwohl mich die Grundidee der Geschichte, die Themen Klimawandel und virtuelle Realität miteinander zu verknüpfen, zugleich erschüttert und überzeugt hat. Nichtsdestotrotz alles in allem eines der besten Bücher von Poznanski!!!

Fazit:

Ein Hörbuch, mit dem man die unterschiedlichsten Welten besucht, zum Nachdenken angeregt wird und hofft, dass unsere Welt niemals so werden wird.

Veröffentlicht am 29.08.2020

Schokolade gefällig?

Frau Wolle und der Duft von Schokolade
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Allgemeines:

Von der Autorin Jutta Richter sind bereits unzählige Kinderbücher erschienen. Frau Wolle und der Duft nach Schokolade ist das erste Buch, das ich bewusst von dieser Autorin lese. Vielleicht ...

Allgemeines:

Von der Autorin Jutta Richter sind bereits unzählige Kinderbücher erschienen. Frau Wolle und der Duft nach Schokolade ist das erste Buch, das ich bewusst von dieser Autorin lese. Vielleicht ist mir früher schon das ein oder andere begegnet, das weiß ich leider nicht mehr.

Ursprünglich ist das Buch bereits 2018 erschienen, meine Ausgabe stammt jedoch aus einer Neuauflage im Jahr 2019. Sie ist optisch minimal anders gestaltet und erschien ebenfalls im dtv Verlag, genauer gesagt in der Reihe Hanser. Das Buch hat 144 Seiten, die von Illustrationen begleitet sind.

Inhalt:

„Weil Mama Spätschicht hat und Papa ganz weit weg ist, haben Merle und Moritz eine neue Nachtfrau. Sie heißt Gesine Wolkenstein, hat schmale Lippen und unheimliche Augen, die erst grasgrün sind, dann schwarz und zuletzt hellblau und durchsichtig. Ausgerechnet sie soll die Kinder ins Bett bringen! Doch in den Nächten ist da plötzlich Frau Wolle. Sie regiert das Reich hinter der schwarzen Tür, von dem Papa früher erzählt hat. Dort wohnen die Spitzzahntrolle, die nur in Reimen reden, und der wachsame Waisenfuchs Silberträne. Da gibt es das Lager der verlorenen Sachen und den Saal der Bonabären, da findet man die Gedankenbremse, und wenn es im Weltempfänger rauscht, können Merle und Moritz Papas Stimme hören. Und das tröstet ungemein.“ (Quelle: dtv, Hanser)

Meine Meinung:

Auf Frau Wolle und den angepriesenen Duft nach Schokolade bin ich bereits nach wenigen Augenblicken aufmerksam geworden. Zuerst erinnerte mich Frau Wolle natürlich an die beinahe gleichnamige Frau Holle. Das machte mich neugierig, liebe ich doch Märchen und vermutete eine Nähe zu diesem Genre. Nach einem genaueren Blick in den Klappentext und die Leseprobe des Buches war ich beinahe noch gespannter auf den Inhalt. Die Beschreibung erinnerte mich an eine moderne Märchenerzählung und ließ mich auf ein spannendes Abenteuer hoffen.

Liebe Leser besonderer Kinderbücher, ihr werdet nicht enttäuscht werden und solltet unbedingt alle in die Geschichte von Merle, Moritz und Gesine Wolkenstein eintauchen. Nicht nur die erzählte Geschichte ist besonders, nein, auch die Art der Erzählung. Ihr werdet auf eine sprachliche Vielfalt und eine schaurige Schönheit treffen. Auf ein Kinderbuch, das, inspiriert von Hans Falladas Murkelei, so viele Elemente vereint und dabei eine Geschichte erzählt, die uns alle berühren kann. Wer möchte nicht eine Nachtfrau haben, die Gesine Wolkenstein heißt? Ich hätte aufgrund des Namens direkt zugestimmt. Merle und Moritz sehen das jedoch (zum Glück) anders. Frau Wolkenstein scheint etwas Böses zu umgeben. Um sie spinnen sich düstere Geschichten über Kindesentführungen und die Kinder befürchten verständlicherweise das Schlimmste.

Nach und nach entdecken Merle und ihr kleiner Bruder Moritz des Nachts eine Welt, die sowohl gefährlich als auch faszinierend ist. Sie vermissen ihren Vater, der ihnen stets fantasievolle Geschichten erzählt hat, jedoch auf seltsame Art und Weise verschwunden ist. Was die Welt, die die beiden Kinder entdecken, mit dem Weltenempfänger, ihrem Vater, Frau Wolle und vor allem mit der Schokolade zu tun hat, sollt ihr selbst herausfinden. Nur so viel sei verraten: Nicht alles ist, wie es scheint!

Meine Empfehlung für jüngere Leser ist auf jeden Fall, das Buch gemeinsam mit ihren Eltern zu lesen oder es sich vorlesen zu lassen (bevor es dunkel wird). Vielleicht ist es an der ein oder anderen Stelle sonst doch etwas zu unheimlich, vor allem durch die gruseligen Zeichnungen, die die Geschichte begleiten.

Fazit:

Ich würde mich sehr freuen, bald die Fortsetzung dieser schaurig schönen Geschichte zu lesen, die nicht nur Kinderaugen, die sich in der Welt eines Märchens nicht fürchten, leuchten lässt.

Veröffentlicht am 31.07.2020

Versinke im sternenlosen Meer!

Das sternenlose Meer
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Allgemeines:

Das sternenlose Meer ist am 25. Mai 2020 als Hardcover mit Schutzumschlag bei Blessing in der Verlagsgruppe Random House erschienen. Der Originaltitel des Romans von Erin Morgenstern lautet ...

Allgemeines:

Das sternenlose Meer ist am 25. Mai 2020 als Hardcover mit Schutzumschlag bei Blessing in der Verlagsgruppe Random House erschienen. Der Originaltitel des Romans von Erin Morgenstern lautet The Starless Sea. 640 Seiten hat die deutsche Übersetzung, die von Karin Will angefertigt worden ist. Viele von euch kennen mit Sicherheit den weltweit erfolgreichen Debütroman Der Nachtzirkus von Morgenstern, der im Jahr 2011 erschienen ist. Wer ihn noch nicht kennt, kann Das sternenlose Meer völlig unabhängig von ihm lesen. Meine Empfehlung lautet, ihn trotzdem zu lesen. Ein solch besonderes Buch solltet ihr nicht verpassen!

Inhalt:

„Eigentlich arbeitet Zachary Ezra Rawlins an seiner Promotion, doch er kommt nicht weiter. Denn immer, wenn er in der Bibliothek ist, sucht er ein Buch auf, das zwischen den Regalen versteckt liegt. Ein Buch, in dem Zachary eines Tages eine Schilderung seiner eigenen Kindheit findet. Aber wie ist das möglich? Auf der Suche nach dem Geheimnis dieses Buches entdeckt Zachary eine unterirdische Welt voller Bücher am Ufer eines sternenlosen Meers, wo er schließlich eine Verschwörung aufdecken und für die Liebe seines Lebens kämpfen muss.“ (Quelle: Verlagsgruppe Random House)

Meine Meinung:

Vor ein paar Wochen bin ich noch durch das Silbermeer gesegelt und nun bin ich im sternenlosen Meer versunken. Es hat mich gefangen, Wort für Wort und Satz für Satz. Wie lange habe ich auf ein neues Buch aus der Feder dieser brillanten Autorin gewartet. Es waren Jahre. Jahre sind vergangen seit Der Nachtzirkus seine Zelte abgebrochen hat und für (immer?) verschwunden ist. Nun kehrte ich zwar nicht zu ihm zurück, die Welt, die Morgenstern hier erschaffen hat, ist aber mindestens ebenso einzigartig. Ihre Worte sind Poesie und erzählen eine Geschichte, die magischer nicht sein könnte. Eigene Worte für diesen Roman zu finden, fällt mir deshalb nicht leicht. Nichts könnte dieses Buch so treffend beschreiben, dass ihr den ihm innewohnenden Zauber miterleben könntet.

Eine Geschichte in einer Geschichte in einer … Geschichte (?) – So ein Aufbau erfordert vor allem einen aufmerksamen und interessierten Leser. Man kann diesen Roman nicht nebenbei lesen, ohne die relevanten Dinge zu verpassen. Mitnichten würde man die Raffinessen der Autorin verstehen und vermutlich in größerem Ausmaß verwirrt aus der Lektüre herausgehen. Wenn man jedoch über die nötige Lesemotivation (und die Zeit) verfügt, dann liest man ein so besonderes Buch, dass man nach der Lektüre gleich ein zweites Mal in ihm versinken könnte. Auch ich musste an einigen Stellen genauer hinschauen, zurückblättern oder nachlesen. Morgenstern fordert das ein, hat einen hohen Anspruch an ihre Leserschaft. Nach und nach entdeckt der aufmerksame Leser Details oder versteht Aspekte der Handlung intensiver. Das steigert die Lesemotivation sehr, irgendwann habe ich dem Ende entgegengefiebert und wollte unbedingt wissen, ob ich mit meinen Vermutungen richtigliege.

Vor allem für eher bibliophil veranlagte Menschen gibt es unglaublich viel zu entdecken und mitzurätseln. Das sternenlose Meer ist nicht nur ein Titel, sondern auch ein Mysterium, das es zu entschlüsseln gilt und in dessen Geschichten man schwimmen oder versinken kann. Unzählige Querverweise zu anderen literarischen Figuren erfordern Leseerfahrung, die auch ich nicht immer hatte.

Sollten erneut mehrere Jahre vergehen, bis Morgenstern etwas Neues schreibt, blicke ich auch ihrem nächsten Roman sehnsuchtsvoll entgegen. Wenn sogar die Zeit sich in das Schicksal verliebt, dann sind Morgensterns Worte das Warten wert.

Fazit:

Wer sich ebenfalls auf ein besonderes Buch einlassen möchte, kann das mit dem Sternenlosen Meer tun. Ich werde es mit Sicherheit bald noch einmal lesen, damit mir auch wirklich keine Details dieser magischen Geschichte entgehen.

Veröffentlicht am 27.06.2020

Ein schöner Schmöker

Vaters Wort und Mutters Liebe
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Allgemeines:

Nina Wähä wurde 1979 in Stockholm geboren. Sie war Schauspielerin und Leadsängerin der Indieband Lacrosse, bevor sie mit dem Schreiben begann. 2007 erschien ihr erster Roman S wie Schwester, ...

Allgemeines:

Nina Wähä wurde 1979 in Stockholm geboren. Sie war Schauspielerin und Leadsängerin der Indieband Lacrosse, bevor sie mit dem Schreiben begann. 2007 erschien ihr erster Roman S wie Schwester, 2010 ihr zweites Buch Schau nicht zurück!. Beide Bücher waren in Schweden ein großer Erfolg. Wähä hat für Vaters Wort und Mutters Liebe den Norden Finnlands als Handlungsort gewählt, weil sie familiäre Verbindungen dorthin hat. Das Buch erschien am 22. Juni 2020 im Heyne Verlag als Hardcover und umfasst 544 Seiten.

Inhalt:

„Ein Hof im finnischen Tornedal ist das Zuhause der vierzehnköpfigen Familie Toimi. Siri, die Mutter, ist eine sanftmütige Person, der das Wohl ihrer Kinder am Herzen liegt. Ganz im Gegensatz zu Pentti, dem herrischen Vater, um den alle lieber einen Bogen machen. Einige der zwölf Kinder haben bereits Reißaus genommen und sind nach Stockholm, Helsinki oder sogar Zypern gezogen, doch das Band und die Liebe zwischen den Geschwistern und der Mutter ist so stark, dass sie immer wieder zurückkehren. So auch diesmal, als die Geschwister zu einem Familientreffen nach und nach zu Hause ankommen, voller Erwartung und Vorfreude auf das Wiedersehen. Doch ein erster Zwischenfall trübt bald die Stimmung.

Ein vielschichtiges und brillant erzähltes Familienepos, das den Leser packt und verzaubert und eindrücklich zeigt, wie auf Loyalität der Verrat und auf Liebe die Enttäuschung folgen kann.“ (Quelle: Verlagsseite Randomhouse)

Allgemeines:

Familiengeschichten, die auch noch viele Irrungen, Wirrungen, Geheimnisse und komplexe Charaktere haben, gefallen mir gut. Vaters Wort und Mutters Liebe gehört zu dieser Art von Geschichten. Die Schwedin Nina Wähä schreibt ihr Buch ganz in der Tradition finnischer Geschichtenerzähler, lässt ihre Geschichte in Finnland spielen. Es wirkt, als sei sie eine waschechte Finnin. Am Anfang jeden Kapitels steht eine kleine Zusammenfassung, die aussagekräftig ist, aber nicht zu viel verrät, sondern vielmehr Neugier weckt.

Siri, Mutter von 14 Kindern (davon zwei verstorben), ist der Dreh- und Angelpunkt des Buches. Sie lebt in unglücklicher Ehe mit ihrem Mann Pentti, der sie weder versteht noch nett behandelt. Er ist ein absoluter Sonderling, der dem Leser sofort unsympathisch ist. So viele Kinder, da sollte man meinen, dass es turbulent zugeht im Haus der Familie. Turbulent schon, aber anders als man denkt. Das Alter der Kinder ist irgendwo zwischen erwachsen und sechsjährigem Jungen. Siri ist mittlerweile 57, ihr erstes Kind bekam sie sehr jung. Die Geschwister sind sich uneins, agieren oft gegeneinander, hintergehen den anderen. Jeder und jede für sich ist ein irgendwie kaputter Charakter. Wähä springt in den erzählten Episoden innerhalb der Geschichte der Familie. Man erfährt, wie es jetzt dort aussieht, wie es einzelnen Familienmitgliedern in der Kindheit ging. Auch in einer Großfamilie kann jeder für sich sehr einsam sein, das stellt die hier erzählte Geschichte eindrucksvoll unter Beweis. Trotz der vielen Personen behält man den Überblick in diesem Buch. Das liegt mit Sicherheit an der Erzählweise der Autorin. Die geschilderten Episoden hinterlassen bleibende Eindrücke. Man hat so auch sehr schnell seine Lieblinge innerhalb der Kinderschar. Es ist sicherlich für jeden etwas dabei. Bei mir ist es Annie, die älteste lebende Schwester, die für mich eine Integrationsfigur darstellt, die allerdings an den Ansprüchen, vermitteln zu wollen, grandios scheitert. Die Rahmenhandlung stellt das Leben auf dem Hof von Siri und Pentti dar. Dort treffen die Kinder immer wieder aufeinander, Konflikte werden ausgetragen oder es wird still vor sich hingegrummelt. Keiner weiß wirklich, was der andere denkt. Nur Siri als Mutter hat den Überblick, sie kann den Kindern in die Seele blicken, lässt es sie aber nicht wissen. Die Charaktere der Protagonisten sind gewissermaßen ein Sammelsurium menschlicher Schicksale. Alle haben einen psychischen Knacks. Viele sind gescheiterte Existenzen. Geldnot, Alkoholsucht, Gewalt, Verbrechen – alles da. Und ein Mord – oder doch nicht?

Im Original lautet der Titel Testamente, das passt sehr viel besser zum Inhalt des Buches als der deutsche Titel. Warum? Das werdet ihr merken, wenn ihr das Buch lest.

Ich kann gar nicht so genau sagen, was mich an dem Buch so gefesselt hat. Ich weiß nur, dass die Figuren mich überzeugt haben und ich gerne eine Fortsetzung über das Leben dieser schrägen Familie lesen würde.

Fazit:

Ein schöner Schmöker. Mit den finnischen Namen muss man erst vertraut werden, dabei hilft einem das beigefügte Lesezeichen, auf dem alle Namen der Protagonisten stehen. Das Ende des Buches überzeugt mich nicht so ganz, daher gibt es vier Herzen.

Veröffentlicht am 28.05.2020

Anders als erwartet

Falling Skye (Bd. 1)
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Allgemeines:

Falling Skye – Kannst du deinem Verstand trauen? ist im Januar 2020 als gebundenes Buch im Coppenrath Verlag erschienen. Es handelt sich um den ersten Band einer Reihe. Das Buch hat 464 ...

Allgemeines:

Falling Skye – Kannst du deinem Verstand trauen? ist im Januar 2020 als gebundenes Buch im Coppenrath Verlag erschienen. Es handelt sich um den ersten Band einer Reihe. Das Buch hat 464 Seiten und wird ab einem Lesealter von 14 Jahren empfohlen.

Der zweite und abschließende Band Rising Skye – Werden deine Gefühle dich retten? erscheint im Herbst 2020. Wann genau ist aufgrund der momentanen Situation vermutlich noch nicht absehbar (Quelle: Instagramaccount der Autorin).

Inhalt:

„Nach einer großen Katastrophe sind die USA zu den Gläsernen Nationen geworden. Endlich ist Schluss mit Diskriminierung, Populismus und impulsiven Entscheidungen! Die Menschen werden in Ratio oder Senso eingeteilt – und zu ihrem eigenen Schutz unterliegen die Emotionalen strengen Auflagen.
Als die 16-jährige Skye zu ihrer Testung einberufen wird, ist sie überzeugt, als mustergültige Rationale erkannt zu werden, der eine glänzende Zukunft bevorsteht. Doch die Prüfungen sind verstörend, und Skye fragt sich immer häufiger, welchem Zweck sie in Wahrheit dienen. Wer ist der mysteriöse Testleiter, der ihr auf Schritt und Tritt folgt? Und wohin verschwinden die Mädchen, die im täglichen Ranking abfallen? Zu ihrem Entsetzen muss Skye erkennen, wer in den Gläsernen Nationen den Preis für die neue Ordnung zahlen soll: sie selbst …“ (Quelle: Coppenrath Verlag)

Meine Meinung:

Obwohl ich mich eigentlich vor einiger Zeit dazu entschieden habe, erstmal keine Dystopien mehr zu lesen, habe ich auf Falling Skye hin gefiebert. Sobald ich es in der Vorschau bei Coppenrath entdeckt hatte, war ich Feuer und Flamme und wollte unbedingt ganz schnell in diese dystopisch anmutende Geschichte eintauchen. Es kommt eben selten vor, dass eine Autorin in diesem Genre aus der eigenen Heimatstadt oder überhaupt aus dem hohen Norden kommt. Da spielte die Identifikation im Vorfeld eine große Rolle für meine Lesemotivation. Und aus diesem Grund habe ich auch darüber hinweggesehen, dass die Beschreibung des Buches mich in großen Teilen an bereits dagewesene Dystopien erinnert.

Während der Lektüre war ich zunächst noch euphorisch, mir gefiel der Schreibstil von Lina Frisch. Doch nach und nach vermisste ich Innovation. Ich las eine Geschichte unter vielen, eine die bereits in anderer Form so existierte, beispielsweise erinnerte mich die sich entwickelnde Handlung, aber vor allem auch die Grundidee stark an Divergent. An dieser Tatsache hat sich über einen längeren Zeitraum hinweg nichts geändert.

Skye ist eine regimetreue Person, die (wie könnte es anders sein?) im Laufe der Handlung das Regime infrage stellen wird. Ihr Verhalten ist an vielen Stellen naiv und manchmal möchte man sie schütteln. Ich hätte mir eine verantwortungsvollere, mutigere und einzigartigere Protagonistin gewünscht. So bleibt sie blass, ich konnte mich nicht mit ihr identifizieren. Sie ist austauschbar und könnte sich auch in die Handlung anderer Dystopien einfügen. Luce hingegen, die eigentlich nur ein Nebencharakter ist, konnte mich überzeugen. In ihr habe ich all das wiedergefunden, was Skye vermissen ließ. Sie handelt unglaublich mutig. Vielleicht wäre ein weiterer Teil aus ihrer Perspektive gewinnbringend für die Reihe?

Ich wollte aber nach wie vor unbedingt weiterlesen, das Buch beenden und wissen, was hinter all dem stecken wird. Und aus diesem Grund kann ich im Nachhinein auch sagen, dass Frisch mich von ihrer eigenen Idee überzeugt hat. In ihrem Buch steckt doch mehr als man nach den ersten 200 Seiten denken könnte. Sie hat es in eine Geschichte verpackt, die es ähnlich schon vielfach gibt, aber in ihr schlummert viel schöpferisches Potential. Dieses Potential muss von ihr in mehreren Handlungssträngen miteinander verwoben werden, um Logik, Spannung und den Willen weiterzulesen bei potenziellen Lesern zu erzeugen. Für die Fortsetzung der Reihe wünsche ich mir daher, dass Frisch ihre eigene geniale Idee, die sich hinter der Oberfläche der Geschichte verbirgt, entwickelt und ausbaut. Wenn sie das tut, geht sie in dem weiten Meer der Dystopien nicht verloren. Ich würde mir wünschen, dass es ihr gelingt, durch dieses Meer zu segeln!

Fazit:

Lina Frisch konnte mich mit ihrem Debüt nur in Teilen beeindrucken und überraschen. Ich wünsche mir, dass sie die geniale Idee, die sich hinter der Geschichte verbirgt, weiter ausbaut!