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Veröffentlicht am 25.08.2019

Lebt Eve einen Traum?

Eve of Man (I)
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Allgemeines:

Eve of man – Die letzte Frau erschien am 23.08.2019 als Hardcover im dtv Verlag. Das Buch hat 448 Seiten und wird ab einem Lesealter von 14 Jahren empfohlen.

Geschrieben wurde es von den ...

Allgemeines:

Eve of man – Die letzte Frau erschien am 23.08.2019 als Hardcover im dtv Verlag. Das Buch hat 448 Seiten und wird ab einem Lesealter von 14 Jahren empfohlen.

Geschrieben wurde es von den beiden Autoren Giovanna und Tom Fletcher. Die Namensähnlichkeit rührt nicht von ungefähr: Die beiden sind verheiratet. Tom Fletcher kennen viele aus der jüngsten Vergangenheit vermutlich durch das Kinderbuch der Weihnachtosaurus, das ebenfalls im dtv Verlag erschienen ist. Eve of man ist der erste Teil einer Reihe.

Inhalt:

„Sie ist die letzte Frau. Das Schicksal der Menschheit liegt in ihren Händen: EVE

Sie ist die Antwort auf alle Gebete der Welt, die Hoffnung auf den Fortbestand der Menschheit: Nach einem halben Jahrhundert wird endlich wieder ein Mädchen geboren – Eve. Isoliert von der Außenwelt wächst sie in einem goldenen Käfig auf. Jetzt, mit 16 Jahren, soll sie aus drei Kandidaten ihren Partner wählen. Eve war sich ihrer Verantwortung immer bewusst und hat widerspruchlos die schwere Bürde für den Fortbestand der Menschheit getragen. Doch nun trifft sie Bram, und die Zweifel an der Aufrichtigkeit der Motive ihrer »Beschützer« wachsen. Eve will die Wahrheit wissen, über die Welt, über ihre Familie, über die Liebe, die sie für Bram fühlt. Sie will Kontrolle über ihr Leben, sie will Freiheit. Doch darf sie für ihr privates Glück die Zukunft der Menschheit aufs Spiel setzen?“ (Quelle: dtv Verlag)

Meine Meinung:

Eve of man ist auf verschlungenen Wegen zu mir gekommen. Leider hat die Deutsche Post in diesem Fall eine Sachbeschädigung begangen. Mein Exemplar war so sehr in den Briefkasten gestopft, dass ich gar nicht mit dem Lesen beginnen konnte. Denn es ging einfach nicht hinaus. Erst mit viel Kraftaufwand, einem verbogenen Briefkasten und einem ziemlich beschädigten Buch (siehe Bild, zerfetzt ist sogar der Inneneinband), konnte ich mit dem Lesen beginnen. Da ich meine Erlebnisse auch auf meinem Instagram Account geschildert habe, um die Post darauf aufmerksam zu machen, schreib mir der dtv Verlag, dass sie mir ein neues Exemplar zusenden. An dieser Stelle möchte ich mich dafür ganz herzlich bedanken! Um die Geschichte in diesem Bereich abzuschließen: Ich habe bereits mehrfach mit der Deutschen Post telefoniert. Ich bin ein stets freundlicher Gesprächspartner und wurde bei meiner zweiten Nachfrage, was nun getan werden könnte, abgewürgt: Meine Ansprechpartnerin hat das Gespräch beendet, indem sie einfach den Hörer auflegte. Von der Post ist anscheinend leider keine Reaktion zu erwarten.

Aber nun zur eigentlichen Rezension des Buches…

Eve of man wanderte schnell auf meine Wunschliste. Neugierig, was sich hinter der Beschreibung verstecken mochte, begann ich mit der Lektüre. Ich habe das Buch in kurzer Zeit verschlungen. Zum einen lag das am Umfang des Buches, zum anderen jedoch an der Geschichte selbst. Die Fletchers entwerfen ein Szenario, das anfangs positiv wirkt. Dem Leser ist natürlich klar, dass sich mehr dahinter verbergen muss und der schöne Schein trügerisch ist. Vorsichtig führen sie ihre Leser in ihre Welt ein. An das Thema Spannung tasten sie sich langsam heran. Was dann jedoch auf einmal passiert, war für mich zum Teil vorhersehbar, zum Teil aber auch wirklich spannend. Man könnte rückblickend betrachtet sagen, dass Eve nach einem recht vorhersehbaren Schema aufgebaut ist. In meinen Augen hätte das nicht sein müssen. Wenn in diesem Bereich anders vorgegangen worden wäre, hätte ich für Eve fünf Herzen vergeben.

Eve ist die erste seit Jahrzehnten geborene Frau, die fruchtbar ist. Was das in einer Gesellschaft, deren Überleben nur durch Fortpflanzung sichergestellt werden kann, bedeutet, können wir uns heute nicht vollständig ausmalen. Einiges hat mich wirklich überrascht und schockiert. Eve lebt in einem Turm, abgeschottet von der Außenwelt. Die Außenwelt selbst lebt in einem Szenario, das mit Blick auf den fortschreitenden Klimawandel nicht weit entfernt scheint: Der Wasserpegel ist so weit gestiegen, dass ein Leben in gewohnter Umgebung nicht mehr möglich ist. In Eve wird also nicht nur auf einen Missstand hingewiesen, sondern weiter gedacht.

Sogar so weit, Eve nicht als Einzelband anzulegen. Das empfand ich zunächst als schade. Ich hätte wirklich gerne ein Ende der Geschichte gelesen. Nun muss ich mich noch ein wenig gedulden. Aber mit Sicherheit werden uns die Fletchers mit der Fortsetzung ihrer Geschichte nicht enttäuschen. Ich freue mich drauf!

Fazit:

Eine interessante Dystopie, die in großen Teilen fesselnd geschrieben ist, auf einige Missstände aufmerksam macht, und es dabei schafft, eine innovative Geschichte zu erzählen.

Veröffentlicht am 20.08.2019

Kastanienjahre

Kastanienjahre
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Allgemeines:

Anja Baumheier legt mit Kastanienjahre nach Kranichland ihren zweiten Roman vor. Sie wurde 1979 in Dresden geboren und lebte während ihrer Kindheit in der DDR. Heute lebt die Autorin in Berlin ...

Allgemeines:

Anja Baumheier legt mit Kastanienjahre nach Kranichland ihren zweiten Roman vor. Sie wurde 1979 in Dresden geboren und lebte während ihrer Kindheit in der DDR. Heute lebt die Autorin in Berlin und arbeitet als Lehrerin für Französisch und Spanisch.

Kastanienjahre erscheint am 20.08.2019 bei Wunderlich als Hardcover und umfasst 412 Seiten.

Die Pressestimmen zu Kranichland sind sehr positiv: „Anja Baumheier ist mit ihrem Erstling ein Roman gelungen, der sehr viel von der menschlichen Dramatik wiedergibt, die tatsächlich mit der deutschen Teilung verbunden war.“ (SWR 2)

Inhalt:

„Ein anderes Land. Ein anderes Leben. Zwei Orte gibt es, die für Elise Heimat bedeuten: Paris, wo sie seit über 20 Jahren eine kleine Boutique im Montmartre führt; und Peleroich, das verschlafene Dorf an der mecklenburgischen Ostseeküste. Hier wächst sie in den 60er Jahren auf, hier lernt sie Henning und Jakob kennen, die beiden Lieben ihres Lebens. Henning, der Fels in der Brandung, den sie seit Kindertagen kennt, Jakob, der Frauenschwarm, der Künstler werden will und wie sie davon träumt, einmal den Eiffelturm zu sehen. Eine fatale Dreiecksbeziehung voller Geheimnisse – bis Jakob eines Tages spurlos aus Elises Leben verschwindet. Als Elise nach vielen Jahren in ihr Heimatdorf zurückkehrt, taucht sie tief ein in ihre eigene Vergangenheit und in die Geschichte von Peleroich, wo ihre Eltern sich kurz nach Gründung der DDR kennenlernen…

Anja Baumheier erzählt von einem malerischen Dorf und dem Schicksal seiner Bewohner zwischen Gründung der DDR, Mauerbau und Nach-Wendezeit.“ (Quelle: Verlagsseite Rowohlt Verlag)

Meine Meinung:

Ich habe bereits Kranichland von Anja Baumheier gelesen, ihr Debüt, das sich ebenfalls mit der DDR, der Wendezeit bis hin zur heutigen Zeit beschäftigt. Ein beeindruckender Roman, der sehr realistisch vermittelt, wie Politik ein Land, aber auch die Menschen spalten kann. Vermutlich auch deshalb, weil Baumheier selber in der DDR aufgewachsen ist und heute in Berlin lebt, der Stadt, die nun wirklich am stärksten die Staatentrennung von Bundesrepublik und der ehemaligen DDR symbolisiert.

In Kastanienjahre steht ein Ereignis aus der Vergangenheit im Leben der Protagonisten im Mittelpunkt, ein Ereignis, das ihrer aller Leben beeinflusst hat, und dem man sich während des Lesens immer mehr nähert. Die Schauplätze und Zeitebenen wechseln kapitelweise, es wird nicht chronologisch vorgegangen, sondern eher thematisch. Man verliert aber nie den Überblick. Das ist sicherlich auch dadurch begründet, dass die Anzahl der handelnden Personen überschaubar ist und zudem am Anfang des Buches vorgestellt wird.

In diesem Jahr erscheinen viele Bücher, die das Leben in der DDR thematisieren. Sie sind wichtig, denn Ost und West sind gleichermaßen bedeutsam für das Leben miteinander in der Bundesrepublik Deutschland. Es gibt immer noch viele Vorurteile bezüglich der DDR, Bewertungen des täglichen und politischen Lebens dort, ohne eigentlich genau zu wissen, wie dieses denn aussah. Darum leistet Kastanienjahre auch unter diesem Aspekt einen wichtigen Beitrag.

Die Protagonistin Elise stammt aus einem Dorf in der DDR und lebt heute in Paris. Sie wird dort von ihrer Vergangenheit eingeholt und reist zurück an die Stätte ihrer Kindheit. Wohin das ganze führen soll, das bleibt zunächst unklar. Zwei Jungen haben in ihrer Vergangenheit eine wichtige Rolle in Elises Leben gespielt: Jakob und Hennig. Henning lebt weiterhin in Peleroich, Elises Heimatdorf an der Lübecker Bucht. Jakob hingegen verschwand irgendwann, keiner weiß warum und wohin. Es geht um Mut und Angst, Widerstand gegen das sozialistische Regime und Anpassung und Aufgabe. Anja Baumheier wertet nicht, sie lässt ihre Figuren handeln und sprechen, der Leser muss sich selber ein Bild machen, entscheiden, wessen Haltung er akzeptabel findet und welche nicht. Oft endet ein Kapitel und scheint noch nicht fertig, man wird dadurch aufgefordert selber weiterzudenken. Oder aber die fehlenden Informationen werden fast beiläufig in späteren Kapiteln erwähnt. So kommt man noch mehr ins Nachdenken. Das zeichnet dieses Buch ganz besonders aus.

Fazit:

Ich kann dieses Buch sehr empfehlen. Man kann es sehr gut in einem Stück weglesen, aber auch innehalten und nachdenken.

Veröffentlicht am 02.08.2019

Erschütternd gutes Buch.

Exit Now!
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Allgemeines:

Gestern, am 01.08.2019, ist Exit Now! im Coppenrath Verlag erschienen. Ich hatte das Glück, das Buch bereits vorablesen zu dürfen. Aus diesem Grund kann meine Rezension nun so zeitnah erscheinen.

Exit ...

Allgemeines:

Gestern, am 01.08.2019, ist Exit Now! im Coppenrath Verlag erschienen. Ich hatte das Glück, das Buch bereits vorablesen zu dürfen. Aus diesem Grund kann meine Rezension nun so zeitnah erscheinen.

Exit Now! ist die Vorgeschichte, also das Prequel, zu Teri Terrys Gelöscht-Trilogie. Es bietet sich auch an, Exit Now! vor der Trilogie zu lesen, da ihr in der Gelöscht-Trilogie bekannten Charakteren begegnen werdet. Der neue Jugendroman von Terry ist gebunden und hat 493 Seiten. Auf den letzten Seiten befindet sich eine Leseprobe zum ersten Teil der Gelöscht-Trilogie

Inhalt:

„England nach dem Brexit: Ein Mädchen leistet Widerstand

Die 15-jährige Sam lebt in Großbritannien nach dem Brexit wie in einem goldenen Käfig. Hohe Mauern schirmen sie vor bettelnden Familien in den Straßen Londons ab. Panzerglas schützt sie vor den zahlreichen Bombenanschlägen. Auf Empfängen lächelt sie zu den Reden ihres Politiker-Vaters. Doch als Sam die zwei Jahre ältere Ava kennenlernt, erwacht sie aus ihrer Erstarrung: Wieso gibt die Regierung den Jugendlichen die Schuld am Terror im Land? Warum kontrolliert die Polizei plötzlich ihre Handys und jede ihrer Bewegungen? Wohin verschwinden so viele Mädchen aus ihrer Schule? Sam und Ava fühlen sich, als würde ihnen die Luft zum Atmen genommen und sie wollen sich wehren. Doch die Freundinnen ahnen nicht, dass sie schon bald zum Spielball von Terroristen und Politikern werden …“ (Quelle: Coppenrath Verlag)

Meine Meinung:

Als ich Exit Now! in der Vorschau des Verlags entdeckte, war mir klar, dass ich das Buch lesen musste. Eine so hochaktuelle Thematik in ein Jugendbuch zu verpacken und dieses auch noch in eine bereits existierende Reihe einzubetten – ein kluger Schachzug. Ich war gespannt, ob Terry das gut gelingen würde. Ob es stimmig wirken würde und auch die Handlung der Gelöscht-Trilogie, die offensichtlich dystopisch geprägt ist, länger Sinn ergeben würde. Mich beschäftigten viele Fragen. Was passiert laut Terry nach dem Brexit? Was geschieht mit den Grenzen? Was hat es für Auswirkungen auf Menschen, die einer anderen Herkunft sind?

An dieser Stelle kann ich euch bereits verraten, dass ich mehr als überrascht war, wie gut die Beantwortung dieser Fragen und die Einbettung in die Trilogie Terry gelungen sind. Durch diese besondere Einbettung hat sie der Gelöscht-Trilogie in meinen Augen sehr geholfen. Vermutlich verspüre nicht nur ich nun die Lust, die Reihe unbedingt noch einmal zu lesen. Da ich sie nicht besitze, konnte ich das nicht so schnell tun, ein Reread steht jedoch auf meiner Leseliste für dieses Jahr.

Exit Now! ist aus der Sicht von Sam und Ava geschrieben. Normalerweise werden hierfür Charaktere gewählt, die aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten stammen. So auch hier geschehen. Anders ist nur, dass es sich dieses Mal nicht um die Kombination Protagonist und Protagonistin, die sich unsterblich ineinander verlieben, handelt. Terry ist an diesen Aspekt der Geschichte erfrischend anders herangegangen. Ich habe sowohl Ava als auch Sam schnell ins Herz geschlossen. Die beiden sind in vielen Dingen unterschiedlich, im Herzen jedoch eigentlich nicht. Ihre Beziehung entwickelt sich, genau wie die äußere Rahmenhandlung des Buches. Terry beschreibt die Ereignisse in einem Großbritannien im Jahr 2024, nach dem Brexit. Sie wählt einen Ausgang und Lebensbedingungen, die schrecklicher nicht sein könnten. Die Handlung ist von gewalttätigen Ereignissen geprägt, die eindrucksvoll die Stimmung der Bevölkerung und die Meinungsmache der Regierung widerspiegeln. Avas und Sams Wechsel geschehen fliegend. Ihre Kapitel sind sehr kurz. Dadurch rauscht man nur so durch den Roman.

Nach und nach wird eine bestimmte Bevölkerungsgruppe verteufelt, verantwortlich gemacht. Die Beklemmung wächst, die Lage spitzt sich zu. Die Regierung darf alles und tut alles. Bis zum Äußersten. Der Roman hat mich an vielen Stellen wirklich erschüttert. Vor allem dadurch, dass er so realistisch wirkt. Wir wollen uns solche Ereignisse nicht ausmalen, es könnte jedoch irgendwie so passieren. Da Terry in Exit Now! auch den Weg für ihre Trilogie ebnet, wirken die Ereignisse noch verstörender. Sie liefert Begründungen, die plausibel erscheinen. Die mich hoffen lassen, dass es niemals zu solchen Ereignissen kommen wird.

Besonders spannend finde ich es immer, Charaktere aus Büchern der gleichen Autoren wiederzuentdecken. Und das könnt ihr in Exit Now!. Natürlich in die andere Richtung. Sie werden möglicherweise zu Erwachsenen, die später in der Gelöscht-Trilogie eine Rolle spielen. Also lest aufmerksam und schaut genau hin…

Fazit:

Für Exit Now! muss man mutig sein. Mutig genug, sich mit den fiktiven Ereignissen nach dem Brexit in Großbritannien auseinanderzusetzen, die Autorin Teri Terry sich ausgemalt hat. Wenn man mutig genug ist, liest man ein erschütternd gutes Buch.

Veröffentlicht am 01.08.2019

Realität und Fiktion verschwimmen

Hexenlied
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Allgemeines:

Hexenlied ist der neue Jugendroman von Autorin Antonia Michaelis. Er ist am 22.07.2019 als gebundenes Buch in der Verlagsgruppe Oetinger erschienen. Das Buch hat 400 Seiten und wird ab einem ...

Allgemeines:

Hexenlied ist der neue Jugendroman von Autorin Antonia Michaelis. Er ist am 22.07.2019 als gebundenes Buch in der Verlagsgruppe Oetinger erschienen. Das Buch hat 400 Seiten und wird ab einem Lesealter von 14 Jahren empfohlen. Wie immer bei Michaelis‘ Büchern würde ich dieses Lesealter eher bei 16 aufwärts ansiedeln.

Wer Lust hat, sollte sich auf jeden Fall den oben verlinkten Buchtrailer anschauen. Ich finde ihn ziemlich gut gemacht und denke, dass dieses Medium viel mehr genutzt werden sollte, um auf Bücher aufmerksam zu machen.

Inhalt:

„Tim ist scheinbar ein ganz normaler Jugendlicher. In Lilith dagegen sehen alle eine Außenseiterin. Als Lilith in der Theatergruppe die Hauptrolle der mexikanischen Hexe, „la bruja“, übernimmt, hat das seltsame Auswirkungen. Sobald „la bruja“ die Bühne betritt, wirken alle wie gebannt in ihren Rollen. Außerhalb der Proben entwickelt sich zudem ein besonderes Verhältnis zwischen Tim und „la bruja“. Doch bald gibt es erste Gerüchte, dass Lilith tatsächlich eine Art Hexe sein könnte. Denn immer mehr verschwimmen die Grenzen zwischen Theaterstück und Realität.“ (Quelle: Verlagsgruppe Oetinger)

Meine Meinung:

La Bruja fängt dich. La Bruja jagt dich. Sie ist la Bruja. Ob du willst oder nicht. Ob sie will oder nicht. Und sie wird brennen. Ob wir wollen oder nicht.

„Wir haben die Hexe getötet!“ (S. 7)

Hexenlied umgibt eine gewisse magische Faszination. Antonia Michaelis spielt wie gewohnt mit der Wahrnehmung ihrer Leser. Sie vermischt und verwischt gekonnt Realität und Fiktion. Dieses Mal sogar auf mehreren Ebenen. Zum einen wissen wir als Leser nicht mehr, was vor sich geht. Zum anderen haben jedoch auch die Protagonisten keinen Wissensvorsprung und verstricken sich ebenfalls immer mehr in das inszenierte Theaterstück. Denn genau das ist dieses Buch. Ein geschickt konstruierts Stück menschlicher Abgründe. Eine Kombination aus Michaelis und Herr der Fliegen. Ein Stück von „wie-weit-können-wir-gehen“, ein Stück von „wann-gibt-es-Konsequenzen“. Wie lange sind wir Menschen und was macht uns eigentlich dazu? Inwiefern vertrauen wir unseren Lehrern. Inwiefern können sie diese Aufgabe auf Klassenfahrten überhaupt erfüllen. Wann sind auch sie machtlos?

Die Theater-AG studiert jedes Jahr ein Stück ein. Doch dieses Jahr ist es anders. Es wird ihr letztes Stück auf dem Weg zum Abitur sein. Das letzte Mal, dass sie Zeit dafür haben, sich dem Spielen zu widmen. Und das erste Mal, dass ihr Stück ein ganz besonderes ist. Dass irgendetwas anders ist als sons,t entfaltet Michaelis subtil und geschickt. Als Leser wundert man sich, ist manchmal beklommen und möchte den Schauspielern sagen, dass sie doch lieber aussteigen sollen. Den ganz besonderen Schauspielern, jeder ein Unikat für sich. Menschen mit Problemen, Menschen wie du und ich. Auf dem Weg zu großen Erwachsenen mit den gleichen Problemen.

Michaelis‘ Stück steigert sich bis zum dramatischen Höhepunkt. Man könnte sagen, dass sie ebenfalls ein Drama in mehreren Akten schreibt. Nach und nach entwickelte ich Angst vor dem Ende, wollte es aber gleichzeitig erfahren, die Auflösung kennen. Ich wollte, dass Michaelis das Ganze auflöst und gut ausgehen lässt, damit ich wieder gut schlafen konnte. Natürlich sind das unrealistische Erwartungen an diese Autorin. Ja, sie löst alles gut auf. Sehr durchdacht und vollkommen logisch. Aber ob alles ein gutes Ende nimmt, kann ich euch nicht verraten. Aber jeder von uns kann anfangen zu überlegen, auf welcher Seite er am Ende des Stückes gerne stehen würde…

Fazit:

Hexenlied ist ein Buch, auf das man sich einlassen muss. Leser, die das können, erwartet wie immer eine faszinierende und ganz und gar einzigartige Geschichte, in der Realität und Fiktion verschwimmen.

Veröffentlicht am 30.07.2019

Gut erzählte Geschichte und viele historische Zusammenhänge

Das goldene Palais
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Allgemeines:

Natasha Solomons legt mit Das goldene Palais ihren fünften Roman vor. Ihre Großeltern sind 1936 vor dem Naziregime von Berlin nach England geflüchtet. Ihren ersten Roman schrieb sie über ...

Allgemeines:

Natasha Solomons legt mit Das goldene Palais ihren fünften Roman vor. Ihre Großeltern sind 1936 vor dem Naziregime von Berlin nach England geflüchtet. Ihren ersten Roman schrieb sie über die Integration jüdischer Flüchtlinge in die englische Gesellschaft; für ihn erhielt sie 2010 den „Galaxy Book Award New Writer of the Year‘“. Der Roman wies autobiografische Züge auf, denn ihrem Großvater gelang diese Integration. Das goldene Palais ist ein Familienroman, der das Leben der Familie Goldbaum im beginnenden 20. Jahrhundert und während des Ersten Weltkriegs erzählt. Das goldene Palais erschien am 23.07.2019 im Rowohlt Verlag als Hardcover und umfasst 605 Seiten.

Inhalt:

„Ein opulenter Roman über eine jüdische Bankiersfamilie, die nicht zufällig an die Rothschilds denken lässt. Eine packende Saga über Macht, Liebe und Familienbande.

Wien, 1910. Die alte, über ganz Europa verteilte Familie Goldbaum hat ihren enormen Reichtum Bankgeschäften zu verdanken. Greta, das jüngste Kind, ist ein eigenwilliges Wesen. Ihr droht eine Ehe mit Albert, dem Spross des englischen Zweigs der Familie, von dem es heißt, er sei spröde und sauertöpfisch, noch dazu ein leidenschaftlicher Schmetterlingsjäger. Doch Greta beschließt, die Sache auf sich zukommen zu lassen – und tut gut daran.

Während das private Glück unverhofft über Greta hereinbricht, zeigen sich immer bedrohlicher die Vorboten eines großen kriegerischen Konflikts. Ein Konflikt, in den die Goldbaums als Teil der politischen Aristokratie und Finanziers von Waffengeschäften tief verstrickt sind …“ (Quelle: Rowohlt Verlagsseite)

Meine Meinung:

Natasha Solomon legt mit ihrem Roman eine Geschichte vor, die das Leben der jüdischen Bankiersfamilie Goldbaum zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Wien und dem übrigen Europa zum Inhalt hat.

Im Mittelpunkt steht die junge Wienerin Greta, die mit dem aus England stammenden Albert, der zu dem britischen Teil der Goldbaums gehört, verheiratet werden soll. Greta ist eine für die damalige Zeit emanzipierte Frau, die sich traut, sich gegen die herrschenden Konventionen aufzulehnen. Sie entscheidet sich sehr bewusst für die Ehe mit dem ihr völlig unbekannten Albert.

Das für mich eigentlich Interessante an Solomons Roman ist der historische Kontext, der rund um die erzählte Handlung eine wichtige Rolle spielt. Solomon hat genau recherchiert und gibt einen guten Einblick in das jüdische Leben des ausgehenden 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts. Als Bankiers und Geldgeber hoch geachtet, in anderen Belangen aber gesellschaftlich oft unerwünscht und zurückgewiesen, so sieht das Leben der Familie Goldbaum – stellvertretend für das vieler jüdischer Familien – aus. Das folgende Zitat sei hierfür ein Beispiel (Henri, Banker und ein Mitglied der Familie Goldbaum möchte nach Russland reisen, um den Winterpalast zu sehen. Zudem haben die Goldbaums geschäftliche Beziehungen zu Russland.):

„Am folgenden Nachmittag erhielt Henri einen unangenehmen Besuch vom russischen Botschafter. Claire Bouchard [Anm.: Henris Lebensgefährtin] wäre als Gast von Nikolaus, dank der Gnade Gottes Herrscher und Regent aller Russen, willkommen. Henri Louis David Goldbaum allerdings nicht. Juden, und seien sie noch so reich, war die Einreise nach Russland nicht gestattet.“ (S. 74)

Schauplätze des Romans sind Österreich, Frankreich, die Schweiz, Russland und England. Bis auf Russland Länder, in denen die weitverzweigte Familie Goldbaum lebt. Solomons erzählt chronologisch, lässt aber unterschiedlich viel Zeit zwischen den unterschiedlichen Kapiteln vergehen, das ist ein wohltuender Stil, da die erzählte Geschichte sich so auf Wesentliche Ereignisse fokussiert. Mit Beginn der Kriegshandlungen 1914 bis hin zum Eintritt der Vereinigten Staaten von Amerika verdüstert sich das Schicksal der Goldbaums parallel zum Kriegsgeschehen: Der Antisemitismus nimmt zu. Die Fremdenfeindlichkeit der Engländer gegen die Deutschen aber auch, was Greta, obwohl Österreicherin, empfindlich zu spüren bekommt. Die Geschichte der Goldbaums ist wirklich bewegend, zeigt sie doch, dass das Schicksal dieser großen Bankiersfamilie mit dem Zeitgeschehen eng verquickt ist. Das alles erzählt Solomons, ohne Schuldzuweisungen vorzunehmen. Sie hat vielmehr intensiv bezüglich der historischen Geschehnisse recherchiert und baut auf Fakten, die sie ausgesprochen glaubwürdig als Rahmen ihres Romans nutzt. Somit liest man nicht nur ein wirklich packendes Buch, sondern lernt eine Menge über finanzielle Verstrickungen von Bankhäusern und Politik, gegenseitige Ausbeutung und auch Verrat. Die Einblicke in das jüdische Alltagsleben und die damit zunehmend verbundenen Ängste, haben mich sehr beeindruckt. Zudem sind die verschiedenen Lebensentwürfe der Goldbaums ein gutes Beispiel für gegenseitigen Respekt und Toleranz.

Fazit:

Ein Buch, das ich jedem empfehlen kann, der sich nicht nur für eine gut erzählte Geschichte, sondern auch für historische Zusammenhänge interessiert.