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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.09.2017

Die Legende kehrt zurück

Durst
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Als eingefleischter Harry-Hole-Fan musste man ein paar Jahre ungeduldig auf den nunmehr 11. Fall warten. Nach dem letzten, starken Band ,,Koma“ fällt ,,Durst“ aber etwas enttäuschend aus.
Harry Hole hat ...

Als eingefleischter Harry-Hole-Fan musste man ein paar Jahre ungeduldig auf den nunmehr 11. Fall warten. Nach dem letzten, starken Band ,,Koma“ fällt ,,Durst“ aber etwas enttäuschend aus.
Harry Hole hat sich aus dem Polizeidienst zurückgezogen, hält an der Polizeihochschule Vorlesungen und genießt sein privates Glück mit seiner großen Liebe Rakel und deren Sohn Oleg, der als Polizeianwärter in Harrys Fußstapfen treten will. Noch immer gilt Hole in Polizeikreisen als wahre Legende, seine Vergangenheit sucht ihn aber in Alpträumen immer wieder heim.
Als eine junge Frau zu Tode gebissen aufgefunden wird und der Täter offenbar von ihrem Blut getrunken hat, holt Polizeipräsident Mikael Bellmann Harry Hole zurück. Kurz darauf verschwindet eine weitere junge Frau und Hole steigt in den ,,Vampiristenfall“ ein, zunächst widerwillig und nur, weil Bellmann ihn unter Druck gesetzt hat. Als der Täter dann aber offenbar bewusst Spuren hinterlässt, wird Harry Hole klar, dass er den Mörder kennt und seine absolute Berufung zur Mörderjagd erwacht.
Holes frühere Kollegin Katrine Bratt ist nun die Leiterin des Ermittlerteams, man trifft weitere ,,alte Bekannte“ wie Truls Berntsen und Bjørn Holm. Allerdings dauert es eine ganze Weile, bis Harry tatsächlich die Bühne betritt und bis dahin plätschert das Geschehen etwas dahin. Mit Holes Auftreten nimmt die Handlung allmählich Fahrt auf, man wird, wie bei Nesbø üblich, immer wieder geschickt auf falsche Fährten gelockt. Und man ahnt allmählich, dass der Täter in Harry Holes nächstem Umfeld zu suchen ist. So steigert sich die Spannung bis zu einem regelrechten Showdown am Ende. Insgesamt aber konnte mich dieser 11. Fall nicht so mitreißen und begeistern. Manche Dialoge wirken etwas hölzern und künstlich, manches wirkt überkonstruiert. Es scheint, als seien Harry Hole und sein Schöpfer etwas eingerostet. Schade!

Veröffentlicht am 16.09.2017

Ein Leben auf Messers Schneide

Der Preis, den man zahlt
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Spanien im Jahre 1936: Der Spion Lorenzo Falcó ist ein Abenteurer und Lebemann. Sein charismatisches Wesen und sein attraktives Äußere bescheren ihm viel Erfolg bei den Frauen, seine Risikobereitschaft ...

Spanien im Jahre 1936: Der Spion Lorenzo Falcó ist ein Abenteurer und Lebemann. Sein charismatisches Wesen und sein attraktives Äußere bescheren ihm viel Erfolg bei den Frauen, seine Risikobereitschaft und Skrupellosigkeit machen ihn zu einem äußerst erfolgreichen Spion. Im spanischen Bürgerkrieg kämpft er auf seiten der nationalistischen Falangisten und erhält den Auftrag, einen hochrangigen politischen Gefangenen, den Falange-Gründer Antonio Primo de Rivera, aus dem Gefängnis in Alicante zu befreien. Dabei werden ihm drei junge Leute zur Seite gestellt, brennend vor Tatendrang und leidenschaftlich von ihrer Sache überzeugt. Eine davon ist Eva Rengel. Sie passt eigentlich nicht in Falcós Beuteschema, übt aber durch ihren rätselhaften und starken Charakter eine große Anziehungskraft auf ihn aus. Bei der riskanten Befreiungsaktion geht es um Leben und Tod, alle Beteiligten müssen sich absolut auf den anderen verlassen können. Doch keiner weiß, ob er dem anderen wirklich trauen kann. Und plötzlich ändert sich Lorenzos Auftrag.
Lorenzo Falcó ist nicht unbedingt eine sympathische Figur. Er führt seine Aufträge befehlsgetreu und präzise, aber auch leidenschafts- und skrupellos aus. Nicht scheint sein Gewissen zu belasten. Dabei geht es sowohl um Mord als auch um Folter. Er handelt nicht aus politischer Überzeugung, er wirkt sogar eher desinteressiert an Politik. Sein Lebenselixier ist der Nervenkitzel, das Risiko, das Hochgefühl bei der Jagd. Peréz-Reverte versteht es, dieses ,,Gefühl totaler Freiheit und Ungebundenheit, ohne Vergangenheit und Zukunft“ (S. 149) dem Leser nahezubringen. Auch wenn manche Szenen sehr brutal geschildert werden, wird man als Leser von der Spannung mitgerissen. Etwas Hintergrundwissen zum Spanischen Bürgerkrieg und den beteiligten Parteien und Gruppierungen sollte man mitbringen, um sich von den vielen Abkürzungen und verschiedenen Personen nicht verwirren zu lassen.
Allerdings schafft es der Autor, durch seine detailgenauen Schilderungen und seine bildhafte Sprache, den historischen Hintergrund vor dem inneren Auge des Lesers zum Leben zu erwecken. Auf eine Fortsetzung darf man gespannt sein.

Veröffentlicht am 28.08.2017

Zu viel reingepackt

Kein guter Ort
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Orte können einen Menschen beeinflussen, im positiven wie auch im negativen Sinne. Das hat wahrscheinlich jeder schon einmal erlebt. In diesem Fall ist die Rabenschlucht ein solcher Ort, der die Menschen ...

Orte können einen Menschen beeinflussen, im positiven wie auch im negativen Sinne. Das hat wahrscheinlich jeder schon einmal erlebt. In diesem Fall ist die Rabenschlucht ein solcher Ort, der die Menschen das Fürchten lehrt. Der Deutschnorweger Arne Eriksen arbeitet als Psychiater an einer Klinik, u.a. für Suchtkranke. In der Nähe befindet sich die Rabenschlucht, in der vor zehn Jahren ein junges Mädchen vor den Augen seiner Schwester von einem unbekannten Täter umgebracht wurde. Bei dem Versuch, das Mädchen zu retten, ist auch der Vater der beiden Schwestern in die Schlucht gestürzt. Doch schon früher galt die Rabenschlucht als ein Unheil bringender, düsterer Ort. Arne Eriksens Neugier ist geweckt und er versucht, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Tempo und Dynamik kommen auf, als seine Patientin Janne im Drogenrausch das alte Hotel in der Rabenschlucht aufsucht, ein altes Tagebuch findet und dort auf eine vermummte Gestalt trifft. Hat sie der Unbekannte wirklich bedroht oder hat sie sich die Gefahr in ihrem vernebelten Gehirn nur eingebildet?
Der Krimi ist durchaus spannend, allerdings werden für meinen Geschmack zu viele Handlungsfäden und zu viele Personen eingeführt, was die Geschichte zu wenig rund werden lässt. So wird zu Beginn das private Verhältnis zwischen Eriksen und der Polizistin Kari Bergland thematisiert, dann aber erst spät wieder aufgegriffen. Zwischendurch spielt die drogenabhängige Janne eine tragende Rolle. Sie wird von Kari Bergland im Zuge einer Ermittlung aufgegriffen, es stellt sich heraus, dass sie die Tochter ihres Chefs ist und nicht nur mit Drogenproblemen zu kämpfen hat. Kari vermittelt Janne an die Klinik, in der Arne Eriksen arbeitet, doch Janne ist nicht sofort willens, sich helfen zu lassen. Janne selbst wirkt äußerst schwierig und unsympathisch, ihre Freundschaft zu dem syrischen Flüchtling Saman eher aufgesetzt. Arne Eriksens Methoden der Bewusstseinserweiterung mithilfe von Trommelmusik oder Fliegenpilzen ist interessant, aber für die Lösung des Falls in meinen Augen zu wenig überzeugend.
,,Kein guter Ort“ ist unterhaltsam, mehr Konzentration auf das Wesentliche würde die Spannung aber sicherlich erhöhen.

Veröffentlicht am 09.08.2017

Crossculture-Krimi

Dem Kroisleitner sein Vater
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Frassek, Polizeiobermeister in Berlin, hat mehr als nur eine Pechsträhne. Vor kurzem ist erst die Mutter gestorben, jetzt der Vater, die Frau hat ihn verlassen und seine pubertierende Tochter findet ihn ...


Frassek, Polizeiobermeister in Berlin, hat mehr als nur eine Pechsträhne. Vor kurzem ist erst die Mutter gestorben, jetzt der Vater, die Frau hat ihn verlassen und seine pubertierende Tochter findet ihn ,,sowas von alt“. Die Beerdigung des Vaters schwänzt er einfach und fährt stattdessen weiter in die Berge, wo er in dem kleinen Dorf St. Margarethen in der Steiermark landet. Zurück in Berlin muss er sich um abzuschiebende Asylanten kümmern, die auf geheimnisvolle Weise jedes Mal vorgewarnt werden und rechtzeitig verschwinden. Als Frassek und sein Kollege Sprotz versuchen, den Täter, genannt der ,,Robin Hood vom Humboldthain“, durch eine List zu fassen, blamieren sie sich grandios. Und dann erfährt Frassek auch noch, dass er als Verdächtiger in einem Mordfall in St. Margarethen gesucht wird. Der 104-jährige Alois Kroisleitner wurde ermordet, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, als sich Frassek dort aufhielt. Da hilft nur noch die Flucht nach vorn. Frassek begibt sich samt seiner Tochter ins idyllische St. Margarethen und ermittelt selbst. Dabei kommen nicht nur lange gehütete Dorf- und Familiengeheimnisse zutage, auch die Ereignisse im und nach dem 2. Weltkrieg spielen eine Rolle.
Die Gattung ,,Kriminalroman“ beschreibt den Charakter des Buches nur bedingt. Zwar gibt es Tote, Verdächtige und Mörder, die Spannung ergibt sich aber eher aus der Mischung von Regionalem, Historischem, allgemein Menschlichem und Witz. Klamauk ist durchaus vorhanden, wenn Berliner Schnauze auf Steiermark trifft. Doch hat das Buch weit mehr als so mancher humorige Regionalkrimi zu bieten. Wenn Frassek und der ,,junge“ Kroisleitner sich über das Sterben unterhalten, geht es schon fast ins Philosophische.
Die häufigen Orts- und Perspektivenwechsel fordern die Aufmerksamkeit des Lesers. So einiges muss man sich wie ein Puzzle zusammensuchen, auch in die Sprache der St. Margarethener muss man sich erst einfinden. Doch gerade das macht den besonderen Reiz dieses Buches aus. Mich hat das Buch gut unterhalten, gerade weil es sich eher um eine Mischung aller möglichen Gattungen und Stile als um einen Krimi im eigentlichen Sinne handelt.

Veröffentlicht am 24.07.2017

Sehr britisch – sehr bizarr

Eine von uns
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In einem kleinen Dorf in der englischen Provinz, wo jeder jeden zu kennen glaubt, kommt es zu merkwürdigen Einbrüchen. Dabei wird aber meist nichts gestohlen, sondern nur kleine Spuren hinterlassen oder ...


In einem kleinen Dorf in der englischen Provinz, wo jeder jeden zu kennen glaubt, kommt es zu merkwürdigen Einbrüchen. Dabei wird aber meist nichts gestohlen, sondern nur kleine Spuren hinterlassen oder Dinge an einen anderen Platz gestellt. Doch die Betroffenen bemerken, dass jemand in ihrem Haus oder ihrem Schlafzimmer war. Der geheimnisvolle ,,Einbrecher“, bald der ,,Fox“ genannt, bringt die Dorfbewohner dazu, sich gegenseitig zu verdächtigen und zu misstrauen. Jeder verschließt Fenster und Türen, einige bewaffnen sich, und dennoch dringt der Fox in die Häuser ein. Eines Tages verschwindet Anna, die sich jahrelang um ihre Mutter gekümmert hat. Sie ist eine unscheinbare, freundliche junge Frau, die jeder kennt, aber niemand weiß etwas Genaueres über sie. Hat der Fox Anna entführt oder sogar getötet? Die Atmosphäre im Dorf spitzt sich zu, alte Geschichten und verborgen geglaubte Geheimnisse werden durch die zunehmend aggressiver werdenden gegenseitigen Verdächtigungen ans Licht gezerrt.
Die einzelnen Kapitel mit teils so merkwürdigen Titeln wie ,,Foto“, ,,Handschuh“ oder ,,Hautcreme“, die jeweils einen Gegenstand von Bedeutung in den Fokus stellen, werden aus der Sicht verschiedener Beteiligter erzählt. Da gibt es Deloris, die jung verheiratete und zunehmend frustrierte Ehefrau, oder Brian, der sympathische Dorfpolizist, der sich um seinen behinderten Bruder kümmert, Jim, der neue Seelsorger des Dorfes, der mit einer dunklen Vergangenheit zu kämpfen hat oder Stan, der mit Anna ein sehr privates Geheimnis geteilt hat. Diese Geschichten sind interessant, allerdings hält sich die Spannung doch eher in Grenzen, da alle Figuren sehr passiv und unentschlossen wirken. Die Spannung steigt etwas gegen Ende des Romans, als man auf Spuren von Anna stößt und sich die Schlinge um den Fox allmählich enger zieht. Die Schilderung der tiefen Abgründe der Dorfidylle ist durchaus lesenswert, allerdings sollte man keine Hitchcock-Spannung erwarten, wie im Klappentext angekündigt.