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Veröffentlicht am 25.02.2023

Blindes Vertrauen einer jüdischen Familie in der NS-Zeit

Die Wiege der Hoffnung
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Die Autorin thematisiert in ihrem Roman den Beginn und die dann folgenden Jahre der Naziherrschaft in Deutschland. Dabei erzählt sie eine Geschichte aus der Sicht einer deutschen jüdischen Familie, die ...

Die Autorin thematisiert in ihrem Roman den Beginn und die dann folgenden Jahre der Naziherrschaft in Deutschland. Dabei erzählt sie eine Geschichte aus der Sicht einer deutschen jüdischen Familie, die durch den Betrieb der eigenen Apotheke keine finanziellen Nöte haben und den Eltern eine gute berufliche Qualifikation sowohl Hannes, des Sohnes als auch Luise, der Tochter. wichtig ist.
Luise, deren Herz für die Naturwissenschaften schlägt und die liebend gerne nach erfolgreichem Studium die familieneigene Apotheke weiterführen möchte, muss sich sehr schnell beruflich umorientieren, da ihr als Jüdin ein Studium verwehrt bleibt. Glücklicherweise wird ihr jedoch ein anderer Herzenswunsch erfüllt und sie beginnt ein Kunststudium, das letztendlich dazu führt, dass sie mit den Nazis kollaboriert. Ein gewagtes Spiel, bleibt sie sich doch ihrer jüdischen Herkunft treu und kann durch ihre Einblicke in die Nazibürokratie so manche geplante Deportation jüdischer Mitmenschen verhindern. Dass ihr gewagtes Spiel nicht unentdeckt bleiben kann, ist keine Frage. Die gemeinsame Flucht mit einem Freund aus der gemeinsamen Schulzeit, der Italiener Emilio, führt die beiden sicher nach Apulien, seinem Heimatort.
Der Autorin gelingt eine hervorragende Charakterisierung einer deutschen jüdischen Familie, wobei sie gekonnt die unterschiedliche Einschätzung der aktuellen Situation und deren weitere Entwicklung unter der Herrschaft der Nazis und die damit verbundene Verfolgung von jüdischen Mitbürgern mit Hilfe der einzelnen Familienmitglieder darstellt. Wähnt sich das Familienoberhaupt als Deutscher, auch wenn er Jude ist, nach wie vor sicher und weist die vorsichtigen Hinweise und Beobachtungen seiner Frau als unglaubwürdig zurück. Seine Frau, durch ihre Verkaufs- und Beratungstätigkeit in der Apotheke und einer guten Auffassungsgabe und auch Weitsicht erkennt mehr und mehr die drohende Gefahr für ihre Familie und die Juden generell. Hannes und Luise, zunächst noch Schulkinder, spüren bereits erste Anfeindungen und werden mit Lehrinhalten vertraut gemacht, die man als judenverachtend bezeichnen kann. Gerade diese kleinen alltäglichen Dinge verleihen dem Roman eine Authentizität und Eindringlichkeit, der man sich nicht entziehen kann. Und wenn man dann Luise und Hannes als Erwachsene auf ihrem gefährlichen Weg durch den zunehmenden Judenhass und die Judenverfolgung begleitet, so entsteht eine ungemeine Spannung auf den weiteren Verlauf.
Romane aus dieser Zeit, vor allem auch mit der gleichen Thematik, sind mir bekannt. Doch noch nie konnte ich einen so direkten Blick in eine jüdische Familie, bei der sich der Vater lange sträubt bzw. sich wehrt, die drohende Gefahr für sich und seine Familie wahrzunehmen bzw. zu akzeptieren und rechtzeitig die Flucht zu ergreifen, werfen. Der Roman hat mich von der ersten bis zur letzten Zeile in seinen Bann gezogen und er hat die höchste Sternezahl mehr als verdient.

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Veröffentlicht am 22.02.2023

Ein Blick hinter die Kulissen des lebenslustigen Adels

Der Blumenkavalier
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Der nun bereits dritten Band über die Familie Wohlleben, alter gräflicher Wiener Adel, ist vorrangig der jüngsten Tochter, Fanny, gewidmet. Aber auch Ereignisse und Entwicklungen rund um die beiden älteren ...

Der nun bereits dritten Band über die Familie Wohlleben, alter gräflicher Wiener Adel, ist vorrangig der jüngsten Tochter, Fanny, gewidmet. Aber auch Ereignisse und Entwicklungen rund um die beiden älteren Geschwister Georg und Sophie tragen zu einem interessanten und faszinierenden Einblick in die Welt des Adels, Ende des 19. Jahrhunderts in Wien bei.
Der Einstieg in den Roman gestaltet sich ohne Vorkenntnis der beiden vorhergehenden Bände leider etwas schwierig, da man bereits auf den ersten Seiten mit sehr vielen Protagonisten konfrontiert wird und sich dadurch die familiären und auch freundschaftlichen Verbindungen nicht so leicht herstellen lassen. Ist diese Hürde erst einmal überwunden, entfaltet sich ein äußerst unterhaltsames Lesevergnügen.
Fanny, die sich nach tragischen Schicksalsschlägen nur noch wenige Wochen den Einschränkungen des üblichen Trauerjahres fügen muss, hat nichts von ihrer Lebensfreude verloren und fiebert nicht nur dem Ende dieser Zeit, sondern auch ihrem Geburtstag, mit dem sie endlich offiziell die Welt der Erwachsenen betritt, sehnlichst herbei. Beginnt doch damit ein Lebensabschnitt, der bereits mit dem Auszug aus dem Elternhaus in ein eigenes Palais ihre neue gesellschaftliche Stellung dokumentiert.
Sophie, frisch verheiratet mit einem englischen Adligen, fühlt sich alles andere als wohl in ihrer neuen Heimat, wozu auch ihre Schwiegermutter einen nicht unerheblichen Teil beigetragen hat. Die unerwartete Schwangerschaft wird daher umgehend zum Anlass genommen, die Zeit bis zur Geburt bei ihrer Familie in Wien zu verbringen.
Georg, der die Freiheit des Junggesellendaseins zu schätzen und zu genießen weiß, stellt sich zunehmend die Frage, ob seine kurzen und auch leidenschaftlichen Affären wirklich sinnvoll und lebenserfüllend sind. Oder ob es da noch etwas anderes, wichtigeres und Langlebiges gibt.
Und Emilia, Freundin von Sophie und Fanny, deren familiäre Herkunft geklärt werden konnte und von den ihr lange unbekannten adligen Großeltern sehr geliebt wird. Durch die neu entdeckten familiären Verbindungen ist sie nun auch finanziell unabhängig, hat nichts von ihrem ursprünglichen Kampfgeist verloren und ist nicht bereit, ihr selbstbestimmtes Leben zu Gunsten einer Heirat aufzugeben. Sie verfolgt ganz andere Pläne, die gerade bei den Damen ihrer neuen Gesellschaftsschicht zu Irritationen führt.
Der Autorin ist es hervorragend gelungen, authentische und realistische Charaktere ins Leben zu rufen. Dabei jeder einzelnen Charaktere wieder individuelle Charakterzüge mitzugeben, die sich in nachvollziehbaren Eigenschaften, Verhaltensweisen und vor allem aber auch persönlichen Entwicklungen wiederspiegeln. Obwohl es sich um fiktive Personen handelt, gelingt eine überzeugende Identifikation mit deren Gedanken und den sich daraus ergebenden Entwicklungen sehr leicht.
Auch der Romanverlauf, eingebettet in gut recherchierte historisch überlieferte Ereignisse, fesselt und ist in sich schlüssig. Sehr interessant in den Alltag der damaligen Zeit, noch unter dem Einfluss des bekannten Wiener Kongresses, abzutauchen und ihn auf diese unterhaltsame und aufschlussreiche Weise kennenzulernen.
Abschließend noch der Hinweis, dass die Ereignisse der beiden vorhergehenden Bände auf geschickte Weise in die aktuelle Romanhandlung eingefügt wurden. Die wichtigsten Details werden auf diese Weise zwar zur Verfügung gestellt, doch das Interesse an den vollständigen vorhergehenden Romanen wird geweckt.

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Veröffentlicht am 27.01.2023

Sollte in jeder Familie vorhanden sein

Die große Kinderbibel für alle. Die bekanntesten Geschichten aus der Bibel für Kinder erzählt. Originell & farbenfroh illustriert. Ab 6 Jahren oder zum Vorlesen in der Familie, Kita & Grundschule
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Die deutsche Bibelgesellschaft begeistert mit ihrer Kinderbibel nicht nur Leseanfänger, sondern auch Erwachsene – so mein Eindruck und meine Erfahrung.
Auf rund 260 Seiten werden insgesamt 18 biblische ...

Die deutsche Bibelgesellschaft begeistert mit ihrer Kinderbibel nicht nur Leseanfänger, sondern auch Erwachsene – so mein Eindruck und meine Erfahrung.
Auf rund 260 Seiten werden insgesamt 18 biblische Geschichten, sowohl aus dem Alten Testament als auch aus dem Neuen Testament in einer kindgerechten Form aufbereitet. Dabei für mich besonders bemerkenswert, dass in der Geschichte um David auch einige Psalmen wiedergegeben werden. Oder dass auch die Offenbarung des Johannes Berücksichtigung findet. Und gerade damit hätte ich nicht gerechnet und habe nur gestaunt, in welcher Klarheit und kindgerechten Sprache diese Thematik aufbereitet wurde.
Ein schöner, leichter und kindgerechter Schreibstil laden geradezu ein, eine Seite nach der anderen umzublättern und weiterzulesen. Kurze, prägnante Sätze, die aber die jeweiligen Kernaussagen beinhalten, sorgen für einen angenehmen Lesegenuss. Auch die gewählte Schriftgröße erleichtern gerade Leseanfängern das fortlaufende Lesen und füllen zudem zu gut gefüllten Seiten.
Abgerundet wird diese wunderschöne Kinderbibel durch hervorragende und passende Bilder, die durch ihre Klarheit, farbenfrohe und kindgerechte Gestaltung (die im Übrigen auch Erwachsenen zusagt) zum Innehalten und ausführlichen Betrachten einlädt. Durch die unterschiedliche bildnerische Gestaltung der einzelnen Seiten, mal ein ganzseitiges Bild, mal nur die unteren Hälften von zwei aufgeklappten Seiten ist die Bibel beim Blättern zudem auch noch sehr abwechslungsreich gestaltet.
Zudem ein sehr wertiges Buch, für dessen einzelne Seiten deutlich dickeres Papier genutzt wurde als für übliche Romane – und deshalb gerade für Kinderhände umso besser geeignet. Und mit einem Lesebändchen versehen – für mich immer ein ganz besonderes highlight und heutzutage alles andere als üblich.
Mit anderen Worten:
Ein rundum gelungenes, ansprechendes und überzeugendes Gesamtpaket. Aus den Texten und der grafischen Gestaltung durch die Bilder lässt sich erkennen, mit welch großem Verständnis und auch Empathie gegenüber der Bibel und dem beabsichtigten Leserkreis die Autorin und der Illustrator dieses Buch gestaltet haben. Sehr viel Herzenswärme ist durch das ganze Buch zu spüren.

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Veröffentlicht am 27.01.2023

Weihnachten ist mehr als Wunscherfüllung

Die anderen Weihnachtswünsche
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Dieser berührende Vor-Weihnachts-Roman stellt eine wunderschöne Ergänzung zu dem Roman "In den Schuhen einer anderen" dar. Auch ohne Kenntnis des vorhergehenden Romans werden wichtige Ereignisse von Audrey ...

Dieser berührende Vor-Weihnachts-Roman stellt eine wunderschöne Ergänzung zu dem Roman "In den Schuhen einer anderen" dar. Auch ohne Kenntnis des vorhergehenden Romans werden wichtige Ereignisse von Audrey und Eve aus den gemeinsamen Jahren in England in die Romanhandlung um die Vorweihnachtszeit und auch das gemeinsame Weihnachtsfest jetzt in Amerika eingebettet.
Allerdings gestaltet sich der Einstieg trotzdem etwas schwierig, da man zwar bereits zu Beginn die beiden Frauen mit ihren Söhnen Bobby und Harry und auch bereits andere Charaktere kennenlernt, aber es dann doch etwas dauert, bis die Verbindungen mit- und untereinander erkannt werden.
Bobby und Harry, beste Freunde und im Vorschulalter, fiebern dem ersten gemeinsamen Weihnachtsfest in ihrer neuen Heimat Amerika entgegen. Unglücklicherweise fällt ihnen der vorweihnachtliche Katalog eines Kaufhauses in die Hände und wird auf Grund der dort vorgestellten Spielwaren zum täglichen Begleiter der beiden. Ihren beiden alleinerziehenden Müttern gelingt es immer weniger, die ausufernde Wunschliste ihrer Söhne zu reduzieren. Dass Weihnachten mehr bedeutet als käufliche Geschenke zu erhalten, entwickelt und entfaltet sich auf berührende Weise in der weiteren Romanhandlung.
Der Autorin ist es gelungen, die einzelnen Charaktere mit überzeugenden und realistischen Charakter- und Wesenszügen auszustatten. Dabei hat mir gerade die Beschreibung des kindlichen Übereifers der beiden Freunde Harry und Bobby so manches schmunzeln entlockt, Im Gegenzug hat mich aber auch die zunehmende Verzweiflung der beiden Mütter hinsichtlich der Unbelehrbarkeit ihrer Söhne mehr und mehr in ihren Bann gezogen. Dabei hat mich besonders berührt, dass beide, Audrey und auch Eve, noch ihren ganz persönlichen Ballast mit sich herumtragen. Der Prozess beider Frauen, loszulassen und anzunehmen, was ihnen angeboten wird – schmerzhaft für jede von ihnen und letztendlich auch befreiend für sie. Auch wenn sich die Wunschliste der beiden kleinen Jungen wie ein roter Faden durch den Roman zieht, ist es doch die Entwicklung von Audrey und Eve, die mich in ihren Bann gezogen haben.
Dass sich letztendlich die Botschaft von Weihnachten in aktivem Tun und Handeln, auch der Kinder, zeigt und es ein wunderschönes Weihnachtsfest mit zum Teil unerwarteten Geschenken oder Überraschungen gibt, wirkt in keinster Weise kitschig und überzogen, sondern stellt einen überzeugenden und gekonnten Abschluss des Romans dar.

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Veröffentlicht am 16.01.2023

Beruf oder Familie

Gut Erlensee - Cäcilias Erbe
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Im zweiten Band der dreiteiligen Familiensaga um Gut Erlensee steht die mittlere der drei Töchter, Cäcilia, im Mittelpunkt. Ist es ihr doch tatsächlich gelungen, ihren Traum, als Lehrerin zu arbeiten, ...

Im zweiten Band der dreiteiligen Familiensaga um Gut Erlensee steht die mittlere der drei Töchter, Cäcilia, im Mittelpunkt. Ist es ihr doch tatsächlich gelungen, ihren Traum, als Lehrerin zu arbeiten, zu verwirklichen. Examen erfolgreich bestanden und dass sich ihr erster Einsatzort an einer Schule auch noch in der unmittelbaren Nähe ihrer Familie bzw. ihres Elternhauses befindet, macht ihr Glück perfekt. Leider muss sie jedoch schon sehr bald feststellen, dass die von ihr praktizierten Lehrmethoden keine Akzeptanz durch die Eltern ihrer Schüler erfahren und sie feststellen muss, dass sich ihr Start in den heißgeliebten Beruf als Lehrerin als äußerst problematisch herausstellt.
Ihre berufliche Tätigkeit führt jedoch nicht nur im Verhältnis zu den Eltern zu Problemen, vielmehr muss sie sich mit einer existentiellen Frage auseinandersetzen, nachdem sie erkennt, dass Jakob Kaltenbrunner zunehmend ihre Gedanken und Gefühlen durcheinanderwirbelt. Denn Anfang der 20er Jahre war neben der Tätigkeit als Lehrerin eine Ehe bzw. Familie nicht zulässig. Mit anderen Worten: Lehrerinnen mussten (von Gesetzes wegen) ihre berufliche Tätigkeit aufgeben, wenn sie sich zu einer Heirat entschlossen. Geschickt, aber auch sehr emphatisch wird dieses Dilemma Cäcilias im Roman dargestellt. Darüber hinaus hinterlässt in dieser Zeit vor allem auch der Tod ihres Vaters seine Spuren in Cäcilias Leben. Der Autorin gelingt es hervorragend, diese ganz persönlichen Ereignisse und Entwicklungen realitätsnah, authentisch aber auch ergreifend und berührend darzustellen. Man kann sich sehr gut mit Cäcilia identifizieren und ihren Gedanken und Entscheidungen folgen.
Ergänzt wird Cäcilias Heranwachsen zu einer selbstbewussten und starken Persönlichkeit durch so weitere familiären Entwicklungen. Und hier insbesondere verbunden mit dem einzigen Sohn der Familie und der gerne gegen althergebrachte Konventionen und Verhaltensmaßregeln verstoßende jüngste Tochter, Marilla. Dieser wird im Übrigen der dritte und letzte Band der Saga um das Gut Erlensee gewidmet sein, dem ich bereits mit großer Vorfreude entgegensehe.
Zu meiner großen Erleichterung und Freud gibt es im vorliegenden Band auch ein Wiedersehen mit der bodenständigen und pragmatischen Patriarchin der Famile: Großmutter Ilsegard, die auf Grund ihrer Persönlichkeit und auch Lebenserfahrung immer wieder dafür sorgt, dass das Familienleben intakt bleibt und Probleme gemeistert werden.

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