Sehr schön aufgearbeitet
Anne Boleyn (Die Tudor-Königinnen 2)Rezensionsexemplar
INHALT
Als junges Mädchen wird Anne Boleyn an den Hof von Margarete von Österreich geschickt, um ihre Ausbildung zu vollenden. Anschließend dient sie der französischen Königin Claudia ...
Rezensionsexemplar
INHALT
Als junges Mädchen wird Anne Boleyn an den Hof von Margarete von Österreich geschickt, um ihre Ausbildung zu vollenden. Anschließend dient sie der französischen Königin Claudia und zuletzt der Schwester des französischen Königs. Als ein Krieg zwischen Frankreich und England droht wird Anne zurück nach England gerufen, um dort Königin Katharina als Hofdame zu dienen. König Heinrich ist sofort von ihr hingerissen. Sie wird regelrecht zu seiner Obsession, denn Anne willigt nicht ein seine Mätresse zu werden. Heinrich setzt alles in Bewegung um Anne für sich zu gewinnen und nimmt jegliche Skandale in Kauf. Schließlich sieht er keinen anderen Weg, als sich von seiner ersten Ehefrau Katharina scheiden zu lassen, damit er Anne rechtmäßig heiraten und zu seiner Königin machen kann. Dabei verändert er England für immer, denn Heinrich bricht mit der katholischen Kirche. Und Anne selbst gelangt in die Höhle der Löwen und merkt sehr bald, dass sie als Ehefrau und Königin von Heinrich einem Druck ausgesetzt ist, von dem sie nicht sicher ist, ob sie ihn aushalten kann.
Wenn ein historischer Roman über die Tudorzeit bzw. die Königinnen in der Tudorzeit erscheint, dann bin ich definitiv nicht weit. Auf die Übersetzung der Reihe von Alison Weir habe ich sehr lange gewartet und bin deshalb dem Ullstein Verlag und auch Netgalley sehr dankbar für das Rezensionsexemplar.
Anne Boleyn ist für mich die interessanteste und faszinierendste Königin der Tudorzeit. Sie war unwahrscheinlich gebildet und, was den frühen Feminismus angeht, ihrer Zeit deutlich voraus. Oftmals wird Anne Boleyn als machthungrige Hure dargestellt, die nichts anderes im Sinn hatte als Sex und die Krone. Doch in Wirklichkeit lässt sich sehr vieles, was zur damaligen Zeit behauptet wurde, klar widerlegen. Aus diesem Grund finde ich es umso spannender Bücher über sie zu lesen, denn ihr Charakter scheint so viel vielschichtiger zu sein, als man annimmt.
Alison Weir beginnt die Geschichte rund um Anne Boleyn schon sehr viel früher, als die meisten Romane über sie. Anne wird als junges Mädchen nach Mechelen an den Hof von Margarete von Österreich geschickt. Dort bekommt sie eine umfassende Ausbildung. Sie lernt nicht nur zu musizieren, unterschiedliche Sprachen, und das Tanzen, sondern auch, wie man sich bei Hofe benimmt. Anne ist sehr ehrgeizig, wissbegierig und gleichzeitig sehr misstrauisch, was Männer im Allgemeinen betrifft. Schon früh ist sie sich unsicher, ob sie sich als Frau wirklich alles gefallen lassen muss, was ein Mann ihr antut. Durch den Einfluss von Margarete von Österreich bekommt sie viele Einblicke in Gedanken, die am englischen Hof längst nicht angekommen sind. Anne weiß sich zu bewegen, ihre Klugheit gekonnt einzusetzen und langsam lernt sie auch, wie man Macht über Männer ausüben kann. Doch sie hält ihre Verehre immer auf Distanz, denn eines ist der jungen Frau bewusst: ihre Ehre darf niemals in Zweifel gezogen werden, denn nur so, kann sie einen Ehemann von Stand heiraten. Doch dies ist in jungen Jahren eigentlich gar nicht ihr Ziel. Anne möchte jemanden heiraten den sie wirklich liebt und den sie sich selbst aussucht. Allerdings ist ihr klar, dass diese Möglichkeit einer Frau nur selten geboten wird. Ihre Familie wird sie zu ihrem Vorteil verheiraten.
Nach einiger Zeit wird Anne an den französischen Hof gebracht, um dort der Königin und anschließend der Schwester des Königs als Hofdame zu dienen. Dort macht sie die unterschiedlichsten positiven wie negativen Erfahrungen und wird darin bestärkt, dass sie eigentlich nicht das Bedürfnis hat zu heiraten. Und das, obwohl sie eigentlich längst im heiratsfähigen Alter wäre. Ich mochte diese Seite von Anne sehr gerne. Sie beobachtet und reflektiert das, was um sie herum geschieht und zieht daraus ihre Schlüsse: eine Frau ist zu ihrer Zeit nur dann wirklich frei, wenn sie nicht verheiratet ist. Doch gleichzeitig bietet dies auch Angriffsfläche, denn je länger sie mit einer Heirat wartet, desto weniger einflussreiche Interessenten gibt es. Und die Frage für Anne lautet: möchte sie unter dem Radar bleiben oder lieber nicht?
Als ein Krieg mit Frankreich droht wird Anne nach England zurückgeholt, wo sie, gemeinsam mit ihrer älteren Schwester Mary, der Königin als Hofdame dient. Mary wurde bereits verheiratet, Anne jedoch noch nicht. Kurz nach der Hochzeit ihrer Schwester holt der König Mary in sein Bett und Anne ist völlig schockiert. Gerade diese Tatsache wird im Buch wunderbar dargestellt. Der Autorin gelingt es, Annes Empörung glaubhaft zu machen, gleichzeitig wird aber auch klar, dass Anne sich das alles wohl etwas einfacher macht, als es eben ist. Keine Frau kann sich dagegen wehren, wenn der König sie begehrt. Diese Tatsache scheint Anne völlig außer Acht zu lassen. Ich mochte diese Art der Darstellung sehr, denn es zeigt eben auch, dass Anne einen starken Willen hat, der sie teilweise sehr leichtsinnig macht.
Als König Henry schließlich sein Augenmerk auf sie richtet, wehrt sie sich zunächst. Sie will nichts von ihm wissen, schließlich ist er verheiratet. Doch nach und nach wird es immer schwieriger, denn er wird aufdringlich und plötzlich erkennt Anne, wonach sie greifen könnte, wenn sie seinem Werben wenigstens teilweise nachgeben würde.
Gerade diese Entwicklung fand ich sehr gelungen. Alison Weir stellt Anne, in meinen Augen, sehr klar und authentisch dar. Ja, sie ist berechnend. Ja, sie hat ihren Vorteil im Sinn. Aber, sie versucht auch das beste aus ihrer Situation herauszuholen. Ihr war klar, dass sie so Enden würde wie ihre Schwester, als abgelegte Mätresse ohne finanzielle Unterstützung, wenn sie sich Henry wirklich hingegeben hätte. So nutzt sie seine Verliebtheit aus, spielt mit ihm und bringt ihn dazu, alles in Bewegung zu setzen, um sie heiraten zu können. Was sie dann jedoch bekommt, ist eben nicht das vor Glück strahlende Leben, das sie sich immer vorgestellt hat. Voller Entbehrungen, Tränen, Streitereien und Angst ist ihr Leben als Königin und Ehefrau von Henry eben nicht das Schillernde, welches sie von Katharina gesehen hat. Und gerade das liebe ich auch sehr an dem Buch. Anne ist eine Frau mit vielen Ambitionen, die mutig und gebildet vorging und so die Aufmerksamkeit vieler Männer auf sich zog. Sie hatte kaum eine Wahl, als das Beste aus ihrer Situation zu machen und wurde letzten Endes dafür bestraft. Bestraft für etwas, wofür sie nichts konnte. Und wofür auch ihre Vorgängerin, Katharina von Aragon, nichts konnte.
FAZIT
Alison Weir hat es wunderbar geschafft die Geschichte von Anne Boleyn glaubhaft und authentisch darzustellen. Ich hatte unglaubliche Freude daran, das Buch zu lesen und noch einmal in die Tudorzeit einzutauchen. Es war wie immer genial, die Tücken des englischen Hofes zu erkunden und eine neue Sicht der Dinge zu sehen. Ich werde wohl nie müde werden diese Romane zu lesen und hoffe darauf, dass auch die weiteren Teile der Reihe von Alison Weir übersetzt werden. Für Fans der Tudors kann ich dieses Buch nur empfehlen.