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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.12.2022

Eine besondere Dorfgeschichte

Ginsterhöhe
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Ein Roman zwischen Fiktion und Fakten. Denn es ist viel mehr als nur die Geschichte des Kriegsheimkehrers Albert Lintermann, der letztlich beide Weltkriege er- und überleben wird. Es ist auch die Geschichte ...

Ein Roman zwischen Fiktion und Fakten. Denn es ist viel mehr als nur die Geschichte des Kriegsheimkehrers Albert Lintermann, der letztlich beide Weltkriege er- und überleben wird. Es ist auch die Geschichte des Ortes Wollseifen, der wahrscheinlich vielen Menschen kein Begriff ist. Mich eingeschlossen. Die nahegelegene NS-Ordensburg Vogelsand ist mir zwar durchaus ein Begriff, aber Wollseifen? Fehlanzeige, zumindest bei mir. Von daher finde ich die Idee, wie das Leben in diesem Ort ausgesehen haben könnte, wirklich gut.

Es gab viele Szenen, die mir wirklich sehr nahe gegangen sind, z.B. Albert Lintermanns Rückkehr aus dem 1. Weltkrieg, seine Verletzungen und die ersten Schritte zurück in ein halbwegs normales Leben.
Obwohl ich die Figuren als eher etwas eindimensional empfinde (gut und böse sind von Beginn an recht genau definiert und daran ändert sich auch bis zum Ende des Buches nichts), wird trotzdem ein sehr gutes Gefühl für die Zeit und die Menschen übermittelt. Man könnte bemängeln, dass die Menschen in Wollseifen insgesamt als recht passiv dargestellt werden. Allerdings muss man dagegen halten, dass die Verunsicherung sehr groß ist. Der letzte Krieg ist noch nicht allzu lange vorbei und gut in Erinnerung. Nur die wenigsten können und wollen an das glauben, was dort auf sie zukommen. Gerade weil Wollseifen nicht gerade in einer Metropolregion liegt.

Insgesamt ein buch, das mir gut gefallen hat und dessen große Stärke in den Emotionen liegt, die es gekonnt an den Leser transportiert und diese Zeit vor den (inneren) Augen der Menschen auferstehen lässt.

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Veröffentlicht am 15.06.2024

Gelungenes Portrait

Agatha Christie
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Agatha Christie und ihre Krimis gehören zu meinen Lieblingsbüchern im Regal, Miss Marple und Hercule Poirot haben meinen Spaß am "leseermitteln" geweckt. Umso schöner daher zu lesen, wie Agatha Christie ...

Agatha Christie und ihre Krimis gehören zu meinen Lieblingsbüchern im Regal, Miss Marple und Hercule Poirot haben meinen Spaß am "leseermitteln" geweckt. Umso schöner daher zu lesen, wie Agatha Christie zu ihren Ideen gekommen ist und ihren Weg zu einer der erfolgreichsten Schriftstellerin der Welt gegangen ist.
Das Buch ist ein richtig schöner Schmöker. Der Schreibstil ist angenehm, es ist unterhaltsam, lässt keine Langeweile aufkommen und so fliegen die Seiten beim Lesen regelrecht dahin.

Erzählt wird die Lebensgeschichte der jungen Agatha Christie, die zuerst davon träumt Pianistin zu werden. Dann Sängerin. Dann überlegt, ob Krankenschwester nicht doch auch eine Möglichkeit wäre. Und dann wieder überlegt, wo eigentlich überhaupt ihre Talente liegen. Ihre Lebenslust, ihre Wissbegierde, ihre Energie und auch ihr Pragmatismus kamen bei mir als Leser auf jeden Fall an. Die Beziehung zu ihrer Mutter war sehr innig dargestellt, man merkt, dass diese ihr ein Leben lang eine wichtige Bezugsperson war.
Es wird ein wenig zwischen den Zeiten gesprungen, was gut zur Handlung passte. Die Beziehung zu ihrem Mann Archie hätte ich mir etwas weniger oberflächlich erzählt gewünscht. Hier war mir der Sprung zwischen eben noch glücklich verheiratet und die Scheidung ist eingerichtet etwas zu groß.
Gut gefallen hat mir dafür aber, dass Susanne Lieder den Punkt um Christies Verschwinden komplett ausgeblendet hat. Für meinen Geschmack wird dieser Punkt in vielen Büchern zu sehr in den Fokus gerückt. Hier wurde sich aber eher auf die menschlichen und emotionalen Aspekte konzentriert.

Es hat mir dafür aber viel Spaß gemacht zu verfolgen, wie Agatha zu ihren Ideen für ihren ersten Krimi gekommen ist. Die imaginären Gespräche mit Hercule Poirot konnte ich mir schon fast bildlich vorstellen und habe mich sehr darüber amüsiert, welche Wortgefechte sich Autorin und Buchfigur geliefert haben.
Ich hätte mir am Ende vielleicht noch ein Kapitel gewünscht, in dem die spätere Agatha einen Rückblick auf ihr Leben und Karriere wirft. Das hätte das ganze für mich noch etwas mehr abgerundet.

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Veröffentlicht am 30.03.2024

Gut, mit kleinen Schwächen

Und Großvater atmete mit den Wellen
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Schon in ihrem Buch "Als Großmutter im Regen tanzte" wurde angedeutet, dass auch Junis Großvater Konrad mit traumatischen Erlebnissen zu kämpfen hatte und ihre Großeltern sich ihr gesamtes Leben lang gegenseitig ...

Schon in ihrem Buch "Als Großmutter im Regen tanzte" wurde angedeutet, dass auch Junis Großvater Konrad mit traumatischen Erlebnissen zu kämpfen hatte und ihre Großeltern sich ihr gesamtes Leben lang gegenseitig eine große Stütze waren. Jetzt lässt Trude Teige ihre Erzählerin Juni die Geschichte ihres Großvaters Konrad erzählen.

Ich mochte das Buch ganz gerne, mir hat allerdings der Band um Tekla etwas besser gefallen. Dort ist Juni zwischenzeitlich noch selbst in Erscheinung getreten und hat die Erlebnisse mit ihren Erinnerungen ergänzt. Dadurch wurde sichtbar, welche Auswirkungen die durchlittenen Traumata auf ein ganzes Leben haben können. In Konrads Geschichte tritt sie nur im Vor- und Nachwort auf. Ich hätte mir hier gewünscht, dass sie mehr ihrer eigenen Gefühlte einbringt, vielleicht Erinnerungen an bestimmte Situationen mit ihm. Gerade als Kind, wo einem noch vieles unverständlich ist, nimmt man bestimmte Verhaltensweisen anders wahr.
Die Erzählung aus den Kriegszeiten ist eindringlich und ging mir wirklich sehr nahe. Die Grausamkeiten, die Menschen einander zuzufügen imstande sind, schockieren mich immer wieder. Trude Teige hat hier, wie ich finde, eine ganz gute Balance gefunden, ohne das Buch noch deprimierender zu machen oder sich in allzu grausamen Details zu verlieren. Mir ist beim Lesen allerdings auch klar geworden, dass ich über diesen Aspekt des 2. Weltkrieges relativ wenig weiß. Konrads Geschichte ist also auch nochmal ein guter Anstoß, meine eigenen Wissenslücken ein kleines bisschen zu schließen.
Konrad mochte ich. Er ist aufrichtig, klug, mitfühlend und auch ungeheuer mutig. Ich glaube nicht, dass ich in vielen Situationen auch nur halb so besonnen hätte reagieren können. Gelegentlich ist er mir persönlich etwas zu "gut" dargestellt, zu idealistisch. Auch wenn vieles Fiktion ist, blieb da für mich die Glaubwürdigkeit ein wenig auf der Strecke.

Ein Kritikpunkt geht leider auch an das Lektorat. Nach der Verkündung der Kapitulation des japanischen Kaisers im Jahr 1945 haben die britischen Gefangenen im Lager mit Sicherheit nicht "God save our gracious Queen" gesungen.
Insgesamt aber eine schöne und sehr berührende Geschichte.

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Veröffentlicht am 28.03.2024

gelungene Familiengeschichte

Die Frauen der Familie Carbonaro
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Ein Buch, das mir gut gefallen hat. Den ersten Band kenne ich nicht, meiner Meinung nach funktioniert das Buch aber auch ohne Vorkenntnisse ganz gut.
Erzählt wird die Geschichte der Frauen aus der Familie ...

Ein Buch, das mir gut gefallen hat. Den ersten Band kenne ich nicht, meiner Meinung nach funktioniert das Buch aber auch ohne Vorkenntnisse ganz gut.
Erzählt wird die Geschichte der Frauen aus der Familie Carbonaro über drei Generationen. Damit deckt die Geschichte einen sehr langen Zeitraum ab und stellt ganz gut dar, mit welchen Problemen die Frauen konfrontiert sind. Manche ähneln sich, weil sie auch in der sizilianischen Kultur verwurzelt sind, manche spiegeln den jeweiligen Zeitgeist wieder. Dadurch entsteht ein sehr umfassendes und detailliertes Familienporträt.
Die Geschichte jeder einzelnen Frau ist auf ihre eigene Art berührend. Aber aus einem Grund, den ich selbst nicht so genau benennen kann, ist mir die Lebensgeschichte von Pina ganz besonders nahe gegangen. Es war für mich so schockierend über ihre Kindheit und Jugend zu lesen. Irgendwie hat es mich da überhaupt nicht gewundert, dass sie in ihrem späteren Leben die Kontrolle nur äußerst ungern aus der Hand gegeben hat.
Der Stil hat mir gefallen. Detailliert, manchmal auch ausschweifend, bildlich und einnehmend, manchmal auch poetisch. Man merkt durchaus, dass dem Autor diese Geschichte auch persönlich etwas bedeutet. Als Leser ist man bei allen Lebensentscheidungen dabei, im Guten wie im Schlechten. Und es schwingt dabei immer auch eine wehmütige Note mit, die der Erzählung etwas melancholisches gibt und an manchen Stellen auch sehr traurig gemacht hat.

Was ich persönlich nicht unbedingt gebraucht hätte, waren etliche Wiederholungen und dieser ganzer mystische Teil mit den Gespenstern, Zyklopen, Sirenen und den zweiten Schatten. Das fand ich nicht ganz so passend zum Rest und war mir dann auch zu abstrakt. Auch ohne Gespenster am Küchentisch sind die Gespenster der Vergangenheit immer da.
Nichtsdestotrotz ein gelungenes Buch.

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Veröffentlicht am 01.01.2024

Anschaulich erzählt

Essex Dogs
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Ich mag die Sachbücher von Dan Jones sehr gerne, denn er schafft es auch sehr trockene Themen anschaulich und unterhaltsam zu erzählen. Aber ein Roman ist ja bekanntlich noch einmal eine ganz eigene Kategorie. ...

Ich mag die Sachbücher von Dan Jones sehr gerne, denn er schafft es auch sehr trockene Themen anschaulich und unterhaltsam zu erzählen. Aber ein Roman ist ja bekanntlich noch einmal eine ganz eigene Kategorie. Dementsprechend war ich sehr gespannt auf die "Essex Dogs". Und ich bin auch nicht enttäuscht worden.

Jones erzählt eine Episode aus dem 100jährigen Krieg, von der Anlandung Edwards III. in Frankreich bis zur Schlecht von Crécy. Man man merkt hier schon deutlich den Historiker heraus, das Lagerleben die Schlachten, Plünderungen, die Gewalt sind detailliert (aber nicht überbordend) erzählt. Man bekommt ein Gefühl vermittelt, wie sich die Männer vor den Schlachten gefühlt haben müssen, wie sie sich in Wartezeiten die Zeit vertrieben haben und welche Spannungen es unter den jeweiligen Adligen gegeben hat. Insgesamt finde ich die Darstellungen der unterschiedlichen Personen gut gelungen. Ich finde es amüsant mir vorzustellen, dass William de Bohun seine Truppenansprache mit äußerst kreativen Flüchen versehen gehalten hat oder den Prince of Wales wie einen kleinen Jungen behandelt hat, der nicht einmal einen Eimer Wasser alleine umkippen kann. Diese ganzen historischen Persönlichkeiten sind nicht einfach nur Namen, sie sind lebendig und lassen die Geschichte nachvollziehbarer werden.
Die "Essex Dogs" habe ich dann wirklich noch irgendwie gern gewonnen. Jones lässt hier unterschiedliche Charakter miteinander kämpfen, vom Teenager bis zum erfahrenen Söldner. Jeder mit einem eigenen Schicksal, Wünschen, Ängsten und Erfahrungen. Nach außen hin raubeinig, aber sie stehen doch für einander ein, kümmern sich um einander und genau dafür mochte ich die Männer dann schon. Das Ende riecht für mich nach Fortsetzung. Vielleicht erleben wir noch ein weiteres Abenteuer mit den Essex Dogs.

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