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Veröffentlicht am 02.10.2023

Ispettore Lamprecht ermittelt wieder in seinem Triest

Die Geister von Triest
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Zu Beginn des Ersten Weltkriegs findet man in Triest die schlimm zugerichtete Leiche einer schrulligen Alten, von allen „Hexe“ genannt. Der zuständige Ispettore der Triestiner Polizei, Gaetano Lamprecht, ...

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs findet man in Triest die schlimm zugerichtete Leiche einer schrulligen Alten, von allen „Hexe“ genannt. Der zuständige Ispettore der Triestiner Polizei, Gaetano Lamprecht, muss zur Lösung des rätselhaften Mordes in die Geschichte Triests und in Kunsthandels eintauchen. Dabei stößt er auf halbseidene Ganoven und generationenübergreifenden Aberglauben. Begleitet wird er von seiner klugen Schwester Adina, seiner neuen Sekretärin Clara und der schönen Witwe Alessia …
Das Cover zeigt einen alten Torbogen in Triest sowie drei Männer, die der damaligen Zeit gemäß gekleidet sind. Die Kapitel haben eine angenehme Länge und deren Überschriften verweisen in wenigen Worten auf den ungefähren Inhalt des jeweiligen Abschnitts. Im Anhang verfügt das Buch über den Stammbaum der „Hexe“. Der Schreibstil überzeugt wie auch schon im ersten Teil des Kriminalromans rund um den leidenschaftlichen Rennradfahrer Gaetano Lamprecht, der in Triest als Kriminalinspektor tätig ist. Der Autor baut italienische Wörter ein, genau wie auch typisch österreichische Ausdrücke der Zeit. Die Hafenstadt an der Adria ist weiterhin ein Schmelztiegel unzähliger Ethnien, allerdings scheint ihr Zusammenleben durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs nun nicht mehr ganz so friedlich. Auch der soziale Aspekt der damaligen Zeit wird in dieser Geschichte verarbeitet, indem nicht nur die Situation der Arbeiter jener der Villenbewohner gegenübergestellt, sondern auch die Rolle der Frauen beleuchtet wird.
Alle angesprochenen Punkte verarbeitet der Autor mit einer Leichtigkeit wie nebenbei in diesem spannenden Kriminalfall, der natürlich die Hauptrolle in diesem Buch übernimmt. Ein Familiengeheimnis, das viele Jahre gewahrt werden konnte, führt letztendlich zu mehreren Morden. Und diese Geschehnisse werden auf so fesselnde Weise wiedergegeben, dass man beim Lesen keine Pause machen möchte. Wer den sympathischen Kommissar in „Ein Giro in Triest“ bereits kennenlernen durfte, wird ihn auch in diesem Teil wieder lieben. Mag man seinen Handlungen nicht immer positiv gegenüberstehen, verzeiht man ihm wegen seiner sympathischen Art doch vieles. Und hofft auf eine Fortsetzung aus dem Leben des Gaetano Lamprecht ...

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Veröffentlicht am 18.09.2023

Vätererbe

Kajzer
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Seinen Großvater hat er nicht gekannt, sich für die Familiengeschichte bisher nicht besonders interessiert, und dennoch beginnt der Autor plötzlich zu forschen. In Polen macht er sich auf die Suche nach ...

Seinen Großvater hat er nicht gekannt, sich für die Familiengeschichte bisher nicht besonders interessiert, und dennoch beginnt der Autor plötzlich zu forschen. In Polen macht er sich auf die Suche nach dem Wohnhaus seiner Ahnen. Das Mietshaus in Schlesien wurde von den Nazis enteignet und nicht mehr an die Familie zurückgegeben. Auf dieser Spurensuche kreuzt er die Wege von Schatzsuchern, Anwälten und anderen Fremden. Er stellt Bezüge zur Vergangenheit her und außerdem viele Fragen, unter anderem, was es überhaupt bedeutet, ein Erbe anzunehmen.
Die abgeschlagene Emailtasse am Cover führt passend ins Thema Erbe und Familie; es könnte sich dabei gut um die Erinnerung an einen Vorfahren handeln. Kaisers Buch besteht aus vier Teilen und umfasst einen Zeitraum von mehreren Jahren. Er bezeichnet es selbst als Sachbuch, doch nicht nur durch die Sicht eines Ich-Erzählers wird es sehr persönlich und dadurch auch berührend. Er zitiert Passagen aus den Aufzeichnungen eines – neu entdeckten - Verwandten, baut Dialoge ein und wirkt in allen Ausführungen recht ehrlich; bei allem Ernst der Thematik versteckt er an etlichen Stellen im Text auch trockenen Humor.
Der Autor gibt in diesem Buch die Ergebnisse seiner außergewöhnlichen und ihn oft ermüdenden Spurensuche preis; mit allen Herausforderungen, Hindernissen und juristischen Spitzfindigkeiten, denen er dabei begegnet. Er baut historische Fakten ein, die dennoch nicht leicht greifbar sind; er schweift ab, beschäftigt sich mit Ausführungen zu Verschwörungstheorien, mit Goldsuchern oder anderen Themen. Und immer wieder kehrt er zurück zum Begriff Erbe, das er weniger in dem gesuchten Gebäude sieht, sondern vielmehr im Immateriellen und dadurch auch im Bemühen darum, zu begreifen, was man zurückgewinnen will.

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Veröffentlicht am 10.09.2023

Ein Hakawati erzählt

Wenn du erzählst, erblüht die Wüste
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Der weise König Salih beherrscht im 19. Jahrhundert ein arabisches Land. Seine Tochter ist verliebt in einen armen Fischer und verfällt in tiefe Melancholie, weil sie sich am Tod ihrer Mutter schuldig ...

Der weise König Salih beherrscht im 19. Jahrhundert ein arabisches Land. Seine Tochter ist verliebt in einen armen Fischer und verfällt in tiefe Melancholie, weil sie sich am Tod ihrer Mutter schuldig fühlt. Kaffeehauserzähler Karam will die Prinzessin mit Geschichten heilen. Jeden Abend wird von ihm und anderen Personen im Palast von Mut und Feigheit, Freund- und Feindschaft, Liebe und Weisheit des Herzens erzählt. Diese Hommage ans Erzählen erinnert an „Tausendundeine Nacht“; das Hörbuch wird gesprochen von Wolfgang Berger.
Das Cover erinnert mit seinen bunten Kacheln sofort an den Orient; Wolfgang Berger spricht langsam und ausdrucksvoll und versetzt den Hörer zurück in eine ferne Zeit. Dennoch ist es dem Autor gelungen, die Geschichten in die heutige Zeit zu „übersetzen“ und zu modernisieren. Viele Anspielungen in Fabeln und anderen Anekdoten erinnern durchaus an gegenwärtige Zustände und kritisieren diese. König Salihs Herrschaftsgebiet ist ein fiktives Land im arabischen Raum, in dem Personen verschiedener Glaubensbekenntnisse friedlich zusammenleben; Händler und Gelehrte, Bettler und Handwerker – alle vertragen sich. Im Gegensatz dazu sind die sechs Nachbarländer alle untereinander zerstritten.
Die Geschichten in diesem Buch sind unterschiedlich lang, doch jede einzelne von ihnen ist sehr aussagekräftig. Sie stellen nicht nur schlechte Herrscher, sondern auch betrügerische Glaubensmänner an den Pranger. Immer wieder spielen Frauen eine Hauptrolle; es sind starke und kluge Personen, die sich durchaus selbst verteidigen können und sich frei bewegen dürfen.
Durch die Vielfalt der Geschichten eignet sich das Hörbuch hervorragend zum mehrmaligen Hören. Ein paar Minuten reichen, um wieder zum lauschenden Kind zu werden.

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Veröffentlicht am 10.09.2023

Wir sind die Summe unserer Geschichten

Die Lügnerin
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Eine Frau legt in einer Privatklinik ihre Lebensbeichte ab. Alles, was sie erzähle, würde zur Wahrheit. So gibt sie ihr Leben in fantastischen Geschichten dar, die von Betrug, Bereicherung, unheimlichen ...

Eine Frau legt in einer Privatklinik ihre Lebensbeichte ab. Alles, was sie erzähle, würde zur Wahrheit. So gibt sie ihr Leben in fantastischen Geschichten dar, die von Betrug, Bereicherung, unheimlichen Zufällen und überirdischem Glück erzählen. Selbst die Therapeutin verliert von Sitzung zu Sitzung an Sicherheit, denn auch in der Klinik gehen mittlerweile seltsame Dinge vor sich.
Das Cover ist in Blautönen gehalten und zeigt eine Frau mit geschlossenen Augen – verträumt, übersinnlich, nachdenklich – man weiß es nicht. Das Bild bleibt so undurchschaubar und verschwommen wie die Protagonistin selbst, in deren Lebensbeichte man ohne Vorrede hineingeworfen wird. Die Ich-Erzählerin bleibt die einzige Informationsquelle, sie stellt viele Fragen – und gibt viele Antworten. Der Schreibstil ist schnell, oft jagt ein Satz den anderen; die Sprache ist aber auch sehr ausgefeilt, an etlichen Stellen poetisch.
Wie viel kann man einer Lügnerin glauben? Stimmen ihre Darlegungen, ihre Arbeit und ihr Privatleben betreffend? Sie sieht in ihren Mitmenschen, was diese gerne wären, nicht was sie in Wirklichkeit sind; sie berichtet von Astrologie, unerwiderter Liebe, aber auch von Als-ob-Ländern, Schleppern und Ausgegrenzten. Es ist die Rede vom Glauben; wie viel Realität die Geschichte beinhaltet, bleibt ungewiss. Der Autor spielt hier mit der Erfahrung und der Vorstellungskraft seiner Leser.
Es ist ein ungewöhnliches Buch, das aufdeckt und verschleiert, das real klingt und doch unwahrscheinlich scheint. Denn obwohl die Protagonistin recht offen über ihre Erfahrungen berichtet, bleibt alles undurchsichtig und verwirrend – schließlich ist sie ja auch eine Lügnerin …

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Veröffentlicht am 27.08.2023

Algen – gesund und gefährlich

Herbst in der Bretagne
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Sophies entdeckt in ihrer Bistroküche die Liebe zu essbaren Algen. Auch der Meeresbiologe, der dieses Thema erforscht, gefällt ihr. Als Sophie eine junge Fischerin, die sich für Umweltbelange einsetzt, ...

Sophies entdeckt in ihrer Bistroküche die Liebe zu essbaren Algen. Auch der Meeresbiologe, der dieses Thema erforscht, gefällt ihr. Als Sophie eine junge Fischerin, die sich für Umweltbelange einsetzt, tot auf einem Boot findet, endet die Idylle im bretonischen Erquy. Sophie ist sich nicht mehr sicher, wem sie überhaupt noch trauen kann.
Das Cover zeigt einen schroffen Küstenabschnitt der Bretagne, der dunkle Himmel verweist auf das Krimigenre. Sprecherin Jutta Seifert leistet hier einen erheblichen Anteil daran, dass sich der Hörer in diesem Wohlfühlkrimi auch wirklich wohlfühlen darf. Die Geschichte selbst lebt durch das Zusammenspiel der sympathischen Hobbydetektive um Bistroköchin Sophie, sowie dem Auftauchen der weniger zugänglichen Personen, die zur Erhöhung der Spannung in größerer Zahl auftauchen.
Die Autorin behandelt in diesem Roman neben dem Thema Umwelt – hier vorwiegend die Nitratbelastung durch intensive Landwirtschaft - auch häusliche Gewalt, Abhängigkeit und etliche weitere Fragen. Insgesamt war mir diese Vielfalt an mancher Stelle zu übertrieben, waren einige Klischees überflüssig und manche Handlungen und Reaktionen unglaubwürdig und nicht passend. Auch fehlte mir ein wirkliches „Ermitteln“ der selbsternannten Hobbydetektive. Da ich den ersten Teil der Sophie-Vidal-Reihe nicht kenne, mögen die Freunde damals etwas herausgefunden haben, in diesem Band ist es der Zufall, der die Köchin – sehr spät – auf die richtige Fährte bringt.
Die angenehme Stimme und Betonung der Sprecherin Jutta Seifert machen die Geschichte trotz einiger Mängel aber zu einem Hörbuch, das einem etliche Stunden kurzweiliger Unterhaltung bietet.

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