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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.10.2023

Namen, die unvergessen bleiben

Die Kinder des Don Arrigo
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Auf der Flucht vor den Nationalsozialisten wartet der 11-jährige Nathan im kleinen italienischen Dorf Nonantola auf seine Fahrt nach Palästina. Don Arrigo, der örtliche Pfarrer versucht jüdischen Kindern ...

Auf der Flucht vor den Nationalsozialisten wartet der 11-jährige Nathan im kleinen italienischen Dorf Nonantola auf seine Fahrt nach Palästina. Don Arrigo, der örtliche Pfarrer versucht jüdischen Kindern in der Villa Emma ein Stück Geborgenheit und Normalität zu bieten. Als die Faschisten zur drohenden Gefahr werden, wird ein Fluchtplan ausgearbeitet.
Das Cover zeigt die Rückenansicht eines kleinen Jungen an Bahnhof; alleine sitzt er auf einigen Koffern auf einem Gepäckwagen vor einem Zug. Es handelt sich dabei um den Ich-Erzähler Natan, dessen fiktiver Charakter stellvertretend für jene Kinder steht, die tatsächlich in einem kleinen Dorf in der Poebene Unterschlupf gefunden haben, denn der Roman beruht auf einer wahren Geschichte. Nathan erzählt aus seinem Leben, von seiner Familie, von seinen Ängsten und Gefühlen; und das geschieht häufig durch seine kindliche Sicht; andere Stellen wirken recht erwachsen, und diese Entscheidung des Autors ist plausibel, denn richtig Kind sein konnten die jungen Flüchtlinge trotz der Bemühungen von Don Arrigo in dieser ungewissen Zeit nicht mehr so ganz.
Immer wieder ruft sich Natan die Namen jener ins Gedächtnis, die er nicht vergessen will; Namen jener Menschen, die den Kindern geholfen haben, obwohl sie sich selber damit in Gefahr gebracht haben. Am Ende des Buches gibt es eine Liste der an den damaligen Geschehnissen Beteiligten. Der Autor versieht in diesem Roman das ernste Thema der Shoah durch die kindliche Sicht mit einer gewissen Leichtigkeit und erreicht dadurch sicher nicht nur historisch Interessierte.

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Veröffentlicht am 06.10.2023

Das Schwert des Julius Cäsar

Schatten über Colonia – Ermittlungen am Rand des Römischen Reichs
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Köln heißt im Jahr 87 nach Christus noch Colonia und ist eine weltoffene Stadt. Menschen verschiedener Kulturen leben innerhalb der Stadtgrenzen ebenso friedlich zusammen wie mit den germanischen Völkern ...

Köln heißt im Jahr 87 nach Christus noch Colonia und ist eine weltoffene Stadt. Menschen verschiedener Kulturen leben innerhalb der Stadtgrenzen ebenso friedlich zusammen wie mit den germanischen Völkern jenseits des Rheins. Nach einigen Überfällen auf Landvillen geraten die Germanen unter Verdacht und der junge Anwalt Quintus Tibur, selbst Sohn einer Germanin und eines römischen Soldaten, wird ins Geschehen verwickelt. Zusammen mit der jungen Römerin Lucretia versucht er die Verbrecher zu finden.
Das Buch verfügt über einen hilfreichen Stadtplan des damaligen Köln, eine Landkarte des Römischen Reichs, sowie ein Glossar mit lateinischen Begriffen, die in den Text einfließen. Die Kapitel haben eine angenehme Länge und werden jeweils durch Mäander abgeschlossen. Die große Schrift ist augenschonend, der Schreibstil fließend; so kommt man trotz hoher Seitenanzahl recht schnell durch die Handlung. Das Leben im Römischen Reich wird modern und auch humorvoll erzählt.
Das Autorenduo macht die Atmosphäre der damaligen Zeit lebendig, sei es durch die Beschreibung der Architektur, des Rechtswesens oder der persönlichen Hygiene. Großer Wert ist auch auf die Stellung der einzelnen Bevölkerungsgruppen gelegt; stark konzentriert sich die Geschichte auch auf die vorgegeben Wege, die den Frauen zugeteilt sind. Gerade Lucretia ist eine junge Frau, die mit ihrer Rolle nicht ganz zufrieden ist.
So interessant die Informationen aus den verschiedenen Lebensbereichen auch sind, an etlichen Stellen wäre weniger Wissen wünschenswert, da manche Absätze zu sehr an ein Sachbuch erinnern. Lesern, denen die Zeit der Römer bisher unbekannt war, werden allerdings nicht nur gut unterhalten, sondern auch viel Geschichtliches dazulernen.

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Veröffentlicht am 02.10.2023

Ispettore Lamprecht ermittelt wieder in seinem Triest

Die Geister von Triest
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Zu Beginn des Ersten Weltkriegs findet man in Triest die schlimm zugerichtete Leiche einer schrulligen Alten, von allen „Hexe“ genannt. Der zuständige Ispettore der Triestiner Polizei, Gaetano Lamprecht, ...

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs findet man in Triest die schlimm zugerichtete Leiche einer schrulligen Alten, von allen „Hexe“ genannt. Der zuständige Ispettore der Triestiner Polizei, Gaetano Lamprecht, muss zur Lösung des rätselhaften Mordes in die Geschichte Triests und in Kunsthandels eintauchen. Dabei stößt er auf halbseidene Ganoven und generationenübergreifenden Aberglauben. Begleitet wird er von seiner klugen Schwester Adina, seiner neuen Sekretärin Clara und der schönen Witwe Alessia …
Das Cover zeigt einen alten Torbogen in Triest sowie drei Männer, die der damaligen Zeit gemäß gekleidet sind. Die Kapitel haben eine angenehme Länge und deren Überschriften verweisen in wenigen Worten auf den ungefähren Inhalt des jeweiligen Abschnitts. Im Anhang verfügt das Buch über den Stammbaum der „Hexe“. Der Schreibstil überzeugt wie auch schon im ersten Teil des Kriminalromans rund um den leidenschaftlichen Rennradfahrer Gaetano Lamprecht, der in Triest als Kriminalinspektor tätig ist. Der Autor baut italienische Wörter ein, genau wie auch typisch österreichische Ausdrücke der Zeit. Die Hafenstadt an der Adria ist weiterhin ein Schmelztiegel unzähliger Ethnien, allerdings scheint ihr Zusammenleben durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs nun nicht mehr ganz so friedlich. Auch der soziale Aspekt der damaligen Zeit wird in dieser Geschichte verarbeitet, indem nicht nur die Situation der Arbeiter jener der Villenbewohner gegenübergestellt, sondern auch die Rolle der Frauen beleuchtet wird.
Alle angesprochenen Punkte verarbeitet der Autor mit einer Leichtigkeit wie nebenbei in diesem spannenden Kriminalfall, der natürlich die Hauptrolle in diesem Buch übernimmt. Ein Familiengeheimnis, das viele Jahre gewahrt werden konnte, führt letztendlich zu mehreren Morden. Und diese Geschehnisse werden auf so fesselnde Weise wiedergegeben, dass man beim Lesen keine Pause machen möchte. Wer den sympathischen Kommissar in „Ein Giro in Triest“ bereits kennenlernen durfte, wird ihn auch in diesem Teil wieder lieben. Mag man seinen Handlungen nicht immer positiv gegenüberstehen, verzeiht man ihm wegen seiner sympathischen Art doch vieles. Und hofft auf eine Fortsetzung aus dem Leben des Gaetano Lamprecht ...

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Veröffentlicht am 18.09.2023

Vätererbe

Kajzer
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Seinen Großvater hat er nicht gekannt, sich für die Familiengeschichte bisher nicht besonders interessiert, und dennoch beginnt der Autor plötzlich zu forschen. In Polen macht er sich auf die Suche nach ...

Seinen Großvater hat er nicht gekannt, sich für die Familiengeschichte bisher nicht besonders interessiert, und dennoch beginnt der Autor plötzlich zu forschen. In Polen macht er sich auf die Suche nach dem Wohnhaus seiner Ahnen. Das Mietshaus in Schlesien wurde von den Nazis enteignet und nicht mehr an die Familie zurückgegeben. Auf dieser Spurensuche kreuzt er die Wege von Schatzsuchern, Anwälten und anderen Fremden. Er stellt Bezüge zur Vergangenheit her und außerdem viele Fragen, unter anderem, was es überhaupt bedeutet, ein Erbe anzunehmen.
Die abgeschlagene Emailtasse am Cover führt passend ins Thema Erbe und Familie; es könnte sich dabei gut um die Erinnerung an einen Vorfahren handeln. Kaisers Buch besteht aus vier Teilen und umfasst einen Zeitraum von mehreren Jahren. Er bezeichnet es selbst als Sachbuch, doch nicht nur durch die Sicht eines Ich-Erzählers wird es sehr persönlich und dadurch auch berührend. Er zitiert Passagen aus den Aufzeichnungen eines – neu entdeckten - Verwandten, baut Dialoge ein und wirkt in allen Ausführungen recht ehrlich; bei allem Ernst der Thematik versteckt er an etlichen Stellen im Text auch trockenen Humor.
Der Autor gibt in diesem Buch die Ergebnisse seiner außergewöhnlichen und ihn oft ermüdenden Spurensuche preis; mit allen Herausforderungen, Hindernissen und juristischen Spitzfindigkeiten, denen er dabei begegnet. Er baut historische Fakten ein, die dennoch nicht leicht greifbar sind; er schweift ab, beschäftigt sich mit Ausführungen zu Verschwörungstheorien, mit Goldsuchern oder anderen Themen. Und immer wieder kehrt er zurück zum Begriff Erbe, das er weniger in dem gesuchten Gebäude sieht, sondern vielmehr im Immateriellen und dadurch auch im Bemühen darum, zu begreifen, was man zurückgewinnen will.

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Veröffentlicht am 10.09.2023

Ein Hakawati erzählt

Wenn du erzählst, erblüht die Wüste
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Der weise König Salih beherrscht im 19. Jahrhundert ein arabisches Land. Seine Tochter ist verliebt in einen armen Fischer und verfällt in tiefe Melancholie, weil sie sich am Tod ihrer Mutter schuldig ...

Der weise König Salih beherrscht im 19. Jahrhundert ein arabisches Land. Seine Tochter ist verliebt in einen armen Fischer und verfällt in tiefe Melancholie, weil sie sich am Tod ihrer Mutter schuldig fühlt. Kaffeehauserzähler Karam will die Prinzessin mit Geschichten heilen. Jeden Abend wird von ihm und anderen Personen im Palast von Mut und Feigheit, Freund- und Feindschaft, Liebe und Weisheit des Herzens erzählt. Diese Hommage ans Erzählen erinnert an „Tausendundeine Nacht“; das Hörbuch wird gesprochen von Wolfgang Berger.
Das Cover erinnert mit seinen bunten Kacheln sofort an den Orient; Wolfgang Berger spricht langsam und ausdrucksvoll und versetzt den Hörer zurück in eine ferne Zeit. Dennoch ist es dem Autor gelungen, die Geschichten in die heutige Zeit zu „übersetzen“ und zu modernisieren. Viele Anspielungen in Fabeln und anderen Anekdoten erinnern durchaus an gegenwärtige Zustände und kritisieren diese. König Salihs Herrschaftsgebiet ist ein fiktives Land im arabischen Raum, in dem Personen verschiedener Glaubensbekenntnisse friedlich zusammenleben; Händler und Gelehrte, Bettler und Handwerker – alle vertragen sich. Im Gegensatz dazu sind die sechs Nachbarländer alle untereinander zerstritten.
Die Geschichten in diesem Buch sind unterschiedlich lang, doch jede einzelne von ihnen ist sehr aussagekräftig. Sie stellen nicht nur schlechte Herrscher, sondern auch betrügerische Glaubensmänner an den Pranger. Immer wieder spielen Frauen eine Hauptrolle; es sind starke und kluge Personen, die sich durchaus selbst verteidigen können und sich frei bewegen dürfen.
Durch die Vielfalt der Geschichten eignet sich das Hörbuch hervorragend zum mehrmaligen Hören. Ein paar Minuten reichen, um wieder zum lauschenden Kind zu werden.

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