Profilbild von biancaneve66

biancaneve66

Lesejury Profi
offline

biancaneve66 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit biancaneve66 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.12.2022

Die Geschichte durch eine Familiengeschichte erzählt

Trifilij, seine Frau Tatjana und seine Töchter, Marseillaise und Felitsata
0

In einzelnen Episoden fasst diese Biografie einer sowjetischen Familie im Lauf eines Jahrhunderts zusammen. Dadurch entsteht ein Gesamtbild des Lebens der Familie während einer komplexen historischen Epoche ...

In einzelnen Episoden fasst diese Biografie einer sowjetischen Familie im Lauf eines Jahrhunderts zusammen. Dadurch entsteht ein Gesamtbild des Lebens der Familie während einer komplexen historischen Epoche der Sowjetunion.
Familienvater Trifilij war als Revolutionär Mitstreiter Stalins im Russischen Bürgerkrieg, wurde aber in der Zeit der Zwangskollektivierung zu Stalins Gegner. Trifilij suchte sein Leben lang nach Wahrheit und wollte seine Erfahrungen im „Buch des Lebens“ veröffentlichen. Das Schicksal wollte es jedoch anders. Auch die Schicksale seiner Frau Tatjana und der Töchter Marseillaise waren recht ungewöhnlich. Das Buch zeigt die Verbindung zwischen Generationen und wie die Geschichte unserer Vorfahren unsere Wahrnehmung der Welt beeinflusst, auf.
Das Cover zeigt ein harmonisches Bild einer Familie an einem Flussufer, wobei das fließende Gewässer schon auf den Lauf des Lebens hinweist. Der biografische Roman ist in drei Teile unterteilt, in denen jeweils weibliche Familienmitglieder als Ich-Erzählerinnen die wichtigsten Ereignisse ihres Lebens darlegen. Am Ende des Buches gibt es einen Abschnitt mit hilfreichen Kommentaren mit Begriffserklärungen. Nicht nur dieser Teil zeigt, wie gut die Autorin für ihr Werk recherchiert hat.
Helene Yalden gibt sehr persönliche Details ihrer Familiengeschichte preis. Sie fungiert auch als Erzählerin des ersten Strangs der Familiengeschichte. Anhand ihrer eigenen Biographie informiert sie über das Leben ihrer Eltern und Großeltern. Hier liegt der Schwerpunkt vor allem beim Großvater Trifilij. Im zweiten Teil berichtet die Ich-Erzählerin Marseillaise, die Mutter der Autorin und im dritten Abschnitt übermittelt Tante Felitsata aus ihrem Leben. Teilweise überschneiden sich die dargestellten Geschehnisse, da sie aber immer aus verschiedenen Blickwinkeln wiedergegeben werden, erscheinen sie unterschiedlich.
Der Autorin ist mit diesem Werk ein sehr interessanter Einblick auf das Leben in der Sowjetunion gelungen, der vieles verständlicher macht, aber nie belehrend wirkt. Die Anekdoten der Familie sind mit den politischen Ereignissen verwoben und lassen sie vor den Augen der Leser durch die bildhafte Sprache sehr realistisch erscheinen. Insgesamt handelt es sich bei diesem Buch um ein sehr lesenswertes Stück Zeitgeschichte, an welchem Interessierte lange Freue haben werden.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.11.2022

Die Mordslady auf schiefer Bahn

Frau Morgenstern und die Flucht
0

Violetta Morgenstern wählt statt ihrer Pension den Weg als staatliche Auftragskillerin. Dass ausgerechnet ihr Freund eliminiert werden soll, geht ihr allerdings zu weit und so steht sie selbst auf der ...

Violetta Morgenstern wählt statt ihrer Pension den Weg als staatliche Auftragskillerin. Dass ausgerechnet ihr Freund eliminiert werden soll, geht ihr allerdings zu weit und so steht sie selbst auf der Abschussliste. Ihr Kollege Miguel Schlunegger steht ihr bei, verschwindet mit ihr im Untergrund und übernimmt mit ihr zusammen nun private Aufträge. Einer davon soll den Tod eines Jungen aufklären und führt zu einem Geheimnis, das einen ganzen Ort gefährdet.
Das Cover, ganz nach Tradition der drei Vorgänger-Bände, ist farbenfroh und zeigt uns die toughe Killerin. Auch dieses Buch startet wieder mit einem spannenden Prolog und führt in kurzen Kapiteln immer tiefer ins Abenteuer von Frau Morgenstern und ihrem Partner. Im Vergleich zu den ersten drei Geschichten hat dieser Krimi kein bisschen an Fahrt verloren; ganz im Gegenteil – der Autor konnte noch ein Schippchen auf die aberwitzigen Begebenheiten drauflegen. Die Lektüre der drei vorhergehenden Geschichten ist übrigens zum Verständnis dieses Krimis nicht notwendig. Allerdings wird dieser Band jedem Appetit auch auf die anderen Morgenstern-Erlebnisse machen.
Marcel Huwyler ist ein wunderbarer Erzähler. So irreal ein Auftragskillertum im Namen des Staates – und wohlgemerkt des Schweizer Staates - auch scheinen mag, man kauft es dem Autor ab, wie auch so manch andere geniale Idee. Er schafft es auch hier wieder, seine ausgefallenen Ideen in großartige Sätze zu kleiden – er jongliert geradezu mit den Wörtern. Seine knackigen, aussagekräftigen Äußerungen sind mit viel Wortwitz ausgestattet; vor allem die Beschreibung der Gedanken seiner Protagonisten sind wunderbar ironisch; seine Wortkreationen so überraschend wie treffend.
Wer die Geschichten um die Mordslady liest, wird geradezu in die Geschehnisse hineingezogen und mag sich kaum mehr davon trennen. Ich empfehle allerdings, sich für diesen Krimi recht viel Zeit zu nehmen, um jedes einzelne Wort zu genießen – und gleichzeitig länger etwas von der großartigen Geschichte zu haben.
Ich habe Violetta und Miguel, eigentlich zwei grundverschiedene Charaktere, richtiggehend ins Herz geschlossen, mit ihnen mitgefiebert und gerade in diesem Band sogar mit den Auftragskillern mitgefühlt. Daher freue ich mich jetzt schon wieder auf die Fortsetzung dieser kurzweiligen Krimireihe, die ausgeklügelt bis ins letzte Detail ist.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.11.2022

Geheimnisvolle Mumien

Der Tod steigt aus dem Sarkophag
0

Millionärstochter Alison Granville befindet sich mitten in der Ausbildung zur Privatdetektivin, als sie den Geburtstag ihrer Tante Mildred organisieren soll. Die Egyptian Sculpture Gallery im British Museum ...

Millionärstochter Alison Granville befindet sich mitten in der Ausbildung zur Privatdetektivin, als sie den Geburtstag ihrer Tante Mildred organisieren soll. Die Egyptian Sculpture Gallery im British Museum als Party-Location wird allerdings bald zum Ausgangspunkt für Alisons zweiten Fall. Ein umgestoßener Sarkophag löst das Unheil aus, eine Museumsaufseherin stirbt, Alisons beste Freundin verschwindet. Liegt die Ursache hier in einem Fluch auf Alisons Familie?
Das düstere Cover zeigt eine geöffnete Doppeltür, die Blick auf einen ägyptischen Sarkophag und eine leblose Hand daneben ermöglicht. Das Buch ist in fünf Teile gegliedert; auf einen Abstecher in die Vergangenheit der Granvilles folgen übersichtliche Kapitel, die mit minutengenauen Zeit- und detaillierten Ortsangaben beschriftet sind. Der Schreibstil ist sehr einnehmend und immer wieder mit humorigem Unterton versehen.
Zu diesem Krimi gibt es bereits den Vorgänger „Der Tod bucht Zimmer 502“, der zwar nicht zum Verständnis dieser Geschichte notwendig ist, dessen Lektüre sich aber auf jeden Fall lohnt. Sympathische Charaktere, Cliffhanger am Ende vieler Kapitel, eine temporeiche Handlung mit einigen Missverständnissen und viel Situationskomik machen diesen London-Krimi zu einem kurzweiligen Highlight. Protagonistin Alison erweist sich als brillante Ermittlerin, Polizist Teddy bringt neben seinen fachlichen Fähigkeiten auch eine gehörige Portion Familienangelegenheiten mit in die Geschichte, und die schrullige Tante Mildred sowie der umsichtige Butler Roy erlauben einen Einblick in Londons bessere Gesellschaft.
Insgesamt ist dem Autor hier wunderbare Geschichte gelungen, die einen sofort in seinen Bann zieht. Wie beruhigend, dass er uns am Ende sogar eine Fortsetzung verspricht!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.11.2022

Wandern zwischen verschiedenen Welten

Die Welt durch Wörter sehen
0

Federica de Cesco verfasste mit »Der rote Seidenschal« im Alter von fünfzehn Jahren ihren ersten Roman und hat seither auch nicht mit dem Schreiben aufgehört. 65 Jahre nach Veröffentlichung ihres Jugendromans ...

Federica de Cesco verfasste mit »Der rote Seidenschal« im Alter von fünfzehn Jahren ihren ersten Roman und hat seither auch nicht mit dem Schreiben aufgehört. 65 Jahre nach Veröffentlichung ihres Jugendromans hat sie einige ihrer Arbeiten - Vorworte, Vorträge, Lieblingsgeschichten, Anekdoten – in diesem Buch gesammelt.
Am Cover trägt die lebenserfahrene Autorin einen roten Seidenschal um ihren Hals. Die Sprache ist einfach Geschichten stammen aus verschiedenen Zeitabschnitten, die letzte Erzählung der Sammlung ist ein Nachwort, das de Cesco selbst verfasst hat.
Die Anekdoten greifen verschiedene Themen auf, die aus den Erfahrungen und Eindrücken der Autorin entstanden sind; in einigen wird auf die Freiheit der Menschen hingewiesen, andere beschäftigen sich mit der Stellung der Mädchen und Frauen, welche die Autorin zu mehr Egoismus und Mut animieren möchte; in allen herrscht eine einfache Sprache vor, die Tatsachen mit klaren Worten beschreiben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.11.2022

Das Glück in einer Mokkatasse

Krawall und Kekse
0

1953 erstmals erschienen, gibt die Autorin dieses Buch die absurd-komische Betrachtung des Lebens als Ehefrau und Mutter von vier Kindern in einem baufälligen Herrenhaus in Vermont wieder. Ob es sich um ...

1953 erstmals erschienen, gibt die Autorin dieses Buch die absurd-komische Betrachtung des Lebens als Ehefrau und Mutter von vier Kindern in einem baufälligen Herrenhaus in Vermont wieder. Ob es sich um liegenbleibende Autos, Haushaltshilfen, die nicht wiederkommen, oder den selbstvergessenen Ehemann handelt, oder ob es die Kinder sind, die ihr auf der Nase herumtanzen, und die für den Vater erst interessant werden, wenn sie lesen und schreiben können – Shirley Jackson verewigt all ihre turbulenten Abenteuer in diesem unterhaltsamen Buch. Siebzig Jahre nach seinem ersten Erscheinen ist es immer noch ein Lesevergnügen.
Bereits am Cover steckt die Protagonistin dieses Romans vollkommen in ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter fest; oder besser gesagt im Backofen einer Küche der Fünfziger Jahre. Die Autorin erzählt die Erlebnisse ihres Alltags chronologisch, dennoch bleibt es dabei oft bei der Aneinanderreihung von Episoden. Was allerdings nicht verwundert – erschienen die Geschichten doch zunächst als Kolumnen in Frauenzeitschriften. Wenn Jackson im Erzählfluss ist – und zu erzählen hat sie wirklich viel – endet dies oft in langen verschachtelten Sätzen. Beherrscht wird die Beschreibung all dieser kleinen Begebenheiten von einer ordentlichen Prise Humor.
Man mag über die Rollenverhältnisse der damaligen Zeit schmunzeln. Genau besehen gibt es allerdings immer noch erstaunlich viele Parallelen zur heutigen Rolle einer arbeitenden Hausfrau und Mutter, die versucht, ihr Multitasking auf die unterschiedlichen Mehrfachrollen zu verteilen und diese unter einen Hut zu bringen.
Diese Lektüre bietet einige unterhaltsame Stunden mit Episoden aus einem abwechslungsreichen Familienleben. In manchen dieser Episoden mag sich der Leser wiederfinden, bei anderen wird er sich fragen, ob solche Situationen sich wirklich zugetragen haben können. Zeitlose Unterhaltung findet man in diesem Buch aber auf jeden Fall.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere