Berührend und schnörkellos
Nach Mattias“Trauer ist wie ein Schatten. Der richtet sich dem Stand der Sonne, fällt morgens anders als abends. Der lehnt dunkel und geduldig an der Wand, streckt sich in voller Länge über den Asphalt aus oder zeichnet ...
“Trauer ist wie ein Schatten. Der richtet sich dem Stand der Sonne, fällt morgens anders als abends. Der lehnt dunkel und geduldig an der Wand, streckt sich in voller Länge über den Asphalt aus oder zeichnet hinter deinem Rücken die Silhouette einer graziös drohenden Schlange auf den zu lange nicht gemähten Rasen.“
“Eine Woche nach Mattias wurde sein Fahrrad geliefert” und fahren wird er damit er nie, denn eine Woche vor dem Fahrrad starb Mattias. Das Um und Auf dieses Romans ist Mattias. Es geht um die Leben der Menschen aus dessen Mitte er gerissen wurde Menschen, die indirekt oder direkt betroffen sind, Reaktionen auf sein nicht mehr unter ihnen sein. In neun Kapiteln erleben wir neun Personen nach Mattias, ihre Trauer und ihre Wege damit umzugehen, sowie Personen, die indirekt damit konfrontiert sind. Wir lernen u. a. seine Partnerin , seine Mutter, seine Großeltern , seinen besten Freund, einen Onlinefreund und einen Ferienhausvermieter kennen und durch sie auch Mattias, sein Leben, Wesen, Wirken und Dasein. Viele Formen der Trauer werden jeweils subjektiv, untheatralisch und authentisch erzählt.
“Da wurde mir klar, dass nicht nur er selbst ein für alle Mal nicht mehr da sein würde, sondern auch die Geräuschkulisse, mit der er mich jahrelang umgeben hatte: sein Sein…”
Dieser Roman hatte mich von der ersten Seite und weglegen konnte ich ihn nicht mehr, dennoch habe ich mir zwei Tage Zeit gelassen für die 232 Seiten um sacken und wirken zu lassen. Ich war neugierig, wollte den Roman unbedingt lesen, aber ich hatte Angst. Vor zwei Jahren blieb meine eigene Welt stehen und so richtig rund dreht sie sich noch nicht wieder, sie eiert noch etwas und wird dies wohl auch immer wieder mal tun. Bücher um die Themen Trauer und Tod fasse ich deshalb mit Vorsicht an, denn leider sind sie oft nicht authentisch, sondern dramatisch, theatralisch, kitschig und voller Wertung. “Nach Matthias” ist glaubwürdig und realistisch. Der Roman kommt leise und still daher, präzise in Wort und Stil, ruhig und doch lebendig. Der Autor hat sehr gute Metaphern eingefügt, eine klare und schöne Sprache, wodurch er viele Bilder zeichnet und vorm inneren Auge entstehen lässt. Ohne Urteil und Wertung werden verschiedene Formen der Trauer dargestellt, denn so ist es, jeder trauert anders und für sich. Es gibt so viele Wahrheiten und Wahrnehmungen, wie es Menschen gibt. Als Partnerin erlebt man jemanden anders als durch Onlinekontakt, als Mutter/Vater oder besten Freundin. Und doch für jeden ein Verlust. Der Roman ist bemerkenswert konstruiert, denn mit den einzelnen Personen und ihren Erzählungen, ihren Leben spinnt der Autor ein Netz und Verbindungen zwischen diesen, welche auf den ersten Blick unsichtbar sind, sich erst Schicht für Schicht zeigen. Ein Nach ist gleichzeitig auch ein Davor, der Weg aus Dunkelheit ins Licht kann sehr steinig sein, doch geht jemand für immer, hinterlässt er viel in jedem, Dinge die im Davor nicht erkennbar waren. Trauer und Schmerz wandeln sich irgendwann in Dankbarkeit und in eine Fülle schöner Erinnerungen.
“Die Tage danach bestanden aus Stunden, Minuten und Sekunden, müssen sie wohl, denn so ist es immer, aber ich war nicht dabei. Ich habe nichts davon mitbekommen.”
Peter Zantingh schreibt empathisch und sensibel, prägnant, ruhig und hält sich knapp in Schilderungen. Emotionen transportiert er treffend und in großer Bandbreite: Liebe, Mitgefühl, Wut, Freundschaft, Vergebung, Eifersucht, Dankbarkeit und vielen mehr. Ich hoffe noch mehr von dem Autor in Zukunft zu lesen, denn dieser Roman hat mir sehr gefallen. Leseempfehlung!